Der Bundesgerichtshof

Verhandlungstermin am 5. November 2015 in Sachen I ZR 91/11, I ZR 76/11 und I ZR 88/13 (Werbung für geschütztes Werk bzw. Vervielfältigungsstücke)

Datum: 05.11.2015

In den zur Verhandlung anstehenden Parallelverfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Fragen zu entscheiden, ob das Verbreitungsrecht gemäß § 17 Abs. 1 UrhG* mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG** auch das Recht umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und ob dieses Recht durch eine nicht notwendig zum Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werks führende Werbung verletzt sein kann.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11, eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts, gehört zur Knoll-Gruppe, die hochwertige Möbel herstellt und weltweit verkauft. Die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht, vertreibt europaweit Designmöbel im Direktvertrieb. Der Beklagte ist ihr Geschäftsführer.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte vertreiben Möbel nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte warb auf ihrer - auch in deutscher Sprache abrufbaren - Internetseite für den Kauf ihrer Möbel. Daneben warb sie für ihre Angebote in den Jahren 2005 und 2006 regelmäßig in Deutschland in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie einem Werbeprospekt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die streitbefangenen Möbel seien als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt. Sie nimmt für sich und ihre Muttergesellschaft die ausschließlichen Nutzungsrechte in Anspruch. In der in Deutschland veröffentlichten Werbung der Beklagten sieht sie eine Verletzung des Rechts aus § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten. Sie nimmt die Beklagten unter anderem auf Unterlassung sowie auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und auf Erteilung von Auskünften in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 76/11 ist alleinige Lizenznehmerin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten, die Prof. Wilhelm Wagenfeld während seiner Tätigkeit am Bauhaus entworfen hat. Sie produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Der Kläger ist Testamentsvollstrecker des verstorbenen Prof. Wagenfeld.

Die Beklagte zu 1 ist das in Italien ansässige Unternehmen, das auch im Verfahren I ZR 91/11 in Anspruch genommen wird. Sie bringt im Rahmen ihrer “Bauhaus-Kollektion“ auch Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Der Beklagte zu 2 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 3 ist eine Spedition. Der Beklagte zu 4 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 3.

Die Beklagte zu 1 warb deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit ihrer Bestellung in Italien. Die Werbung enthielt den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können.

Die Kläger haben die Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - wegen einer Verletzung ihres Rechts aus § 17 Abs. 1 UrhG unter anderem auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen sowie die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht beantragt.

Das Landgericht hat der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichteten Klage wegen Anbietens der Tischlampen im Wesentlichen stattgegeben und die gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage wegen Inverkehrbringens der Tischlampen abgewiesen. Die Berufung der Parteien ist überwiegend ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1 und 2 die vollständige Abweisung der gegen sie gerichteten Klage weiter. Die Klägerin verfolgt ihre gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage weiter.

Im Verfahren I ZR 88/13 nimmt die Klägerin, eine Rechtsanwalts-Partnerschaftsgesellschaft, die Beklagte, die im Internet einen Ton- und Bildträgerhandel betreibt, aus abgetretenem Recht auf Erstattung der Kosten einer anwaltlichen Abmahnung in Anspruch, die das Angebot einer nicht autorisierten Bild-/Tonaufnahme der Darbietung eines bekannten Künstlers über die Internetseite der Beklagten zum Gegenstand hatte.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren I ZR 91/11 mit Beschluss vom 1. April 2013 drei Fragen zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG vorgelegt. Die Verfahren I ZR 76/11 und I ZR 88/13 hat er bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen dahin beantwortet, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen sei, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt.

Vorinstanzen:

I ZR 91/11
LG Hamburg - Urteil vom 2. Januar 2009 - 308 O 255/07, GRUR-RR 2009, 2011
OLG Hamburg - Urteil vom 27. April 2011 - 5 U 26/09
BGH - Beschluss vom 1. April 2013 - I ZR 91/11, GRUR 2013, 1137 = WRP 2013, 1480 - Marcel-Breuer-Möbel
EuGH - Urteil vom 13. Mai 2015 - C-516/13, BeckRS 2015, 80639

I ZR 76/11
LG Hamburg - Urteil vom 12. September 2008 - 308 O 506/05, BeckRS 2013, 03666
OLG Hamburg - Urteil vom 30. März 2011 - 5 U 207/08, BeckRS 2013, 03665
BGH - Beschluss vom 11. April 2013 - I ZR 76/11, ZUM-RD 2013, 633

I ZR 88/13
AG Hamburg - Urteil vom 13. September 2012 - 35a C 159/12
LG Hamburg - Urteil vom 26. April 2013 - 308 S 11/12

*§ 17 Abs. 1 UrhG lautet:

Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

**Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.