Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität
Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität / Gesetz zur
vom 30.03.2021, BGBl I S. 441 (PDF, 58KB, nicht barrierefrei)
Aus dem Gesetzentwurf:
Im Internet und insbesondere in den sogenannten sozialen Medien ist eine zunehmende Verrohung der Kommunikation zu beobachten. So äußern sich Personen immer öfter allgemein, vor allem aber gegenüber gesellschaftlich und politisch engagierten Personen in einer Weise, die gegen das geltende deutsche Strafrecht verstößt und sich durch stark aggressives Auftreten, Einschüchterung und Androhung von Straftaten auszeichnet. Dadurch wird nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sondern auch der politische Diskurs in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung angegriffen und in Frage gestellt. In der Öffentlichkeit stehende Personen und für das Gemeinwesen aktive Repräsentantinnen und Repräsentanten werden beispielsweise nach einer politischen Äußerung mit diffamierenden Äußerungen oder Morddrohungen überzogen oder es wird zu Gewalt gegen sie aufgerufen. Mit diesen oft über einen langen Zeitraum für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbaren respektlosen und herabwürdigenden Inhalten sinkt allgemein die Hemmschwelle für weitere gleichgerichtete Äußerungen. In diesem verrohten Umfeld kommt es schon jetzt dazu, dass bestimmte Meinungen aus Sorge vor solchen Reaktionen nicht mehr geäußert werden. Dies kann sogar dazu führen, dass sich Menschen vollständig aus dem öffentlichen politischen Diskurs zurückzuziehen. Damit ist der freie Meinungsaustausch im Internet und letztendlich die Meinungsfreiheit gefährdet. Die eigene Meinung frei, unbeeinflusst und offen sagen und sich darüber austauschen zu können, stellt einen wesentlichen Grundpfeiler der demokratischen pluralistischen Gesellschaft dar, die der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen hat. Dies kann durch eine Vielzahl von Maßnahmen geschehen.
Zentral ist dabei eine effektive Strafverfolgung insbesondere von Hasskriminalität mit rechtsextremistischem Hintergrund, nicht nur, aber gerade auch bei Tatbegehungen im Internet.
Das seit 2017 geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz. Der mit dem Gesetz eingeschlagene Weg, soziale Netzwerke mehr als bisher in die Verantwortung zu nehmen, hat dazu geführt, dass eine Vielzahl von Beschwerden wegen strafbarer Inhalte nach einer Überprüfung zu deren Löschung geführt hat. Über die Löschung hinaus ist es notwendig, strafbare Inhalte auch der Strafverfolgung zuzuführen. Oft erlangen die Strafverfolgungsbehörden aber keine Kenntnis von den auf eine NetzDG-Beschwerde hin gelöschten strafbaren Inhalten, sodass das Einstellen solcher Inhalte ohne strafrechtliche Konsequenzen bleibt und sich damit der Eindruck verstärkt, das Internet entwickele sich zu einem rechtsfreien Raum. Daher sollen die dem NetzDG unterliegenden Anbieter sozialer Netzwerke verpflichtet werden, bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt (BKA) zu melden, damit von dort aus die Strafverfolgung durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden veranlasst werden kann.
Auch das materielle Strafrecht muss noch deutlicher als bisher auf die mit Hasskriminalität verbundenen Rechtsgutsverletzungen ausgerichtet werden – insbesondere durch angepasste Tatbestände und verschärfte Strafandrohungen.
Eine effektive Strafverfolgung setzt außerdem voraus, dass die Tatverdächtigen identifiziert und Beweise gesichert werden können. In der Strafprozessordnung (StPO) ist die Erhebung von Bestands- und Verkehrsdaten gegenwärtig explizit nur für Maßnahmen gegenüber Telekommunikationsdiensteanbietern geregelt. Eine spezielle Regelung für die Datenerhebung gegenüber Telemediendiensteanbietern fehlt bisher. Diese soll nun geschaffen werden.
Die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte stellt weiterhin ein ernstzunehmendes Problem dar, wie auch der Bericht der Bundesregierung über die im Jahr 2018 ergriffenen Maßnahmen zum Zweck der Löschung von Telemedienangeboten mit kinderpornografischem Inhalt im Sinne des § 184b des Strafgesetzbuches (StGB) belegt. Eine konsequente Strafverfolgung kann dazu beitragen, den Markt für entsprechende Produkte auszutrocknen und damit der weiteren Herstellung solcher Missbrauchsdarstellungen sowie der Gefahr entgegenzuwirken, dass Dritte zur Nachahmung angeregt werden. Hierdurch kann ein wichtiger Beitrag zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch geleistet werden. Deshalb soll die Meldepflicht auch für das Zugänglichmachen kinderpornografischer Inhalte gelten.
Das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) enthält bisher nur eine Befugnis des BKA zur Erhebung von Bestandsdaten gegenüber Telekommunikationsanbietern. Zur Wahrnehmung der Zentralstellenaufgaben nach § 2 BKAG ist eine Erweiterung der Regelung in § 10 BKAG auf Telemediendiensteanbieter angesichts der zunehmenden Nutzung von Telemediendiensten gegenüber Telekommunikationsdiensten dringend erforderlich.
Die geltende Rechtslage zu Auskünften aus dem Melderegister gewährleistet nicht immer im notwendigen Maße den Schutz vor Anfeindungen oder sonstigen Angriffen, die aufgrund der Erteilung von Melderegisterauskünften folgen können.
Bezug:
- Der Gesetzentwurf ist textidentisch mit der Regierungsvorlage GESTA C132
- Bericht über die im Jahr 2018 ergriffenen Maßnahmen zum Zweck der Löschung von Telemedienangeboten mit kinderpornografischem Inhalt im Sinne des § 184b des Strafgesetzbuchs, BT-Drs 19/12725 (PDF, 1MB, nicht barrierefrei)
- Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, BT-Drs 18/11970 (PDF, 4MB, nicht barrierefrei)
- Siehe auch GESTA C095
Referentenentwurf (PDF, 390KB, nicht barrierefrei) (Dezember 2019)
Regierungsentwurf (PDF, 552KB, nicht barrierefrei) (Februar 2019)
Aus dem Angebot des Deutschen Bundestages*:
Parlamentsmaterialien beim DIP (HTML) | Parlamentsmaterialien beim DIP (PDF, 602KB, nicht barrierefrei) |
Öffentliche Anhörung vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 06.05.2020
Stellungnahmen
- zum Referentenentwurf
Bitkom (PDF, 131KB, nicht barrierefrei)
Bundesärztekammer (PDF, 128KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Anwaltverein (PDF, 166KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Journalisten-Verband (PDF, 149KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Juristinnenbund (PDF, 846KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Richterbund (PDF, 76KB, nicht barrierefrei)
eco - Verband der Internetwirtschaft (PDF, 351KB, nicht barrierefrei)
Kassenärztliche Bundesvereinigung (PDF, 161KB, nicht barrierefrei)
Lesben- und Schwulenverband (PDF, 373KB, nicht barrierefrei)
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (PDF, 135KB, nicht barrierefrei)
Weitere Stellungnahmen auf der Seite des BMJ