Der Bundesgerichtshof

Verhandlungstermin am 24. März 2016 (vorher: 8. September 2015; Verhandlungstermin 24.3.2016 wurde aufgehoben, da die Berufungen zurückgenommen wurden) in Sachen X ZR 144/13 (Patentnichtigkeitsklage)

Datum: 24.03.2016

Bundespatentgericht – Urteil vom 18. Juli 2013 – 2 Ni 81/11 (EP)

Die Beklagte – Microsoft Corporation – ist Inhaberin des am 25 Oktober 1994 angemeldeten und am 3. Mai 1995 erteilten europäischen Patents 651 328 (im Folgenden: Streitpatent). Die Klägerin – Motorola Mobility Germany GmbH – greift das Streitpatent mit der Patentnichtigkeitsklage an.

Das Streitpatent trägt in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung „Event architecture for system management in an operating system“. Es betrifft die Mitteilung von Systemverwaltungsereignissen in einem Datenverarbeitungssystem. Es schlägt im Wesentlichen vor, zur Ereignismitteilung in einem Betriebssystem eine objektbasierte Kommunikation vorzusehen, wobei der Kommunikationspfad durch die Weitergabe von Schnittstellenzeigern aufgebaut und die Kommunikation über standardisierte Schnittstellen ermöglicht wird.

Das Bundespatentgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und das Streitpatent nach Art. II § 6 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG* mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche eine eingeschränkte, von Microsoft mit Hilfsantrag II verteidigte Fassung erhalten haben. Der Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten Fassung sei nicht neu und damit nicht patentfähig (Art. 52 Abs. 1 EPÜ** i.V.m. Art. 54 Abs. 1 EPÜ***). Hilfsantrag I sei unzulässig, weil er den Schutzbereich des Streitpatents erweitern würde (Art. II § 6 Satz 1 Nr. 4 IntPatÜbkG*). In der Fassung des Hilfsantrags II habe das Streitpatent hingegen Bestand. Sein Gegenstand gehe in dieser Fassung nicht (unzulässigerweise) über den Inhalt der Patentanmeldung hinaus (Art. II § 6 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG*) und sei neu und erfinderisch. Es handele sich beim Gegenstand des Streitpatents auch nicht um reine Software, so dass das Verbot, Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche unter Patentschutz zu stellen (Art. 52 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 3 EPÜ**), nicht eingreife.

Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Art. II § 6 IntPatÜbkG (Gesetz über internationale Patentübereinkommen vom 21. Juni 1976) Nichtigkeit

(1) 1Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent wird auf Antrag für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, dass
1. der Gegenstand des europäischen Patents nach den Artikeln 52 bis 57 des Europäischen Patentübereinkommens nicht patentfähig ist, …
3. der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der europäischen Patentanmeldung in ihrer bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung oder, wenn das Patent auf einer europäischen Teilanmeldung oder einer nach Artikel 61 des Europäischen Patentübereinkommens eingereichten neuen europäischen Patentanmeldung beruht, über den Inhalt der früheren Anmeldung in ihrer bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht,
4. der Schutzbereich des europäischen Patents erweitert worden ist, …

Art. 52 EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) Patentierbare Erfindungen

(1) Europäische Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.
(2) Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen: …
c) Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen; …
(3) Absatz 2 steht der Patentierbarkeit der dort genannten Gegenstände oder Tätigkeiten nur insoweit entgegen, als sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht.

Art. 54 EPÜ Neuheit

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.