Der Bundesgerichtshof

Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten

Verkehrsdaten / Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für

vom 10.12.2015, BGBl I S. 2218 (PDF, 106KB, nicht barrierefrei)

Aus dem Gesetzentwurf:

Bei der Aufklärung schwerer Straftaten und bei der Gefahrenabwehr sind Verkehrsdaten ein wichtiges Hilfsmittel für die staatlichen Behörden. Unter Verkehrsdaten im Sinne des § 96 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) versteht man die Daten, die bei einer Telekommunikation anfallen, also zum Beispiel die Rufnummer der beteiligten Anschlüsse sowie Zeit und Ort eines Gesprächs. Es geht nicht um die Inhalte der Telekommunikation, sondern um die Frage, ob und wann Telekommunikation überhaupt stattgefunden hat. Gegenwärtig können die Strafverfolgungsbehörden auf der Grundlage von § 100g der Strafprozessordnung (StPO) Verkehrsdaten bei den Telekommunikationsunternehmen bei Vorliegen eines Anfangsverdachts und entsprechender richterlicher Anordnung erheben. Dies gilt jedoch nur für zukünftig anfallende Daten sowie für Daten, die zum Zeitpunkt der Anfrage noch gespeichert sind, zum Beispiel, weil sie aus geschäftlichen Gründen noch benötigt werden. Die Speicherdauer ist bei den einzelnen Unternehmen unterschiedlich und reicht von sehr wenigen Tagen bis zu vielen Monaten. Es ist daher vom Zufall abhängig, ob Verkehrsdaten zum Zeitpunkt der Anfrage noch vorhanden sind oder nicht. Dies führt zu Lücken bei der Strafverfolgung und bei der Gefahrenabwehr und kann im Einzelfall dazu führen, dass strafrechtliche Ermittlungen ohne Erfolg bleiben, weil weitere Ermittlungsansätze nicht vorhanden sind.

Dieser Zustand ist mit der Bedeutung, die einer effektiven Strafverfolgung zukommt, nur schwer zu vereinbaren. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt das verfassungsrechtliche Gebot einer effektiven Strafverfolgung hervorgehoben, das Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet (BVerfGE 129, 208 <260> m.w.N.). Um diesen Zustand zu ändern, ist die Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Speicherung von Verkehrsdaten durch die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste erforderlich. Allerdings unterliegt eine entsprechende Regelung wegen der mit ihr verbundenen Grundrechtseingriffe strengen Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der gespeicherten Daten sowie der Datenverwendung. Sie ist auf das absolut Notwendige zu beschränken. Hinsichtlich der Datensicherheit muss ein hoher Standard normenklar und verbindlich vorgegeben werden.

Dies war bei den bisherigen Regelungen zur Einführung einer Speicherpflicht zur Strafverfolgungsvorsorge und zur Gefahrenabwehr auf europäischer wie auf nationaler Ebene nicht der Fall. Daher hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 (BVerfGE 125, 260) die §§ 113a und 113b TKG und auch § 100g Absatz 1 Satz 1 StPO, soweit danach Verkehrsdaten nach § 113a TKG erhoben werden durften, wegen Verstoßes gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) für nichtig erklärt und damit im Ergebnis die maßgeblichen Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 54 (PDF, 92KB, nicht barrierefrei))* aufgehoben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat am 8. April 2014 die Richtlinie 2006/24/EG für ungültig erklärt (verbundene Rechtssachen C-293/12 und C-594/12, EuZW 2014, 459), weil sie die Grundrechte aus den Artikeln 7 und 8 der Grundrechtecharta der Europäischen Union in unverhältnismäßigem Umfang einschränkte.

Leitlinien (PDF, 73KB, nicht barrierefrei) des BMJV zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (15.04.2015)

Referentenentwurf (PDF, 447KB, nicht barrierefrei) (15.05.2015)

Regierungsentwurf (PDF, 576KB, nicht barrierefrei) (vom 22.05.2015, beschlossen am 27.05.2015)

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Aus dem Angebot des Deutschen Bundestages**:

Parlamentsmaterialien beim DIP (HTML)Parlamentsmaterialien beim DIP (PDF, 41KB, nicht barrierefrei)

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Öffentliche Anhörung vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 21.09.2015

Stellungnahmen

Siehe auch:

Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (parallele Initiative der Bundesregierung)
Gesetz zur Strafbarkeit der Datenhehlerei



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