Der Bundesgerichtshof

Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes

Bundeskriminalamtgesetzes / Gesetz zur Neustrukturierung des

vom 01.06.2017, BGBl I S. 1354 (PDF, 349KB, nicht barrierefrei)

Aus dem Gesetzentwurf:

Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 20. April 2016, Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09, und der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates.

Bei der Umsetzung der genannten Vorgaben orientiert sich der Gesetzentwurf an drei Zielen: erstens der Stärkung des Datenschutzes, zweitens der Harmonisierung zur Verbesserung des Informationsflusses zwischen den Polizeibehörden in Europa und drittens der Modernisierung des Bundeskriminalamtes als Zentralstelle, u. a. nach dem Vorbild Europols.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Bundeskriminalamtgesetz festgestellt, dass die Befugnisse des Bundeskriminalamtes zum Einsatz verdeckter Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus im Grundsatz mit den Grundrechten des Grundgesetzes vereinbar sind. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht das bestehende Bundeskriminalamtgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Es hat geurteilt, dass bei solchen Maßnahmen, die tief in das Privatleben Betroffener hineinreichen, besondere Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu stellen sind. Insbesondere verlangen die Befugnisse besondere Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie einen Schutz von Berufsgeheimnisträgern, unterliegen sie Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und datenschutzaufsichtliche Kontrolle und müssen von Löschungspflichten bezüglich der erhobenen Daten flankiert sein.

Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht zudem ein Grundsatzurteil zum polizeilichen Datenschutz gesprochen, mit dem es die bisherige Rechtsprechung zu den einzelnen verdeckten Ermittlungsbefugnissen zusammenführt, sie in übergreifende Prinzipien systematisiert, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Zweckbindung und Zweckänderung von Daten fortentwickelt und erstmals Aussagen zur Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen im Ausland trifft. Es hat insbesondere ausgeführt, dass sich die Anforderungen an die Nutzung und Übermittlung staatlich erhobener Daten nach den Grundsätzen der Zweckbindung und Zweckänderung richten und sich die Verhältnismäßigkeitsanforderungen für eine solche Zweckänderung am Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung zu orientieren haben. Auch die Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen im Ausland unterliegt diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Zweckänderung und Zweckbindung.

Die bestehende IT-Architektur des Bundeskriminalamtes, insbesondere das polizeiliche Informationssystem INPOL, ist für die Umsetzung der Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 nicht ausgelegt und daher grundlegend neu zu strukturieren. Die Zentralstellenfunktion des Bundeskriminalamtes ist deshalb nicht nur vor dem Hintergrund der hohen terroristischen Bedrohungslage zu modernisieren und fortzuentwickeln. Einen wesentlichen Aspekt der Modernisierungsbestrebung stellt die Bereitstellung eines einheitlichen Verbundsystems mit zentraler Datenhaltung im Bundeskriminalamt dar, um die verfassungsrechtlichen Vorgaben auch für die anderen Polizeien des Bundes und die der Länder effektiv erfüllen zu können. Der Datenbesitz und damit die Verantwortung für die Daten verbleibt weiterhin bei den entsprechenden Polizeien des Bundes und der Länder. Hierdurch kann auch eine zeitgerechte Umsetzung von neuen fachlichen Anforderungen, insbesondere aus dem europäischen Bereich, gewährleistet werden.

Die Harmonisierung und Standardisierung der Informationsverarbeitung verlangt zukünftig eine Zentralstelle, die eine einheitliche Informationstechnik zur Verfügung stellt, Prozesse koordiniert und Diskussionsprozesse moderiert. Hierzu soll das Bundeskriminalamt mit seiner bereits originär definierten Position als Zentralstelle ertüchtigt werden. Um die Aufgabe einer modernisierten, dienstleistungsorientierten Zentralstelle wahrnehmen zu können, müssen die Strukturen und die IT-Technik des Bundeskriminalamtes modernisiert werden.

Darüber hinaus besteht ein allgemeiner Bedarf zur Überarbeitung des Bundeskriminalamtgesetzes in systematischer Hinsicht.

Bezug:

  • Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 zum Bundeskriminalamtgesetz (1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09)

  • Richtlinie 2016/680/EU vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119, 04.05.2016, S. 89 (PDF, 718KB, nicht barrierefrei))*


Referentenentwurf (PDF, 1MB, nicht barrierefrei) u.d.T.: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Datenschutzes und der Zentralstellenfunktion im Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (08.12.2016)

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Aus dem Angebot des Deutschen Bundestages**:

Parlamentsmaterialien beim DIP (CDU/CSU und SPD) (HTML)Parlamentsmaterialien beim DIP (PDF, 39KB, nicht barrierefrei)

Trennlinie, die unterschiedliche Inhalte trennt.

Öffentliche Anhörung vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 20.03.2017

Weitere Stellungnahmen

Parallele Initiative:

Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (für erledigt erklärt)
Initiative: Bundesregierung


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