Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes
Netzwerkdurchsetzungsgesetzes / Gesetz zur Änderung des
vom 03.06.2021, BGBl I S. 1436 (PDF, 75KB, nicht barrierefrei)
Aus dem Gesetzentwurf:
Die Notwendigkeit der Bekämpfung strafbarer Hassrede im Internet ist von unveränderter Aktualität. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen erwarten, dass strafbare Angriffe wie Volksverhetzungen oder Bedrohungen nicht tatenlos hinzunehmen sind. Dies gilt auch im Internet. Hinzu kommt, dass strafbare Hassrede zum Nährboden für tätliche Angriffe auf Leib und Leben von Bürgerinnen und Bürgern werden kann. Die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder die Attentate im Umfeld der Synagoge in Halle (Saale) sind hierfür besorgniserregende Anhaltspunkte. Dies gilt auch für den extremistischen Anschlag in Hanau im Februar 2020 durch einen Täter, der im Vorfeld rassistische Inhalte in sozialen Netzwerken eingestellt und verbreitet hat.
Strafbare Hassrede kann zudem starke Einschüchterungen hervorrufen. Dies kann dazu führen, dass von gesellschaftlichem oder politischem Engagement Abstand genommen wird oder auch, dass sich Bürgerinnen und Bürger aus Online-Diskursen zurückziehen oder daran gar nicht erst teilnehmen. Die Einschüchterungswirkungen von strafbarer Hassrede gefährden damit neben der Meinungs- und Handlungsfreiheit des Einzelnen den demokratischen Diskurs als solchen und damit die Grundlagen unserer Demokratie insgesamt.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich Hassrede oft gegen Frauen oder Minderheiten richten, was das friedliche Zusammenleben in einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft besonders gefährdet.
Der Ansatz des am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), die bestehende Verantwortlichkeit der Anbieter sozialer Netzwerke beim Umgang mit ihnen zur Kenntnis gebrachten Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zu konkretisieren, hat sich grundsätzlich bewährt. So haben die Anbieter sozialer Netzwerke Anstrengungen unternommen, um die Vorgaben zum Beschwerdemanagement umzusetzen. Die Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte wurden überarbeitet und das deutsche Strafrecht als Prüfungsmaßstab aufgenommen. Ausweislich der gesetzlich vorgeschriebenen Transparenzberichte gelingt den Anbietern zudem überwiegend die schnelle Prüfung der übermittelten Beschwerden. Schließlich haben die großen Anbieter Zustellungsbevollmächtigte und empfangsberechtigte Personen als inländische Ansprechpartner benannt.
Die bisherigen Praxiserfahrungen mit dem NetzDG zeigen gleichwohl, dass einige Regelungen fortentwickelt werden sollten. So soll beispielsweise die Nutzerfreundlichkeit der Meldewege zum Übermitteln von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte, die zum Teil noch zu kompliziert oder versteckt sind, verbessert werden. Zudem sollen der Informationsgehalt und die Vergleichbarkeit der nach § 2 NetzDG einzureichenden Transparenzberichte erhöht werden. Bei Streitigkeiten zwischen Beschwerdeführern oder Nutzern mit dem Anbieter sozialer Netzwerke über das (erfolgte oder abgelehnte) Entfernen eines Inhaltes bestehen derzeit keine Regelungen zur einfachen außergerichtlichen Streitbeilegung; entsprechende Verfahren sollen geschaffen werden. Beim inländischen Zustellungsbevollmächtigten (§ 5 Absatz 1 NetzDG) bestehen in der Rechtspraxis unterschiedliche Auffassungen zum genauen Geltungsbereich; es soll klargestellt werden, dass der Zustellungsbevollmächtigte auch für sogenannte Wiederherstellungsklagen zuständig ist. Bei der Anwendung des NetzDG kann das zuständige Bundesamt für Justiz bisher keine Anordnungen zur Behebung von Defiziten treffen; eine entsprechende Aufsichtsbefugnis soll eingeführt werden.
Zudem gilt es, neue europarechtliche Vorgaben umzusetzen. Das NetzDG muss an die neuen Vorgaben der geänderten Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste; ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1 (PDF, 905KB, nicht barrierefrei); ABl. L 263, S. 15 (PDF, 688KB, nicht barrierefrei); im Folgenden: AVMD-RL)* angepasst werden. Nach den Änderungen durch die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten (ABl. L 303, 28.11.2018, S. 69 (PDF, 553KB, nicht barrierefrei))* enthält die AVMD-RL neue Vorgaben für Compliance-Vorschriften zum Schutz vor unzulässigen Inhalten bei Videosharingplattform-Diensten (VSPs). Diese Dienste sind teilweise bereits vom NetzDG erfasst. Anders als das geltende NetzDG erfordert die AVMD-RL aber auch die Einführung von Compliance-Vorgaben für kleine und themenspezifische Anbieter; zudem ist die in der AVMD-RL geregelte Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zu beachten.
Bezug:
- Richtlinie (EU) 2018/1808 vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten (ABl. L 303, 28.11.2018, S. 69 (PDF, 553KB, nicht barrierefrei))*
Werdegang auf europäischer Ebene:
Referentenentwurf (PDF, 333KB, nicht barrierefrei) (22.01.2020)
Regierungsentwurf (PDF, 475KB, nicht barrierefrei) (31.03.2020)
Aus dem Angebot des Deutschen Bundestages**:
Parlamentsmaterialien beim DIP (HTML) | Parlamentsmaterialien beim DIP (PDF, 591KB, nicht barrierefrei) |
Öffentliche Anhörung vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 17.06.2020
Bericht der Bundesregierung zur Evaluierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (BT-Drs. 19/22610 (PDF, 3MB, nicht barrierefrei))
Stellungnahmen
- zum Referentenentwurf
Bitkom (PDF, 249KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Anwaltverein (PDF, 87KB, nicht barrierefrei)
Deutscher Juristinnenbund (PDF, 1MB, nicht barrierefrei)
eco - Verband der Internetwirtschaft (PDF, 169KB, nicht barrierefrei)
Verbraucherzentrale Bundesverband (PDF, 418KB, nicht barrierefrei)
Weitere Stellungnahmen auf der Seite des BMJ
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