Der Bundesgerichtshof

Verkündungstermin: 14. Dezember 2018 (Verhandlungstermin: 28.9.2018), in Sachen V ZR 309/17 (Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft)

Datum: 14.12.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem sich das klagende Land, das als Fiskus zum Erben eines Wohnungseigentümers berufen ist, gegen die Haftung wegen Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft wendet.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land (im Folgenden: Kläger) ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers (§ 1936 BGB). Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Auf Antrag des Klägers eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert.

Unterdessen erwirkte die Beklagte gegen den Kläger drei Anerkenntnisurteile betreffend das Wohngeld für einen Zeitraum ab September 2009. Aus diesen Urteilen, in denen dem Kläger jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung. Mit der Klage (Vollstreckungsgegenklage) möchte der Kläger erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat dieser Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Nach Ansicht des Landgerichts ist die Vollstreckungsgegenklage unbegründet, da die Haftung des Klägers nicht auf den Nachlass beschränkt sei. Dem stehe der in den Anerkenntnisurteilen erfolgte Ausspruch einer solchen Beschränkung mangels Rechtskrafterstreckung nicht entgegen. Die von dem Kläger nach § 1990 Abs. 1 BGB erhobene Dürftigkeitseinrede sei nicht zu berücksichtigen, da es sich bei den titulierten Wohngeldverbindlichkeiten um Eigenverbindlichkeiten des Klägers handele. Ein Fiskalerbe könne anders als ein natürlicher Erbe die Erbschaft nicht ausschlagen (§ 1942 Abs. 2 BGB), so dass für die erforderliche Abgrenzung zu den Nachlassverbindlichkeiten nicht an den Erwerb oder Nichterwerb des Nachlasses angeknüpft werden könne. Entscheidend sei vielmehr, ob sich der Fiskus passiv verhalte oder durch „eigenhändige“ Verwaltung des Nachlasses aktiv Nutzungen ziehe. Letzteres sei hier der Fall, weil der Kläger Mieteinnahmen eingezogen und laufendes Wohngeld gezahlt habe. Durch Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sei der Kläger zwar grundsätzlich von der Haftung frei geworden. Der Insolvenzverwalter habe aber die Wohnung aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, so dass die Haftungsbeschränkung nicht mehr zu berücksichtigen sei und der Kläger die Zahlung des Wohngeldes schulde.

Der Senat wird voraussichtlich über die in dem Verfahren V ZR 147/16 (NJW-RR 2017, 1040 Rn. 13) noch offen gelassenen Frage zu entscheiden haben, unter welchen Voraussetzungen nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss begründete Wohngeldschulden (jedenfalls auch) als Eigenverbindlichkeiten des Fiskus als Erben anzusehen sind.

Vorinstanzen:

AG Chemnitz - Urteil vom 10. Januar 2017 – 20 C 2065/16 WEG
LG Dresden – Urteil vom 3. November 2017 – 2 S 92/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1936 BGB Gesetzliches Erbrecht des Staates

Ist zur Zeit des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden, erbt das Land, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz oder, wenn ein solcher nicht feststellbar ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Übrigen erbt der Bund.

§ 1990 BGB Dürftigkeitseinrede des Erben

(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.

(2) […]

§ 1942 BGB Anfall und Ausschlagung der Erbschaft

(1) […]

(2) Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichen Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.

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