Der Bundesgerichtshof

Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG

Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG / Gesetz zur Neuregelung

vom 21.12.2007, BGBl I S. 3198 (PDF, 129KB, nicht barrierefrei)

Entscheidungsformel des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 (BGBl I S. 272 (PDF, 30KB, nicht barrierefrei))

Aus dem Gesetzentwurf:

Die Bundesregierung hat seit längerem angekündigt, ein harmonisches Gesamtsystem der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden zu schaffen (vgl. bereits in der 14. Legislaturperiode: BR-Drs. 702/01 (PDF, 905KB, nicht barrierefrei), S. 10 f.). Um eine entsprechende Neuregelung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, die die Bedürfnisse der Strafverfolgungspraxis und den Diskussionsstand in der Rechtswissenschaft berücksichtigt, hat die Bundesregierung rechtswissenschaftliche und rechtstatsächliche Gutachten eingeholt (vgl. Wolter/Schenke [Hrsg.], Zeugnisverweigerungsrechte bei [verdeckten] Ermittlungsmaßnahmen, 2002; Albrecht/Dorsch/ Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, 2003; Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung [„großer Lauschangriff“] nach § 100c I Nr. 3 StPO, 2004). Auch Erfahrungsberichte der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Praxis tragen hierzu bei. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse belegen insbesondere im Bereich der Telekommunikationsüberwachung einen Änderungsbedarf aufgrund technischer Neuerungen und Schwierigkeiten in der Strafverfolgungspraxis bei der Anwendung der bisherigen gesetzlichen Regelungen.

Änderungsbedarf ergibt sich darüber hinaus aus mehreren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts:

  • Mit Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – (BVerfGE 113, 348, 391) hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass auch im Bereich der Telekommunikationsüberwachung Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung erforderlich sind. Diese für die Überwachung der Telekommunikation im präventiven Bereich aufgestellte Forderung ist auf den Bereich der Strafprozessordnung (StPO) zu übertragen.
  • Die Entscheidungen vom 4. Februar 2005 – 2 BvR 308/04 – (NJW 2005, 1637, 1639 f.) und vom 2. März 2006 – 2 BvR 2099/04 – (BVerfGE 115, 166 ff.) veranlassen eine Klarstellung, nach welchen Rechtsvorschriften bei der Erhebung von Verkehrsdaten von Datenträgern zu verfahren ist, wenn diese sich nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nicht im Herrschaftsbereich des Telekommunikationsdienstleisters befinden.
  • Schließlich ist es erforderlich, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum – auch nachträglichen – Rechtsschutz (BVerfGE 30, 1, 23 f., 30 f.; 65, 1, 46; 67, 157, 185; 100, 313, 361 f., 364; 103, 142, 151; 105, 239, 248; 107, 299, 337 f.), zur Datenlöschung (BVerfGE 69, 1, 49; 100, 313, 364 f.), zur Datenverwendung (BVerfGE 100, 313, 360; 107, 299, 328; 109, 279, 374, 379 f.; 110, 33, 73, 75) und zu der die Ordnungsmäßigkeit der Datenverwendung ermöglichenden Kennzeichnungspflicht (BVerfGE 100, 313, 360; 109, 279, 374, 379 f.) konsequent auf alle eingriffsintensiven verdeckten Ermittlungsmaßnahmen zu übertragen.

Änderungsbedarf ergibt sich außerdem aus den Vorgaben des Übereinkommens des Europarats über Computerkriminalität (PDF, 222KB, nicht barrierefrei) (so genannte Cybercrime-Konvention), dessen Ratifizierung durch Deutschland demnächst erfolgen soll.

Umzusetzen in innerstaatliches Recht sind ferner die Vorgaben der am 3. Mai 2006 in Kraft getretenen Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. EU Nr. L 105 S. 54 ff. (PDF, 92KB, nicht barrierefrei))*, insbesondere hinsichtlich der innerstaatlichen Einführung von Speicherungspflichten für Verkehrsdaten sowie darauf bezogener statistischer Erhebungen und Berichtspflichten. Artikel 15 der Richtlinie 2006/24/EG sieht grundsätzlich eine Umsetzung bis zum 15. September 2007 vor.

Werdegang auf europäischer Ebene:

Bezug:

Ratifikation des Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarates vom 23. November 2001 über Computerkriminalität

Nationale Umsetzung:

Referentenentwurf (PDF, 1MB, nicht barrierefrei) (Stand: 27.11.06)

Regierungsentwurf (PDF, 816KB, nicht barrierefrei)

Synopse (PDF, 479KB, nicht barrierefrei) Regierungsentwurf - geltendes Recht (Quelle: BMJ)


Aus dem Angebot des Deutschen Bundestages**:

Parlamentsmaterialien beim DIP (HTML)Parlamentsmaterialien beim DIP (PDF, 636KB, nicht barrierefrei)


Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 19.09.2007 und 21.09.2007:

Stellungnahmen:

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