Neunundvierzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht
Strafrechtsänderungsgesetz 49. - Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht
vom 21.01.2015, BGBl I S. 10 (PDF, 65KB, nicht barrierefrei)
Aus dem Gesetzentwurf:
Das von der Bundesrepublik Deutschland am 25. Oktober 2007 unterzeichnete Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (ETS 201 – Lanzarote-Konvention), das am 11. Mai 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (ETS 210 – Istanbul-Konvention) und die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1 (PDF, 816KB, nicht barrierefrei); ABl. L 18 vom 21.01.2012, S. 7 (PDF, 688KB, nicht barrierefrei))* müssen in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.
Das deutsche Recht entspricht den Anforderungen dieser Rechtsinstrumente bereits im Wesentlichen. Allerdings werden Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe b in Verbindung mit Absatz 4 der Richtlinie 2011/93/EU, Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe d in Verbindung mit Absatz 3 der Istanbul-Konvention und Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe d in Verbindung mit Absatz 4 der Lanzarote-Konvention vom deutschen Strafanwendungsrecht nicht vollständig umgesetzt. Das geltende Verjährungsrecht erfüllt zudem nicht sämtliche Vorgaben von Artikel 58 der Istanbul-Konvention. Zudem fehlt im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches (StGB) eine Vorschrift entsprechend Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 2011/93/EU und Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe c der Lanzarote-Konvention (Strafbarkeit der wissentlichen Teilnahme/des wissentlichen Besuchs pornographischer Darbietungen, an denen Kinder – nach den Definitionen in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2011/93/EU und in Artikel 3 Buchstabe a des Übereinkommens Personen unter 18 Jahren – beteiligt sind/mitwirken). Auch entspricht § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB („… durch Schriften“) nicht vollständig den Anforderungen von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2011/93/EU und Artikel 23 Lanzarote-Konvention („… mittels Informations- und Kommunikationstechnologie“).
Ob und gegebenenfalls inwieweit aus Artikel 36 der Istanbul-Konvention gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Hinblick auf die Strafbarkeit nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen folgt, ist noch Gegenstand der Prüfung.
Über die Umsetzung dieser internationalen Vorgaben hinaus besteht weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf:
So sollen die Verfolgung von im Ausland verübten Genitalverstümmelungen weiter erleichtert und die verjährungsrechtliche Ruhensvorschrift des § 78b Absatz 1 Nummer 1 StGB erneut erweitert werden.
Auch erscheinen die Vorschriften der § 174 Absatz 1 und § 182 Absatz 3 StGB zu eng, um alle strafwürdigen Sachverhalte zu erfassen. § 174 Absatz 1 StGB berücksichtigt derzeit nicht ausreichend das strukturelle Ungleichgewicht, das zwischen Erwachsenen und Jugendlichen in Institutionen, die der Erziehung, Ausbildung und Betreuung in der Lebensführung von Jugendlichen dienen, sowie in abstammungsähnlichen sozialen Verhältnissen besteht.
Zudem verlangen Artikel 5 Absatz 3 und 6 sowie Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2011/93/EU und Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a und f sowie Artikel 24 Absatz 2 und 3 der Lanzarote-Konvention, dass die Herstellung von sowie der wissentliche bzw. bewusste Zugriff mittels Informations- und Kommunikationstechnologie auf Kinderpornographie (zu Letzterem erlaubt Artikel 20 Absatz 4 der Lanzarote Konvention allerdings einen Vorbehalt) und der Versuch der Verbreitung, Weitergabe und Herstellung von Kinderpornographie strafbar sind. Dieser Verpflichtung kommt die Bundesrepublik Deutschland zwar mit den §§ 184b und 184c StGB sowie ergänzend im Hinblick auf die Herstellung mit den §§ 174, 176 ff., 180 Absatz 2 und 3, § 182 StGB in ausreichendem Umfang nach; ausdrückliche und klarstellende Regelungen sind gleichwohl sinnvoll.
In diesem Zusammenhang wird auch vorgeschlagen, spezielle Regelungen für das Zugänglichmachen strafbarer Inhalte für eine andere Person oder die Öffentlichkeit sowie den Abruf kinder- und jugendpornographischer Inhalte mittels Rundfunk und Telemedien zu schaffen. Die bisherigen Regelungen sind auf den Fall der „Schrift“ zugeschnitten, bei der Inhalt und Trägermedium grundsätzlich miteinander verbunden sind und die gegenständlich zugänglich gemacht wird.
Zudem sollen die genannten Vorschriften vorsichtig neu geordnet und redaktionell überarbeitet werden.
Als verbesserungswürdig erscheint auch der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Schutz am eigenen Bild) gegen Herstellung, Weitergabe und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen sowie von Bildaufnahmen unbekleideter Personen, namentlich Kindern, bei denen solche Bildaufnahmen auch zu sexuellen Zwecken hergestellt oder verbreitet werden.
Bezug:
- Vertragsgesetz (Lanzarote-Konvention): Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch
- Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (ETS 210 – Istanbul-Konvention)
- Richtlinie 2011/93/EU vom 13.12.2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1 (PDF, 816KB, nicht barrierefrei); ABl. L 18 vom 21.01.2012, S. 7 (PDF, 688KB, nicht barrierefrei))*
- Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.04.2012 zu Missbrauchsvorwürfen gegen Realschullehrer (4 StR 74/12) und des OLG Koblenz vom 29.11.2011 betr. sexuelles Verhältnis zwischen einem Lehrer und einer 14-jährigen (1 Ss 213/11)
- Der Gesetzentwurf ist textidentisch mit der Regierungsvorlage auf BR-Drs 422/14 (PDF, 2MB, nicht barrierefrei), GESTA C026
- Siehe auch Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Verbesserter Schutz von Kindern bei Nacktaufnahmen und Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz)
Werdegang auf europäischer Ebene
Nationale Umsetzung
Referentenentwurf (PDF, 633KB, nicht barrierefrei) (Stand: 07.04.2014)
Regierungsentwurf (PDF, 330KB, nicht barrierefrei) (Stand: 12.09.2014)
Aus dem Angebot des Deutschen Bundestages**:
Parlamentsmaterialien beim DIP (HTML) | Parlamentsmaterialien beim DIP (PDF, 40KB, nicht barrierefrei) |
Öffentliche Anhörung vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz beim Deutschen Bundestag am 13.10.2014
Stellungnahmen
- zum Referentenentwurf
BAG FORSA (PDF, 316KB, nicht barrierefrei)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (PDF, 202KB, nicht barrierefrei)
Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung (PDF, 151KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Anwaltverein (PDF, 91KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Juristinnenbund (PDF, 159KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Richterbund (PDF, 143KB, nicht barrierefrei)
Frauenhauskoordinierung (PDF, 134KB, nicht barrierefrei)
KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (PDF, 222KB, nicht barrierefrei)
Nebenklage,Vereinigung von RechtsanwältInnen zur Wahrung von Opferinteressen im Strafverfahren (PDF, 294KB, nicht barrierefrei)
Neue Richtervereinigung (PDF, 310KB, nicht barrierefrei)
Weibernetz (PDF, 79KB, nicht barrierefrei)
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