Der Bundesgerichtshof

Verhandlungstermin am 4. November 2015, 11.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 217/14 (Zur Wirksamkeit der Herabsetzung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen auf 15 %)

Datum: 04.11.2015

In diesem Verfahren hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs darüber zu entscheiden, ob in Berlin die allgemeine Kappungsgrenze von 20 % für Mieterhöhungen in bestehenden Wohnraummietverhältnissen nach dem Vergleichsmietenverfahren für die Dauer von 5 Jahren wirksam auf 15 % herabgesetzt ist.

Zum Hintergrund:

Der Gesetzgeber hat zur Dämpfung des Anstiegs von Wohnraummieten ver-schiedene Maßnahmen ergriffen. Eine dieser Maßnahmen ist die bundesweit seit langem geltende Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 Satz 1 BGB*. Nach dieser Vorschrift darf die Miete während eines laufenden Mietverhältnisses nicht um mehr als 20 % innerhalb von drei Jahren erhöht werden. Infolge einer durch das Miet-rechtsänderungsgesetz vom 11. März 2013 (BGBl. I, S. 434) bewirkten Gesetzes-änderung sind die Landesregierungen seit dem 1. Mai 2013 ermächtigt, durch Rechtsverordnung diese Grenze für die Dauer von höchstens fünf Jahren in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde auf 15 % abzusenken, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (§ 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB*). Von dieser Möglichkeit haben inzwischen elf Bundesländer Gebrauch gemacht, darunter auch das Land Berlin (Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gemäß § 558 Absatz 3 BGB vom 7. Mai 2013 - Kappungsgrenzen-Verordnung, GVBl. 2013, 128).

Hiervon zu unterscheiden ist die nun durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 (BGBl. I, S. 610) eingeführte "Mietpreisbremse", die im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielt. Diese Maßnahme greift nicht bei laufenden Mietverhältnissen ein, sondern begrenzt die beim Abschluss eines Mietvertrages zulässige Miete auf einen Betrag von höchstens 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete, sofern die Mietwohnung in einem durch Rechtsverordnung der Landesregierung ausgewiesenen Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist Vermieter, der Beklagte seit 2007 Mieter einer Wohnung in Berlin-Wedding. Mit Schreiben vom 1. September 2013 forderte der Kläger vom Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Miete um 20 %. Er vertritt die Ansicht, die zulässige Mieterhöhung sei durch die Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung nicht auf 15 % herabgesetzt worden, denn die Verordnung sei unwirksam. Insbesondere macht er geltend, es sei unzulässig, die Kappungsgrenze für das gesamte Gemeindegebiet Berlins herabzusetzen, denn nicht in allen Stadtteilen sei eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit der Kläger die Zustimmung zu einer Erhöhung von mehr als den vom Beklagten anerkannten 15 % Steigerung verlangt hat. Dabei hat es angenommen, die Zivilgerichte seien nicht befugt, die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin auf ihre Rechtsmäßigkeit zu überprüfen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat im Gegensatz zur Vorinstanz zwar eine Verpflichtung der Zivilgerichte bejaht, in einem Prozess über eine Mieterhöhung die Wirksamkeit einer die allgemeine Kappungsgrenze herabsetzenden Rechtsverordnung zu überprüfen. Gleichwohl hat es die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, weil es nach der von ihm angestellten Prüfung die Rechtmäßigkeit der Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin bejaht hat.

Dem Berliner Senat sei als Verordnungsgeber bezüglich der Annahme einer besonderen Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen im gesamten Stadtgebiet oder einem Teil davon und der Ausweisung dieser Gebiete ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur der Kontrolle auf Prognosefehler unterliege und erst dann überschritten sei, wenn die Erwägungen des Verordnungsgebers nicht vertretbar, also so offensichtlich verfehlt seien, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die getroffene Maßnahme abgeben könnten. Gemessen daran sei eine Überschreitung des dem Verordnungsgeber zugebilligten Beurteilungsspielraums nicht festzustellen. Der Senat von Berlin sei mit vertretbaren Erwägungen unter Heranziehung geeigneter Grundlagendaten zu dem Ergebnis gelangt, dass das gesamte Stadtgebiet einer besonderen Gefährdung nach § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgesetzt sei.

Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Mieterhöhungsbegehren um den 15 % übersteigenden Betrag weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin - Urteil vom 3. Juli 2014 - 67 S 121/14
Amtsgericht Wedding - Urteil vom 3. März 2014 - 22d C 175/13

* § 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(1) 1Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. 2Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. […]
(3) 1Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). 2Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. 3Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.