Der Bundesgerichtshof

Archiv der Terminhinweise

Volltextübersicht

Revisionshauptverhandlung am 24. April 2024, 10.30 Uhr, im Verfahren 2 StR 218/23 (Freispruch einer Mutter vom Vorwurf der Ermordung ihres vierjährigen Sohnes im Jahr 1988)

Datum: 24.04.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 24. April 2024 über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das am 4. Oktober 2022 ergangene Urteil des Landgerichts Hanau.

Der Angeklagten wird durch die Anklageschrift vom 2. März 2021 zur Last gelegt, am 17. August 1988 ihren vierjährigen Sohn gemeinschaftlich mit der gesondert verfolgten D. aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben. D. soll Anführerin einer Glaubensgemeinschaft gewesen sein, der die Angeklagte angehört habe. Die Angeklagte soll ihren Sohn in einen aus Betttüchern zusammengenähten Sack gesteckt, den Sack über dem Kopf des Kindes verschnürt und es so in der alleinigen Obhut von D. zurückgelassen haben, die dem Jungen nach dem Leben getrachtet habe. Das Kind habe in dem Sack das Bewusstsein verloren und sei an Erbrochenem erstickt.

Das Landgericht Hanau hat die Angeklagte nach etwas mehr als einjähriger Verhandlungsdauer von diesem Vorwurf freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, der der Generalbundesanwalt beigetreten ist, greift das Urteil mit einer gegen die Behandlung eines Beweisantrags gerichteten Verfahrensrüge und mit der näher begründeten Sachrüge an.

Die Revisionshauptverhandlung findet um 10:30 Uhr in der Rintheimer Querallee 11, Sitzungssaal, 76131 Karlsruhe statt.

Vorinstanz:

LG Hanau – Urteil vom 4. Oktober 2022 – 1 Ks 3315 Js 16030/20

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 23. April 2024 um 10.00 Uhr, Saal E 101, in Sachen KVB 56/22 (Amazon.com, Inc. - Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb)

Datum: 23.04.2024
Akkreditierungsschluss: 22.04.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über eine Beschwerde gegen eine Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB. Diese am 19. Januar 2021 in Kraft getretene Regelung dient der Modernisierung und Stärkung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und soll dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle über diejenigen großen Digitalkonzerne ermöglichen, denen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Sie sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Danach kann das Bundeskartellamt in einem ersten Schritt die überragende marktübergreifende Bedeutung des Unternehmens für den Wettbewerb feststellen (§ 19a Abs. 1 GWB) und dem betroffenen Unternehmen in einem zweiten Schritt bestimmte Verhaltensweisen untersagen (§ 19a Abs. 2 GWB).
Sachverhalt:
Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 5. Juli 2022 nach § 19a Abs. 1 GWB festgestellt, dass Amazon.com, Inc. einschließlich der mit ihr gemäß § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. Gegen diesen Beschluss haben Amazon.com, Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben. Für die Beschwerde ist der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in erster und letzter Instanz zuständig.

Am 27. Juni 2023 hat bereits ein Verhandlungstermin zu den von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Anwendung von § 19a GWB stattgefunden (siehe PM Nr. 099/2023 vom 22. Juni 2023). Der Senat hat in der Folge davon abgesehen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten.

Am 23. April 2024 wird die mündliche Verhandlung fortgesetzt.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 19a Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb
(1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a tätig ist, eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Bei der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. seine marktbeherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten,
2. seine Finanzkraft oder sein Zugang zu sonstigen Ressourcen,
3. seine vertikale Integration und seine Tätigkeit auf in sonstiger Weise miteinander verbundenen Märkten,
4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,
5. die Bedeutung seiner Tätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie sein damit verbundener Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter.
Die Verfügung nach Satz 1 ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft zu befristen.
(2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen,
1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, insbesondere
a) die eigenen Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen;
b) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren;
2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere
a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen;
b) andere Unternehmen daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ihre eigenen Angebote zu bewerben oder Abnehmer auch über andere als die von dem Unternehmen bereitgestellten oder vermittelten Zugänge zu erreichen;
3. Wettbewerber auf einem Markt, auf dem das Unternehmen seine Stellung, auch ohne marktbeherrschend zu sein, schnell ausbauen kann, unmittelbar oder mittelbar zu behindern, insbesondere
a) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens mit einer dafür nicht erforderlichen automatischen Nutzung eines weiteren Angebots des Unternehmens zu verbinden, ohne dem Nutzer des Angebots ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Umstands und der Art und Weise der Nutzung des anderen Angebots einzuräumen;
b) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens von der Nutzung eines anderen Angebots des Unternehmens abhängig zu machen;
4. durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen, oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern, oder Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen, insbesondere
a) die Nutzung von Diensten davon abhängig zu machen, dass Nutzer der Verarbeitung von Daten aus anderen Diensten des Unternehmens oder eines Drittanbieters zustimmen, ohne den Nutzern eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;
b) von anderen Unternehmen erhaltene wettbewerbsrelevante Daten zu anderen als für die Erbringung der eigenen Dienste gegenüber diesen Unternehmen erforderlichen Zwecken zu verarbeiten, ohne diesen Unternehmen eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;
5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern;
6. andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren oder ihnen in anderer Weise eine Beurteilung des Wertes dieser Leistung zu erschweren;
7. für die Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens Vorteile zu fordern, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen, insbesondere
a) für deren Darstellung die Übertragung von Daten oder Rechten zu fordern, die dafür nicht zwingend erforderlich sind;
b) die Qualität der Darstellung dieser Angebote von der Übertragung von Daten oder Rechten abhängig zu machen, die hierzu in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Unternehmen. § 32 Absatz 2 und 3, die §§ 32a und 32b gelten entsprechend. Die Verfügung nach Absatz 2 kann mit der Feststellung nach Absatz 1 verbunden werden.
[….]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin wegen Erkrankung eines Parteivertreters verlegt auf den 11. April 2024, 10 Uhr, Saal N 004, in Sachen III ZR 134/22 (Entschädigung für coronabedingte Einnahmeausfälle von zwei zu einer Hotelgruppe gehörenden Hotels) (Verhandlungstermin vorher: 1.2.2024)

Datum: 11.04.2024
Akkreditierungsschluss: 10.04.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der u.a. für das Amts- und Staatshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 1. Februar 2024 über Entschädigungsansprüche zweier Hotelbetreiber verhandeln, deren Hotels während der COVID-19-Pandemie durch die in Allgemeinverfügungen und Corona-Verordnungen der Freien Hansestadt Bremen angeordneten Beschränkungen und Verbote Einbußen erlitten haben.

Sachverhalt:

Die Klägerinnen betreiben jeweils ein Hotel in Bremen mit einem eigenen Restaurant und sind Teil einer bundesweit tätigen Hotelgruppe. Sie begehren die Feststellung, dass die Beklagte ihnen die Kosten und Gewinneinbußen zu ersetzen hat, die ihnen von März bis Mai 2020 („erster Lockdown“) und von November 2020 bis Juni 2021 („zweiter Lockdown“) dadurch entstanden sind, dass durch die von der Beklagten erlassenen Verordnungen und Allgemeinverfügungen den Betreibern von Beherbergungsstätten die Unterbringung von Gästen zu touristischen Zwecken untersagt wurde sowie die Schließung von Gaststätten und Veranstaltungsverbote angeordnet wurden.

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen seien rechtswidrig gewesen, zumal von ihnen ein eigenes Hygienekonzept erarbeitet und umgesetzt worden sei. Mittlerweile sei ihre vor der Pandemie unproblematische wirtschaftliche Lage auch unter Berücksichtigung der gewährten, allerdings unzureichenden staatlichen Hilfen insgesamt existenzbedrohend.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen ist vor dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen sie ihre Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Bremen - 1 O 1326/20 - Urteil vom 28. Juli 2021
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen - 1 U 61/21- Beschluss vom 21. Juni 2022

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 14 GG – Eigentum, Erbrecht und Enteignung

(1) 1Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. 2Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

§ 28 IfSG - Schutzmaßnahmen

(1) 1Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a, 28b und 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. 2Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen.

§ 32 IfSG – Erlass von Rechtsverordnungen

1Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 28b und 29 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

§ 117 BremPolG – Zum Schadensausgleich verpflichtende Tatbestände

(1) 1Erleidet jemand infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 7 einen Schaden, so ist ihm ein angemessener Ausgleich zu gewähren. 2Das gleiche gilt, wenn jemand durch eine rechtswidrige Maßnahme der Polizei einen Schaden erleidet.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 10. April 2024 um 10:00 Uhr in Sachen VIII ZR 161/23 (Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses beim Kauf eines Oldtimers)

Datum: 10.04.2024
Akkreditierungsschluss: 09.04.2024 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Reichweite eines umfassenden Gewährleistungsausschlusses beim Kauf eines rund 40 Jahre alten Pkw.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im März 2021 im Rahmen eines Privatverkaufs von dem Beklagten einen erstmals im Juli 1981 zugelassenen Mercedes-Benz 380 SL mit einer Laufleistung von rund 150.000 km.

In der Verkaufsanzeige des Beklagten auf einer Onlineplattform hieß es unter anderem: "Klimaanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung".

Im Mai 2021 beanstandete der Kläger, dass die Klimaanlage defekt sei. Nachdem der Beklagte etwaige Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hatte, ließ dieser die Klimaanlage - im Wesentlichen durch eine Erneuerung des Klimakompressors - instandsetzen. Mit der Klage verlangt er von dem Beklagten den Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von rund 1.750 €.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Dieser erstrecke sich auch auf einen etwaigen Mangel an der Klimaanlage.

Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. November 2006 - VIII ZR 92/06) eine gleichzeitige Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit der Kaufsache einerseits und eines umfassenden Ausschlusses der Gewährleistung andererseits regelmäßig dahin auszulegen, dass der Gewährleistungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten solle.

Jedoch müsse bei einem rund 40 Jahre alten Fahrzeug auch im Falle einer - hier hinsichtlich der Klimaanlage getroffenen - Beschaffenheitsvereinbarung angesichts der unvermeidlichen und teils gebrauchsunabhängigen Alterung einzelner Bauteile selbst dann, wenn es sich um einen hochwertigen und gepflegten Pkw handele, stets mit dem Auftreten von Instandsetzungsbedarf gerechnet werden. Demgemäß habe der Kläger in Anbetracht des Gewährleistungsausschlusses nicht erwarten dürfen, dass die schon lange Zeit über ihre technische "Lebenserwartung" hinaus betriebene Klimaanlage auch weiterhin funktionieren werde.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Wetzlar - 30 C 269/22 - Urteil vom 4. Oktober 2022
LG Limburg - 3 S 124/22 - Urteil vom 30. Juni 2023

Karlsruhe, den 11. März 2024

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 22. März 2024, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 81/23 und V ZR 87/23 (Änderung der Kostenverteilung für Erhaltungsmaßnahmen) (Verhandlung: am 26.01.2024)

Datum: 22.03.2024
Akkreditierungsschluss: 21.03.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf der Grundlage des im Jahr 2020 reformierten Wohnungseigentumsrechts in zwei Verfahren darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Wohnungseigentümer für Erhaltungsmaßnahmen eine von der bisherigen Kostenverteilung abweichende Kostentragung zulasten einzelner Wohnungseigentümer beschließen können.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren V ZR 81/23

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Teileigentümer von vier sog. Doppelparkern. Aufgrund eines Defekts der (im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden) Hebeanlage kann in den Doppelparkern nur jeweils ein Fahrzeug abgestellt werden. Im Juni 2021 beschlossen die Wohnungseigentümer eine Änderung der Kostenverteilung, nach der die Kosten für eine Sanierung und Reparatur der (im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile der) Doppelparker nicht mehr wie bisher von allen Wohnungseigentümern, sondern ausschließlich von den Teileigentümern der insgesamt zwanzig Doppelparker gemeinschaftlich zu tragen sind.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Anfechtungsklage, die in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will der Kläger weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.

Das Landgericht meint, die Beschlusskompetenz für die Veränderung der Kostenverteilung zulasten der Teileigentümer der Doppelparker ergebe sich aus der mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2020 neu gefassten Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Danach hätten die Wohnungseigentümer die Kompetenz, durch Beschluss den Kreis der Kostenschuldner verändern und insbesondere auch einzelne Wohnungseigentümer von bestimmten Kosten zu befreien. Die beschlossene Kostenverteilung entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung; sie trage dem Verursacher- und Nutzerprinzip Rechnung.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren V ZR 87/23

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Eigentümer einer Wohnung im Dachgeschoss. In einer Eigentümerversammlung im August 2021 fassten die Wohnungseigentümer den Beschluss, die (im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden) defekten Dachflächenfenster im Bereich des Sondereigentums des Klägers auszutauschen und dazu eine Fachfirma zu beauftragen. Weiter beschlossen sie, dass der Kläger - abweichend von der bisherigen Regelung - die Kosten des Fenstertausches allein tragen solle.

Mit seiner Anfechtungsklage, die in beiden Vorinstanzen erfolglos war, wendet sich der Kläger gegen die beschlossene Kostenverteilung. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will er weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.

Nach Ansicht des Landgerichts ergibt sich die Beschlusskompetenz für die Veränderung der Kostenverteilung zulasten des Klägers aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Der Beschluss entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Insbesondere sei es aufgrund der Neufassung des § 16 WEG - anders als nach der bis zum 30. November 2020 geltenden Rechtslage - nicht erforderlich, dass mit der Kostenverteilung in einem Einzelfall zugleich auch eine entsprechende Kostenverteilung für künftige vergleichbare Fälle beschlossen werde. Diesem sog. Grundsatz der Maßstabskontinuität komme erst bei späteren Beschlüssen der Wohnungseigentümer zu gleichgelagerten Fällen Bedeutung zu.

Vorinstanzen:

V ZR 81/23

AG Hannover - Urteil vom 20. September 2022 - 482 C 5657/21
LG Lüneburg - Urteil vom 21. März 2023 - 9 S 56/22

und

V ZR 87/23

AG Darmstadt - Urteil vom 20. Dezember 2021 - 310 C 173/21
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 30. März 2023 - 2-13 S 15/22

§ 16 WEG lautet:

Nutzungen und Kosten

(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. [...]
(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.
(3) [...]

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 20. März 2024, 9.00 Uhr, in der Sache IV ZR 68/22 (Limitierungsmaßnahmen bei Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung)

Datum: 20.03.2024
Akkreditierungsschluss: 19.03.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja


Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 20. März 2024 über die gerichtliche Kontrolle von Maßnahmen, mit denen Krankenversicherer den Umfang einer Beitragserhöhung limitieren, verhandeln. Ein Versicherer hat bei der Prämienanpassung darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung verwendet werden, um die Beitragserhöhung zu beschränken.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger wendet sich gegen Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher unter anderem auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert, aber ebenfalls unter anderem die Unwirksamkeit einer Prämienanpassung festgestellt und die Beklagte zur Rückzahlung der darauf gezahlten Prämienanteile verurteilt. Nach Ansicht des Berufungsgerichts habe der Versicherer die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Mittelverwendung im Rahmen der Limitierungsmaßnahmen darzulegen und zu beweisen. Dabei komme es nicht darauf an, ob und in welchem Maße sich ein Fehler zum Nachteil des einzelnen klagenden Versicherungsnehmers ausgewirkt habe. Wenn dieser Beweis nicht geführt werde, sei die Prämienanpassung insgesamt materiell unwirksam.

Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten, während sich der Kläger mit der Anschlussrevision gegen die zeitliche Beschränkung der Feststellung wendet, dass er nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.

HINWEIS:

Zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen des beklagten Versicherers kommt möglicherweise ein Ausschluss der Öffentlichkeit, einschließlich der Presse, für die mündliche Verhandlung oder Teile davon in Betracht, § 172 Nr. 2 GVG. Darüber kann erst in der Verhandlung entschieden werden.

Vorinstanzen:

KG Berlin - Urteil vom 8. Februar 2022 - 6 U 88/18
LG Berlin - Urteil vom 24. Mai 2018 - 23 O 144/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 155 Versicherungsaufsichtsgesetz

(1) 1Bei der nach Art der Lebensversicherung betriebenen Krankenversicherung dürfen Prämienänderungen erst in Kraft gesetzt werden, nachdem ein unabhängiger Treuhänder der Prämienänderung zugestimmt hat. 2Der Treuhänder hat zu prüfen, ob die Berechnung der Prämien mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang steht. 3Dazu sind ihm sämtliche für die Prüfung der Prämienänderungen erforderlichen technischen Berechnungsgrundlagen einschließlich der hierfür benötigten kalkulatorischen Herleitungen und statistischen Nachweise vorzulegen. 4In den technischen Berechnungsgrundlagen sind die Grundsätze für die Berechnung der Prämien und Alterungsrückstellung einschließlich der verwendeten Rechnungsgrundlagen und mathematischen Formeln vollständig darzustellen. 5Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt sind.
(2) 1Der Zustimmung des Treuhänders bedürfen
1. der Zeitpunkt und die Höhe der Entnahme sowie die Verwendung von Mitteln aus der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung, soweit sie nach § 150 Absatz 4 zu verwenden sind, und
2. die Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung.
2Der Treuhänder hat in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 und 2 darauf zu achten, dass die in der Satzung und den Versicherungsbedingungen bestimmten Voraussetzungen erfüllt und die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind. 3Bei der Verwendung der Mittel zur Begrenzung von Prämienerhöhungen hat er insbesondere auf die Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände mit einem Prämienzuschlag nach § 149 und ohne einen solchen zu achten sowie dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der prozentualen und absoluten Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten ausreichend Rechnung zu tragen.

§ 172 Gerichtsverfassungsgesetz

Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn
1. …
1a. …
2. ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden,
3. …
4. …

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 8. März 2024, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 80/23 (Nichtigkeit der während der Corona-Pandemie in einer sog. Vertreterversammlung gefassten Beschlüsse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer?) (Verhandlung: 9.2.2024)

Datum: 08.03.2024
Akkreditierungsschluss: 07.03.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Verfahren darüber zu entscheiden, ob während der Corona-Pandemie gefasste Beschlüsse einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nichtig oder nur anfechtbar sind, wenn die Wohnungseigentümer an der Eigentümerversammlung nur durch Erteilung einer Vollmacht an den Verwalter teilnehmen konnten.

Sachverhalt:

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Deren Verwalterin lud zu einer am 24. November 2020 „schriftlich“ stattfindenden Eigentümerversammlung ein, verbunden mit der Aufforderung an die Wohnungseigentümer, ihr unter Verwendung beigefügter Formulare eine Vollmacht und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen. Fünf von vierundzwanzig Wohnungseigentümern kamen der Aufforderung nach und bevollmächtigten die Verwalterin; die Kläger erteilten keine Vollmacht. In der Eigentümerversammlung war nur die Verwalterin anwesend. Diese übersandte das Protokoll der Versammlung mit den von ihr gefassten Beschlüssen mit Schreiben vom 24. November 2020 an die Wohnungseigentümer.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Beschlussmängelklage der Kläger hat das Amtsgericht wegen Ablaufs der einmonatigen Frist für die Anfechtungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht die Beschlüsse für nichtig erklärt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Das Landgericht hält die Versäumung der Anfechtungsfrist für unschädlich, weil die in der Eigentümerversammlung vom 24. November 2020 gefassten Beschlüsse nach § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG nichtig seien. Die Nichtigkeit folge aus einer Verletzung des individuellen Rechts eines jeden Wohnungseigentümers auf persönliche Teilnahme an einer Eigentümerversammlung. Das Einladungsschreiben der Verwalterin habe von den Wohnungseigentümern nur so verstanden werden können, dass eine persönliche Teilnahme an der Versammlung nicht möglich sei und die Ausübung des Teilhabe- und Stimmrechts allein durch die Bevollmächtigung der Verwalterin erfolgen könne. Darin sei eine Ausladung der Eigentümer und ein Eingriff in den unantastbaren Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts zu sehen. Dieser Eingriff sei nicht mit der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen aufgrund der Gesetze und Verordnungen zum Infektionsschutz zu rechtfertigen. Zur Bewältigung der Auswirkungen der pandemiebedingten Beschränkungen habe der Gesetzgeber in § 6 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht lediglich die Fortgeltung einer Verwalterbestellung und eines beschlossenen Wirtschaftsplans geregelt. Für die Durchführung von Eigentümerversammlungen habe er dagegen keine Regelungen getroffen. Die Wohnungseigentümer müssten sich deshalb an die geltenden Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes und die darauf gestützten landesrechtlichen Verordnungen einerseits und die wohnungseigentumsrechtlichen Vorgaben andererseits halten.

Vorinstanzen:

AG Frankfurt a.M. – Urteil vom 7. Juli 2022 – 381 C 495/20 (37)
LG Frankfurt a.M. – Urteil vom 27. März 2023 – 2-09 S 38/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 23 WEG Wohnungseigentümerversammlung

(1) - (3) […]
(4) Ein Beschluss, der gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann, ist nichtig. Im Übrigen ist ein Beschluss gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt ist.

§ 44 WEG Beschlussklagen

(1) Das Gericht kann auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss für ungültig erklären (Anfechtungsklage) oder seine Nichtigkeit feststellen (Nichtigkeitsklage). […]
(2) Die Klagen sind gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. […]
(3) - (4) […]

§ 45 WEG Fristen der Anfechtungsklage

Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden. […].

§ 6 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie - Wohnungseigentümergemeinschaften

(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.
(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

Akkreditierungsbedingungen


Ruhen des Verfahrens (siehe dazu Pressemitteilung 46/2024) - Verhandlungstermin am 7. März 2024 aufgehoben in Sachen I ZR 90/23 (Erstattung von Verlusten bei unerlaubten Sportwetten)

Datum: 07.03.2024
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Veranstalter von Sportwetten, der im Inland nicht über die hierfür erforderliche Konzession der zuständigen Behörde verfügte, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers erstatten muss.

Von dem Verfahren unter dem Aktenzeichen I ZR 53/23, das der Senat ausgesetzt hat, unterscheidet sich diese Sache maßgeblich dadurch, dass Gegenstand hier nicht Online-Pokerspiele sind, die dem Totalverbot des § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen und bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (GlüStV 2012) unterlagen, sondern Online-Sportwetten, für die der beklagte Veranstalter eine Konzession nach § 4 Abs. 5, §§ 4a, 10a GlüStV 2012 beantragt hatte (vgl. auch die Pressemitteilung vom heutigen Tag zum Verfahren I ZR 53/23).

Sachverhalt:

Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet im Internet über eine deutschsprachige Webseite Sportwetten an. Der Kläger nahm von 2013 bis 2018 an Sportwetten der Beklagten teil. Während dieses Zeitraums verfügte die Beklagte über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, aber nicht über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten der deutschen Behörde. Die Beklagte hatte eine solche Konzession beantragt. Auf Antrag der Beklagten verpflichtete das Verwaltungsgericht Wiesbaden die zuständige Behörde, der Beklagten die Konzession zu erteilen (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 31. Oktober 2016 - 5 K 1388/14.WI). Dies erfolgte mit Bescheid vom 9. Oktober 2020.

Der Kläger macht die Unzulässigkeit der Sportwetten sowie die Unwirksamkeit der Wettverträge geltend. Er behauptet, er habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten um ein verbotenes Glücksspiel gehandelt habe. Mit seiner Klage hat er von der Beklagten Rückzahlung der an sie geleisteten Zahlungen in Höhe der erlittenen Verluste von 3.719,26 € nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Die Beklagte habe die Zahlungen des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil die Verträge über Sportwetten wirksam seien. Die Beklagte habe zwar gegen § 4 Abs. 1 sowie gegen § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 verstoßen. Daraus resultiere jedoch keine Nichtigkeit der Verträge gemäß § 134 BGB. Der einseitige Verstoß gegen ein Verbotsgesetz führe nur zur Nichtigkeit, wenn der Gesetzeszweck anders nicht zu erreichen sei und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden dürfe. Davon könne nicht ausgegangen werden, denn die Beklagte habe eine Konzession nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 beantragt und die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung erfüllt. Das Fehlen der Erlaubnis sei lediglich darauf zurückzuführen gewesen, dass die Durchführung des Konzessionsverfahrens unionsrechtswidrig gewesen sei. In dieser Konstellation sei weder eine strafrechtliche Ahndung des Verstoßes noch eine verwaltungsrechtliche Untersagung der Veranstaltung von Sportwetten möglich gewesen. Zivilrechtlich führe dies dazu, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags nicht zur Nichtigkeit der Wettverträge nach § 134 BGB führe.

Ein Anspruch des Klägers folge auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB. § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 und § 284 StGB kämen unter den genannten Voraussetzungen nicht als Schutzgesetze im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB in Betracht.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Vorinstanzen:

AG Geislingen an der Steige - Urteil vom 28. April 2022 - 3 C 459/21
LG Ulm - Urteil vom 24. Mai 2023 - 1 S 46/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 GlüStV 2012

(1) Öffentliche Glücksspiele dürfen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten.
(…)
(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.
(5) Abweichend von Absatz 4 können die Länder zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet erlauben, wenn keine Versagungsgründe nach § 4 Abs. 2 vorliegen und folgende Voraussetzungen erfüllt sind: (…)

§ 134 BGB

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

§ 823 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 284 Abs. 1 StGB

Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 6. März 2024, 12.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 363/21 (Hotelkosten bei Beherbergungsverbot im Rahmen der Corona-Pandemie) (Verhandlung: 07.02.2024)

Datum: 06.03.2024
Akkreditierungsschluss: 05.03.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage, ob ein Hotelgast die Rückzahlung des von ihm vorausgezahlten Beherbergungsentgelts verlangen kann, wenn nach der Buchung ein behördliches Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassen wird, das den gebuchten Zeitraum umfasst.

Sachverhalt:

Die Klägerin buchte im Oktober 2019 zum Zweck einer touristischen Reise für sich und vier Mitreisende drei Doppelzimmer im Hotel der Beklagten in Lüneburg für den Zeitraum vom 14. bis zum 16. Mai 2020. Hierbei wählte sie einen nicht stornierbaren Tarif. Das Beherbergungsentgelt zahlte sie im Voraus. Mit E-Mails vom 7. und 8. Mai 2020 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, sie "storniere" die Buchung und bitte um Rückzahlung. Sie bezog sich dabei ausdrücklich auf einen Beschluss der Niedersächsischen Landesregierung, wonach die "Einschränkungen für das touristische Reisen bis zum 25. Mai 2020" gälten. Die gebuchte touristische Übernachtung falle in den Untersagungszeitraum, weshalb Hotel und Gast von der Leistungspflicht befreit seien. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ab und bot der Klägerin lediglich eine Verschiebung der gebuchten Leistungen auf die Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen, jedoch nicht später als bis zum 30. Dezember 2020 an.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht weitgehend Erfolg gehabt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts gemäß § 346 Abs. 1, § 323 Abs. 1, 2 Nr. 2, Abs. 4 BGB zu. Sie sei wirksam vom Beherbergungsvertrag zurückgetreten. Die Beklagte habe ihre fällige Leistungspflicht nicht erbringen können, da ihr ein behördlich angeordnetes Beherbergungsverbot untersagt habe, in dem von der Klägerin gebuchten Zeitraum touristische Gäste zu beherbergen (§ 1 Abs. 4 der
Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020, Nds. GVBl. S. 74). Die Klägerin habe schon vor der Fälligkeit der Leistung der Beklagten zurücktreten können. Bereits am 6. Mai 2020 sei wegen der erfolgten Verlängerung des Beherbergungsverbots für beide Parteien klar gewesen, dass die Beklagte die gebuchten Zimmer am 14. Mai 2020 aus rechtlichen Gründen nicht würde bereitstellen können. Die Klägerin habe der Beklagten vor dem Rücktritt auch keine Frist zur Leistung setzen müssen, weil es sich bei der Hotelbuchung um ein "relatives Fixgeschäft" im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB handle. Die Parteien hätten einen festen Termin für die Überlassung der Hotelzimmer vereinbart. Ersichtlich sei die Leistungszeit für die Klägerin wesentlich gewesen.

Ein Rücktritt der Klägerin sei nicht wegen der Wahl eines nicht stornierbaren Tarifs ausgeschlossen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin damit das Risiko habe übernehmen wollen, dass ihr die Zimmer - beispielsweise aufgrund höherer Gewalt oder durch behördliche Beschränkungen - von vornherein nicht überlassen werden könnten. Der Ausübung des Rücktrittsrechts stehe auch nicht die Risikoverteilung nach der Vorschrift des § 537 Abs. 1 BGB entgegen. Das Beherbergungsverbot für touristisch Reisende stelle keinen in der Person des jeweiligen Gastes liegenden Grund im Sinne dieser Norm dar. Die Regelung betreffe lediglich das Verwendungsrisiko des Mieters und sei vorliegend nicht einschlägig, weil ein zu Lasten der Beklagten wirkendes Leistungshindernis vorliege. Schließlich könne die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin ein auf die Vorschrift zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) gestütztes Verlangen auf Vertragsanpassung nicht entgegenhalten. Diese Vorschrift sei im Streitfall nicht anwendbar. Denn die Beklagte mache nicht geltend, dass ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten sei, sondern wende sich gegen das Bestehen eines Rücktrittsrechts der Klägerin.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Charlottenburg - 205 C 149/20 - Urteil vom 5. November 2020
LG Berlin - 28 S 23/20 - Urteil vom 15. Oktober 2021 (juris)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 313 Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
[…]

§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
1. […],
2. der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
[…]
(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
[…]

§ 346 Wirkungen des Rücktritts

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
[…]

§ 537 Entrichtung der Miete bei persönlicher Verhinderung des Mieters

(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.
[…]

Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74)

§ 1
[…]
(4) 1Betreiberinnen und Betreibern von Beherbergungsstätten und ähnlichen Einrichtungen, Hotels, Campingplätzen, Wohnmobilstellplätzen sowie privaten und gewerblichen Vermieterinnen und Vermietern von Ferienwohnungen, Ferienzimmern, Übernachtungs- und Schlafgelegenheiten und ähnlichen Einrichtungen für Beherbergungen und Übernachtungen ist es untersagt, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen. 2Dies gilt auch für Betreiber von Kureinrichtungen und präventiven Reha-Einrichtungen. 3Anschlussheilbehandlungen im Sinne des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs sind hiervon ausgenommen.
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 20. Februar 2024 um 10.00 Uhr in Sachen KVB 69/23 - Google (Schutz von Geschäftsgeheimnissen bei Beteiligung von Wettbewerbern durch das Bundeskartellamt)

Datum: 20.02.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Bundeskartellamt in einem Kartellverwaltungsverfahren vertrauliche Informationen der Betroffenen gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten offenlegen darf.

Sachverhalt:

Das Bundeskartellamt versandte im Juni 2023 eine vorläufige rechtliche Einschätzung an Alphabet Inc., Mountain View, USA, und Google Germany GmbH, Hamburg, zu Googles Praktiken im Zusammenhang mit den Google Automotive Services. Das Bundeskartellamt beabsichtigt, unter Anwendung der neuen Vorschriften für Digitalkonzerne (§ 19a GWB), Google verschiedene wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen zu untersagen.

Die Google Automotive Services sind ein Produktbündel, das Google Fahrzeugherstellern zur Lizenzierung anbietet. Es umfasst den Kartendienst Google Maps, eine Version des App-Stores Google Play und den Sprachassistenten Google Assistant. Google bietet Fahrzeugherstellern die Dienste grundsätzlich nur als Bündel an und macht nach Auffassung des Bundeskartellamts weitere Vorgaben für die Präsentation dieser Dienste im Infotainmentsystem, damit diese bevorzugt genutzt werden. Nach vorläufiger Einschätzung des Bundeskartellamtes erfüllt Googles Verhalten die Voraussetzungen mehrerer Tatbestände des § 19a Abs. 2 GWB, auf dessen Grundlage das Bundeskartellamt Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung gem. § 19a Abs. 1 GWB verpflichten kann, die jeweiligen Praktiken zu beenden, sofern sie nicht sachlich gerechtfertigt sind.

Nach Mitteilung dieser wettbewerblichen Bedenken durch das Bundeskartellamt unterbreitete Google Lösungsvorschläge. Das Bundeskartellamt wandte sich an Fahrzeughersteller und Wettbewerber Googles, um ihre Einschätzung zu diesen Vorschlägen und weitere Informationen insbesondere zu technischen Fragen zu erhalten.

In dem Kartellverwaltungsverfahren beabsichtigt das Bundeskartellamt des Weiteren, die bisherigen Ermittlungsergebnisse teilweise gegenüber zwei Wettbewerbern Googles offenzulegen, damit diese zu den wettbewerblichen Bedenken Stellung nehmen können. Google beanstandet, dass damit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Googles gegenüber Wettbewerbern offengelegt würden und hat gegen die Offenlegung einzelner, bestimmt bezeichneter Textpassagen Beschwerde eingelegt. Über die Zulässigkeit und Begründetheit dieser Beschwerde hat - vorbehaltlich einer Zuständigkeitsrüge der Beschwerdeführerinnen - der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Google hat Beschwerde gegen die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen beim Bundeskartellamt eingelegt. Dieses hat die Beschwerde, nachdem es ihr nicht abgeholfen hat, dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 5 GWB vorgelegt.

HINWEIS:
Zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Googles kommt möglicherweise ein Ausschluss der Öffentlichkeit, einschließlich der Presse, sowie der beigeladenen Wettbewerber von Google, von wesentlichen Teilen der mündlichen Verhandlung in Betracht, § 172 Nr. 2 GVG. Darüber kann erst in der Verhandlung entschieden werden.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 19a GWB

(1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a (Mehrseitigen Märkten und Netzwerken) tätig ist, eine überragende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. …
(2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen,
1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, insbesondere
a) die eigenen Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen;
b) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren;
2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere
a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen;

5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern;

Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Unternehmen. …

§ 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB

(1) …
(2) An dem Verfahren vor der Kartellbehörde ist oder sind beteiligt:

3. Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat; …

§ 56 GWB

(1) Die Kartellbehörde hat den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Über die Form der Anhörung entscheidet die Kartellbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. …

(4) Die Behörde hat die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Behörde sowie zur Wahrung des Geheimschutzes oder von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, geboten ist. In Entwürfe zu Entscheidungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung und die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, wird Akteneinsicht nicht gewährt.

§ 57 Abs. 1 GWB

(1) Die Kartellbehörde kann alle Ermittlungen führen und alle Beweise erheben, die erforderlich sind.

§ 73 Abs. 5 GWB

(5) Der Bundesgerichtshof entscheidet als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts
1. nach § 19a, auch in Verbindung mit §§ 19, 20 und Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 32 Absatz 1, 2 und 3,
2. nach den §§ 32a und 32b, soweit diese Vorschriften auf Sachverhalte im Sinne des § 19a angewendet werden,
jeweils einschließlich aller selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen.

§ 172 GVG

Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn
1. …
1a. …
2. ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden,
3. …
4. …

Akkreditierungsbedingungen

Revisionshauptverhandlung am 15. Februar 2024, 10.30 Uhr im Verfahren 5 StR 283/23 (Verurteilung eines Polizeibeamten wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses durch das Landgericht Lübeck)

Datum: 15.02.2024
Kameraöffentlichkeit: Noch offen


Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 15. Februar 2024 über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das am 19. Oktober 2022 ergangene Urteil des Landgerichts Lübeck.

Nach den Feststellungen des Landgerichts informierte der angeklagte Polizeibeamte von Juli 2018 bis August 2019 mehrfach einen befreundeten Journalisten über laufende Ermittlungsverfahren und polizeiinterne Vorgänge, die ihm dienstlich oder als Mitglied des Hauptpersonalrats der Landespolizei und des Vorstands einer Polizeigewerkschaft (siehe Berichtigung durch Pressemitteilung 6/2024) bekannt geworden waren. Er habe dabei auch Daten von Privatpersonen preisgegeben. Der weitgehend geständige Angeklagten habe so insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft kritisieren und dem öffentlichen Ansehen missliebiger Personen innerhalb der Polizeiführung schaden wollen. Das Landgericht hat ihn deshalb wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Verletzung eines Privatgeheimnisses mit Schädigungsabsicht, in einem Fall zudem mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, wegen unerlaubten Verarbeitens personenbezogener Daten in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Verbreiten eines Bildnisses, wegen Verletzung von Privatgeheimnissen und wegen Verletzung von Privatgeheimnissen mit Schädigungsabsicht zu einer Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro verurteilt. Von weiteren Vorwürfen hat es den Angeklagten freigesprochen. In drei Fällen sei es durch die Informationsweitergabe nicht zu der für eine Verurteilung wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1 StGB) erforderlichen Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen gekommen; in einem weiteren Fall habe der Angeklagte die weitergebenen Informationen nicht durch seine dienstliche Tätigkeit erlangt.

Die Staatsanwaltschaft Kiel greift das Urteil mit auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützter Revision an. Sie wendet sich dabei insbesondere gegen die Freisprüche, die rechtliche Beurteilung einzelner Taten und die Strafzumessung. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof vertritt das Rechtsmittel weitgehend. Der Angeklagte hat ebenfalls Revision eingelegt und wendet sich mit Sach- und Verfahrensrügen gegen seine Verurteilung. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird in der Hauptverhandlung am 15. Februar 2024, 10.30 Uhr, über die Revisionen verhandeln.

Vorinstanz:

LG Lübeck - Urteil vom 19. Oktober 2022 - 9 KLs 590 Js 45736/19 (2)

Die maßgeblichen Vorschriften des StGB lauten:

§ 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2. – 4. …
5. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.
(…)

§ 203 Verletzung von Privatgeheimnissen

(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm (…) anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1. Amtsträger oder Europäischer Amtsträger,
2. …
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
4. – 6. …
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.
(3) – (5) …
(6) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

§ 353b Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als
1. Amtsträger,
2. …
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4. …
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(…)

Die maßgebliche Vorschrift des BDSG lauten:

§ 42 Strafvorschriften

(1) …
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind,
1. ohne hierzu berechtigt zu sein, verarbeitet oder
2. durch unrichtige Angaben erschleicht
und hierbei gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.
(…)

Die maßgebliche Vorschrift des KunstUrhG lauten:

§ 33

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.
(2) …

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 15. Februar 2024, 15.00 Uhr, in Sachen 2 StR 404/23 wegen Vergewaltigung (Verhandlung: 17.1.2024)

Datum: 15.02.2024
Akkreditierungsschluss: 14.02.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung, sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sowie weiterer Sexual- und Körperverletzungsdelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten verurteilt und seine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Feststellungen zufolge nutzte der über viele Jahre als Jugendfußballtrainer tätige Angeklagte seine damalige Funktion, um Kontakt zu männlichen Jugendlichen bzw. Kindern aufzunehmen. Das Urteil geht für die Jahre von 2014 bis 2021 von 69 Einzelfällen zum Nachteil von zehn Geschädigten aus. In einer Reihe von Fällen kontaktierte der Angeklagte seine späteren Opfer unter falscher Identität über soziale Netzwerke, fingierte eine Bedrohungslage und bot sich diesen unter seinem richtigen Namen als Helfer an. Mittels des Bedrohungsszenarios veranlasste er als „Unbekannter“ die Jugendlichen zu sexuellen Handlungen mit sich. Teilweise sedierte er die minderjährigen Geschädigten heimlich mit Schlafmitteln in Getränken oder Schokolade und missbrauchte sie anschließend sexuell.

Die Hauptverhandlung über die Revision des Angeklagten findet am Mittwoch, dem 17. Januar 2024, 10:30 Uhr, im Sitzungssaal, Rintheimer Querallee 11, 76131 Karlsruhe statt.

Vorinstanz:

LG Frankfurt am Main – 5/03 KLs 4711Js 229059/21 (4/22) – Entscheidung vom 23. März 2023

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 09. Februar 2024 - 09:00 Uhr in Sachen V ZR 244/22 und V ZR 33/23 (Zulässigkeit von baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zur Barrierereduzierung) (Verhandlung: 08.12.2023)

Datum: 09.02.2024
Akkreditierungsschluss: 08.02.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf der Grundlage des im Jahr 2020 reformierten Wohnungseigentumsrechts in zwei Verfahren über die Voraussetzungen und Grenzen baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zu entscheiden, die von einzelnen Wohnungseigentümern als Maßnahmen zur Barrierereduzierung (Errichtung eines Personenaufzugs bzw. Errichtung einer 65 Zentimeter erhöhten Terrasse nebst Zufahrtsrampe) verlangt werden.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren V ZR 244/22

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Anlage besteht aus zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Wohnhäusern und steht unter Denkmalschutz. Das Vorderhaus erhielt im Jahr 1983 den Fassadenpreis der Stadt München. Die Wohneinheiten der Kläger befinden sich im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses (ehemaliges „Gesindehaus“), bei dem die Fassade und das enge Treppenhaus im Vergleich zum Vorderhaus eher schlicht gehalten sind. Ein Personenaufzug ist nur für das Vorderhaus vorhanden. In der Eigentümerversammlung vom 26. Juli 2021 wurde unter anderem ein Antrag der nicht körperlich behinderten Kläger abgelehnt, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs am Treppenhaus des Hinterhauses als Zugang für Menschen mit Behinderungen zu gestatten. Mit der Beschlussersetzungsklage wollen die Kläger erreichen, dass die Errichtung des Personenaufzugs dem Grunde nach beschlossen ist.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht durch Urteil den Beschluss ersetzt, dass am Hinterhaus auf der zum Innenhof gelegenen Seite ein Personenaufzug zu errichten ist. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision.

Das Landgericht meint, die Voraussetzungen des mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2020 neu geschaffenen Anspruchs einzelner Wohnungseigentümer auf Maßnahmen zur Barrierereduzierung lägen vor. Die Kläger könnten die Errichtung eines Personenaufzugs als privilegierte bauliche Veränderung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG verlangen; ein entsprechender Grundlagenbeschluss sei gerichtlich zu ersetzen. Der verlangte Aufzug diene dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen und stelle eine angemessene Maßnahme dar. Mit dem Merkmal der Angemessenheit habe der Gesetzgeber bezweckt, im Einzelfall unangemessene Forderungen eines Wohnungseigentümers zurückweisen zu können. Eine privilegierte Maßnahme unter Berufung auf deren Unangemessenheit vollständig zu versagen, komme lediglich in atypischen Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. Soweit sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Nutzungseinschränkungen, optische Veränderungen oder baurechtliche Einwände berufe, stehe dies der Errichtung des Aufzuges nicht grundsätzlich entgegen. Wegen der Vielzahl von Gestaltungsvarianten könne man diese Einwände bei der noch zu treffenden Entscheidung über die konkrete Durchführung der baulichen Veränderung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 WEG) berücksichtigen.

Die Wohnanlage werde auch nicht grundlegend umgestaltet im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG. Dies erfordere im Vergleich zu dem früheren Recht mehr als eine Änderung der Eigenart der Wohnanlage im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG aF. Ausgehend von einem objektiven Vorher-Nachher-Vergleich und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls müsse die bauliche Veränderung der ganzen Anlage ein neues Gepräge geben. Davon könne bei der Errichtung eines Personenaufzugs für das im Gegensatz zum Vorderhaus eher schlicht gehaltene Hinterhaus nicht ausgegangen werden. Schließlich werde kein Wohnungseigentümer im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG unbillig benachteiligt.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren V ZR 33/23

Die Kläger und die Streithelferin der Beklagten sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Anlage besteht aus drei miteinander verbundenen Häusern mit jeweils zwei Wohnungen im Erdgeschoss und zwei weiteren Wohnungen im ersten Obergeschoss. Im rückwärtigen Teil des Anwesens befindet sich eine Gartenfläche, an der den Erdgeschosswohnungen zugewiesene Sondernutzungsrechte gebildet wurden. Nach der Teilungserklärung dürfen auf den Gartenflächen Terrassen in der Größe von maximal 1/3 der Fläche des jeweiligen Sondernutzungsrechts errichtet werden. Mit Ausnahme der den beiden Eckwohnungen zugewiesenen Gartenflächen wurden jeweils gepflasterte Terrassen errichtet. Auf Antrag der Streithelferin, die Sondereigentümerin einer der Eckwohnungen ist, beschlossen die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 14. Oktober 2021, ihr als privilegierte Maßnahme gemäß § 20 Abs. 2 WEG zu gestatten, auf der Rückseite des Gebäudes eine Rampe als barrierefreien Zugang sowie eine etwa 65 Zentimeter aufzuschüttende Terrasse zu errichten und das Doppelfenster im Wohnzimmer durch eine verschließbare Tür zu ersetzen; ggf. soll ein aus Bodenplatten bestehender Zugang vom Hauseingang bis zur Terrasse errichtet werden. Hiergegen richtet sich die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage.

Das Amtsgericht hat den Beschluss für ungültig erklärt. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will die Streithelferin die Abweisung der Klage erreichen.

Nach Ansicht des Landgerichts ist die Klage begründet. Der Prüfungsmaßstab richte sich bei der Anfechtung eines Beschlusses, mit dem – wie hier – einem einzelnen Wohnungseigentümer die Vornahme einer baulichen Veränderung gestattet werde, allein nach § 20 Abs. 4 WEG. Ob es sich um eine angemessene bauliche Veränderung im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG handele, sei lediglich mittelbar bei der Frage einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage nach § 20 Abs. 4 WEG maßgeblich. Ausgehend von einem objektiven Vorher-Nachher-Vergleich werde vorliegend der Charakter der Anlage erheblich verändert. Eine von der Wohnung der Streithelferin aus begehbare Terrasse gebe der allenfalls mittleren Wohnstandards entsprechenden Anlage insgesamt ein neues, erheblich moderneres und luxuriöses Gepräge. In der Gesamtschau verändere sich nicht nur die Symmetrie des Hauses, sondern der Charakter der Wohnanlage als Ganzes. Eine andere Bewertung ergebe sich nicht aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien. Die gestattete Terrasse sei zur Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu der Wohnung weder erforderlich noch angemessen, insbesondere bestünden andere Möglichkeiten eines barrierefreien Zugangs, die mit geringeren Eingriffen in das Gebäude verbunden seien.

Vorinstanzen:

V ZR 244/22

AG München – Urteil vom 10. Februar 2022 – 1294 C 13970/21 WEG
LG München I – Urteil vom 8. Dezember 2022 – 36 S 3944/22 WEG (siehe u.a. NZM 2023, 164)

und

V ZR 33/23

AG Bonn – Urteil vom 15. August 2022 – 211 C 47/21
LG Köln – Urteil vom 26. Januar 2023 – 29 S 136/22 (siehe u.a. ZWE 2023, 176)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 20 WEG Bauliche Veränderungen

(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.
(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die
1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
2. - 4. [...]
dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.
(3) [...]
(4) Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.

§ 22 WEG aF Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau

(1) [...]
(2) Maßnahmen gemäß Absatz 1 Satz 1, die der Modernisierung entsprechend § 555b Nummer 1 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen, können abweichend von Absatz 1 durch eine Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. Die Befugnis im Sinne des Satzes 1 kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(3) [...]
(4) [...]

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 19. Januar 2024, 9.00 Uhr, Saal N 004, in Sachen V ZR 191/22 (Erbbaurechtlicher Heimfallanspruch wegen nicht fristgerechter Fertigstellung einer Moschee?) (Verhandlung: 17.11.2023)

Datum: 19.01.2024
Akkreditierungsschluss: 18.01.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Erbbaurecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem u.a. zu klären ist, ob eine Kommune, die einem religiösen Verein ein Erbbaurecht zwecks Errichtung einer Moschee bestellt hat, wegen nicht fristgerechter Fertigstellung des Bauwerks die Rückübertragung des Erbbaurechts verlangen kann.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Stadt in Baden-Württemberg, der Beklagte ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck darin besteht, Menschen islamischen Glaubens soziale, kulturelle und religiöse Dienste anzubieten. Um ihren muslimischen Bürgern die Ausübung ihres Glaubens in einer Moschee ermöglichen, vereinbarte die Klägerin mit dem Beklagten, dass dieser ein Grundstück der Klägerin in einem ersten Bauabschnitt mit einer Moschee und einem Kulturhaus bebauen sollte. Die Parteien schlossen am 26. November 2014 eine insgesamt als Erbbaurechtsvertrag bezeichnete notarielle Vereinbarung, mit der die Klägerin dem Beklagten für die Dauer von 60 Jahren und einer Verlängerungsmöglichkeit von weiteren 30 Jahren ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück einräumte. Es wurde ein gestaffelter Erbbauzins vereinbart von anfänglich 35.336 € jährlich ab dem 1. Juli 2017. Der Beklagte verpflichtete sich, den ersten Bauabschnitt innerhalb von vier Jahren ab dem 1. November 2014 fertigzustellen. Anderenfalls sollte die Klägerin berechtigt sein, die Rückübertragung des Erbbaurechts zu verlangen (Heimfall). Eine Vergütung für das Erbbaurecht wurde für diesen Fall vertraglich ausgeschlossen, und der Beklagte sollte auf Verlangen der Klägerin verpflichtet sein, die Moschee und das Kulturhaus auf eigene Kosten zu beseitigen. In dem Vertrag unterbreitete die Klägerin dem Beklagten ein Kaufangebot für das Grundstück, das mit einer gleichlautenden Bauverpflichtung verknüpft war. Insoweit behielt sich die Klägerin für den Fall der Nichterfüllung ein Wiederkaufsrecht vor. Das Erbbaurecht wurde in das Erbbaugrundbuch eingetragen. Die Baugenehmigung wurde erteilt, Baubeginn und Bauausführung verzögerten sich jedoch. Im Juli 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er die Frist für die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts nicht werde einhalten können. Im August 2018 nahm er das Kaufangebot für das Grundstück an und zahlte den vereinbarten Kaufpreis. Der erste Bauabschnitt war bis Ende Oktober 2018 nicht fertiggestellt. Im Dezember 2018 machte die Klägerin den Heimfallanspruch geltend und übte das Wiederkaufsrecht aus.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Rückübertragung des Erbbaurechts, hilfsweise dessen Aufhebung, ferner die Versicherung der Moschee gegen Brand- und Elementarschäden und die Zahlung von Erbbauzinsen in Höhe von 110.425 € für den Zeitraum 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2021. Der Beklagte nimmt die Klägerin widerklagend auf Übereignung des Grundstücks in Anspruch; daneben begehrt er die Feststellung, dass er nicht zur Zahlung von Erbbauzinsen verpflichtet ist, die Ausübung des Wiederkaufsrechts rechtswidrig und unwirksam ist und die Klägerin ihm den durch die Ausübung des Heimfallanspruchs und Wiederkaufsrechts entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat. Das Landgericht hat der Klage nur in Bezug auf die Rückübertragung des Erbbaurechts und die Zahlung von 110.425 € (als Verzugsschadensersatz) und der Widerklage nur in Bezug auf die Feststellung stattgegeben, dass der Beklagte nicht zur Zahlung vertraglich vereinbarter Erbbauzinsen verpflichtet ist; im Übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten darüber hinaus zur Versicherung der Moschee verurteilt und die Widerklage insgesamt abgewiesen; die Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag und seine Widerklageanträge weiter.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen den Beklagten wegen dessen Verstoßes gegen die Bauverpflichtung einen vertraglichen Anspruch auf Rückübertragung des Erbbaurechts. Die Klägerin habe ihr Wiederkaufsrecht und den Heimfallanspruch wirksam ausgeübt. Zwar verstoße der Ausschluss der Heimfallvergütung in einem städtebaulichen Vertrag gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Dies führe jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Heimfallregelung oder gar des gesamten Vertrages. Denn es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien den Vertrag bei Kenntnis der Unwirksamkeit dieser Klausel nicht oder dann ohne die Vereinbarung über den Heimfall abgeschlossen hätten. An die Stelle der unwirksamen Klausel trete die gesetzliche Regelung in § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG, nach der eine angemessene Vergütung für das Erbbaurecht zu gewähren sei. Grundrechte des Beklagten aus Art. 4 oder Art. 14 GG stünden der Wirksamkeit der Bauverpflichtung, des Wiederkaufsrechts und der Heimfallvereinbarung nicht entgegen, denn sie vermittelten dem Beklagten keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Überlassung des Grundstücks. Mit der Geltendmachung des Heimfallanspruchs verstoße die Klägerin nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Indem sie ihren muslimischen Bürgern zeitnah die Ausübung ihres Glaubens in einer Moschee ermöglichen und eine Bauruine vermeiden wolle, verfolge sie einen legitimen Zweck, zu dessen Erreichung der Heimfall geeignet und erforderlich sei. Die Geltendmachung des Heimfallanspruchs bedeute auch keine unzumutbare Härte für den Beklagten, da dieser durch die Heimfallvergütung die Möglichkeit habe, an anderer Stelle eine Gebetsmöglichkeit für seine Mitglieder zu schaffen.

Der Klägerin stehe gegen den Beklagten auch ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung von Erbbauzinsen in Höhe von 110.425 € für den Zeitraum ab 2019 zu. Die Parteien hätten zwar vereinbart, dass der Beklagte nach Annahme des Kaufangebots der Klägerin den Erbbauzins nur bis zur Besitzübergabe (mit vollständiger Kaufpreiszahlung) zu zahlen habe. Die Auslegung dieser vertraglichen Regelung ergebe aber, dass dies nur gelte, wenn und solange der Kaufvertrag wirksam bestehe und der Beklagte Besitzrechte aus ihm ableiten könne. Dies sei seit der wirksamen Ausübung des Wiederkaufsrechts durch die Klägerin im Dezember 2018 nicht mehr der Fall. Ab diesem Zeitpunkt beruhe der Besitz des Beklagten an dem Grundstück wieder auf dem Erbbaurecht und habe der Beklagte dementsprechend den vereinbarten Erbbauzins an die Klägerin zu zahlen.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 28. September 2021 - 17 O 1045/18
OLG Stuttgart - Urteil vom 13. September 2022 - 10 U 278/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Baugesetzbuch (BauGB):

§ 11 Städtebaulicher Vertrag

(1) 1Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. (…)
(2) 1Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein. (…)

Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG):

§ 32 [Vergütung für das Erbbaurecht]

(1) 1Macht der Grundstückseigentümer von seinem Heimfallanspruche Gebrauch, so hat er dem Erbbauberechtigten eine angemessene Vergütung für das Erbbaurecht zu gewähren. 2Als Inhalt des Erbbaurechts können Vereinbarungen über die Höhe dieser Vergütung und die Art ihrer Zahlung sowie ihre Ausschließung getroffen werden.
(2) 1Ist das Erbbaurecht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses minderbemittelter Bevölkerungskreise bestellt, so darf die Zahlung einer angemessenen Vergütung für das Erbbaurecht nicht ausgeschlossen werden. 2Auf eine abweichende Vereinbarung kann sich der Grundstückseigentümer nicht berufen. 3Die Vergütung ist nicht angemessen, wenn sie nicht mindestens zwei Dritteile des gemeinen Wertes des Erbbaurechts zur Zeit der Übertragung beträgt.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 16. Januar 2024 in Sachen VI ZR 253/22 um 12.00 Uhr und VI ZR 239/22 um 12.30 Uhr (Ersatzfähigkeit von Kfz-Reparaturkosten im Falle des sog. Werkstattrisikos) (Verhandlungstermin: 28.11.2023)

Datum: 16.01.2024
Akkreditierungsschluss: 15.01.2024 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist berechtigt, sein beschädigtes Fahrzeug zur Reparatur in eine Werkstatt zu geben und vom Unfallverursacher den hierfür erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat verhandelt am 28. November 2023 über fünf Revisionen, in denen sich in unterschiedlichen Konstellationen die Frage stellt, wer das Risiko trägt, wenn der Unfallverursacher einwendet, die von der Werkstatt gestellte Rechnung sei überhöht (sog. Werkstattrisiko).

VI ZR 38/22
Nach einem Verkehrsunfall, bei dem die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers außer Streit steht, beauftragte die Geschädigte die Klägerin, eine Kfz-Werkstatt, mit der Reparatur ihres Pkw. Dafür berechnete diese 3.000,16 € brutto. Ein Teil des Rechnungsbetrages in Höhe von 1.164,80 € netto entfällt auf Fremdleistungen für Lackierarbeiten. Auf Nachfrage der Beklagten übermittelte die Klägerin der Beklagten eine hinsichtlich der Rechnungsbeträge geschwärzte Rechnung der Lackiererei. Die Beklagte beglich die Reparaturrechnung bis auf einen Restbetrag von 1.188,32 €. Die Geschädigte trat ihre Ansprüche aus dem Verkehrsunfall an die Klägerin ab. Die Beklagte hat die geltend gemachten Verbringungskosten von 80,00 € bestritten. Die in Ansatz gebrachten Lackierkosten hält sie für überhöht. Sie ist der Ansicht, ihr stehe insoweit bis zur Vorlage der ungeschwärzten Fremdleistungsrechnung ein Leistungsverweigerungsrecht bzw. ein Zurückbehaltungsrecht zu.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Verbringungskosten in Höhe von 80,00 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht dieses Urteil teilweise abgeändert und der Klage insgesamt stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

VI ZR 239/22
Die Geschädigte beauftragte die Klägerin, eine Kfz-Werkstatt, auf der Grundlage eines zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens mit der Reparatur des Unfallfahrzeugs. Die Klägerin stellte der Geschädigten 5.067,15 € in Rechnung, woraufhin ihr die Geschädigte ihren Ersatzanspruch gegen den Unfallverursacher erfüllungshalber abtrat. Der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers erstattete die Kosten der Reparatur bis auf die Position „Arbeitsplatzwechsel“ iHv 227,31 €. Er wendet ein, dass ein Arbeitsplatzwechsel tatsächlich nicht durchgeführt worden sei, weil die Klägerin selbst über eine Lackiererei verfüge und deshalb Verbringungskosten nicht angefallen seien.
Das Amtsgericht hat der Klage aus abgetretenem Recht auf Zahlung der restlichen 227,31 € stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Haftpflichtversicherers hat das Landgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

VI ZR 253/22
Die klagende Geschädigte ließ das Unfallfahrzeug in einem Autohaus instandsetzen. Der durch das Autohaus hierfür in Rechnung gestellte Betrag wurde von ihr noch nicht beglichen und von dem beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallgegners nur zum Teil erstattet. Die mit der Klage geltend gemachte offene Differenz beträgt 1.054,46 €. Die Beklagte verwies auf einen Prüfbericht eines Drittunternehmens, der um diesen Betrag geringere Reparaturkosten ausweist.
Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten zur Höhe der objektiv erforderlichen Reparaturkosten eingeholt und auf dieser Basis die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere Reparaturkosten in Höhe von 389,23 EUR zu zahlen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin Erstattung der weiteren Reparaturkosten in Höhe von 665,23 €, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche auf Schadensersatz gegen das Autohaus aufgrund möglicherweise überhöhter Abrechnung.

VI ZR 266/22
Das Fahrzeug des Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Ein vom Kläger beauftragter Sachverständiger ermittelte Kosten für die Fahrzeugreparatur von 9.227,62 € brutto. Der Kläger beauftragte eine Werkstatt, die ihm nach der Reparatur des Fahrzeugs 11.766,66 € brutto in Rechnung stellte. Hiervon erstattete die Beklagte, deren volle Haftung dem Grunde nach außer Streit steht, dem Kläger 11.401,45 €. Die Erstattung der restlichen Reparaturkosten, die der Kläger selbst noch nicht beglichen hat, lehnte sie mit der Begründung ab, diesen Kosten lägen Arbeiten zugrunde, die für die Reparatur des Fahrzeugs nicht erforderlich gewesen seien.
Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten zur Frage der Erforderlichkeit der Reparaturarbeiten eingeholt. Es hat auf der Grundlage des Gutachtens die Beklagte zur Zahlung von 129,59 € verurteilt und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Erstattung weiterer Reparaturkosten gerichtet ist. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verlangt der Kläger die Erstattung der restlichen Reparaturkosten.

VI ZR 51/23
Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer COVID-19-Desinfektion, die der durch einen Verkehrsunfall geschädigten Klägerin im Zusammenhang mit der Reparatur ihres verunfallten Pkws von der von ihr beauftragten Werkstatt in Rechnung gestellt worden sind. Die volle Eintrittspflicht des beklagten Haftpflichtversicherers des Unfallgegners der Klägerin ist dabei dem Grunde nach unstreitig.
Die Vorinstanzen haben die Beklagte unter Berufung auf die Grundsätze zur Tragung des Werkstattrisikos für erstattungspflichtig gehalten, auch wenn die Klägerin die abgerechneten Desinfektionskosten noch nicht bezahlt habe. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie macht unter anderem geltend, die abgerechneten Desinfektionsmaßnahmen seien schon deshalb nicht erstattungsfähig, weil sie tatsächlich nicht durchgeführt worden seien. Zudem komme eine subjektbezogene Schadensbetrachtung zugunsten des Geschädigten im Streitfall auch deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin die gesamte Schadensabwicklung im Rahmen eines "Schadensservices aus einer Hand" in die Hände der beauftragten Reparaturwerkstatt gelegt habe.

Vorinstanzen:
VI ZR 38/22
AG Bremen, Urteil vom 30. Juni 2021 – 23 C 262/20
LG Bremen, Urteil vom 22. Dezember 2022 – 4 S 187/21

VI ZR 239/22
AG Stuttgart, Urteil vom 22. Februar 2022 - 43 C 4352/21
LG Stuttgart, Urteil vom 6. Juli 2022 - 13 S 33/22

VI ZR 253/22
AG Kitzingen, Urteil vom 2.Mai 2022 - 4 C 417/21
LG Würzburg, Urteil vom 27. Juli 2022 - 3 S 737/22

VI ZR 266/22
AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 8. März 2022 - 5 C 897/21
LG Stuttgart, Urteil vom 3. August 2022 - 13 S 43/22

VI ZR 51/23
AG Schopfheim, Urteil vom 20. Mai 2022 - 1 C 169/21
LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 13. Januar 2023 - 2 S 12/22

Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerliches Gesetzbuches (BGB) lauten:
§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(…)
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. (…)
§ 398 Abtretung
Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 21. Dezember 2023, 8.45 Uhr, in Sachen I ZR 96/22 (Zur Schutzfähigkeit des USM Haller Möbelbausystems) (Verhandlung: 23.11.2023)

Datum: 21.12.2023
Akkreditierungsschluss: 20.12.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht und das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Schutzfähigkeit des USM Haller Möbelbausystems zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die in der Schweiz ansässige Klägerin stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „USM Haller“ ein modulares Möbelbausystem, bei dem hochglanzverchromte Rundrohre mittels kugelförmiger Verbindungsknoten zu einem Gestell zusammengesetzt werden. In das Gestell werden verschiedenfarbige Verschlussflächen aus Metall (sogenannte Tablare) eingesetzt.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bietet über ihren Online-Shop Ersatz- und Erweiterungsteile für dieses Möbelbausystem an, die in der Form und überwiegend auch in der Farbe den Original-Komponenten der Klägerin entsprechen.

Die Klägerin ist der Auffassung, bei ihrem Möbelbausystem handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst. Das Angebot der Beklagten verletze das an ihrem Möbelbausystem bestehende Urheberrecht. Darüber hinaus macht die Klägerin – hilfsweise – Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz geltend. Sie nimmt die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung nebst Rechnungslegung, Ersatz von Abmahnkosten sowie Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage aus Urheberrecht überwiegend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat dagegen urheberrechtliche Ansprüche abgelehnt und lediglich Ansprüche aus Wettbewerbsrecht zuerkannt.

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass es sich bei dem USM Haller Möbelbausystem nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele. Es erfülle nicht die vom Gerichtshof der Europäischen Union in seiner jüngeren Rechtsprechung gestellten Anforderungen an ein Werk, weil seine Gestaltungsmerkmale - auch nach dem von ihnen vermittelten Gesamteindruck - nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen seien.

Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche seien aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet. Das USM Haller Möbelbausystem habe wettbewerbliche Eigenart, weil seine Gestaltungsmerkmale nach ihrem Gesamteindruck auf die Klägerin als Herstellerin hinwiesen. Das Angebot der Beklagten sei gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG unlauter, weil es die Abnehmer in vermeidbarer Weise über die betriebliche Herkunft der angebotenen Produkte täusche.

Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin verfolgt ihre vom Oberlandesgericht abgewiesenen Ansprüche weiter. Die Beklagten erstreben die vollständige Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 14. Juli 2020 - 14c O 57/19
OLG Düsseldorf - Urteil vom 2. Juni 2022 - 20 U 259/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: (…)
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; (…)
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG

Unlauter handelt, wer (…)
3. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, (…)

Akkreditierungsbedingungen


Aufhebung des Verhandlungstermins wegen Rücknahme der Revision am 19. Dezember 2023, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 36/23 (Verjährung des Anspruchs auf Rückforderung von Bankentgelten)

Datum: 19.12.2023
Kameraöffentlichkeit: Ja

Nachdem der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat mit Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20, vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 88/2021) entschieden hat, dass die von Banken im Verkehr mit Verbrauchern verwendeten sogenannten Zustimmungsfiktions-klauseln unwirksam sind, wird er sich in dem nunmehr zur Verhandlung anstehenden Verfahren u.a. mit der Frage des Verjährungsbeginns von Ansprüchen zu befassen haben, mit denen Verbraucher Bankentgelte zurückfordern, welche die Bank auf der Grundlage von Entgeltabreden berechnet hat, die im Wege einer solchen Zustimmungsfiktionsklausel getroffen werden sollten.

Sachverhalt:

Die Kläger begehren von der beklagten Sparkasse Rückzahlung von Kontoführungsentgelten und von Entgelten für ein angemietetes Schrankfach. Die Beklagte führt für die Kläger jeweils ein Girokonto und vermietete einem der Kläger in dem Zeitraum 2017 bis zum 30. November 2020 ein Schrankfach. Nach einer Klausel, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten war, galt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigte (sog. Zustimmungsfiktionsklausel). Die Beklagte erhöhte im Laufe der Geschäftsbeziehung gestützt auf die Zustimmungsfiktionsklausel sowohl die Kontoführungsentgelte als auch das Entgelt für das angemietete Schankfach. Im Jahr 2021 widersprachen die Kläger den Entgelterhöhungen. Mit ihrer im Jahr 2022 erhobenen Klage begehren sie die Rückzahlung von Kontoführungsentgelten in Höhe von 325,90 € und von 321,05 €, welche die Beklagte in dem Zeitraum 2011 bis einschließlich Januar 2022 berechnete. Der Kläger macht außerdem die Rückzahlung von Entgelten für das angemietete Schrankfach in Höhe von insgesamt 68,67 € geltend, welche die Beklagte in den Jahren 2017 bis 2020 vereinnahmte.

Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 140,30 € an die Klägerin und zur Zahlung von 178,32 € an den Kläger verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die von den Klägern eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass Ansprüche der Kläger auf Rückzahlung von Entgelten, die von der Beklagten bis einschließlich 2018 von den Girokonten der Kläger abgebucht wurden, verjährt seien. Die kenntnisabhängige Regelverjährungsfrist von drei Jahren sei insoweit abgelaufen. Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners hätten die Kläger erlangt, als die Beklagte sie über die Entgelterhöhungen informiert habe und sie die Berechnung der erhöhten Entgelte durch die Beklagte in den Entgeltabschlüssen hätten erkennen können. Ab diesem Zeitpunkt seien sie in der Lage gewesen, die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Entgelte klageweise geltend zu machen. Ob die Kläger die Zustimmungsfiktionsklausel als unwirksam angesehen hätten, sei unbeachtlich.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revision der Kläger am 19. Dezember 2023 verhandeln.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Westerburg - Urteil vom 29. Juni 2022 - 23 C 7/22
Landgericht Koblenz - Urteil vom 16. Februar 2023 - 3 S 3/22

Akkreditierungsbedingungen


Hauptverhandlung am 6. Dezember 2023 um 9.30 Uhr in Sachen 2 StR 270/23 wegen Störung der Totenruhe

Datum: 06.12.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Das Landgericht Bonn hat den Angeklagten mit Urteil vom 20. Januar 2023 wegen Störung der Totenruhe gemäß § 168 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Den Feststellungen des Landgerichts zufolge legte der Angeklagte am 28. Juni 2022 um 17.16 Uhr den durch eine unbekannte Person vom Leichnam abgetrennten Kopf seines zuvor eines natürlichen Todes verstorbenen, ebenfalls obdachlos gewesenen, Freundes vor den verschlossenen Haupteingang des Bonner Amts- und Landgerichts, so dass dessen Gesicht zur Straße gerichtet war. Dem Angeklagten war bewusst, dass alsbald zahlreiche Passanten dem Verstorbenen ins Gesicht und in die weit geöffneten Augen schauen und auch das Innere des abgetrennten Halses sehen konnten, wodurch sie nachhaltig schockiert und in ihrem Pietätsgefühl verletzt würden.

Die Hauptverhandlung über die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft findet am Mittwoch, dem 6. Dezember 2023, 09.30 Uhr, im Sitzungssaal, Rintheimer Querallee 11, 76131 Karlsruhe statt.

Vorinstanz:

Landgericht Bonn - 51 KLs 2/22 900 Js 672/22 - Entscheidung vom 20. Januar 2023

Akkreditierungsbedingungen


Verlegung des Verkündungstermins aus dienstlichen Gründen auf den 5. Dezember 2023, 9.45 Uhr, Saal E 101, in Sachen KZR 101/20 (Fernwärmenetz Stuttgart) (Verhandlung: 11.07.2023) (Verkündung vorher: 10.10.2023)

Datum: 05.12.2023
Akkreditierungsschluss: 04.12.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs verkündet in dem Rechtsstreit zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und EnBW über die Frage, ob der Stadt das Eigentum am Fernwärmenetz zusteht und - wenn nicht - ob die Stadt von EnBW Beseitigung der Netzanlagen verlangen kann. EnBW möchte das Fernwärmenetz auch in Zukunft betreiben und verlangt dafür die Einräumung von Wegenutzungsrechten.


Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin sämtlicher Wegegrundstücke der Stadt. Die Beklagte betreibt das dortige Fernwärmenetz.
Zunächst erschloss das Kommunalunternehmen „Technische Werke der Stadt Stuttgart AG" (TWS) größere Gebiete für die Fernwärmeversorgung der Stadt. Im April 1994 schloss die Klägerin mit der TWS einen „Konzessionsvertrag", mit dem der TWS Wegenutzungsrechte für die Verlegung und den Betrieb des Fernwärmenetzes eingeräumt wurden. Der Vertrag sah eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2013 vor. Eine Regelung über das Schicksal der Versorgungsanlagen nach Beendigung des Vertrages (sog. Endschaftsregelung) enthielt der Vertrag nicht. Der Geschäftsbetrieb der TWS ist inzwischen in den Konzern der Beklagten eingegliedert worden.
Während der Vertragsdauer baute die Beklagte das Fernwärmenetz auf insgesamt 218 km aus. Dadurch werden etwa 18 Prozent des Stadtgebiets mit rund 25.000 Haushalten, ca. 1.300 Unternehmen und 300 öffentlichen Gebäude versorgt. Die Fernwärmeleitungen befinden sich zum größten Teil in oder auf Grundstücken der Klägerin; Anschlussleitungen liegen auf Grundstücken Dritter und weitere Anlagen befinden sich auf Grundstücken der Beklagten.
Im Jahr 2011 gab die Klägerin das Ende des Konzessionsvertrages bekannt. Im Juli 2012 äußerte die Klägerin in einem ersten Informationsbrief an die Unternehmen, die Interesse an der Konzession bekundet hatten, die Absicht, die Wegenutzungsrechte in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben, dessen Ergebnis auch eine Rekommunalisierung sein könne. Im Juli 2013 setzte der Gemeinderat der Klägerin das Vergabeverfahren aus. Sodann beschloss er am 16. Februar 2016, dass die Landeshauptstadt das Eigentum am Fernwärmenetz und dessen Betrieb frühestmöglich übernehmen solle. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Eigentum an den Anlagen des Fernwärmenetzes der Klägerin zu übertragen. Die Beklagte setzt die Fernwärmeversorgung zu den bisher geltenden Bedingungen fort. Eine Nachfolgevereinbarung wurde nicht geschlossen.


Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht Stuttgart hat die auf Übereignung des Fernwärmenetzes sowie hilfsweise auf Beseitigung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines erneuten Gestattungsvertrages zum Betrieb des bereits verlegten Fernwärmenetzes für die Dauer von höchstens 20 Jahren zu unterbreiten. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Störungszustand zu beseitigen, der sich durch das Vorhandensein der Fernwärmeversorgungsanlagen in oder auf Grundstücken der Klägerin ergibt. Den auf Feststellung des Eigentums der Klägerin am Fernwärmenetz gerichteten Hauptantrag und den auf Übereignung des Netzes gerichteten Hilfsantrag hat das Berufungsgericht ebenso wie die Widerklage abgewiesen.


Vorinstanzen:
Landgericht Stuttgart - Urteil vom 14. Februar 2019 – 11 O 225/16
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 26. März 2020 – 2 U 82/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:


Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)


§ 95 Nur vorübergehender Zweck
(1) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist.

[…]

§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)


§ 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1. ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;

[….]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 05. Dezember 2023 um 09:30 Uhr in Sachen KZR 46/21 (LKW-Kartell) (Verhandlung: 10.10.2023)

Datum: 05.12.2023
Akkreditierungsschluss: 04.12.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs verhandelte am 10. Oktober 2023 unter anderem über die Frage, ob Ansprüche auf Ersatz von kartellbedingten Schäden auch Leasingnehmern von Lastkraftwagen zustehen können.

Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt die beklagte Daimler AG auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.

Die Beklagte ist einer der führenden Hersteller von Lastkraftwagen im Europäischen Wirtschaftsraum. Nach einem Vergleich mit den Betroffenen stellte die Europäische Kommission mit Beschluss vom 19. Juli 2016 fest, dass die Beklagte und mindestens vier weitere Hersteller, nämlich MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben. Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 andauerte, verhängte die Kommission gegen die Beklagte ein Bußgeld von gut einer Milliarde Euro.

Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das im Baustoffhandel tätig ist. Sie nutzte auf der Grundlage von 12 Leasingverträgen und Mietkaufverträgen im Zeitraum von Februar 2005 bis 2012 von der Beklagten sowie dem Konzern der Streithelferinnen zu 1 bis 3 hergestellte mittelschwere und schwere Lastkraftwagen.

Die Streithelferinnen zu 1 bis 9 sind Konzernunternehmen weiterer Hersteller von Lastkraftwagen, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten in erster Instanz (MAN, Streithelferinnen zu 1 bis 3) und in der Revisionsinstanz (DAF, IVECO, Scania, Streithelferinnen zu 4 bis 9) beigetreten sind.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die auf Schadensersatz in Höhe von 51.683,51 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage wegen der im Zeitraum von 2005 bis 2011 geschlossenen Leasing- und Mietkaufverträge als dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt. Wegen des 2012 geschlossenen Leasingvertrags hat es die Klage abgewiesen; insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen und von den Streithelferinnen unterstützten Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Magdeburg - Urteil vom 8. Januar 2020 - 7 O 302/18
OLG Naumburg - Urteil vom 30. Juli 2021 - 7 Kart 2/20

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 27. November 2023 um 10:00 Uhr in Sachen VIa ZR 1425/22 ("Dieselverfahren"; Haftung des Herstellers des Basisfahrzeugs eines Wohnmobils nach der Entscheidung des EuGH vom 21. März 2023 - C-100/21)

Datum: 27.11.2023
Akkreditierungsschluss: 24.11.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 27. November 2023 unter anderem über die Frage verhandeln, ob der italienische Hersteller des Basisfahrzeugs eines Wohnmobils nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV haftet.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Kapitalgesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Italien, wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Wohnmobil auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger kaufte im April 2018 in der Bundesrepublik Deutschland von einem Dritten ein neu hergestelltes Wohnmobil Fiat Ducato Sunlight A 68 für 52.300 €. Für die Finanzierung wandte er weitere 5.483,03 € auf. Herstellerin des Basisfahrzeugs des Wohnmobils ist die Beklagte. Der in das Wohnmobil eingebaute Dieselmotor der Baureihe 2,3-l-MultiJet II (96 kW) stammt von einem weiteren, nicht am Rechtsstreit beteiligten Hersteller. Die EG-Typgenehmigung für das Basisfahrzeug wurde der Beklagten in Italien nach Maßgabe der Abgasnorm Euro 6 erteilt. Die Emissionen des Motors werden unter Verwendung einer Abgasrückführung kontrolliert. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte vor Erwerb des Wohnmobils im Jahr 2016 ein Verfahren nach Art. 30 Abs. 3 Satz 1 der inzwischen außer Kraft getretenen Richtlinie 2007/46/EG eingeleitet. Die italienische Genehmigungsbehörde hatte im Jahr 2016 keinen Anlass für ein behördliches Einschreiten gesehen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Wohnmobils und auf Erstattung der Finanzierungskosten gerichtete Klage hat vor dem Landgericht keinen Erfolg gehabt. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, weil der Kläger weder wegen seiner sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung noch nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom II), § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schadensersatz von der Beklagten verlangen könne. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Richtlinie 2007/46/EG:

Artikel 30 Nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmende Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten

[…]
(3) Weist ein Mitgliedstaat nach, dass neue Fahrzeuge, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten, die mit einer Übereinstimmungsbescheinigung oder einem Genehmigungszeichen versehen sind, nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, so kann er den Mitgliedstaat, der die EG-Typgenehmigung erteilt hat, auffordern, sich zu vergewissern, dass die hergestellten Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten weiterhin mit dem jeweils genehmigten Typ übereinstimmen. […]

Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom II):

Artikel 4 Allgemeine Kollisionsnorm

(1) Soweit in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.

Bürgerliches Gesetzbuch:

§ 823 Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung:

§ 6 Abs. 1 Satz 1

(1) Für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen.

§ 27 Abs. 1 Satz 1

(1) Neue Fahrzeuge, selbstständige technische Einheiten oder Bauteile, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG, nach Anhang IV der Richtlinie 2002/24/EG oder nach Anhang III der Richtlinie 2003/37/EG vorgeschrieben ist, dürfen im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.

Vorinstanzen:

Landgericht Bayreuth - Urteil vom 11. April 2022 - 41 O 567/21
Oberlandesgericht Bamberg - Beschluss vom 7. September 2022 - 10 U 56/22

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 21. November 2023, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 290/22 (Wirksamkeit einer Klausel zu Abschluss- und Vermittlungskosten in einem Riester-Altersvorsorgevertrag)

Datum: 21.11.2023
Akkreditierungsschluss: 20.11.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird über die Wirksamkeit einer Klausel zu Abschluss- und Vermittlungskosten zu entscheiden haben, die in den von einer Sparkasse unter der Bezeichnung „S VorsorgePlus Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz (Sparkonto mit Zinsansammlung)“ angebotenen Altersvor-sorgeverträgen enthalten ist.

Sachverhalt:

Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Sparkasse verwendet in ihren Sonderbedingungen für die vorgenannten Altersvorsorgeverträge u.a. die folgende Bestimmung:

"Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet."

Prozessverlauf:

Der Kläger hält die vorbezeichnete Klausel für unwirksam, da sie nicht klar und verständlich sei und die Sparer damit entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, sich auf diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Altersvorsorgeverträgen nach dem Altersvermögensgesetz zu berufen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revision der Beklagten am 21. November 2023 verhandeln.

Vorinstanzen:

Landgericht München I - Urteil vom 15. März 2021 - 27 O 230/20
Oberlandesgericht München - Urteil vom 20. Oktober 2022 - 29 U 2022/21

Verkündungstermin am 17. November 2023, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 192/22 (Ersatz der Kosten für die Verwahrung eines privat abgeschleppten KFZ) (Verhandlung: 15.9.2023)

Datum: 17.11.2023
Akkreditierungsschluss: 16.11.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Ersatzfähigkeit von Verwahrkosten zu entscheiden, die angefallen sind, nachdem ein auf einem fremden Grundstück unbefugt abgestelltes Fahrzeug abgeschleppt und von dem Abschleppunternehmen verwahrt wurde.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines Pkw, den er an seine Schwester verliehen hatte. Diese stellte das Fahrzeug unbefugt auf einem Privatgrundstück ab, das von der Streithelferin der Beklagten für die Grundstückseigentümerin verwaltet wird. Im Auftrag der Streithelferin schleppte die Beklagte, die ein Abschleppunternehmen betreibt, das Fahrzeug ab und verbrachte es auf ihr Firmengelände. Das Herausgabeverlangen des Klägers blieb zunächst erfolglos.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat von der Beklagten erstinstanzlich die Herausgabe des Fahrzeugs verlangt. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärt; nicht mehr im Streit steht auch der mit der Widerklage verlangte Ersatz der Abschleppkosten. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Teil der Widerklage, mit dem die Beklagte den Kläger auf Ersatz der Verwahrkosten in Höhe von 4.935 € aus abgetretenem Recht der Streithelferin in Anspruch nimmt (15 € pro Tag der Verwahrung). Das Landgericht hat der Widerklage insoweit stattgegen. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte Ersatz der Verwahrkosten nur in Höhe von 75 € verlangen kann. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision die vollständige Abweisung der Widerklage.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Beklagten aus abgetretenem Recht der Streithelferin gegen den Kläger unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677, § 683 Satz 1 i.V.m. § 670 BGB) nur ein Anspruch auf Ersatz der bis zu dem Verlangen nach Herausgabe des Fahrzeugs entstandenen Verwahrkosten zu. Für die ersten fünf Tage der Verwahrung ergebe sich deshalb ein Anspruch in Höhe von 75 €. Wer unbefugt ein Fahrzeug auf einem Privatgrundstück parke, begehe eine Besitzstörung (§ 858 Abs. 1 BGB), für die neben dem Fahrer auch der Halter verantwortlich sei. Durch die Umsetzung werde der Halter von seiner Verpflichtung zur Beseitigung der Störung (§ 862 Abs. 1 Satz 1 BGB) frei. Die Übernahme der Geschäftsführung entspreche daher ebenso dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters wie eine anschließende sichere Verwahrung des Fahrzeugs zum Schutz vor Wertminderung und unbefugtem Zugriff.

Nach der Aufforderung des Klägers zur Herausgabe hätten die Streithelferin und die Beklagte aber erkennen müssen, dass die weitere Verwahrung in Widerspruch zu dem wirklichen Willen des Klägers gestanden habe, und sie hätten sie von diesem Zeitpunkt an beenden müssen. Daher seien die Kosten für die weiter andauernde Verwahrung nicht zu erstatten.

Ein Anspruch auf Ersatz der Verwahrkosten gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB bestehe trotz Besitzstörung nicht. Zwar handele es sich bei § 858 Abs. 1 BGB um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Ersatzfähig seien jedoch nur die für die Beseitigung der Störung anfallenden Kosten. Die von der Streithelferin beauftragte Verwahrung habe diesem Zweck nicht gedient.

Vorinstanzen:

LG Dresden – Urteil vom 11. Januar 2022 – 3 O 2470/21
OLG Dresden – Urteil vom 15. September 2022 – 8 U 328/22 (veröffentlicht in MDR 2023, 294)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

§ 677 BGB:

Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.

§ 683 BGB:

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. […]

§ 858 BGB:

(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).

(2) …

§ 823 BGB:

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Oktober 2023, 8.45 Uhr, in Sachen I ZR 176/19 (Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit des Anbietens von Zigarettenpackungen durch Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen) (Verhandlung: 27.7.2023)

Datum: 26.10.2023
Akkreditierungsschluss: 25.10.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen angeboten werden dürfen, ohne dass die vom Kunden zu bedienenden Auswahltasten oder der Automat selbst Warnhinweise oder Schockbilder enthalten.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 TabakerzV nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe nicht gegen das in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV geregelte Verdeckungsverbot verstoßen. Der Wortlaut der Vorschrift erfasse nur eine Verdeckung der Warnhinweise auf der Verpackung und nicht eine Verdeckung der Verpackung insgesamt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen. Nationale Vorschriften über die heimischen Verkaufsmodalitäten oder heimische Werbung seien nicht Gegenstand der Richtlinie. Das Vorrätighalten der Zigarettenpackungen sei für sich genommen weder als Inverkehrbringen im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU noch als Anbieten im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen. Es sei ausreichend, wenn der Kunde die Zigarettenpackung mit den gesundheitsbezogenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrages wahrnehmen könne. Hierzu habe der Kunde ausreichend Gelegenheit, wenn sich das Tabakerzeugnis auf dem Kassenband befinde. Dem Verbraucher werde daher auch keine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG vorenthalten. Es liege ferner kein Verstoß des Beklagten gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV vor, weil diese Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahin auszulegen sei, dass sie für reine Verkaufsmodalitäten nicht gelte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2020 (GRUR 2020, 1002) zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU zur Vorabentscheidung vorgelegt (siehe Pressemitteilung Nr. 81/2020 vom 25. Juni 2020). Zum einen war zu klären, ob eine Zigarettenpackung bereits dann, wenn sie in einem Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten wird, im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU in Verkehr gebracht wird. Ferner hat der Senat den Gerichtshof gefragt, ob im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Zigarettenpackung durch sonstige Gegenstände verdeckt werden, wenn die ganze Zigarettenpackung durch einen Warenausgabeautomaten verdeckt wird. Außerdem war zu klären, ob ein Bild einer Zigarettenpackung im Sinne von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU vorliegt, wenn eine Abbildung zwar keine naturgetreue Zigarettenpackung zeigt, der Verbraucher die Abbildung aber aufgrund ihrer Gestaltung gedanklich mit einer Zigarettenpackung in Verbindung bringt. Schließlich hat der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union um Beantwortung der Frage gebeten, ob den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt ist, wenn der Verbraucher die Zigarettenpackung mit den vorgeschriebenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrags wahrnehmen kann.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 (C-370/20, GRUR 2022, 93) nur teilweise beantwortet. Da es für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch auf die Antworten zu den übrigen Fragen ankam, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 24. Februar 2022 (GRUR 2022, 993) erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Dieser hat die weiteren Fragen mit Urteil vom 9. März 2023 (C-356/22, GRUR 2023, 501) beantwortet. Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung fortsetzen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten auszugsweise:

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a Abs. 2 Satz 1 UWG (jetzt § 5a Abs. 1 UWG)

Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,
1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 TabakerzV

(1) Für die Gestaltung und Anbringung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise nach den §§ 12 bis 17 auf Packungen und Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen gelten folgende allgemeine Anforderungen: Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise …
4. dürfen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, einschließlich des Anbietens zum Verkauf, nicht teilweise oder vollständig verdeckt oder getrennt werden; bei Packungen mit Klappdeckel, bei denen die Warnhinweise beim Öffnen der Packung getrennt werden, darf dies nur in einer Weise geschehen, die die grafische Integrität und die Lesbarkeit gewährleistet, …
(2) Abbildungen von Packungen und Außenverpackungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, müssen den Anforderungen dieses Unterabschnitts genügen.

§ 21 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG

Es ist verboten, im Verkehr mit Tabakerzeugnissen oder in der Werbung dafür werbliche Informationen zu verwenden,
1. durch die der Eindruck erweckt wird, dass der Genuss oder die bestimmungsgemäße Verwendung von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich oder dazu geeignet ist, die Funktion des Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig zu beeinflussen, …

Art. 8 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU

(1) Jede Packung eines Tabakerzeugnisses und jede Außenverpackung trägt gesundheitsbezogene Warnhinweise gemäß diesem Kapitel in der oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dem das Erzeugnis in Verkehr gebracht wird….
(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden. Auf den Verpackungen von Tabakerzeugnissen mit Ausnahme von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen in Beuteln dürfen die gesundheitsbezogenen Warnhinweise mittels Aufklebern aufgebracht werden, sofern diese nicht entfernt werden können. Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise müssen beim Öffnen der Packung intakt bleiben, außer bei Packungen mit Klappdeckel (Flip-Top-Deckel), bei denen die Warnhinweise beim Öffnen der Packung getrennt werden, allerdings nur in einer Weise, die die grafische Integrität und die Sichtbarkeit des Textes, der Fotografien und der Angaben zur Raucherentwöhnung gewährleistet….
(8) Bilder von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, müssen den Bestimmungen dieses Kapitels genügen.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 5. Juli 2018 - 17 HK O 17753/17, juris
OLG München - Urteil vom 25. Juli 2019 - 29 U 2440/18, WRP 2019, 1380

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Oktober 2023 um 08:45 Uhr in Sachen I ZR 135/20 (Zulässigkeit der gesonderten Ausweisung von Flaschenpfand) (Verhandlung: 17.06.2021) (Verkündung: 29.07.2021) (Vorlage an den EuGH) (Verhandlung: 12.10.2023)

Datum: 26.10.2023
Akkreditierungsschluss: 25.10.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern der Pfandbetrag gesondert ausgewiesen werden darf oder ob ein Gesamtpreis einschließlich des Pfandbetrags angegeben werden muss.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein Verein, der satzungsgemäß das Interesse seiner Mitglieder an der Einhaltung des Wettbewerbsrechts überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einem Faltblatt bewarb sie unter anderem Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Der Pfandbetrag war in die angegebenen Preise nicht einberechnet, sondern mit dem Zusatz "zzgl. … € Pfand" ausgewiesen. Der Kläger sieht darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der Preisangabenverordnung (PAngV) in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF) zu. Unabhängig davon, ob ein Pfandbetrag nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV aF in den Gesamtpreis einzurechnen sei, was letztlich von der Auslegung von Art. 1, 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse abhänge, könne der Klage aus rechtsstaatlichen Gründen nicht stattgegeben werden. § 1 Abs. 4 PAngV aF enthalte eine Ausnahmevorschrift, nach der aus dem Preis für die Ware und dem Pfand kein Gesamtbetrag zu bilden sei. Diese Vorschrift sei zwar europarechtswidrig und deshalb nicht mehr anwendbar, bleibe aber geltendes Recht. Es sei daher mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte, die sich an diese Vorschrift gehalten habe, zu verurteilen. Der Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht wegen eines irreführenden Unterlassens der Angabe des Gesamtpreises nach § 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 3 UWG in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF).
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 29. Juli 2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union insbesondere die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der "Verkaufspreis" im Sinne von Art. 2 Buchst. a Richtlinie 98/6/EG den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen hat.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 29. Juni 2023 (C-543/21) entschieden.

Vorinstanzen:

LG Kiel - Urteil vom 26. Juni 2019 - 15 HKO 38/18
OLG Schleswig - Urteil vom 30. Juli 2020 - 6 U 49/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 UWG aF

(2) Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(3) Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten folgende Informationen als wesentlich im Sinne des Absatzes 2, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: […]

3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können; […]

(4) Als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 PAngV aF

(1) Wer Verbrauchern gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise).

(4) Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden.

Art. 1 der Richtlinie 98/6/EG

Diese Richtlinie regelt die Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden; dadurch soll für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher gesorgt und ein Preisvergleich erleichtert werden.

Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) "Verkaufspreis" den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt; […]

Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG

Bei den in Artikel 1 bezeichneten Erzeugnissen sind der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit anzugeben, wobei für die Angabe des Preises je Maßeinheit die Bestimmungen von Artikel 5 gelten.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin des Dienstgerichts des Bundes am 5. Oktober 2023 um 10.00 Uhr, Saal E 101, in Sachen RiZ (R) 1/23

Datum: 05.10.2023
Akkreditierungsschluss: 04.10.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof verhandelt am 5. Oktober 2023 über die Revision eines Richters am Landgericht gegen ein Urteil des Landgerichts Leipzig - Dienstgericht für Richter -, mit dem seine Versetzung in den Ruhestand für zulässig erklärt worden ist.

Vorinstanz:

Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - Urteil vom 1. Dezember 2022 – 66 DG 2/22

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 27. September 2023, 12.30 Uhr, in Sachen VIII ZR 249/22 und VIII ZR 263/22 (Bundesgerichtshof verhandelt über die Wirksamkeit der ab Mai 2019 geänderten Preisanpassungsklausel in Verfahren der Klageserie gegen Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen) (T: 19.7.2023)

Datum: 27.09.2023
Akkreditierungsschluss: 26.09.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich in diesem Verhandlungstermin erstmals auch mit Rechtsfragen zu der Wirksamkeit der ab Mai 2019 geänderten Preisänderungsklausel in Fernwärmelieferungsverträgen eines Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmens befassen. Es handelt sich um zwei weitere von zahlreichen beim Bundesgerichtshof anhängigen und mittlerweile überwiegend entschiedenen Verfahren, in denen Ansprüche gegen ein Berliner Energieversorgungsunternehmen geltend gemacht werden (siehe hierzu Pressemitteilungen Nr. 60/2022, Nr. 66/2022 und Nr. 79/2022).

Sachverhalt:

In beiden terminierten Verfahren beliefert die Beklagte die jeweiligen Kläger seit dem Jahr 2007 beziehungsweise seit dem Jahr 2013 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasst.

Nachdem das Kammergericht in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit die auf den Arbeitspreis bezogene Preisanpassungsklausel für unwirksam erklärt hatte, legte die Beklagte ab Mai 2019 ihren Abrechnungen eine geänderte Preisanpassungsformel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte. Hiernach knüpfte die Veränderung des Arbeitspreises - ausgehend von einem Basisarbeitspreis des Jahres 2015 - jeweils hälftig einerseits an die jährlichen Veränderungen eines vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen und im Internet abrufbaren Wärmepreisindexes als Marktelement sowie andererseits an die jährlichen Veränderungen eines von der Energielieferantin der Beklagten im Internet veröffentlichten Tarifs als Kostenelement an. Die Preisanpassungsklausel sieht als Referenzjahre für das Markt- und das Kostenelement jeweils das Jahr 2018 vor.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Kläger haben von der Beklagten mit ihrer jeweiligen Klage die Rückerstattung der aus ihrer Sicht überzahlten Arbeits- und Bereitstellungspreise, die Feststellung der Unwirksamkeit der (ursprünglichen) Preisanpassungsklausel sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur einseitigen Einführung der (neuen) Preisanpassungsklausel in den Energielieferungsvertrag ab Mai 2019 nicht berechtigt gewesen sei.

Die Berufungsgerichte haben in beiden Verfahren die Unwirksamkeit der (ursprünglichen) Preisanpassungsklausel lediglich im Hinblick auf den Arbeitspreis festgestellt und dem Rückzahlungsbegehren auf dieser Grundlage nur zum Teil entsprochen. Außerdem sahen die Berufungsgerichte - im Anschluss an die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2022 (VIII ZR 175/19, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de/DE/Entscheidungen/entscheidungen_node.html) - die Beklagte zwar als grundsätzlich berechtigt an, eine gegenüber den Klägern verwendete - von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksame gewordene - Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht.

Sie waren jedoch der Auffassung, auch die neue Preisanpassungsklausel sei nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam, da die Beklagte für verschiedene Berechnungsfaktoren des Arbeitspreises in der Klausel willkürlich unterschiedliche Referenzjahre gewählt habe, nämlich als Basisarbeitspreis das Jahr 2015 und für das Markt- und das Kostenelement jeweils das Jahr 2018. Hierdurch würden die Kunden der Beklagten unangemessen benachteiligt. Die Beklagte sei deshalb nicht berechtigt gewesen, diese Preisanpassungsklausel ab Mai 2019 in den Vertrag einzuführen.

Mit der von den Berufungsgerichten jeweils insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung der Feststellungsklage hinsichtlich der von ihr ab Mai 2019 verwendeten Preisanpassungsklausel und die Abweisung der Zahlungsklage, soweit diese auf der Annahme der Unwirksamkeit auch dieser Preisanpassungsklausel beruht, weiter.

Vorinstanzen:

VIII ZR 249/22
Amtsgericht Schöneberg - 11 C 43/21 - Urteil vom 21. Juli 2021
Landgericht Berlin - 2 S 20/21 - Urteil vom 19. Oktober 2022

und

VIII ZR 263/22
Landgericht Berlin - 32 O 110/19 - Urteil vom 20. Februar 2020
Kammergericht - 5 U 33/20 - Urteil vom 18. November 2022

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 134 Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in der bis zum 4. Oktober 2021 gültigen Fassung:

§ 1 Gegenstand der Verordnung

(1) Soweit Fernwärmeversorgungsunternehmen für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und für die Versorgung mit Fernwärme Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (allgemeine Versorgungsbedingungen), gelten die §§ 2 bis 34. […]

§ 24 Abrechnung, Preisänderungsklauseln

[…]
(4) Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 20. September 2023, 10.00 Uhr, in der Sache IV ZR 120/22 (Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst: Startgutschriftenregelung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für rentenferne Versicherte erneut auf dem Prüfstand)

Datum: 20.09.2023
Akkreditierungsschluss: 19.09.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 20. September 2023 über die Wirksamkeit der im März 2018 erneut geänderten Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) verhandeln.

Hintergrund:

Die VBL hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (VBLS) vom 22. November 2002 stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem um.

Die neugefasste Satzung enthält - auf der Grundlage entsprechender tarifvertraglicher Vereinbarungen - Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden als so genannte Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall zum Umstellungsstichtag noch nicht eingetreten war, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Grundsätzlich ist rentenfern, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Das betraf zum Umstellungsstichtag ca. 1,7 Mio. Versicherte.

Rentenfernen Versicherten wurden als Startgutschrift zunächst - vereinfacht dargestellt - für jedes Jahr ihrer Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes 2,25 % (sog. Anteilssatz) einer fiktiven, maximal bei der VBL erzielbaren Versorgungsrente gutgeschrieben. Diese Übergangsregelung erklärte der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06) wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich und beanstandete insbesondere eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit langen Ausbildungszeiten (dazu Pressemitteilung 173/2007). Daraufhin ergänzten die Tarifvertragsparteien und ihnen folgend die VBL die Startgutschriftenregelung um eine Vergleichsberechnung, die unter näher geregelten Voraussetzungen zu einer Erhöhung der bisherigen Startgutschriften rentenferner Versicherte führen konnte. Mit Urteil vom 9. März 2016 (IV ZR 9/15) entschied der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass die solcherart geänderte Übergangsregelung weiterhin zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung führe und deshalb ebenfalls unverbindlich sei (dazu Pressemitteilung 53/2016).

Mit Änderungstarifvertrag von Juni 2017 einigten sich die Tarifvertragsparteien darauf, im Rahmen der Ermittlung der Startgutschrift den bisherigen Anteilssatz von 2,25 Prozentpunkten durch einen variablen Anteilssatz zu ersetzen. Dieser beträgt, in Abhängigkeit von den Pflichtversicherungszeiten, die der jeweilige Versicherte bis zum Eintritt des 65. Lebensjahrs erreichen kann, zwischen 2,25 und 2,5 Prozentpunkten. Die VBL übernahm diese Neuregelung im März 2018 in § 79 Abs. 1 Satz 3 bis 8 ihrer Satzung.

Die Wirksamkeit dieser nochmals geänderten Übergangsregelung ist weiterhin umstritten und Gegenstand zahlreicher gegen die VBL erhobener Klagen.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Die hiesige Klägerin ist rentenferne Versicherte bei der beklagten VBL und bezieht von dieser seit August 2014 eine Versorgungsrente. Sie hält auch die nochmals geänderte Übergangsregelung für unwirksam und erstrebt eine nach dem vor der Systemumstellung geltenden Satzungsrecht ermittelte Rente, hilfsweise eine abweichende Berechnung ihrer Startgutschrift unter Berücksichtigung verschiedener ihr günstiger Berechnungsgrundlagen und äußerst hilfsweise die Feststellung der Unverbindlichkeit der ermittelten Startgutschrift. Ihre Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die nunmehrige Übergangsregelung für wirksam gehalten und insbesondere einen Verstoß der Startgutschriftenregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie eine Diskriminierung rentenferner Versicherter wegen ihres Lebensalters und ihres Geschlechts verneint.

Vorinstanzen:

Landgericht Karlsruhe - Urteil vom 29. Mai 2020 - 6 O 184/19
Oberlandesgericht Karlsruhe - Urteil vom 17. März 2022 - 12 U 106/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 79 VBLS:

(1) 1Die Anwartschaften der am 31. Dezember 2001 schon und am 1. Januar 2002 noch Pflichtversicherten berechnen sich nach § 18 Abs. 2 BetrAVG, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt. … 3Bei Anwendung von Satz 1 ist an Stelle des Faktors von 2,25 v. H. nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG der Faktor zu berücksichtigen, der sich ergibt, indem 100 v. H. durch die Zeit in Jahren vom erstmaligen Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ende des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, geteilt werden. 4Die Zeit in Jahren wird aus der Summe der (Teil-)Monate berechnet. 5Ein Teilmonat wird ermittelt, indem die Pflichtversicherungszeit unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Tage des betreffenden Monats durch 30 dividiert wird. 6Die sich nach Satz 4 und 5 ergebenden Werte werden jeweils auf zwei Nachkommastellen gemeinüblich gerundet. 7Der sich nach Satz 3 durch die Division mit der Zeit in Jahren ergebende Faktor wird auf vier Nachkommastellen gemeinüblich gerundet. 8Der Faktor beträgt jedoch mindestens 2,25 v. H. und höchstens 2,5 v. H.

§ 18 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)

(2) Bei Eintritt des Versorgungsfalles vor dem 2. Januar 2002 erhalten die in Absatz 1 Nummer 1 und 2 bezeichneten Personen, deren Anwartschaft nach § 1b fortbesteht und deren Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles geendet hat, von der Zusatzversorgungseinrichtung aus der Pflichtversicherung eine Zusatzrente nach folgenden Maßgaben:
1. 1Der monatliche Betrag der Zusatzrente beträgt für jedes Jahr der aufgrund des Arbeitsverhältnisses bestehenden Pflichtversicherung bei einer Zusatzversorgungseinrichtung 2,25 vom Hundert, höchstens jedoch 100 vom Hundert der Leistung, die bei dem höchstmöglichen Versorgungssatz zugestanden hätte (Voll-Leistung). …

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 15. September 2023, 9.00 Uhr, Saal E 101 - in Sachen V ZR 77/22 (Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers im Rahmen einer Due Diligence) (Verhandlung: 30.6.2023)

Datum: 15.09.2023
Akkreditierungsschluss: 14.09.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Grundstückskaufverträge zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem zu klären ist, welche Auswirkungen die Durchführung einer Ankaufsuntersuchung durch den Käufer (sog. Due Diligence) auf die Aufklärungspflichten des Verkäufers einer Immobilie hat.

Sachverhalt:

Die Beklagte zu 1 verkaufte der Klägerin mit notariellem Vertrag vom 25. März 2019 mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex zu einem Kaufpreis von 1.525.000 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem Kaufvertrag versicherte die Beklagte zu 1, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe, mit Ausnahme eines Beschlusses über die Dachsanierung mit wirtschaftlichen Auswirkungen von 5.600 € jährlich für den Käufer. Zudem versicherte die Beklagte zu 1, dass nach ihrer Kenntnis außergewöhnliche, durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckte Kosten im laufenden Wirtschaftsjahr nicht angefallen seien und ihr auch nicht bekannt sei, dass solche Kosten bevorstünden oder weitere Sonderumlagen beschlossen worden seien. Weiter heißt es in dem Kaufvertrag, der Verkäufer habe dem Käufer die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre übergeben und der Käufer habe Kenntnis von dem Inhalt der Unterlagen. Die Klägerin wurde als Eigentümerin der Einheiten in das Grundbuch eingetragen.

Die Beklagte zu 1 hatte der Klägerin vor Vertragsschluss ein Verkaufsexposé zukommen lassen. Diesem war die Tagesordnung der Eigentümerversammlung vom 1. August 2017 beigefügt, die unter anderem die Beauftragung eines Architekturbüros mit der Planung und der Durchführung der Fassadenertüchtigung und Umgestaltung auf zwei Ebenen des Gebäudekomplexes zum Gegenstand hatte. Im Rahmen der Kauvertragsverhandlungen, die auf Seiten der Beklagten zu 1 von dem Geschäftsführer ihrer Komplementärin, dem Beklagten zu 2 geführt wurden, erhielt die Klägerin Zugriff auf einen von der Beklagten zu 1 eingerichteten virtuellen Datenraum, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt. Am Freitag, dem 22. März 2019, stellte die Beklagte das Ergebnisprotokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 in den Datenraum ein. In dieser Versammlung hatten die Eigentümer beschlossen, eine frühere Mehrheitseigentümerin auf Zahlung von 50.000.000 € in Anspruch zu nehmen zur Umsetzung eines im Jahre 2006 gefassten Beschlusses über Umbaumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum. Die Erhebung einer Sonderumlage in gleicher Höhe von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten war abgelehnt worden. Um die Erhebung der Sonderumlage durchzusetzen, hatte eine andere Eigentümerin Klage erhoben. Das Verfahren endete im Januar 2020 mit einem Vergleich, demzufolge von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage von zunächst 750.000 € – bei Bedarf bis zu 50.000.000 € – für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum erhoben werden sollte. Auf dieser Grundlage wurde auch die Klägerin in Anspruch genommen. Daraufhin erklärte sie mit Schreiben vom 2. März 2020 die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Freistellung von den zur Finanzierung des Kaufpreises eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten, hilfsweise die Zahlung von 1.500.000 €, daneben die Zahlung von 184.551,82 € – jeweils Zug um Zug gegen Übereignung der Gewerbeeinheiten und Abtretung der Rückgewähransprüche bezüglich der eingetragenen Grundschulden – sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden und des Annahmeverzugs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB. Der Klägerin stehe kein Recht zur Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte zu 1 habe in dem notariellen Kaufvertrag zutreffende Erklärungen abgebeben, denn eine Sonderumlage sei bis zum Vertragsschluss nicht beschlossen worden. Ob sich aufgrund der bei Abschluss des Kaufvertrages fehlenden Bestandskraft des die Sonderumlage ablehnenden Beschlusses vom 1. November 2016 eine künftig fällige Sonderumlage hinreichend konkret ergeben habe und die Beklagte zu 1 insoweit objektiv eine falsche Zusicherung abgegeben habe, könne dahinstehen. Denn jedenfalls sei der Tatbestand der arglistigen Täuschung diesbezüglich subjektiv nicht erfüllt, weil nicht feststehe, dass die Beklagte zu 1 von der auf die Erhebung einer Sonderumlage abzielenden Klage Kenntnis gehabt habe.

Die Klägerin habe auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB, denn die Beklagte zu 1 habe nicht im Widerspruch zu einer bestehenden Aufklärungspflicht wahre Tatsachen unterdrückt. Insbesondere könne die Klägerin der Beklagten zu 1 nicht vorwerfen, dass das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 erst unmittelbar vor dem Notartermin „klammheimlich“ in den Datenraum eingestellt und ihr damit „untergeschoben“ worden sei. Denn die Klägerin habe schon mit dem Verkaufsexposé den Hinweis auf diese Eigentümerversammlung und auf eine anstehende Ertüchtigung der Fassade und Umgestaltung des Gebäudekomplexes auf zwei Ebenen erhalten. Dem sei sie nicht nachgegangen. Zudem müsse sich die Klägerin die von ihr in dem Kaufvertrag abgegebene Bestätigung, die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre erhalten zu haben, entgegenhalten lassen. Es habe in ihrer Verantwortung gelegen, sich über die maßgebliche Beschlusslage der Eigentümergemeinschaft zu informieren. Die Parteien hätten auch keine Frist vereinbart, innerhalb derer Informationen über den Kaufgegenstand in den elektronischen Datenspeicher längstens eingestellt werden konnten. Das Vorbringen der Klägerin, sie sei entgegen der bisherigen Übung nicht auf die am 22. März 2019 erfolgte Zurverfügungstellung weiterer Unterlagen hingewiesen worden, sei zu allgemein gehalten und widersprüchlich.

Gegen den Beklagten zu 2 habe die Klägerin ebenfalls keine Schadensersatzansprüche. Mangels arglistiger Täuschung scheide eine deliktische Haftung nach §§ 823, 826 BGB aus. Für einen Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB fehle es an einer Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens.

Vorinstanzen:

LG Hildesheim – Urteil vom 16. April 2021 – 4 O 60/20
OLG Celle – Urteil vom 29. März 2022 – 4 U 50/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung […] bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) …

§ 311 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) …
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen
2. …
3. …
(3) 1Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. 2Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

§ 241 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) …
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 14. September 2023, 8.30 Uhr, Saal E 101, in Sachen I ZR 74/22 (Zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings)

Datum: 14.09.2023
Akkreditierungsschluss: 13.09.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat erneut über die Verletzung der Rechte des Tonträgerherstellers durch Sampling zu entscheiden.

Sachverhalt:

Der Kläger zu 1 und der inzwischen verstorbene Kläger zu 2 waren Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk“. Diese veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern einspielte. Zur Herstellung des Titels hatten die Beklagten zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt.

Die Kläger sahen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen. Für den verstorbenen Kläger zu 2 wird der Rechtsstreit von dessen Rechtsnachfolger fortgeführt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 20. November 2008). Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen. Die erneute Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Revisionsurteile und das zweite Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Dieser hat daraufhin dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt, die der Gerichtshof mit Urteil vom 29. Juli 2019 beantwortet hat. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache erneut an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 30. April 2020).

Das Oberlandesgericht hat der Klage nunmehr im Hinblick auf die auf Auskunft, Vernichtung und Schadensersatz gerichteten Ansprüche der Kläger im Zeitraum vom 22. Dezember 2002 bis zum 7. Juni 2021 stattgegeben und die Klage für die Zeiträume davor und danach abgewiesen. Es hat die Revision für die Kläger zugelassen, jedoch nur im Hinblick auf die Abweisung der Klage für den Zeitraum nach dem 7. Juni 2021, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 51a Satz 1 UrhG, mit dem Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ins deutsche Recht umgesetzt worden ist. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Vervielfältigung der Sequenz aus „Metall auf Metall“ und ihre Überführung in ein eigenständiges neues Werk im Wege des Sampling sei nach dieser Vorschrift als „Pastiche“ zulässig. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihre bisher gestellten Anträge für den Zeitraum nach dem 7. Juni 2021 weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 51a Satz 1 UrhG:

Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches.

Art. 5 Abs. 3 Buchst. k Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen: …
k) für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches;

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 8. Oktober 2004 - 308 O 90/99, juris
OLG Hamburg - Urteil vom 7. Juni 2006 - 5 U 48/05, GRUR-RR 2007, 3
BGH - Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 - Metall auf Metall I
OLG Hamburg - Urteil vom 17. August 2011 - 5 U 48/05, GRUR-RR 2011, 396
BGH - Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804 - Metall auf Metall II
BVerfG - Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13, BVerfGE 142, 74
BGH - Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 115/16, GRUR 2017, 895 = WRP 2017, 1114 - Metall auf Metall III
EuGH - Urteil vom 29. Juli 2019 - C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156 - Pelham u.a.
BGH - Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16, GRUR 2020, 843 = WRP 2020, 1033 - Metall auf Metall IV
OLG Hamburg - Urteil vom 28. April 2022 - 5 U 48/05, GRUR 2022, 1217

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 12. September 2023, 10:30 Uhr, in der Außenstelle des Bundesgerichtshofs Rintheimer Querallee 11, in der Strafsache 3 StR 306/22 (sog. Cyberbunker-Verfahren) (Hauptverhandlung: 24.08.2023)

Datum: 12.09.2023
Akkreditierungsschluss: 11.09.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Mit Urteil vom 13. Dezember 2021 hat das Landgericht Trier nach 79 Hauptverhandlungstagen acht Angeklagte – sieben Männer und eine Frau – wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) verurteilt. Gegen sieben Angeklagte hat die Strafkammer Freiheitsstrafen von zwei Jahren und vier Monaten bis zu fünf Jahren und neun Monaten verhängt; ein Angeklagter ist zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Zudem hat das Landgericht gegen die Angeklagten die Einziehung unter anderem des Wertes von Taterträgen zwischen etwa 9.000 € und 900.000 € angeordnet. Von weiteren Vorwürfen sind die Angeklagten freigesprochen worden. Schließlich hat die Strafkammer hinsichtlich einer Einziehungsbeteiligten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von knapp 750.000 € angeordnet.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen betrieben die Angeklagten ein hochgesichertes Rechen- und Datenverarbeitungszentrum in einer früheren NATO-Bunkeranlage auf einem ehemaligen Militärgelände im rheinland-pfälzischen Traben-Trarbach und stellten diese IT-Infrastruktur gegen Bezahlung den Betreibern illegaler Handelsplattformen im Internet zur Verfügung, wobei die technische Ausstattung auf eine anonyme, vor einem staatlichen Zugriff geschützte Nutzung ausgerichtet war und die Angeklagten Kenntnis von kriminellen Aktivitäten der Nutzer ihrer Einrichtungen hatten.

Gegen das Urteil haben sowohl alle acht Angeklagten und die Einziehungsbeteiligte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilungen; ihre Rechtsmittel sind jeweils die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts, zum Teil auch auf Verfahrensbeanstandungen gestützt. Geltend gemacht wird unter anderem, die Haftungsprivilegierung des § 10 Telemediengesetz (TMG) in Verbindung mit der E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union für Webhoster stehe einer Strafbarkeit entgegen; als Webhoster seien die Angeklagten nicht für die Inhalte der von ihnen betriebenen Server verantwortlich. Die Einziehungsbeteiligte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten aller Angeklagten eingelegten und mit der Sachrüge geführten Revision die Teilfreisprüche von den Vorwürfen einer Teilnahmestrafbarkeit hinsichtlich der von Nutzern der zur Verfügung gestellten IT- Infrastruktur begangenen Taten, die Strafzumessung und das Unterbleiben der Einziehung bestimmter beschlagnahmter Gegenstände.

Vorinstanz:

LG Trier - 2a KLs 5 Js 30/15 - Urteil vom 13. Dezember 2021

Verkündungstermin am 31. August 2023, 10 Uhr, in Sachen 5 StR 447/22 (sog. "Hamburger Rolling-Stones-Affäre“) im Reichsgerichtsgebäude (Sitz des Bundesverwaltungsgerichts)

Datum: 31.08.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verhandelte am 29. August 2023 über die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das am 8. April 2022 ergangene Urteil des Landgerichts Hamburg in der sogenannten „Rolling-Stones-Affäre“. Gegenstand des Strafverfahrens sind Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Ausrichtung eines Konzerts der Rolling Stones am 9. September 2017 im Hamburger Stadtpark. Der Konzertveranstalter soll dem Bezirksamt Hamburg-Nord Freikarten überlassen haben, um die Höhe des Entgelts für die Nutzung des Stadtparks zu beeinflussen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts forderte der damalige Leiter des Bezirksamts R. bei den Vertragsverhandlungen Freikarten von dem Konzertveranstalter. Deren Geschäftsführer K. und der zuständige Projektleiter W. überließen ihm daraufhin 100 Freikarten im Gesamtwert von 14.743,90 Euro, die er insbesondere an Mitarbeiter des Bezirksamts verteilte, unter anderem an den damaligen Dezernatsleiter O. Dieser verfasste in Absprache mit R. ein rückdatiertes Schreiben, um eine Genehmigung der Annahme der „Freikartenspende“ nach den dafür geltenden Dienstvorschriften zu fingieren. R. selbst nahm zudem auf Einladung von K. und W. an dem Konzert und an einem vorherigen Abendempfang teil.

Das Landgericht hat den vormaligen Bezirksamtsleiter R. wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung und den ehemaligen Dezernatsleiter O. wegen Vorteilsannahme sowie wegen Beihilfe zur Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung zu Gesamtgeldstrafen von 180 Tagessätzen zu je 120 Euro (R.) und 110 Tagessätzen zu je 110 Euro (O.) verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Von einer Verurteilung des Angeklagten R. wegen Untreue oder Bestechlichkeit und des Angeklagten O. wegen Beihilfe hierzu hat es abgesehen, weil es nicht festzustellen vermocht hat, dass die Höhe des Nutzungsentgelts unangemessen niedrig gewesen oder durch die Gewährung der Freikarten beeinflusst worden wäre. Ebenso wenig hat das Landgericht es als strafbar bewertet, dass R. die Einladung zu Abendempfang und Konzert angenommen hat; dies habe der Erfüllung legitimer Repräsentationsaufgaben gedient. Den Geschäftsführer des Konzertveranstalters K. und den für die Veranstaltung zuständigen Projektleiter W. hat es von den Vorwürfen der Bestechung freigesprochen. Sie seien davon ausgegangen, dass die Ausgabe der Freikarten und die Einladung des Bezirksamtsleiters sich im Rahmen des Üblichen bewegt habe; sie hätten daher nicht vorsätzlich gehandelt.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg greift das Urteil mit auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen an, soweit der Angeklagte R. nicht wegen Untreue und Bestechlichkeit, der Angeklagte O. nicht wegen Beihilfe hierzu und die Angeklagten K. und W. nicht wegen Bestechung verurteilt worden sind. Sie ist zudem der Auffassung, dass sich der Angeklagte R. durch die Weitergabe der Freikarten an seine Mitarbeiter wegen der Verleitung von Untergebenen zu einer Straftat strafbar gemacht habe. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ist den Rechtsmitteln teilweise beigetreten. Die Angeklagten R. und O. haben ihre Verurteilung nicht angefochten.

Vorinstanz:

LG Hamburg - Urteil vom 8. April 2022 – 622 KLs 4/20

Die maßgeblichen Vorschriften des StGB lauten:

§ 331 Vorteilsannahme

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(…)

§ 332 Bestechlichkeit

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.
(…)
(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,
1. bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,
2. soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

§ 333 Vorteilsgewährung

(1) Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(…)

§ 334 Bestechung

(1) Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
(…)

§ 357 Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat

(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.
(…)

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 7. August 2023, 10 Uhr, Saal N 010, in der Sache NotZ(Brfg) 4/22) (Altersgrenze für Notare)

Datum: 07.08.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs wird am 7. August 2023 über die Vereinbarkeit der Altersgrenze für Notare mit dem Recht der Europäischen Union verhandeln. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 der Bundesnotarordnung (BNotO) erlischt das Amt des Notars mit Erreichen der in § 48a BNotO bestimmten Altersgrenze. Nach dieser Vorschrift erreichen die Notare die Altersgrenze mit dem Ende des Monats, in dem sie das 70. Lebensjahr vollenden.

Der Kläger ist Anwaltsnotar und wird im Laufe des Jahres 2023 das 70. Lebensjahr vollenden. Er macht geltend, die Altersgrenze verstoße gegen das sich aus Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (nachfolgend: RL 2000/78) ergebende Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Die Altersgrenze sei angesichts eines erheblichen Nachwuchsmangels nicht mehr im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.

Seine auf Feststellung, dass sein Amt als Notar nicht mit dem Ablauf des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet, erlischt, gerichtete Klage ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt er sein Klageziel weiter.

Vorinstanz:

OLG Köln - Urteil vom 10. Februar 2022 – Not 5/21

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Artikel 21
Nichtdiskriminierung

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

Artikel 1
Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Artikel 2
Der Begriff "Diskriminierung"

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet "Gleichbehandlungsgrundsatz", dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde…

Artikel 6
Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 3. August 2023, 10.00 Uhr, in Sachen III ZR 54/22, Saal N 004 über Entschädigung für coronabedingte Einnahmeausfälle eines Berufsmusikers (Verhandlung: 27.7.2023)

Datum: 03.08.2023
Akkreditierungsschluss: 02.08.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Amts- und Staathaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 27. Juli 2023 über den Entschädigungsanspruch eines Berufsmusikers wegen der in mehreren Corona-Verordnungen des Landes Baden - Württemberg ab dem 17. März 2020 angeordneten Versammlungs- und Veranstaltungsverbote verhandeln.

Sachverhalt:

Der Kläger betreibt ein Musik- und Filmproduktionsunternehmen und ist Leiter einer Musikgruppe. Seine Aufträge bestehen zu mehr als 90 Prozent aus Live-Auftritten. Er begehrt von dem beklagten Land Baden-Württemberg Entschädigung für Einnahmeausfälle, die ihm in dem Zeitraum von März bis Juli 2020 entstanden seien, weil er und seine Musikgruppe auf Grund von staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 und der dadurch verursachten COVID - 19-Krankheit nicht auf Veranstaltungen habe auftreten können.

Das beklagte Land erließ ab dem 17. März 2020 auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sukzessive mehrere Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus. Das zunächst angeordnete generelle Verbot von Versammlungen und Veranstaltungen wurde in der Folgezeit gelockert. Ab dem 1. Juni 2020 waren unter Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen und Hygienemaßnahmen wieder Kulturveranstaltungen jeglicher Art unter 100 Teilnehmern gestattet. Ab dem 1. Juli 2020 waren bei Veranstaltungen mit festen Sitzplätzen sowie einem vorab festgelegten Programm bis zu 250 Teilnehmer zulässig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vor dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seine Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart, Urteil vom 26. Februar 2021 – 7 O 285/20
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2022 – 4 U 70/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 14 GG – Eigentum, Erbrecht und Enteignung

(1) 1Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. 2Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

§ 28 IfSG - Schutzmaßnahmen

(1) 1Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a, 28b und 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. 2Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen.

§ 32 IfSG – Erlass von Rechtsverordnungen

1Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 28b und 29 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 27. Juli 2023, 8.30 Uhr, in Sachen I ZR 144/22 (Ladenöffnung an Sonntagen) (Verhandlung: 17.5.2023)

Datum: 27.07.2023
Akkreditierungsschluss: 26.07.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob es gegen das Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen nach § 3 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (LadöffnG) verstößt, wenn ein Geschäft aufgrund der Regelung zur Öffnung von Verkaufsstellen im näheren Einzugsgebiet des Flughafens Zweibrücken an Feriensonntagen öffnet.

Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt unter anderem in der Pfalz Ladengeschäfte, in denen sie auch Damenmodeartikel verkauft. Die Beklagte ist ein Damenoberbekleidungs-unternehmen, das eine Filiale im „Zweibrücken Fashion Outlet“ betreibt, das in der Nähe des Flugplatzes Zweibrücken liegt. Gemäß der aufgrund von § 7 Abs. 2 LadöffnG erlassenen Durchführungsverordnung vom 13. März 2007 (LadöffnG-DVO) ist die Sonntagsöffnung im zeitlichen Zusammenhang mit den jährlichen Oster-, Sommer- und Herbstferien in Rheinland-Pfalz erlaubt. Im Jahr 2014 wurde der kommerzielle Linienflugverkehr des Flugplatzes Zweibrücken eingestellt; seit 2018 liegt eine Genehmigung als Sonderlandeplatz vor, die Fracht- und Geschäftsreiseverkehr sowie Flüge zu privaten und Ausbildungs- und Schulungszwecken gestattet. Die Klägerin meint, die Ladenöffnungen der Beklagten an Feriensonntagen verstießen gegen § 3 LadöffnG und seien nach §§ 3, 3a UWG wettbewerbswidrig. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Beklagten sei keine unlautere Wettbewerbshandlung gemäß §§ 3, 3a UWG vorzuwerfen, weil die LadöffnG-DVO ihr Verhalten legitimiere. Die nachträgliche Veränderung der für den Erlass der LadöffnG-DVO bestimmenden Umstände, also die Einstellung des Verkehrsflugbetriebs, habe nicht dazu geführt, dass die LadöffnG-DVO automatisch ungültig geworden sei. Selbst wenn die LadöffnG-DVO von Anfang an rechtswidrig gewesen sein sollte, stehe dem Erfolg der Klage entgegen, dass die Norm das beanstandete Verhalten der Beklagten ausdrücklich gestatte.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, mit der die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

Vorinstanzen:

LG Zweibrücken - Urteil vom 15. Oktober 2021 - HK O 46/20
OLG Zweibrücken - Urteil vom 4. August 2022 - 4 U 202/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, […]

§ 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG

Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein:
1. an Sonn- und Feiertagen, […]
soweit in den nachfolgenden Bestimmungen keine abweichenden Regelungen getroffen werden. […]

§ 7 Abs. 2 LadöffnG

Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung für Verkaufsstellen, die im näheren Einzugsgebiet […] der in Absatz 1 Satz 1 genannten Flugplätze liegen, bestimmen, dass diese auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) und außerhalb von nach § 4 festgelegten erweiterten Ladenöffnungszeiten geöffnet sein dürfen; […]

§ 1 Satz 1 LadöffnG-DVO

Verkaufsstellen dürfen in den in der Anlage bestimmten Bereichen im näheren Einzugsgebiet des Flugplatzes Zweibrücken während der im Ferienplan für Rheinland-Pfalz festgelegten Oster-, Sommer- und Herbstferien abweichend von § 3 Satz 1 Nr. 1 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 21. November 2006 (GVBl. S. 351, BS 8050-3) an Sonntagen in der Zeit von 11 Uhr bis 20 Uhr geöffnet sein.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 27. Juli 2023, 8.30 Uhr, in Sachen I ZB 43/22, I ZB 74/22 und I ZB 75/22 (Zulässigkeit von Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren bei dem ICSID auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags) (Verhandlung: 17.5.2023)

Datum: 27.07.2023
Akkreditierungsschluss: 26.07.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Schiedsvereinbarungen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Verfahren darüber zu entscheiden, ob Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) vorgelagerten nationalen Rechtsschutz gegen Intra-EU-Investitions-Schiedsverfahren in Anspruch nehmen können. Die Anträge der Mitgliedstaaten auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens beziehen sich auf Verfahren, die Investoren aus anderen Mitgliedstaaten auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags gegen die antragstellenden Mitgliedstaaten vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) nach dem ICSID-Übereinkommen vom 18. März 1965 eingeleitet haben.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZB 43/22

Die Antragstellerin ist ein EU-Mitgliedstaat, der seine Gesetzgebung im Bereich der Wind- und Solarenergie geändert hat. Hierdurch sehen die Antragsgegnerinnen, die zu einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Konzern gehören, ihre entsprechenden Investitionen in dem EU-Mitgliedstaat in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags geschädigt. Sie leiteten daher ein Investor-Staat-Schiedsverfahren bei dem ICSID auf Grundlage der in Art. 26 des Energiecharta-Vertrags enthaltenen Schiedsklausel ein. Die Antragstellerin wandte sich daraufhin mit einem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit dieses schiedsrichterlichen Verfahrens an das Kammergericht.

Das Kammergericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Der Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO sei in Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen, bei dem es sich um ein geschlossenes Rechtssystem handele, nicht statthaft. Hieran ändere auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nichts, der insbesondere in den Rechtssachen Achmea (C-284/16) und Komstroy (C-741/19) die Unwirksamkeit von Schiedsklauseln in bi- und multilateralen Investitionsverträgen im innereuropäischen Kontext aus Art. 267 und 344 AEUV herleitete. Der Gerichtshof habe sich nicht zu der besonderen, der Verfahrensökonomie dienenden nationalen Vorschrift des § 1032 Abs. 2 ZPO und ihrer Anwendbarkeit im Falle eines ICSID-Schiedsverfahrens verhalten.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf in den Parallel-Verfahren I ZB 74/22 und I ZB 75/22

Der Antragsteller ist in beiden Verfahren derselbe EU-Mitgliedstaat. Er hat beschlossen, bis zum Jahr 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Hierdurch sehen die Antragsgegnerin im Verfahren I ZB 74/22 und die Antragsgegnerin im Verfahren I ZB 75/22, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, jeweils ihre Investitionen in ein in dem EU-Mitgliedstaat belegenes Kohlekraftwerk in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags (Verfahren I ZB 74/22) bzw. in Höhe eines einstelligen Milliardenbetrags (Verfahren I ZB 75/22) geschädigt. Sie leiteten daher jeweils ein Investor-Staat-Schiedsverfahren bei dem ICSID auf Grundlage der in Art. 26 des Energiecharta-Vertrags enthaltenen Schiedsklausel ein. Der Antragsteller wandte sich daraufhin jeweils mit einem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit dieses schiedsrichterlichen Verfahrens sowie jeglichen schiedsrichterlichen Verfahrens zwischen den jeweiligen Beteiligten auf der Grundlage der Schiedsklausel im Energiecharta-Vertrag an das Oberlandesgericht Köln.

Das Oberlandesgericht hat den Anträgen stattgegeben. Insbesondere seien sie entgegen der Rechtsauffassung des Kammergerichts statthaft. Zwar unterlägen ICSID-Schiedsverfahren grundsätzlich nicht der Kontrolle nationaler Gerichte. Für die Frage, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung auf Basis der auch unionsrechtlich geprägten Schiedsklausel in Art. 26 des Energiecharta-Vertrags vorliege, müsse aber dem vorrangigen Unionsrecht zur vollen Wirksamkeit verholfen werden. Dies habe zur Folge, dass die Anträge statthaft seien. Die Anträge seien auch begründet. Die Schiedsklausel sei in Intra-EU-Investitionsstreitigkeiten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union insbesondere in den Rechtssachen Achmea (C-284/16) und Komstroy (C-741/19) nach Art. 267 und 344 AEUV unwirksam.

Vorinstanz im Verfahren I ZB 43/22

KG Berlin - Beschluss vom 28. April 2022 - 12 SchH 6/21

und

Vorinstanz im Verfahren I ZB 74/22

OLG Köln - Beschluss vom 1. September 2022 - 19 SchH 14/21

und

Vorinstanz im Verfahren I ZB 75/22

OLG Köln - Beschluss vom 1. September 2022 - 19 SchH 15/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1032 Abs. 2 ZPO

Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.

Art. 26 Energiecharta-Vertrag

(1) Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei über eine Investition des letzteren im Gebiet der ersteren, die sich auf einen behaupteten Verstoß der ersteren Vertragspartei gegen eine Verpflichtung aus Teil III beziehen, sind nach Möglichkeit gütlich beizulegen.
(2) Können solche Streitigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem eine der Streitparteien um eine gütliche Beilegung ersucht hat, nach Absatz 1 beigelegt werden, so kann der Investor als Streitpartei die Streitigkeit auf folgende Weise beilegen lassen: …
c) im Einklang mit den folgenden Absätzen.
(3) a) Vorbehaltlich nur der Buchstaben b und c erteilt jede Vertragspartei hiermit ihre uneingeschränkte Zustimmung, eine Streitigkeit einem internationalen Schieds- oder Vergleichsverfahren in Übereinstimmung mit diesem Artikel zu unterwerfen. …
(4) Beabsichtigt ein Investor, die Streitigkeit einer Beilegung nach Absatz 2 Buchstabe c zu unterwerfen, so hat er ferner schriftlich seine Zustimmung zu erteilen, damit die Streitigkeit folgenden Stellen vorgelegt werden kann:
a) i) dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, das im Rahmen des am 18. März 1965 in Washington zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (im folgenden als "ICSID-Übereinkommen" bezeichnet) errichtet wurde, falls sowohl die Vertragspartei des Investors als auch die an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei Vertragsparteien des ICSID-Übereinkommens sind, …
(5) a) Die Zustimmung nach Absatz 3 zusammen mit der schriftlichen Zustimmung des Investors nach Absatz 4 wird so angesehen, als erfülle sie das Erfordernis
i) der schriftlichen Zustimmung der Streitparteien im Sinne des Kapitels II des ICSID-Übereinkommens und im Sinne der Regeln für die Zusatzeinrichtung, …

Art. 267 Abs. 1 AEUV

Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
a) über die Auslegung der Verträge,
b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union.

Art. 344 AEUV

Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 21. Juli 2023, 9.00 Uhr, Saal N 004, in Sachen V ZR 112/22 (Eigentumsbeeinträchtigung durch Suchmeldung von Kulturgut in der Lost Art-Datenbank und durch Interpol-Fahndung) (mV: 25.5.2023)

Datum: 21.07.2023
Akkreditierungsschluss: 20.07.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Diese Pressemitteilung ist auch in englischer Sprache verfügbar

Der unter anderem für Ansprüche aus Eigentum zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem zu klären ist, ob das Eigentum an einem Gemälde durch eine Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank und eine Fahndung durch Interpol beeinträchtigt wird.

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Kunstsammler, erwarb im Jahr 1999 im Rahmen einer Auktion in London das Gemälde „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach. Das Gemälde befand sich in der Zeit von 1931 bis 1937 im Besitz der Galerie Stern in Düsseldorf, die der jüdische Kunsthändler Dr. Max Stern in dieser Zeit von seinem Vater übernahm. Bereits im Jahre 1935 wurde ihm durch die Reichskammer der bildenden Künste die weitere Berufsausübung untersagt, die Verfügung wurde jedoch zunächst nicht vollzogen. Im März 1937 verkaufte Dr. Stern das Gemälde an eine Privatperson aus Essen. Im September 1937 wurde er endgültig gezwungen, seine Galerie aufzugeben, woraufhin er über England nach Kanada emigrierte. Sein Nachlass wird von einem kanadischen Trust verwaltet, dessen Treuhänder die Beklagten sind.

Im Juni 2016 wurde auf Veranlassung der Beklagten eine Suchmeldung für das Gemälde auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank veröffentlicht. Die von einer Stiftung mit Sitz in Magdeburg betriebene Datenbank dokumentiert Kulturgüter, die insbesondere jüdischen Eigentümern aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen wurden, oder für die ein derartiger Verlust nicht auszuschließen ist. Mithilfe der Veröffentlichung sollen frühere Eigentümer bzw. deren Erben mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib des Kulturgutes unterstützt werden. Im Rahmen einer Ausstellung des Gemäldes in Baden-Baden wurde der Kläger über die Suchmeldung und eine in Kanada veranlasste Fahndung nach dem Gemälde durch Interpol informiert. Er fühlt sich durch den Eintrag in der Lost Art-Datenbank und die Interpol-Fahndung in seinem Eigentum beeinträchtigt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen, sich des Eigentums an dem Gemälde zu berühmen. Hilfsweise begehrt er, sie zu verurteilen, die Löschung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank zu beantragen. Die Klage ist bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, das die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht, steht dem Kläger gegen die Beklagten kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Der Kläger sei zwar – zumindest durch Ersitzung (§ 937 BGB) – Eigentümer des Gemäldes. Es liege aber keine Eigentumsbeeinträchtigung vor, denn die Beklagten hätten sich weder mit der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank noch durch die allein außerhalb Deutschlands eingeleitete Fahndung das Eigentum an dem Gemälde angemaßt. Nach den Grundsätzen zur Eintragung und Löschung von Meldungen in der Lost Art-Datenbank bringe ihre Suchmeldung zum Ausdruck, dass Dr. Max Stern früher Eigentümer des Gemäldes gewesen und zu vermuten sei bzw. nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gemälde ihm aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung entzogen, kriegsbedingt verbracht oder abhandengekommen sei. Das Eigentum des Klägers an dem Bild in der Gegenwart werde hierdurch nicht in Frage gestellt. Den Beklagten gehe es in Übereinstimmung mit den sog. Washingtoner Prinzipien, in dem Bewusstsein, hierauf keinen Anspruch zu haben, lediglich um die Erzielung einer gerechten und fairen Lösung. Dieses Ansinnen und die Konfrontation des Klägers mit der Provenienz des von ihm erworbenen Bildes stellten keine Eigentumsanmaßung dar.

Der Kläger könne auch nicht verlangen, dass die Beklagten die Löschung der von ihnen veranlassten Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank vornehmen lassen. Er könne nicht untersagen, dass marktrelevante Informationen über sein Bild publik gemacht würden. Bei Kulturgütern bestehe ein anzuerkennendes Interesse der Allgemeinheit an dem Objekt, seiner Geschichte und Provenienz. Eine Eigentumsbeeinträchtigung scheide insoweit von vornherein aus, wenn lediglich zutreffend und sachlich über einen bestehenden Verdacht des NS-verfolgungsbedingten Entzugs von Kulturgut informiert werde. Bestehe ein solcher Verdacht, begründe dies im gewerblichen Kunsthandel gemäß § 44 Satz 1 Nr. 1, § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Kulturgutschutzgesetzes erhöhte Sorgfaltspflichten bei der Prüfung der Provenienz. Bereits hierdurch werde die Marktgängigkeit des Kunstwerks eingeschränkt. Es könne offenbleiben, ob ein Anspruch auf Löschung bestehe, wenn in der Suchmeldung unrichtige Angaben gemacht würden oder die Plausibilität der Meldung entkräftet werde. Denn so liege es hier nicht. Es bestehe die Vermutung, dass das Gemälde dem früheren Eigentümer im Jahr 1937 aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen worden sei. Der Kläger habe seine Behauptung, Herr Dr. Stern habe das Gemälde lediglich im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts in Besitz gehabt, nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts bewiesen.

Vorinstanzen:

LG Magdeburg – Urteil vom 27. November 2019 – 2 O 599/18
OLG Naumburg – Urteil vom 24. Mai 2022 – 1 U 292/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) …

Kulturgutschutzgesetz (KGSG):

§ 41 Allgemeine Sorgfaltspflichten

(1) Wer Kulturgut in Verkehr bringt, ist verpflichtet, zuvor mit der erforderlichen Sorgfalt zu prüfen, ob das Kulturgut

1. abhandengekommen ist,

2. unrechtmäßig eingeführt worden ist oder

3. rechtswidrig ausgegraben worden ist.

(2) 1Die allgemeine Sorgfaltspflicht nach Absatz 1 ist von der Person, die Kulturgut in Verkehr bringt, anzuwenden, wenn sich einer vernünftigen Person die Vermutung aufdrängen müsste, dass einer der in Absatz 1 genannten Tatbestände in Betracht kommt. […]

§ 42 Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen

(1) 1Wer in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit Kulturgut in Verkehr bringt, ist verpflichtet, zuvor zusätzlich zu den Pflichten nach § 41
[…]
3. die Provenienz des Kulturgutes zu prüfen,
[…]
6. zu prüfen, ob das Kulturgut in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen und Datenbanken eingetragen ist, und
[…]
2Die Pflichten nach Satz 1 Nummer 2 lassen urheberrechtliche Vorschriften unberührt. 3Die Pflichten nach Satz 1 Nummer 3 bis 6 sind nach Maßgabe des zumutbaren Aufwandes, insbesondere der wirtschaftlichen Zumutbarkeit, zu erfüllen.
[…]

§ 44 Erhöhte Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen

1Beim gewerblichen Inverkehrbringen ist der Maßstab des zumutbaren Aufwandes nach § 42 Absatz 1 Satz 3 nicht für Kulturgut anzuwenden,
1. bei dem nachgewiesen oder zu vermuten ist, dass es zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen worden ist, es sei denn, das Kulturgut ist an seinen ursprünglichen Eigentümer oder dessen Erben zurückgegeben worden oder diese haben eine andere abschließende Regelung im Hinblick auf den Entzug getroffen,
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 12. Juli 2023, 12.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 375/21, VIII ZR 8/22, VIII ZR 60/22 und VIII ZR 125/22 (Verjährung des Auskunftsanspruchs des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB) (Verhandlung: 24.5.2023)

Datum: 12.07.2023
Akkreditierungsschluss: 11.07.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt der Auskunftsanspruch des Mieters gegen den Vermieter nach den Vorschriften zur sogenannten Mietpreisbremse (§ 556g Abs. 3 BGB) verjährt.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

In allen vier terminierten Verfahren macht die Klägerin, eine in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, aus abgetretenem Recht Ansprüche von Mietern, deren Wohnungen gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegen, wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) gegen die beklagten Vermieter geltend.

Sie verlangt gemäß § 556g Abs. 3 BGB die Erteilung von Auskunft über verschiedene für die Berechnung der zulässigen Miethöhe nach den §§ 556d ff. BGB maßgebliche Umstände, gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB die Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Miete und als Schadensersatz die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Die Beklagten berufen sich unter anderem auf Verjährung des Auskunftsanspruchs (§ 214 Abs. 1 BGB).

In drei Verfahren (VIII ZR 375/21, VIII ZR 60/22, VIII ZR 125/22) sind die Berufungsgerichte - die Zivilkammern 65 und 67 des Landgerichts Berlin - davon ausgegangen, dass der Auskunftsanspruch der Mieter nicht verjährt sei. Ebenso wie der Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB könne der Auskunftsanspruch des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB als Hilfsanspruch nicht vor dem Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB als Hauptanspruch verjähren, da die Auskunft zu dessen Geltendmachung benötigt werde. Eine Verjährung des Auskunftsanspruchs führe nicht zur Lösung des Streits über den Hauptanspruch, sondern erschwere nur dessen Durchsetzung. Der Vermieter sei durch eine Verjährung des Auskunftsanspruchs nicht vor einer Inanspruchnahme auf Rückzahlung geschützt. Sie trage damit nicht zum Rechtsfrieden bei.

Demgegenüber hat das Berufungsgericht in dem Verfahren VIII ZR 8/22 - die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin - eine Verjährung des Auskunftsanspruchs angenommen. Für diesen gelte die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB, die mit dem Abschluss des Mietvertrags zu laufen beginne. Der Auskunftsanspruch des Mieters verjähre auch unabhängig vom Rückzahlungsanspruch. Die Erwägungen zur Verjährung des Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB ließen sich nicht übertragen.

Im Verfahren VIII ZR 375/21 begann das Mietverhältnis zum 1. November 2015. Mit Schreiben vom 17. September 2019 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe und verlangte unter anderem Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB.

Auf die im Juni 2020 erhobene Klage hat das Amtsgericht die Beklagte zur Rückzahlung überzahlter Miete für den Monat November 2019 und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verurteilt; die Auskunftsklage hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht (veröffentlicht in WuM 2021, 739) die Beklagte antragsgemäß auch zur Auskunftserteilung verurteilt.

Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung.

Im Verfahren VIII ZR 8/22 begann das Mietverhältnis zum 1. Dezember 2016. Die Parteien vereinbarten eine Indexmiete, nach der die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete ab dem 1. März 2018 anstieg. Mit Schreiben vom 9. April 2020 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe und verlangte unter anderem Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB.

Auf die im Oktober 2020 erhobene Klage hat das Amtsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Auskunftserteilung sowie - weit überwiegend - zur Rückzahlung überzahlter Miete für den Monat Mai 2020 und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung zur Zahlung herabgesetzt und die Auskunftsklage vollumfänglich abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Auskunftsbegehren weiter.

Im Verfahren VIII ZR 60/22 begann das Mietverhältnis zum 1. November 2015. Die Parteien vereinbarten eine Staffelmiete, nach der sich die Miete mit Wirkung ab dem 1. November 2018 erhöhte. Mit Schreiben vom 4. Mai 2020 rügte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe und verlangte unter anderem Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB.

Das Amtsgericht hat die im August 2021 erhobene Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Auskunftserteilung sowie - weit überwiegend - zur Rückzahlung überzahlter Miete für den Monat Juni 2020 und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verurteilt.

Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung. Er meint zudem, die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung sei nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden und das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine wirksame Abtretung des Auskunftsanspruchs an die Klägerin angenommen.

Im Verfahren VIII ZR 125/22 begann das Mietverhältnis zum 1. Januar 2016. Der Mieter rügte mit anwaltlichem Schreiben vom 16. November 2016 einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe und verlangte unter anderem Auskunft darüber, wie die Beklagte bei der Neuvermietung an ihn die ortsübliche Vergleichsmiete berechnet habe. Die Beklagte übermittelte mit Schreiben vom 24. November 2016 die erbetene Berechnung.

Mit Wirkung zum 26. Februar 2019 erhöhte die Beklagte nach einer Modernisierung die Miete. Zum 31. März 2019 erklärte sie die Kündigung des Mietvertrags und nahm den Mieter nachfolgend auf Räumung in Anspruch.

Mit Schreiben vom 23. November 2019 rügte die nunmehr von dem Mieter beauftragte Klägerin gegenüber der Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe und verlangte unter anderem Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB.

Auf die im November 2020 erhobene Klage hat das Amtsgericht die Beklagte weitgehend antragsgemäß zur Auskunftserteilung sowie - weit überwiegend - zur Rückzahlung überzahlter Miete für die Monate Januar bis Dezember 2017 und Dezember 2019 verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung.

Vorinstanzen:

VIII ZR 375/21
AG Neukölln - 3 C 213/20 - Urteil vom 25. Februar 2021
LG Berlin - 65 S 64/21 - Urteil vom 2. November 2021 (veröffentlicht in WuM 2021, 739)

VIII ZR 8/22
AG Schöneberg - 6 C 234/20 - Anerkenntnisteil- und Schlussurteil vom 18. März 2021
LG Berlin - 63 S 75/21 - Urteil vom 7. Dezember 2021

VIII ZR 60/22
AG Pankow - 102 C 219/21 - Urteil vom 23. September 2021
LG Berlin - 65 S 190/21 - Urteil vom 1. Februar 2022

VIII ZR 125/22
AG Mitte - 25 C 263/20 - Urteil vom 18. November 2021
LG Berlin - 67 S 305/21 - Urteil vom 3. Mai 2022

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 195 Regelmäßige Verjährungsfrist

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
[…]

§ 214 Wirkung der Verjährung

(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.
[…]

§ 556d Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung

(1) Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) höchstens um 10 Prozent übersteigen.
(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen. […] Sie muss begründet werden. […]

§ 556g Rechtsfolgen; Auskunft über die Miete

(1) […] Der Vermieter hat dem Mieter zu viel gezahlte Miete nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. […]
[…]
(3) Der Vermieter ist auf Verlangen des Mieters verpflichtet, Auskunft über diejenigen Tatsachen zu erteilen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den Vorschriften dieses Unterkapitels maßgeblich sind, soweit diese Tatsachen nicht allgemein zugänglich sind und der Vermieter hierüber unschwer Auskunft geben kann. […]

§ 557a Staffelmiete

[…]
(4) Die §§ 556d bis 556g sind auf jede Mietstaffel anzuwenden. […]

§ 557b Indexmiete

[…]
(4) Die §§ 556d bis 556g sind nur auf die Ausgangsmiete einer Indexmietvereinbarung anzuwenden.
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 10. Juli 2023 um 17.00 Uhr in Sachen VIa ZR 1119/22 ("Dieselverfahren"; Haftung des Motorherstellers nach der Entscheidung des EuGH vom 21. März 2023 – C-100/21) (Verhandlung: 10.7.23, 10.00 Uhr).

Datum: 10.07.2023
Akkreditierungsschluss: 10.07.2023 16:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 10. Juli 2023 unter anderem über die Frage verhandeln, ob ein Motorhersteller, der nicht zugleich Fahrzeughersteller ist, nach § 823 Abs. 2, § 830 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV haftet.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger kaufte am 9. April 2019 von einem Händler ein gebrauchtes Kraftfahrzeug eines anderen Fahrzeugherstellers, der mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Motor der Baureihe EA 897 (Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug war bereits zuvor von einem vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneten Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Ein von der Beklagten zur Beseitigung der vom KBA beanstandeten Abschalteinrichtung erstelltes Software-Update hatte das KBA am 1. August 2018 freigegeben. Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Software-Update am 16. Januar 2019 und damit vor Abschluss des Kaufvertrags auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt wurde.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die im Wesentlichen auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage hat vor dem Landgericht weitgehend Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen, weil der Kläger weder nach §§ 826, 31 BGB noch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schadensersatz von der Beklagten verlangen könne. Das gelte auch, soweit der Kläger sein Begehren auf das weitere Vorhandensein eines Thermofensters stütze. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch:

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 823 Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 830 Mittäter und Beteiligte

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung:

§ 6 Abs. 1 Satz 1

(1) Für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen.

§ 27 Abs. 1 Satz 1

(1) Neue Fahrzeuge, selbstständige technische Einheiten oder Bauteile, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG, nach Anhang IV der Richtlinie 2002/24/EG oder nach Anhang III der Richtlinie 2003/37/EG vorgeschrieben ist, dürfen im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.

Vorinstanzen:

Landgericht Osnabrück – Urteil vom 19. November 2021 – 5 O 764/21
Oberlandesgericht Oldenburg – Urteil vom 7. Juli 2022 – 8 U 250/21

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 3. Juli 2023, 11.00 Uhr - N 004 - in Sachen VIa ZR 155/23 ("Dieselverfahren"; Abtretung von Schadensersatzansprüchen an die Finanzierungsbank im Falle eines möglichen Unternehmerkaufs) (Verhandlung: 26.6.23)

Datum: 03.07.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 26. Juni 2023 über die Frage verhandeln, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Verkäufer und Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und wirksam ist, wenn Feststellungen dazu fehlen, ob der Käufer als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in zwei Kraftfahrzeugen auf Schadensersatz in Anspruch.

Am 20. August 2018 kaufte der Kläger unter seiner Firma von der Beklagten einen Mercedes-Benz V 250 d als Neuwagen. Am 11. März 2019 kaufte der Kläger wiederum unter seiner Firma von der Beklagten einen Mercedes-Benz Vito 116 CDI als Neuwagen. Die Fahrzeuge sind mit Dieselmotoren der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6) ausgestattet. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger in beiden Fällen mittels eines Darlehens bei einer Bank. Den Darlehensverträgen lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank für Unternehmer zugrunde. Dort hieß es unter anderem:

"II. Sicherheiten
Der Darlehensnehmer räumt der Bank zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1 und 2 ein. […]
[…]
2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:
- […]
- […]
- gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.
- gegen die […] [Beklagte], […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Beklagte] oder einen Vertreter der […] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat der Bank auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.
[…]
5. Rückgabe der Sicherheiten
Die Bank verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat die Bank auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach ihrer Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche der Bank überschreitet. […]"

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat die Beklagte in erster Instanz in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und in zweiter Linie unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens der Fahrzeuge auf Zahlung an sich, Freistellung von seinen Darlehensverbindlichkeiten, Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, der zu dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht erschienen ist, durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Einspruch eingelegt und den Rechtsstreit nach Veräußerung der Fahrzeuge an einen Dritten mit Ausnahme seiner Anträge auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten einseitig für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit seiner vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter, soweit er sie auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge stützt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2023 – VIa ZR 1517/22, WM 2023, 1122 Rn. 4 ff. mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vgl. Pressemitteilung Nr. 71/2023 vom 24. April 2023).

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 18. Oktober 2021 – 18 O 58/21
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 1. Februar 2023 – 23 U 4323/21

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 28. Juni 2023, 13:00 Uhr, im Verfahren 4 StR 212/22 über die Revision der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf gegen ein Urteil des Landgerichts Paderborn, mit dem der Angeklagte von dem Vorwurf freigesprochen worden ist, die im Jahr 2019 zur Tötung des damaligen Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke verwendete Schusswaffe an den Täter des Tötungsdelikts veräußert zu haben (Verhandlungstermin: 22.06.2023)

Datum: 28.06.2023
Akkreditierungsschluss: 27.06.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Revisionen gegen erstinstanzliche Strafurteile der Landgerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 22. Juni 2023 um 9.30 Uhr über die Revision der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf gegen ein Urteil des Landgerichts Paderborn vom 26. Januar 2022, mit dem der Angeklagte wegen vorsätzlichen unerlaubten Munitionsbesitzes zu einer Geldstrafe verurteilt und im Übrigen freigesprochen worden ist.
Dem Teilfreispruch, gegen den sich die Revision wendet, liegt der Anklagevorwurf der fahrlässigen Tötung sowie weiterer Waffendelikte zugrunde. Dem Angeklagten liegt insoweit zur Last, im Jahr 2016 an den inzwischen wegen Mordes rechtskräftig Verurteilten E. einen Revolver nebst Munition veräußert zu haben, mit dem E. in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019 den damaligen Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke erschoss. Das Landgericht hat sich davon, dass E. die Waffe von dem Angeklagten erworben hatte, nicht zu überzeugen vermocht und den Angeklagten daher insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Die Generalstaatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen der angeklagten Veräußerung der Tatwaffe. Sie stützt ihr Rechtsmittel darauf, dass das Landgericht Vorschriften über das Verfahren verletzt und Beweise rechtsfehlerhaft gewürdigt habe.

Der 4. Strafsenat wird am 22. Juni 2023, 9,30 Uhr, im Saal E 004 der Außenstelle des Bundesgerichtshofs, Rintheimer Querallee 11, 76131 Karlsruhe, über die Revision verhandeln.

Vorinstanz: Landgericht Paderborn – Urteil vom 26. Januar 2022 – 01 KLs – 3 Js 370/20 GStA – 13/21

Akkreditierungsbedingungen

Ein neuer Verhandlungstermin wird von Amts wegen bestimmt - in Sachen KVB 56/22 (Amazon.com, Inc. - Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb) (Verhandlung 27.6.2023)

Datum: 27.06.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt erstmals über eine Beschwerde gegen eine Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB. Die am 19. Januar 2021 in Kraft getretene Regelung des § 19a GWB dient der Modernisierung und Stärkung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht und soll dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle insbesondere über diejenigen großen Digitalkonzerne ermöglichen, denen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Sie sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Danach kann das Bundeskartellamt in einem ersten Schritt die überragende marktübergreifende Bedeutung feststellen (§ 19a Abs. 1 GWB) und dem betroffenen Unternehmen in einem zweiten Schritt bestimmte Verhaltensweisen untersagen (§ 19a Abs. 2 GWB).

Sachverhalt:

Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 5. Juli 2022 nach § 19a Abs. 1 GWB festgestellt, dass Amazon.com, Inc. einschließlich der mit ihr gemäß § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. Gegen diesen Beschluss haben Amazon.com, Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben. Für die Beschwerde ist der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in erster und letzter Instanz zuständig.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass Gegenstand dieser ersten Verhandlung (allein) die von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Hindernisse für die Anwendung von § 19a GWB sein werden, die sich aus höherrangigem Recht ergeben könnten. Das betrifft die Frage nach Notifizierungspflichten gemäß Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 sowie gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft („e-Commerce-Richtlinie“), die Frage der Unanwendbarkeit von § 19a Abs. 1 GWB wegen eines etwaigen unionsrechtlichen Vorrangs der Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 („Digital Markets Act“), und die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift erhobenen Bedenken.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

§ 19a Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb
(1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a tätig ist, eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Bei der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. seine marktbeherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten,
2. seine Finanzkraft oder sein Zugang zu sonstigen Ressourcen,
3. seine vertikale Integration und seine Tätigkeit auf in sonstiger Weise miteinander verbundenen Märkten,
4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,
5. die Bedeutung seiner Tätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie sein damit verbundener Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter.
Die Verfügung nach Satz 1 ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft zu befristen.
(2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen,
1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, insbesondere
a) die eigenen Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen;
b) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren;
2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere
a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen;
b) andere Unternehmen daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ihre eigenen Angebote zu bewerben oder Abnehmer auch über andere als die von dem Unternehmen bereitgestellten oder vermittelten Zugänge zu erreichen;
3. Wettbewerber auf einem Markt, auf dem das Unternehmen seine Stellung, auch ohne marktbeherrschend zu sein, schnell ausbauen kann, unmittelbar oder mittelbar zu behindern, insbesondere
a) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens mit einer dafür nicht erforderlichen automatischen Nutzung eines weiteren Angebots des Unternehmens zu verbinden, ohne dem Nutzer des Angebots ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Umstands und der Art und Weise der Nutzung des anderen Angebots einzuräumen;
b) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens von der Nutzung eines anderen Angebots des Unternehmens abhängig zu machen;
4. durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen, oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern, oder Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen, insbesondere
a) die Nutzung von Diensten davon abhängig zu machen, dass Nutzer der Verarbeitung von Daten aus anderen Diensten des Unternehmens oder eines Drittanbieters zustimmen, ohne den Nutzern eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;
b) von anderen Unternehmen erhaltene wettbewerbsrelevante Daten zu anderen als für die Erbringung der eigenen Dienste gegenüber diesen Unternehmen erforderlichen Zwecken zu verarbeiten, ohne diesen Unternehmen eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;
5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern;
6. andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren oder ihnen in anderer Weise eine Beurteilung des Wertes dieser Leistung zu erschweren;
7. für die Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens Vorteile zu fordern, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen, insbesondere
a) für deren Darstellung die Übertragung von Daten oder Rechten zu fordern, die dafür nicht zwingend erforderlich sind;
b) die Qualität der Darstellung dieser Angebote von der Übertragung von Daten oder Rechten abhängig zu machen, die hierzu in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Unternehmen. § 32 Absatz 2 und 3, die §§ 32a und 32b gelten entsprechend. Die Verfügung nach Absatz 2 kann mit der Feststellung nach Absatz 1 verbunden werden.
[….]

Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft

Artikel 1 (1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck: […]
e) „Vorschrift betreffend Dienste“ eine allgemein gehaltene Vorschrift über den Zugang zu den Aktivitäten der unter Buchstabe b genannten Dienste und über deren Betreibung, insbesondere Bestimmungen über den Erbringer von Diensten, die Dienste und den Empfänger von Diensten, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf die unter dieser Nummer definierten Dienste abzielen.
Im Sinne dieser Definition
i) gilt eine Vorschrift als speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielend, wenn sie nach ihrer Begründung und ihrem Wortlaut insgesamt oder in Form einzelner Bestimmungen ausdrücklich und gezielt auf die Regelung dieser Dienste abstellt;
ii) ist eine Vorschrift nicht als speziell auf die Dienste der Informationsgesellschaft abzielend zu betrachten, wenn sie sich lediglich indirekt oder im Sinne eines Nebeneffekts auf diese Dienste auswirkt;
f) „technische Vorschrift“ technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie - vorbehaltlich der in Artikel 7 genannten Bestimmungen - die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.
Technische De-facto-Vorschriften sind insbesondere:
i) die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats, in denen entweder auf technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder auf Vorschriften betreffend Dienste oder auf Berufskodizes oder Verhaltenskodizes, die ihrerseits einen Verweis auf technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder auf Vorschriften betreffend Dienste enthalten, verwiesen wird und deren Einhaltung eine Konformität mit den durch die genannten Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegten Bestimmungen vermuten lässt;
ii) die freiwilligen Vereinbarungen, bei denen der Staat Vertragspartei ist und die im öffentlichen Interesse die Einhaltung von technischen Spezifikationen oder sonstigen Vorschriften oder von Vorschriften betreffend Dienste mit Ausnahme der Vergabevorschriften im öffentlichen Beschaffungswesen bezwecken;
iii) die technischen Spezifikationen oder sonstigen Vorschriften oder die Vorschriften betreffend Dienste, die mit steuerlichen oder finanziellen Maßnahmen verbunden sind, die auf den Verbrauch der Erzeugnisse oder die Inanspruchnahme der Dienste Einfluss haben, indem sie die Einhaltung dieser technischen Spezifikationen oder sonstigen Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste fördern; dies gilt nicht für technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, die die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit betreffen.
[…]
Artikel 5 (1) Vorbehaltlich des Artikels 7 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.
Gegebenenfalls - sofern dies noch nicht bei einer früheren Mitteilung geschehen ist - übermitteln die Mitgliedstaaten gleichzeitig den Wortlaut der hauptsächlich und unmittelbar betroffenen grundlegenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften an die Kommission, wenn deren Wortlaut für die Beurteilung der Tragweite des Entwurfs einer technischen Vorschrift notwendig ist.
[…] Die Kommission unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über den Entwurf einer technischen Vorschrift und alle ihr zugegangenen Dokumente; sie kann den Entwurf auch dem nach Artikel 2 dieser Richtlinie eingesetzten Ausschuss und gegebenenfalls dem jeweils zuständigen Ausschuss zur Stellungnahme vorlegen. […]
Artikel 6 (1) Die Mitgliedstaaten nehmen den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 5 Absatz 1 bei der Kommission an.

Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt

Artikel 3 Binnenmarkt
(1) Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.
(2) Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.
(3) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf die im Anhang genannten Bereiche.
(4) Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a) Die Maßnahmen
i) sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich:
- Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen,
- Schutz der öffentlichen Gesundheit,
- Schutz der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen,
- Schutz der Verbraucher, einschließlich des Schutzes von Anlegern;
ii) betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt;
iii) stehen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen.
b) Der Mitgliedstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,
- den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;
- die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.
[…]

Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte)

Artikel 1
[…]
(5) Um eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu vermeiden, erlegen die Mitgliedstaaten Torwächtern keine weiteren Verpflichtungen im Wege von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf, um bestreitbare und faire Märkte zu gewährleisten. Diese Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Unternehmen – einschließlich solcher, die zentrale Plattformdienste bereitstellen – für Angelegenheiten, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, Verpflichtungen aufzuerlegen, sofern diese Verpflichtungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind und nicht darauf zurückzuführen sind, dass die betreffenden Unternehmen den Status eines Torwächters im Sinne dieser Verordnung haben.
(6) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV. Sie lässt auch die Anwendung der folgenden Vorschriften unberührt:
a) nationaler Wettbewerbsvorschriften zum Verbot von wettbewerbswidrigen Vereinbarungen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung,
b) nationaler Wettbewerbsvorschriften, mit denen andere Formen einseitiger Verhaltensweisen verboten werden, soweit sie auf andere Unternehmen als Torwächter angewandt werden oder Torwächtern damit weitere Verpflichtungen auferlegt werden, und
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Juni 2023, 12.00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VIa ZR 335/21 ("Dieselverfahren"; Tatbestandswirkung der Typgenehmigung; unionsrechtliche Folgefragen) (vorher: Verhandlungstermin: 21.11.2022 und 8.5.2023)

Datum: 26.06.2023
Akkreditierungsschluss: 23.06.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 21. November 2022 in einer Sache verhandeln, die die Frage der Bindungswirkung der Typgenehmigung für die Zivilgerichte in einem Dieselverfahren betrifft.

Sachverhalt:

Der Kläger verlangt von der beklagten Volkswagen AG Schadensersatz wegen eines von ihr hergestellten VW Passat Alltrack 2.0 l TDI, der mit einem Motor des Typs EA 288 ausgerüstet ist. Die Typgenehmigung wurde für die Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Der Kläger erwarb das im Juli 2016 erstmals zugelassene Fahrzeug am 15. November 2017 von einer Fahrzeughändlerin. Zu diesem Zeitpunkt wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 21.467 km auf. Der vereinbarte Kaufpreis von 41.210 € wurde durch ein Darlehen der Volkswagen Bank finanziert. Die Abgasrückführung erfolgt in Abhängigkeit von der Temperatur (Thermofenster). Ferner ist eine Fahrkurvenerkennung installiert.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wesentlichen, sie im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den das Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag und den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zwar könne in dem Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehenen Fahrzeugs eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung liegen, die einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegen die Herstellerin begründen könne. Auf seine Behauptung, die Beklagte habe das von ihm erworbene Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet, könne der Kläger seine Ansprüche jedoch nicht mit Erfolg stützen, weil der Berücksichtigung seines Vorbringens „die Tatbestandswirkung der uneingeschränkt gültigen EG-Typgenehmigung des Fahrzeugs“ entgegenstehe.

Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Im Revisionsverfahren aufgeworfene Rechtsfragen:

In der mündlichen Verhandlung am 21. November 2022 wird auf die höchstrichterliche Rechtsprechung einzugehen sein, der zufolge ein Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung nicht zu entziehen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 VIII ZR 190/19, NJW 2022, 1238 Rn. 80 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Beschluss vom 9. Mai 2022 VIa ZR 312/21, juris; Beschluss vom 23. Mai 2022 VIa ZR 433/21, juris).

Ferner wird, sofern bis dahin eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-100/21 vorliegen wird, Gelegenheit bestehen, die sich aus einer solchen Entscheidung möglicherweise ergebenden Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht zu erörtern. Auf diese Weise sollen den mit Dieselverfahren befassten erstinstanzlichen Gerichten und den Berufungsgerichten, die nach Veröffentlichung der Schlussanträge des Generalanwalts in dieser Rechtssache nunmehr auch aus Gründen der Gewähr effektiven Rechtsschutzes die vor ihnen eröffnete Tatsacheninstanz nicht schließen, sondern die Entscheidung des Gerichtshofs abwarten werden (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 2. März 2022 4 W 4/22, juris Rn. 42 ff.), so bald als möglich im Anschluss an eine Entscheidung des Gerichtshofs höchstrichterliche Leitlinien an die Hand gegeben werden.

Vorinstanzen:

Landgericht Osnabrück – Urteil vom 30. Juni 2021 – 5 O 203/21
Oberlandesgericht Oldenburg – Urteil vom 29. September 2021 – 6 U 217/21

Die maßgebliche Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs lautet:

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Juni 2023, 12.00 Uhr, Saal E 101, ("Dieselverfahren"; insbesondere Folgerungen aus dem Urteil des EuGH vom 21. März 2023, C-100/21) (Verhandlung: 8.5.2023).

Datum: 26.06.2023
Akkreditierungsschluss: 23.06.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 8. Mai 2023 neben der zuletzt mit Pressemitteilung Nr. 29/2023 angekündigten Sache zwei weitere Sachen verhandeln, bei denen unter anderem Gelegenheit bestehen wird, die Folgerungen aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. März 2023 (C-100/21) in "Dieselverfahren" zu erörtern.

Sachverhalt:

In dem Verfahren VIa ZR 533/21 kaufte der Kläger im Mai 2018 von einem Vertragshändler der beklagten Audi AG einen Audi SQ5 Allroad 3.0 TDI, der mit einem Motor der Baureihe EA 896Gen2BiT ausgerüstet ist. Die EG-Typgenehmigung wurde für die Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger zum Teil über ein Darlehen. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte bereits vor Abschluss des Kaufvertrags bei einer Überprüfung des auch in das Fahrzeug des Klägers eingebauten Motors eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Aufheizstrategie festgestellt und durch Bescheid vom 1. Dezember 2017 nachträgliche Nebenbestimmungen für die der Beklagten erteilte EG-Typgenehmigung angeordnet.

In dem Verfahren VIa ZR 1031/22 kaufte der Kläger im Oktober 2017 von der beklagten Mercedes-Benz Group AG einen Mercedes-Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist. Die EG-Typgenehmigung wurde für die Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Der Kläger finanzierte den Kaufpreis teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG. Die Abgasrückführung erfolgt bei dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert und wird beim Unterschreiten einer Schwellentemperatur reduziert. Weiter verfügt das Fahrzeug über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, bei der die verzögerte Erwärmung des Motoröls zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Im Verfahren VIa ZR 533/21 verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den das Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag mit dem Vertragshändler und den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger habe keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB unabhängig davon, ob in dem Fahrzeug eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. Vor Eintritt des Schadens im Mai 2018 habe die Beklagte mit den zuständigen Behörden in Deutschland, insbesondere dem KBA, kooperiert und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen in Form von Software-Updates entwickelt, um der Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung zu begegnen. Die Beklagte habe ihre Vertragshändler über den Rückruf des KBA und das Erfordernis eines Software-Updates und darüber informiert, dass die betroffenen Fahrzeuge nur unter Offenlegung dieser Umstände veräußert werden dürften. Das KBA habe in einer Pressemitteilung vom 23. Januar 2018 über den Nachweis "unzulässige(r) Abschalteinrichtungen" informiert, daran habe sich eine landesweite Presseberichterstattung angeschlossen. Die Beklagte habe mithin vor dem Kauf des Fahrzeugs durch den Kläger ihr Verhalten geändert, so dass ihr dessen sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nicht zur Last zu legen sei. Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 EG-FGV und Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 schieden aus Rechtsgründen aus. Das Interesse des Klägers, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liege nicht im Aufgabenbereich dieser Regelungen.

Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine zweitinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

Im Verfahren VIa ZR 1031/22 verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen, ihn so zu stellen, als habe er den das Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag und den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat der Klage unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung des Klägers überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die auf das Recht der unerlaubten Handlung gestützte Klage und darüber hinaus das auf kaufrechtliche Ansprüche gestützte Begehren des Klägers abgewiesen.

Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB scheide aus. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung - das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterstellt - nicht schlüssig behauptet, weil es an zu berücksichtigendem Vortrag zu einem vorsätzlichen Verhalten von Repräsentanten der Beklagten fehle. Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV oder in Verbindung mit Vorschriften der VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. weiteren Sekundärrechtsakten des Unionsrechts scheitere bereits daran, dass diese Normen keine Schutzgesetze seien. Kaufrechtliche Ansprüche bestünden nicht.

Mit der vom Berufungsgericht unter Verweis auf die Frage, ob die EG Fahrzeuggenehmigungsverordnung ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist, zugelassenen Revision möchte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Vorinstanzen:

VIa ZR 533/21

Landgericht Bonn – Urteil vom 29. September 2020 - 7 O 313/19
Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 14. Oktober 2021 – 18 U 185/20

und

VIa ZR 1031/22

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 17. Dezember 2021 – 29 O 286/21
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 5. Juli 2022 – 24 U 314/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch:

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 823 Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Artikel 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6)

(1) Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.

(2) Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten;
b) die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist;
c) die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung

(1) Für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen.

§ 27 Abs. 1 Satz 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung

(1) Neue Fahrzeuge, selbstständige technische Einheiten oder Bauteile, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG, nach Anhang IV der Richtlinie 2002/24/EG oder nach Anhang III der Richtlinie 2003/37/EG vorgeschrieben ist, dürfen im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.

Akkreditierungsbedingungen

EuGH-Vorlage - KZR 71/21 (Bundesgerichtshof überprüft DFB-Reglement für Spielervermittlung) (T: 28.2.2023) (VK: 13.6.23)

Datum: 13.06.2023
Akkreditierungsschluss: 12.06.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kartellsenat verhandelt über die Frage, ob einzelne Regelungen des vom DFB erlassenen Reglements für Spielervermittlung (RfSV) u.a. gegen das Kartellverbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen.

Sachverhalt:

Die Klägerin zu 1, deren Geschäftsführer der Kläger zu 3 ist, ist einer der führenden Vermittler für Profifußballer in Deutschland. Die Klägerin zu 2 ist eine juristische Person österreichischen Rechts, deren Unternehmenstätigkeit ebenfalls auf die Spielervermittlung gerichtet ist.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist der Dachverband von 27 deutschen Fußballverbänden. Als Mitglied des Fußballweltverbandes (FIFA) ist er den Regelungen der FIFA unterworfen und zur Umsetzung der Entscheidungen der FIFA verpflichtet. Im Zuge des von der FIFA verabschiedeten Reglements zur Arbeit mit Vermittlern erließ der DFB das am 1. April 2015 in Kraft getretene Reglement für Spielervermittlung (RfSV). Dieses richtet sich nicht direkt an Spielervermittler, sondern an Vereine und Spieler, welche gegenüber dem Beklagten verpflichtet sind, die Regelungen des RfSV einzuhalten. Bei Verstoß dagegen drohen verbandsrechtliche Sanktionen.

Die Kläger sind der Auffassung, dass bestimmte Regelungen in dem RfSV u.a. gegen das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV verstoßen. Die Kläger beanstanden darüber hinaus ein Rundschreiben der DFL, aus dem sich das Verbot einer prozentualen Beteiligung der Spielervermittler an der Transfersumme ergibt.

Sie begehren mit ihrer gegen den DFB erhobenen Klage im Wesentlichen, dass dieser es unterlässt,
- den Vereinen oder Spielern zu verbieten, beim Abschluss eines Berufsspielervertrages oder einer Transfervereinbarung die Dienste von Vermittlern in Anspruch zu nehmen, die sich nicht beim Beklagten registrieren lassen und nicht beim Beklagten registriert sind (Klageantrag 1),
- nur solche Vermittler zu registrieren, die sich (in einer sogenannten Vermittlererklärung) verpflichten, die in diesem Zusammenhang einschlägigen Statuten der FIFA und des Beklagten einzuhalten (Klageantrag 2);
- juristische Personen als Vermittler nur zu registrieren, wenn neben der juristischen Person auch eine natürliche Person eine solche Vermittlererklärung abgibt (Klageantrag 3);
- den Vereinen zu verbieten, für die Höhe von Provisionen zu vereinbaren, dass diese auch von zukünftigen Transfererlösen des Vereins für den betreffenden Spieler abhängig sind (Klageantrag 4) sowie für die Berechnung von Provisionen Formeln zu vereinbaren, die prozentual Bezug auf Weitertransfererlöse nehmen (Klageantrag 5), hilfsweise den Deutsche Fußball Liga e.V. oder einen anderen Auftragnehmer mit der Durchführung des Spielbetriebs in einer Fußballiga zu beauftragen und dabei zu ermöglichen, dass der Auftragnehmer Vereine darin einschränkt, für die Berechnung von Provisionen Formeln zu vereinbaren, die prozentual Bezug auf Weitertransfererlöse nehmen (Klageantrag 5a);
- den Vereinen oder Spielern zu verbieten, Provisionen für Spielvermittlerdienste zu zahlen, wenn der betreffende Spieler minderjährig ist (Klageantrag 6);
- Spieler und Vereine zur Offenlegung von Einzelheiten aller vereinbarter Vergütungen und Zahlungen an den Vermittler zu verpflichten Klageantrag 7).

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den DFB unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, nur solche Vermittler zu registrieren, die sich den einschlägigen FIFA- und DFB-Statuten unterwerfen, sofern in diesem Zusammenhang zugleich die Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit der FIFA und des DFB zur Ahndung von Verstößen gefordert wird. Es hat dem DFB darüber hinaus verboten, juristische Personen als Spielervermittler nur zu registrieren, wenn neben der juristischen Person auch eine natürliche Person eine Vermittlererklärung abgibt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Auf die gegen die teilweise Abweisung der Klage gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht das Verbot, Vermittler nur zu registrieren, wenn er sich den einschlägigen FIFA- und DFB-Statuten unterwirft, ohne die vom Landgericht ausgesprochene Einschränkung ausgesprochen. Darüber hinaus hat es den DFB verurteilt, es zu unterlassen, den Deutsche Fußball Liga e.V. oder einen anderen mit der Durchführung des Spielbetriebs in einer Fußballliga Beauftragten zu ermöglichen, Vereine darin einzuschränken, für die Berechnung von Provisionen für Spielervermittler Formeln zu vereinbaren, die prozentual Bezug auf Weitertransfererlöse nehmen. Im Übrigen hat es das Urteil des Landgerichts aufrechterhalten und die weitergehende Berufung der Kläger und die Anschlussberufung des Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Regelungen im RfSV seien nach der vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung Meca Medina (C-519/04 P) aufgestellten 3-Stufen-Theorie auf ihre Vereinbarkeit mit dem Kartellverbot nach Art. 101 AEUV zu prüfen. Danach seien Regelungen, die mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs untrennbar verbunden seien und gerade dazu dienen, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten, nicht dem Kartellverbot zu unterwerfen, soweit sie auf das zum ordnungsgemäßen Funktionieren des sportlichen Wettkampfs Notwendige begrenzt seien. Die Verpflichtung zur Registrierung von Spielervermittlern sowie die Verpflichtung der Vereine sicherzustellen, dass für zukünftige Spielertransfers oder bei der Vermittlung minderjähriger Spieler keine Provisionen vereinbart werden und Spieler und Vereine alle vereinbarten Vergütungen oder Zahlungen an Spielervermittler gegenüber dem DFB offenlegen müssen, erfüllten diese Voraussetzungen, nicht aber die weiteren von den Klägern angegriffenen Regelungen im RfSV und im Rundschreiben der DFL. Da nicht das RfSV das Verbot einer prozentualen Beteiligung am Transfererlös im Falle einer antizipierten Wegvermittlung enthalte, sondern lediglich das Rundschreiben der DFL, liege insoweit kein Beschluss des DFB im Sinne von Art. 101 AEUV vor. Insoweit habe lediglich der Hilfsantrag Erfolg. Das Rundschreiben stelle einen Beschluss der DFL dar, der nach Art. 101 AEUV Außenwirkung entfalte. Der DFB habe insoweit seine Überwachungspflicht verletzt.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen wenden sich die Kläger und der DFB gegen das Berufungsurteil, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2-03 O 517/18
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 30. November 2021 - 11 U 172/19 (Kart)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 33 GWB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

Artikel 101 AEUV

(1) Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 23. Mai 2023, 12.00 Uhr in Sachen VI ZR 476/18 (Auslistungsbegehren gegen Google) (Verkündungstermin: 27.7.2020: EuGH-Vorlage; T: 25.4.2023); Hinweis: Im Verfahren VI ZR 405/18 erging am 27.7.2020 ein Urteil.

Datum: 23.05.2023
Akkreditierungsschluss: 22.05.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der u.a. für Ansprüche nach der EU-Datenschutzgrundverordnung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Betreiber einer Internet-Suchmaschine verpflichtet ist, persönlichkeitsrechtsrelevante Suchergebnisse auszulisten.

Sachverhalt:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleitungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin ist seine Lebensgefährtin und war Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, „durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen“, erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein; die Artikel enthielten im Übrigen unrichtige Tatsachenbehauptungen und unzulässige Meinungsäußerungen, die auf einem unrichtigen Tatsachenkern beruhten. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine „Google“, es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder („thumbnails“) anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Für die Beklagte sei nicht klar erkennbar, dass die von ihr als Suchergebnis nachgewiesenen Artikel unwahre Behauptungen enthielten. Die Wiedergabe der Fotos sei wegen deren ursprünglichen Kontextes gerechtfertigt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Auslistungsbegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2020 (NJW 2020, 3444 = AfP 2020, 496) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zum einen wollte er geklärt wissen, wer die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung trägt, die von der Suchmaschine nachgewiesene Berichterstattung sei unwahr, und ob es dem Antragsteller insoweit obliegt, sofern möglich zunächst den hierfür Verantwortlichen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen hat er gefragt, ob hinsichtlich der Vorschaubilder auch deren ursprünglicher Kontext zu berücksichtigen sei oder ob es allein auf die Darstellung der Suchmaschine ankomme.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-460/20, NJW 2023, 747 = AfP 2023, 42) beantwortet. Die Auslistung hänge nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos - unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann - Rechnung zu tragen.

Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung fortsetzen.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17
Landgericht Köln – Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:

Art. 17 Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“)

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:
a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)
c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist
a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)

Verkündungstermin am 16. Mai 2023, 12.00 Uhr, in Sachen VI ZR 116/22 (Tagebuchstreit) (Verhandlung: 9.5.2023)

Datum: 16.05.2023
Akkreditierungsschluss: 15.05.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über einen Anspruch auf Unterlassung der wörtlichen Wiedergabe von Auszügen aus Tagebüchern zu entscheiden, die von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden waren.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Bankier. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften. Im Jahr 2018 wurden die Tagebücher des Klägers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt.

Die Beklagte veröffentlichte auf der von ihr betriebenen Internetseite www.sueddeutsche.de am 4. September 2020 unter der Überschrift "Notizen aus der feinen Gesellschaft" einen Artikel, der sich mit einer möglichen Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Steuerrückforderungen nach Cum-Ex-Geschäften beschäftigt. Die Beklagte zitierte in diesem Artikel wörtlich aus den Tagebüchern, deren Inhalt ihr nach der Beschlagnahme bekannt geworden ist. Der in dem Artikel behandelte Verdacht einer möglichen Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörden ist Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Veröffentlichung von 16 Textpassagen verboten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Es hat das vom Landgericht ausgesprochene Verbot lediglich im Hinblick auf zwei Textpassagen eingeschränkt, die zwischenzeitlich von Anwälten des Klägers in Sitzungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses verlesen worden waren. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger Unterlassung der noch streitgegenständlichen Textpassagen verlangen, weil die Beklagte durch die Veröffentlichung gegen ein den Schutz des Klägers bezweckendes Gesetz verstoßen habe (§ 823 Abs. 2 BGB, § 353d Nr. 3 StGB). § 353d Nr. 3 StGB solle dem vom Strafverfahren Betroffenen jedenfalls einen gewissen Schutz vor vorzeitiger Bloßstellung gewähren. Die Voraussetzungen des Straftatbestands seien erfüllt. Die Tagebücher des Klägers, aus denen die Beklagte wörtlich zitiere, seien amtliche Dokumente eines Strafverfahrens im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB, da sie von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden seien. Der Umstand, dass es sich um private Aufzeichnungen des Klägers handle, ändere nichts am Charakter eines amtlichen Dokuments. Nach dem Gesetzestext sei auch die Veröffentlichung privater, aber für Zwecke des Strafverfahrens in dienstliche Verwahrung genommener Urkunden strafbewehrt.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - 324 O 502/20 - Entscheidung vom 5. März 2021
OLG Hamburg - 7 U 25/21 - Entscheidung vom 22. März 2022

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 353d StGB

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1….
2….
3.die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

§ 823 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 9. Mai 2023, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 544/21 (Pflicht zur Zahlung von „Negativzinsen“ aus einem Schuldscheindarlehen)

Datum: 09.05.2023
Akkreditierungsschluss: 08.05.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird über die Auslegung einer AGB-Klausel in einem sogenannten Schuldscheindarlehen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Zahlung von „Negativzinsen“ zu entscheiden haben.

Sachverhalt:

Das klagende Land (Kläger) schloss mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (Beklagte) im März 2007 einen als „Darlehen“ bezeichneten Vertrag, dessen Konditionen von dem Kläger vorgegeben wurden. Nach Überweisung der „Darlehenssumme“ stellte der Kläger der Beklagten fünf gleichlautende Schuldscheine über jeweils 20.000.000 € aus. Diese werden mit den Worten

„[Der Kläger] (Darlehensschuldner) schuldet [der Beklagten] (Darlehensgläubiger) EUR 20.000.000 […]“
eingeleitet und beinhalten im Anschluss u.a. folgende Angaben:
„1. Das Darlehen ist, […], bis zum Ablauf des der vereinbarten Fälligkeit des Kapitals vorhergehenden Tages, wie folgt jährlich zu verzinsen:
Nominalzins 3-Monats-EURIBOR + 0,1175%
Höchstsatz 5,00%
[…]
3. Das Darlehen in Höhe des Nennbetrags ist zur Rückzahlung fällig am 08.03.2017.
[…]
6. Die Abtretung der Darlehensforderung ist nur im Ganzen zulässig. […] In jedem Fall wird der Darlehensschuldner Zins- und Tilgungsleistungen nur auf ein Konto des Darlehensgläubigers in der Bundesrepublik Deutschland überweisen.“

Ab März 2016 errechnete sich unter Anwendung der Zinsformel nach Ziffer 1 ein negativer Wert, der bis zum Laufzeitende einen Betrag in Höhe von 158.159,75 € ergab.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger ist der Meinung, dass ihm die Beklagte ab dem Zeitpunkt, zu dem der Zinsaufschlag („0,1175%“) betragsmäßig hinter dem negativen Referenzzinssatz („3-Monats-EURIBOR“) zurückgeblieben war, die Zahlung von „Negativzinsen“ schulde, weil in den Schuldscheinen zwar eine Zinsobergrenze („5,00%“), aber keine Zinsuntergrenze vereinbart worden sei. Er begehrt mit seiner Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 158.159,75 € nebst Verzugszinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme einer Nebenforderung stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revision des Klägers am 9. Mai 2023 verhandeln.

Vorinstanzen:

Landgericht Düsseldorf – Urteil vom 11. März 2020 – 13 O 322/18
Oberlandesgericht Düsseldorf – Urteil vom 1. Dezember 2021 – 14 U 78/20

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin in Sachen VII ZR 144/22 (Vergütungsansprüche einer Hochzeits-Fotografin nach Verlegung des Hochzeitstermins wegen Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie) am 27. April 2023, 9.00 Uhr, Saal E 101

Datum: 27.04.2023
Akkreditierungsschluss: 26.04.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über eine Klage auf Rückgewähr einer an eine Hochzeits-Fotografin geleisteten Anzahlung und auf Feststellung, dass ihr keine weiteren Vergütungsansprüche zustehen, weil die Kläger wegen Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie den Hochzeitstermin verlegten und deshalb von dem Vertrag zurücktraten bzw. diesen kündigten.

Sachverhalt:

Die Kläger beabsichtigten, am 1. August 2020 kirchlich zu heiraten. Nachdem der Fotograf, der die standesamtliche Trauung begleitet hatte, zu diesem Termin verhindert war, wandten sich die Kläger an die Beklagte. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2019 bedankte sich die Beklagte für „die Beauftragung“ und stellte für „Reportage Hochzeit 01.08.2020 (1. Teilbetrag)“ 1.231,70 € von der insgesamt vereinbarten Vergütung in Höhe von 2.463,70 € in Rechnung. Die Kläger überwiesen den geforderten „1. Teilbetrag“.

Die Kläger beabsichtigten, zu ihrer kirchlichen Hochzeit 104 Gäste einzuladen. Die Durchführung der so geplanten Hochzeit war aufgrund von Beschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie nicht möglich. Die Kläger planten deshalb neu eine Hochzeitsfeier für den 31. Juli 2021 und teilten der Beklagten mit E-Mail vom 15. Juni 2020 mit, für den neuen Termin den Fotografen beauftragen zu wollen, der am 1. August 2019 verhindert gewesen sei. Daraufhin forderte die Beklagte ein weiteres Honorar von 551,45 €, was die Kläger ablehnten. Diese verlangten vielmehr die Rückzahlung der bereits überwiesenen 1.231,70 € und erklärten wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage den „Rücktritt von dem vorstehend bezeichneten Vertrag bzw. dessen Kündigung“.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.231,70 € und zusätzlicher 309,40 € für außergerichtliche Kosten sowie die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, weitere 551,45 € an die Beklagte zu zahlen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die Kläger hätten nicht dargelegt, dass die Durchführung der Feierlichkeiten aufgrund der „Corona-Beschränkungen“ vollständig unmöglich gewesen sei. Die Beklagte hätte daher die vereinbarte Fotodokumentation erstellen können, wenn auch in einem kleineren persönlichen Rahmen als geplant. Zudem handele es sich bei dem vereinbarten Fototermin nicht um ein absolutes oder relatives Fixgeschäft. Die Kläger hätten die Leistung der Beklagten zu einem späteren Hochzeitstermin in Anspruch nehmen können.

Eine Störung der Geschäftsgrundlage sei nicht anzunehmen. Die Kläger hätten keine Umstände dargelegt, weshalb ein Festhalten am Vertrag unzumutbar sei. Die Entscheidung für einen anderen Fotografen falle in ihren Risikobereich.

Den Klägern stünde aber ein freies Kündigungsrecht zu, das sie ausgeübt hätten. Deshalb habe die Beklagte einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen oder eines anderweitigen Erwerbs. Die Beklagte habe unstreitig vorgetragen, 364,40 € (Fahrtkosten 64,40 €; Kosten für Bildabzüge 300,- €) erspart und keinen anderweitigen Erwerb gehabt zu haben.

Die Beklagte könne deshalb die gezahlten 1.231,70 € behalten. Zudem stünde ihr ein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe von 551,45 € zu, weshalb der Feststellungsantrag der Kläger nicht begründet sei. Da diese Klageanträge keinen Erfolg hätten, könne schließlich die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht mit Erfolg verlangt werden.

Vorinstanzen:

AG Gießen - Urteil vom 26. November 2021 - 43 C 63/21
LG Gießen - Urteil vom 21. Juni 2022 - 1 S 1/22

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 24. April 2023, 11.00 Uhr; Saal N 004, in Sachen VIa ZR 1517/22 ("Dieselverfahren"; Abtretung von Schadensersatzansprüchen an die Finanzierungsbank) (Verhandlung: 13.3.2023)

Datum: 24.04.2023
Akkreditierungsschluss: 21.04.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 13. März 2023 über die Frage verhandeln, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Verkäufer und Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und wirksam ist.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Im März 2019 erwarb der Kläger von der Beklagten als Verkäuferin einen Mercedes GLC 250 für 55.335,89 € als Neuwagen. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse EURO 6) ausgestattet. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 9.140 € an die Beklagte. Den Kaufpreis finanzierte er im Übrigen in Höhe von 46.195,89 € teilweise noch valutierend bei einer Bank (künftig Darlehensgeberin). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin zugrunde. Dort hieß es unter anderem:

"II. Sicherheiten
Der Darlehensnehmer räumt dem Darlehensgeber zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche des Darlehensgebers aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1-3 ein. […]
[…]
3. Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende – gegenwärtige und zukünftige – Ansprüche an den Darlehensgeber ab, […] [der] diese Abtretung annimmt:
[…]
- gegen die [Beklagte] […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Beklagte] oder einen Vertreter der […] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.
[…]
6. Rückgabe der Sicherheiten
Der Darlehensgeber verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. […] 3) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat der Darlehensgeber auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach […] [seiner] Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche des Darlehensgebers überschreitet […]"

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat die Beklagte in den Vorinstanzen unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs auf Zahlung nebst Verzugszinsen an sich sowie auf Freistellung von restlichen Darlehensraten, Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Rückübereignung des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Weiter hat er auf Feststellung des Annahmeverzugs und die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten angetragen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Kläger sei, soweit er sein Begehren auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten stütze, nicht aktivlegitimiert, weil er etwa bestehende deliktische Ansprüche an die Darlehensgeberin abgetreten habe. Die in den Darlehensvertrag einbezogene Abtretungsklausel erfasse die geltend gemachten deliktischen Ansprüche und halte einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand. Weder sei sie - weil bankenüblich - überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB noch benachteilige sie den Kläger unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel sei auch nicht unklar. Eine bloße Sicherungsabtretung berühre zwar regelmäßig nicht die Befugnis des Abtretenden, das übertragene Recht gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen. Vom Vorliegen der hierfür erforderlichen Einziehungsermächtigung sei bei der sogenannten stillen Sicherungsabtretung grundsätzlich auszugehen, wenn keine Tatsachen vorgetragen seien, die im Einzelfall auf eine von der Regel abweichende Abrede hindeuteten. Aufgrund der Offenlegung der Sicherungsabtretung könne der Kläger aber nicht Zahlung an sich verlangen, sondern nur noch Leistung an die Darlehensgeberin. Auch sein Hilfsantrag scheitere an der fehlenden Aktivlegitimation. Da der Kläger Schadensersatz nicht verlangen könne, sei weder der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen noch seien dem Kläger die beantragten Nebenforderungen zuzuerkennen.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlich gestellten Anträge weiter, soweit er sie auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.

Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs lauten:

§ 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 8. April 2021 – 24 O 283/20
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 28. September 2022 – 23 U 2239/21

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 20. April 2023, 8.45 Uhr - Saal H 123 - in Sachen I ZR 113/22 (Formbedürftigkeit einer Reservierungsvereinbarung) (Verhandlung: 9.2.2023)

Datum: 20.04.2023
Akkreditierungsschluss: 19.04.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Maklerrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Wirksamkeit der Vereinbarung einer an einen Immobilienmakler zu zahlenden Gebühr für die Reservierung eines Grundstücks zugunsten privater Kaufinteressenten zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die Kläger beabsichtigten den Kauf eines von der Beklagten als Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Die Parteien schlossen einen Maklervertrag sowie eine schriftliche Reservierungsvereinbarung ab, mit der sich die Beklagte verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr in Höhe von 14,37 % der vereinbarten Maklerprovision bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger vorzuhalten. Die Kläger nahmen vom Kauf Abstand und verlangen nunmehr von der Beklagten die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Die Reservierungsvereinbarung stelle nicht lediglich eine Nebenabrede zum Maklervertrag, sondern eine eigenständige Vereinbarung mit Hauptleistungspflichten dar, die daher nicht der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den §§ 307 ff. BGB unterliege. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zufolge Klauseln nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam seien, die dem Makler eine bereits gezahlte Reservierungsgebühr unabhängig vom Erfolg seiner Vermittlungstätigkeit zusprächen, sei daher nicht anzuwenden.

Der Abschluss der Vereinbarung sei formfrei möglich gewesen. Die Vorschrift des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Verträge über Grundstücke der notariellen Beurkundung bedürften, erfasse unmittelbar nur solche Verträge, durch die sich ein Vertragsteil verpflichte, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben. Die Reservierungsvereinbarung sei auch nicht deshalb formbedürftig, weil das vereinbarte Reservierungsentgelt einen unangemessenen Druck auf die Willensfreiheit der Kläger ausgeübt und diese zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags gedrängt habe. Der hiefür in der Rechtsprechung für gewerbliche Käufer festgesetzte Schwellenwert von 10 bis 15 % des marktüblichen Maklerlohns, der auch für private Käufer gelte, sei nicht überschritten.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Dresden - Urteil vom 23. April 2021 - 113 C 4884/20
LG Dresden - Urteil vom 10. Juni 2022 - 2 S 292/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB

Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung.

§ 125 Satz 1 BGB

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig.

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 28. März 2023, um 8.00 Uhr in Sachen VI ZR 225/21 (Löschung der Eintragung über die Erteilung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren in einer Datenbank der Schufa) (Verhandlung: 14.2.2023)

Datum: 28.03.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für Ansprüche nach der EU-Datenschutzgrundverordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat darüber zu entscheiden, ob ein Schuldner, dem vom Insolvenzgericht Restschuldbefreiung erteilt worden ist, von der Schufa die Löschung dieser Information in ihrer Datenbank grundsätzlich oder jedenfalls dann verlangen kann, wenn die Frist für die Speicherung dieser Information im öffentlichen bundesweiten Insolvenzportal abgelaufen ist.

Sachverhalt:

Der Kläger beantragte nach einer gescheiterten Selbständigkeit im September 2013 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Privatvermögen. Das Insolvenzverfahren wurde durchgeführt und dem Kläger wurde am 11. September 2019 die Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information wurde auf dem zentralen, deutschlandweiten Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de (im Folgenden Insolvenzportal) veröffentlicht und von dort von der Schufa erhoben, um Vertragspartnern diese Daten bei Auskunftsanfragen zum Kläger mitzuteilen.

Der Kläger begehrte die Löschung der Daten von der Schufa, da die Verarbeitung zu erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Nachteilen bei ihm führe. Eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben sei ihm nicht möglich. Er könne aufgrund des Eintrags kein Darlehen aufnehmen, keinen Mietkauf tätigen und keine Wohnung anmieten. Derzeit könne er nicht einmal ein Bankkonto eröffnen. Die Schufa wies die Ansprüche des Klägers zurück und verwies darauf, dass sie die Daten entsprechend den Verhaltensregeln des Verbandes "Die Wirtschaftsauskunfteien e.V." erst drei Jahre nach Speicherung lösche. Die Daten seien bonitätsrelevante Informationen und daher für die Vertragspartner der Schufa von berechtigtem Interesse.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht hatte Erfolg.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung der Information über seine Restschuldbefreiung aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO habe, da die Datenverarbeitung durch die Beklagte spätestens mit Ablauf von sechs Monaten nach der Rechtskraft der Restschuldbefreiung nicht mehr rechtmäßig sei. Die Datenverarbeitung durch die Beklagte stelle sich nicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten als rechtmäßig dar. Die Verarbeitung der Informationen über die Restschuldbefreiung durch die Beklagte sei zumindest nach Ablauf der Löschungsfrist in § 3 InsBekV nicht zur Wahrung von berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich. Es fehle insofern bereits an einem berechtigten Interesse, da es der grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung in § 3 InsBekV zuwiderlaufe. Dass eine weitere Speicherung dieser Daten nach Ablauf der Sechsmonatsfrist unter Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) alter Fassung von der Rechtsprechung für zulässig erachtet worden sei, sei unerheblich, weil diese Regelungen nicht in die Neufassung des BDSG überführt worden seien. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Datenverarbeitung den berechtigten Interessen eines Dritten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO diene, weil der Dritte bekannt sein müsse und Allgemeininteressen nicht ausreichend seien. Auch die Verhaltensregeln des Verbandes vermöchten das Interesse der Beklagten an der Verarbeitung nicht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zu legitimieren, da diese bereits nach eigenem Verständnis nicht die Rechtmäßigkeit der dort geregelten Speicher- und Löschfristen indizierten.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

LG Kiel – Urteil vom 12. Februar 2021 – 2 O 10/21
Schleswig-Holsteinisches OLG – Urteil vom 2. Juli 2021 - 17 U 15/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 InsBekV Löschungsfristen

(1) 1Die in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem erfolgte Veröffentlichung von Daten aus einem Insolvenzverfahren einschließlich des Eröffnungsverfahrens wird spätestens sechs Monate nach der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens gelöscht. 2Wird das Verfahren nicht eröffnet, beginnt die Frist mit der Aufhebung der veröffentlichten Sicherungsmaßnahmen.
(2) Für die Veröffentlichungen im Restschuldbefreiungsverfahren einschließlich des Beschlusses nach § 289 der Insolvenzordnung gilt Absatz 1 Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Frist mit Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung zu laufen beginnt.

Artikel 17 DS-GVO

Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“)
(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft: …
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.

Artikel 6 DS-GVO

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist: …
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 17. März 2023, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 140/22 („Beschlusszwang“ für bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums nach neuem Wohnungseigentumsrecht?) (Verhandlung: 24.2.2023)

Datum: 17.03.2023
Akkreditierungsschluss: 16.02.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem ein Wohnungseigentümer verurteilt worden ist, den Bau eines Swimmingpools in dem Teil des Gartens, für den ihm ein Sondernutzungsrecht zusteht, zu unterlassen.

Sachverhalt:

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit zwei Doppelhaushälften auf einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstück. Nach der Gemeinschaftsordnung von 1971 bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz, wobei die Grundstücksnutzung ausschließlich auf den an ihr jeweiliges Sondereigentum anschließenden Teil des Grundstücks beschränkt wird. Ausweislich einer späteren Ergänzung der Gemeinschaftsordnung sind sie insoweit allein für Reparaturen und Instandhaltungen verantwortlich und kostenpflichtig. Die Beklagten beabsichtigen gegen den Willen der Klägerin den Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens. Ein den Bau des Swimmingpools gestattender Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft fehlt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Nachdem die Beklagten mit dem Bau des Swimmingpools begonnen hatten, hat die Klägerin Unterlassungsklage erhoben, die bei Amts- und Landgericht Erfolg gehabt hat. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Nach Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin schon deshalb einen Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten baulichen Veränderung, weil es an einem gemäß § 20 Abs. 1 WEG erforderlichen gestattenden Beschluss fehlt. Das Beschlusserfordernis sei weder in der Gemeinschaftsordnung noch in deren späterer Ergänzung abbedungen worden. Es könne offenbleiben, ob die Beklagten einen Anspruch auf einen gestattenden Beschluss gemäß § 20 Abs. 3 WEG haben, weil die Klägerin nicht in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Selbst wenn ein solcher Gestattungsanspruch unterstellt werde, führe dies nämlich nicht dazu, dass es der Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt wäre, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Denn nach der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes zum 1. Dezember 2020 bedürfe jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung einer Gestattung durch Beschluss (sog. Beschlusszwang). Hierdurch werde sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums informiert würden. Zugleich sorge der legitimierende Beschluss für Rechtssicherheit, nicht zuletzt gegenüber Rechtsnachfolgern. Der Wille des Gesetzgebers dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass der die bauliche Veränderung beabsichtigende Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Anspruch auf Gestattung gemäß § 242 BGB entgegenhalten könne. Sonst bliebe ein Verstoß gegen den Beschlusszwang folgenlos. Dies könne allenfalls in ganz eindeutig gelagerten Fällen, in denen ganz offensichtlich keiner der anderen Wohnungseigentümer auch nur ansatzweise beeinträchtigt sei, anders sein; bei dem Bau eines Swimmingpools sei aber das Fehlen jedweder Beeinträchtigung gerade nicht offenkundig.

Die Beklagten meinen dagegen, dass das Beschlusserfordernis durch die Gemeinschaftsordnung und deren Ergänzung abbedungen sei. Selbst wenn man dies anders sehe, könne die Unterlassungsklage keinen Erfolg haben. Denn es sei bloße Förmelei, von ihnen zunächst die Erhebung einer Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG zu verlangen, wenn mangels festgestellter Beeinträchtigung der Klägerin gemäß § 20 Abs. 3 WEG ein Anspruch auf Gestattung bestehe. Jedenfalls aber sei das Unterlassungsbegehren rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin selbst in der Vergangenheit verschiedene eigenmächtige bauliche Änderungen vorgenommen habe.

Vorinstanzen:

AG Bremen – Urteil vom 12. Mai 2021 – 28 C 48/20
LG Bremen – Urteil vom 8. Juli 2022 – 4 S 176/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 20 WEG:

Abs. 1: „Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden“.
Abs. 2 (…)
Abs. 3: „Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind“.

§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG

„Unterbleibt eine notwendige Beschlussfassung, kann das Gericht auf Klage eines Wohnungseigentümers den Beschluss fassen (Beschlussersetzungsklage)“.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündung am 9. März 2023, 9.30 Uhr, Saal E 004, Rintheimer Querallee 11, in der Strafsache 3 StR 246/22 (wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge und weiterer Delikte im Zusammenhang mit dem Vorgehen der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ gegen die Jesiden) (Verhandlung: 26.1.2023)

Datum: 09.03.2023
Akkreditierungsschluss: 08.03.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Mit Urteil vom 25. Oktober 2021 hat das Oberlandesgericht München die Angeklagte schuldig gesprochen zweier Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, davon in einem Fall in Tateinheit mit durch Unterlassen begangener Beihilfe zum Versuch des Mordes, zum Versuch eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Tötung und zum Versuch eines Kriegsverbrechens gegen Personen durch Tötung sowie mit zwei tateinheitlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, bei einem mit Todesfolge. Es hat gegen die Angeklagte eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verhängt. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen.

Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen reiste die in Deutschland geborene und zum Islam konvertierte Angeklagte Ende August 2014 im Alter von 23 Jahren nach Syrien in das damalige Herrschaftsgebiet der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) aus und schloss sich ihr an. In Raqqa heiratete sie vor einem IS-Gericht einen für die Organisation als Geisteraustreiber tätigen Mann. Kurz zuvor hatte dieser zwei beim Angriff des IS auf die Sindschar-Region gefangengenommene Jesidinnen, die Nebenklägerin und deren im Kleinkindalter befindliche Tochter, als Sklavinnen gekauft. Er und die Angeklagte zogen mit den Jesidinnen nach Falludscha im Irak. Dort hielten sie die „Haussklavinnen“ im Sommer 2015 zirka eineinhalb Monate in Gefangenschaft. Der Ehemann misshandelte beide, teils aus eigenem Antrieb, teils auf Beschwerden der Angeklagten hin. An einem Tag fesselte er die fünfjährige Tochter der Nebenklägerin an das im Hof seines Hauses befindliche Außengitter eines Fensters, so dass sie bei starker Hitze direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt war. Die Angeklagte schritt nicht ein, auch als sie die Todesgefahr erkannte. In der Folge verstarb das Mädchen. Das Oberlandesgericht hat es nicht als erwiesen erachtet, dass das Kind in dem Zeitpunkt noch zu retten gewesen war, als der Ehemann und die Angeklagte dessen Tod billigend in Kauf nahmen.

Gegen das Urteil haben sowohl der Generalbundesanwalt als auch die Angeklagte Revision eingelegt. Die Bundesanwaltschaft wendet sich mit ihrem auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel allein gegen den Strafausspruch, indem sie Rechtsfehler bei der Strafrahmenbestimmung und der Strafzumessung beanstandet. Hinsichtlich dieser Revision hat der Vorsitzende des mit der Sache befassten 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Das unbeschränkte Rechtsmittel der Angeklagten, mit dem sie ohne weitere Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist nicht Gegenstand der Hauptverhandlung.

Vorinstanz:

OLG München 8 St 9/18 Urteil vom 25. Oktober 2021

Akkreditierungsbedingungen

EuGH-Vorlage in Sachen I ZR 157/21 (Urheberrechtliche Zulässigkeit einer sogenannten „Cheat-Software“ (T: 27.10.2022) (Verkündung: 23.2.2023)

Datum: 23.02.2023
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen des Vertriebs von Software zu entscheiden, die dem Nutzer das Manipulieren des auf einer Spielkonsole ablaufenden Programms ermöglicht.

Sachverhalt:

Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin in ganz Europa Spielkonsolen und Computerspiele hierfür. Bei den Beklagten zu 1 und 2 handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 ist Director der Beklagten zu 1 und 2. Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in Computerspielen der Klägerin umgehen, zum Beispiel die zeitliche Beschränkung der Verwendung eines "Turbos" oder die Freischaltung von weiteren Fahrern in einem Rennspiel. Dies bewirkten die Softwareprodukte der Beklagten, indem sie Daten verändern, die die Spiele der Klägerin im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegen. Die Klägerin rügt, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG darstelle.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Indem die Nutzer mittels der Software der Beklagten durch externe Befehle in den Programmablauf der Computerspiele der Klägerin eingriffen und diesen veränderten, werde das Computerprogramm der Klägerin umgearbeitet. Es mache weder aus Benutzer- noch aus Urhebersicht einen Unterschied, ob eine Veränderung des Programmablaufs durch die Veränderung der Spielsoftware oder aber durch Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher erreicht werde. Die Umarbeitung sei nicht durch die Ausnahmevorschriften in §§ 69d, 69e UrhG gerechtfertigt. Die Beklagte zu 1, die in den Vertrieb der Softwareprodukte der Beklagten nach Deutschland nicht unmittelbar eingebunden sei, hafte allerdings nur auf Unterlassung der Unterstützung der Beklagten zu 2 und 3.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat angenommen, es fehle an einer Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG. Die Software der Beklagten greife lediglich in den Ablauf der Computerspiele der Klägerin ein, indem die im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten verändere, nicht aber die Computerbefehle selbst. Der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms gehöre aber nicht zum Schutzgegenstand von § 69a UrhG.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten auszugsweise:

§ 69a Abs. 1 und 2 UrhG
(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt. […]

§ 69c Nr. 1 und 2 UrhG
Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten:
1.die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, eines Computerprogramms mit jedem Mittel und in jeder Form. Soweit das Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms eine Vervielfältigung erfordert, bedürfen diese Handlungen der Zustimmung des Rechtsinhabers;
2.die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse. Die Rechte derjenigen, die das Programm bearbeiten, bleiben unberührt; […]

§ 69d Abs. 1 UrhG
(1) Die Zustimmung des Rechtsinhabers ist nicht erforderlich, wenn die Vervielfältigung des Codes oder die Übersetzung der Codeform im Sinne des § 69c Nr. 1 und 2 unerlässlich ist, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: […]

§ 69e Abs. 1 und 3 UrhG
(1) Soweit keine besonderen vertraglichen Bestimmungen vorliegen, bedürfen die in § 69c Nr. 1 und 2 genannten Handlungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch jeden zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks des Programms Berechtigten notwendig sind.
(3) Der zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks eines Programms Berechtigte kann ohne Zustimmung des Rechtsinhabers das Funktionieren dieses Programms beobachten, untersuchen oder testen, um die einem Programmelement zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln, wenn dies durch Handlungen zum Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Programms geschieht, zu denen er berechtigt ist.

Vorinstanzen:

LG Hamburg, Urteil vom 24. Januar 2012 - 310 O 199/10
OLG Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 5 U 23/12

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 16. Februar 2023, 13.00 Uhr, im Verfahren 4 StR 211/22 über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen ein Urteil wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge (Verhandlung: 2.2.2023)

Datum: 16.02.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen ein Urteil des Landgerichts Kleve, das im zweiten Rechtsgang ergangen ist, zu entscheiden.

Das Landgericht Kleve hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der 4. Strafsenat das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückverwiesen; insoweit wird auf die Presseerklärung vom 22. März 2021 (Nr. 62/2021) verwiesen.

Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht Kleve den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Fahrerlaubnissperre verhängt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhren der Angeklagte und der bereits rechtskräftig wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge verurteilte frühere Mitangeklagte am Ostermontag 2019 gegen 22.00 Uhr mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen mit maximaler Beschleunigung nebeneinander auf einer nahezu geradlinig verlaufenden, vorfahrtsberechtigten zweispurigen Straße durch das Stadtgebiet von Moers. Der Angeklagte befuhr dabei die Gegenfahrspur und erreichte rasch eine Geschwindigkeit von 157 km/h. In diesem Moment bog die spätere Geschädigte mit ihrem Fahrzeug von links aus einer Seitenstraße kommend auf die von dem Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten befahrene vorfahrtsberechtigte Straße ein. Trotz eines sofort eingeleiteten Brems- und Ausweichmanövers prallte der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von noch 105 km/h auf das Fahrzeug der Geschädigten. Sie erlitt schwerste Verletzungen, denen sie im Krankenhaus erlag.

Das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge schuldig ist. Bedingten Tötungsvorsatz hat es verneint; der Angeklagte habe nicht ausschließbar darauf vertraut, dass andere Verkehrsteilnehmer in der Lage sein würden, sein äußerst riskantes Fahrverhalten zu erkennen, sich auf die sich daraus ergebende Gefahrenlage einzustellen und es deshalb nicht zu einer Kollision kommen werde.

Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger erstreben eine Verurteilung des Angeklagten (auch) wegen Mordes.

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 31. Januar 2023, 11.00 Uhr in Sachen II ZR 144/21 (Sonderbeiträge eines ehrenamtlichen Bürgermeisters an die Partei) (Verhandlung: 6.12.2022)

Datum: 31.01.2023
Akkreditierungsschluss: 30.01.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Gesellschaftsrecht einschließlich des Vereinsrechts zuständige II. Zivilsenat hat darüber zu entscheiden, ob eine politische Partei einen parteiangehörigen ehrenamtlichen Bürgermeister auf Grundlage ihrer Satzung auf Leistung eines Sonderbeitrags (sog. Amts- bzw. Mandatsträgerbeitrag) in Anspruch nehmen kann.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein rechtlich selbständiger Kreisverband der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Der Beklagte war von 1972 bis zu seinem Parteiaustritt im November 2019 Mitglied des Klägers. Im Jahr 2015 wurde er zum ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt gewählt. Zur Bürgermeisterwahl war er nicht als Kandidat des Klägers angetreten, sondern als Einzelkandidat ohne finanzielle oder personelle Unterstützung durch den Kläger. Für seine ehrenamtliche Tätigkeit erhielt er eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 765 €.

Der Kläger nimmt den Beklagten aufgrund von § 6 Abs. 4 der Finanz- und Beitragsordnung der Landessatzung der CDU Sachsen-Anhalt auf Zahlung von Sonderbeiträgen in Höhe von insgesamt 740,46 € für die Zeit von Januar 2018 bis November 2019 in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte im Wesentlichen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe gegen den Beklagten aufgrund von § 6 Abs. 4 der Finanz- und Beitragsordnung ein vor den ordentlichen Gerichten einklagbarer Anspruch auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag zu. Die Satzungsregelung sei mit dem in § 35 Abs. 3 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt enthaltenen Übertragungs- und Verzichtsverbot für Entschädigungsansprüche vereinbar und die darin bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Beklagten seien im maßgeblichen Zeitraum erfüllt. Auch der Umstand, dass der Beklagte sein Amt ohne Unterstützung des Klägers erlangt habe, stehe seiner Verpflichtung zur Leistung des Sonderbeitrags nicht entgegen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Der Beklagte ist der Ansicht, die in der Satzung geregelten Amts- und Mandatsträgerbeiträge seien freiwillige, nicht einklagbare Leistungen. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Satzungsregelung gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze des freien Mandats und der angemessenen Entschädigung der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 48 Abs. 3 GG) sowie gegen das Verbot mittelbarer staatlicher Parteienfinanzierung (Art. 21 Abs. 1 GG), die auch für Sonderbeiträge kommunaler Mandatsträger von Bedeutung seien. Jedenfalls liege ein Verstoß gegen das kommunalverfassungsrechtliche Übertragungs- und Verzichtsverbot vor und stehe dem Anspruch des Klägers entgegen, dass er sein Amt im Jahr 2015 ohne Unterstützung des Klägers erlangt habe.

Vorinstanzen:

AG Naumburg - Urteil vom 11. Januar 2021 - 12 C 261/20
LG Halle - Urteil vom 6. August 2021 - 1 S 16/21

Die maßgeblichen Regelungen bzw. Vorschriften lauten:

§ 6 Anlage B Finanz- und Beitragsordnung der Landessatzung der CDU-Sachsen-Anhalt

in der bis zum 31. Mai 2019 geltenden Fassung:
§ 6 weitere Beiträge (Sonderbeiträge)
[…]
(4) Kommunale Amtsträger entrichten monatlich neben ihrem satzungsmäßigen persönlichen Mitgliedbeitrag mindestens 3 % ihres Grundgehaltes sowie 15 % ihrer Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag an ihren Kreisverband; kommunale Mandatsträger entrichten in gleicher Weise 15 % ihrer Aufwandsentschädigung an ihren Kreisverband.
[…]
(7) Persönlichkeiten, die auf Vorschlag der CDU in eine politische Aufgabe gewählt bzw. berufen werden, für die eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, entrichten für die Zeitdauer dieser Aufgabe einen Sonderbeitrag, dessen Höhe der Landesvorstand der CDU im Einzelfall festlegt, soweit dies nicht bereits in den Absätzen 2 bis 4 geschehen ist.

in der ab dem ab dem 1. Juni 2019 geltenden Fassung:
§ 6 Sonderbeiträge

[…]
(4) […]
Ehrenamtliche Bürgermeister entrichten monatlich, neben ihrem satzungsmäßigen persönlichen Mitgliedbeitrag, 7,5% ihrer pauschalen Aufwandsentschädigung, gemäß Aufwandsentschädigungssatzung der zuständigen Gemeinde, als Sonderbeitrag an ihren Kreisverband.
[…]
(7) Von Persönlichkeiten, die auf Vorschlag der CDU ein Mandat oder Amt erhalten haben, werden Sonderbeiträge entsprechend den Regelungen in Absatz 2 bis 4 durch persönliche Vereinbarung erhoben. Abweichende Regelungen bedürfen eines Beschlusses des Kreis- oder Landesverbandes.

Artikel 21 GG

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
[…]

Artikel 38 GG

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
[…]

Artikel 48 GG

[…]
(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

§ 35 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt

(1) Wer ein Ehrenamt oder eine sonstige ehrenamtliche Tätigkeit ausübt, hat Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen und seines Verdienstausfalls. Bei Personen, die keinen Verdienst haben oder die Höhe des Verdienstausfalls nicht nachweisen können, wird als Ersatz für die aufgewendete Zeit eine angemessene Pauschale gewährt. Einzelheiten sind durch Satzung zu regeln.
[…]
(3) Die Ansprüche auf Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sind nicht übertragbar; auf sie kann nicht verzichtet werden.
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Januar 2023, 8.45 Uhr in Sachen I ZR 27/22 (Haftung für Affiliate-Partner) (Verhandlung: 10.11.2022)

Datum: 26.01.2023
Akkreditierungsschluss: 25.01.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob der Betreiber eines Affiliate-Programms für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners haftet.

Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Online-Verkaufsplattform „Amazon“ beteiligt. Im Rahmen des Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Webseite Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen. Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil am Kaufpreis. Im Jahr 2019 warb ein Affiliate auf seiner Webseite für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform. Die Klägerin hält die Werbung des Affiliates für irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1, § 5a Abs. 2 und 6 UWG aF (jetzt § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 5a Abs. 1, 2 und 4 UWG). Sie nimmt die Beklagten, denen der Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen sei, auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung des Affiliates sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Die Beklagten hafteten für diesen Wettbewerbsverstoß aber nicht als Täter oder Teilnehmer. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG lägen nicht vor. Da die Beklagten im Rahmen des Werbeprogramms keinen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auf die Werbetätigkeit der Affiliates hätten, seien die Affiliates nicht in die betriebliche Organisation der Beklagten eingebunden.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren gegen die Beklagten gerichteten Unterlassungsanspruch weiter.

Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 20. Mai 2021 - 81 O 62/20
OLG Köln - Urteil vom 11. Februar 2022 - 6 U 84/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG aF (jetzt § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG)
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; …

§ 5a Abs. 2 und 6 UWG aF (jetzt § 5a Abs. 1, 2 und 4 UWG)
(2) Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,
1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Als Vorenthalten gilt auch
1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen,
2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise,
3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen. …
(6) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UWG
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. …
(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 24. Januar 2023, 9.00 Uhr, Saal N 010, in Sachen XI ZR 257/21 - (Musterfeststellungsklage zur Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen)

Datum: 24.01.2023
Akkreditierungsschluss: 23.01.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird im Rahmen einer Musterfeststellungsklage über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen zu entscheiden haben.

Sachverhalt:

Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die beklagte Sparkasse schloss seit Anfang der 1990er-Jahre mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es u.a.:

"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst."

oder

"Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]."

In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" heißt es weiter:

"Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist."

Prozessverlauf:

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage insgesamt sieben Feststellungsziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und die Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes weiter.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revisionen des Musterklägers und der Musterbeklagten am 24. Januar 2023 verhandeln.

Vorinstanz:

Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 31. März 2021 – 5 MK 2/20

Akkreditierungsbedingungen

Hauptverhandlung des Bundesgerichtshofs am 16. Januar 2023, 11.00 Uhr in Sachen 5 StR 269/22, zum Handel des Berliner Unternehmens „Bunte Blüte“ mit sogenannten CBD-Hanfprodukten

Datum: 16.01.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 16. Januar 2023, 11.00 Uhr, über die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. März 2022, mit dem das Landgericht Teilhaber, Geschäftsführer und einen Mitarbeiter der Unternehmergesellschaft (UG) „Bunte Blüte“ vom Anklagevorwurf der bandenmäßigen Einfuhr und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln freigesprochen hat.

Die „Bunte Blüte“ UG vertrieb Bestandteile von Cannabispflanzen mit einem geringen THC- und einem hohen Gehalt des Wirkstoffs CBD (sogenannte CBD-Hanfprodukte) in Portionen zu 2 und 5 Gramm über Spätverkaufsstellen und im Online-Handel. Das Landgericht hat folgende konkreten Geschäftstätigkeiten festgestellt: Im Januar 2019 führte einer der Angeklagten gut 3 Kilogramm Blütenstände von Cannabispflanzen mit gut 5 Gramm THC aus der Schweiz nach Deutschland ein. Am darauffolgenden Tag wurden im Geschäftssitz des Unternehmens ungefähr 2,4 Kilogramm Blütenstände von Cannabispflanzen und etwa 1 Kilogramm einer cannabishaltigen Zubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt rund 5,5 Gramm THC verwahrt. Ferner bestellte einer der Angeklagten in Luxemburg knapp 7,5 Kilogramm Blütenstände von Cannabispflanzen, die einen Gehalt von gut 9 Gramm THC aufwiesen. Das Paket wurde jedoch am 19. Februar 2019 in Berlin vom Zoll entdeckt und beschlagnahmt, sodass es die „Bunte Blüte“ UG nicht erreichte.

Das Landgericht Berlin hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Zwar handle es sich bei den CBD-Hanfprodukten um Betäubungsmittel. Den Angeklagten sei aber in subjektiver Hinsicht kein strafrechtliches Fehlverhalten nachzuweisen. Insbesondere belege die Außendarstellung des Unternehmens, dass die gehandelten Produkte nicht vorsätzlich zu Rauschzwecken verkauft worden seien. Es sei für sie auch nicht vorhersehbar gewesen, dass Käufer die CBD-Hanfprodukte in einer Weise und einer Menge – etwa beim Backen von Keksen – verwenden könnten, die eine Rauschwirkung hervorrufe.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen gegen die Freisprüche. Der Generalbundesanwalt ist den Rechtsmitteln beigetreten.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird am 16. Januar 2023, 11 Uhr, im Großen Sitzungssaal des Reichsgerichtsgebäudes (Sitz des Bundesverwaltungsgerichts) in Leipzig, Simsonplatz 1, über die Revisionen verhandeln.

Vorinstanz:

Landgericht Berlin – Urteil vom 30. März 2022 – 534 KLs 16/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel)

Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen)

– ausgenommen (…)

b) wenn (…) ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. (…)

§ 30 BtMG Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
1. Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (…) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. (…)

§ 30a BtMG Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (…) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 12. Januar 2023, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 222/19 und I ZR 223/19 (Befugnis von Wettbewerbern zur Verfolgung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht) (Verhandlung: 29.9.2022)

Datum: 12.01.2023
Akkreditierungsschluss: 11.01.2023 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Verstoß eines Apothekers gegen datenschutzrechtliche Verpflichtungen wettbewerbsrechtliche Unterlassungs-ansprüche begründet und dies von einem anderen Apotheker mit einer Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 222/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße einerseits gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie andererseits gegen datenschutzrechtliche Regelungen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Verstöße gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und der Berufsordnung für Apotheker lägen nicht vor. Im Hinblick auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) sei der Kläger nicht klagebefugt. Die Datenschutzgrundverordnung enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eingelegt.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 223/19

Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform des Anbieters Amazon. Der Kläger rügt, dass der Beklagte für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses keine Einwilligung eingeholt hat. Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es liege auch keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten vor. Zudem sei die Datenverarbeitung rechtmäßig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

weiterer Prozessverlauf in beiden Verfahren

Der Senat hat beide Verfahren mit Beschluss vom 8. September 2020 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28. Mai 2020 (I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum - siehe zu diesem Verfahren die Terminkündigung für den 29. September 2022 Pressemitteilung 63/22 https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/2022063.html?nn=10690868) ausgesetzt. Mit diesem Ersuchen hatte der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Kapitel VIII und insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 28. April 2020 (C-319/20 - Meta Platforms Ireland) unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom Bundesgerichtshof vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO bezieht. Er hat entschieden, diese Bestimmung sei dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.
Der Bundesgerichtshof wird nun beide Verfahren fortsetzen.

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 222/19:

LG Magdeburg, Urteil vom 18. Januar 2019 - 36 O 48/18
OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 6/19

Vorinstanzen im Verfahren I ZR 223/19:

LG Dessau-Roßlau - Urteil vom 27. März 2018 - 3 O 29/17
OLG Naumburg - Urteil vom 7. November 2019 - 9 U 39/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, […]

Art. 9 DSGVO
(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.
(2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:
a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, […]

Akkreditierungsbedingungen

Hauptverhandlung im Verfahren 6 StR 133/22 (Vergütung von Betriebsräten der Volkswagen AG) am 10. Januar 2023, 10.00 Uhr

Datum: 10.01.2023
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der in Leipzig ansässige 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird am 10. Januar 2023 um 10.00 Uhr im Großen Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, Simsonplatz 1, über die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21. September 2021 verhandeln.

Die Anklage wirft vier früheren Vorständen bzw. Personalleitern der Volkswagen AG vor, in unterschiedlicher Beteiligung mehreren Betriebsräten von 2011 bis 2016 überhöhte Vergütungen bewilligt und sich damit wegen Untreue strafbar gemacht zu haben. Das Landgericht hat den äußeren Tatbestand der Untreue für erfüllt erachtet. Es fehle aber an der subjektiven Tatseite, weil die Angeklagten irrtümlich davon ausgegangen seien, mit ihren Entscheidungen keine Pflichten zu verletzen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit den Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gegen die Freisprüche. Der Generalbundesanwalt ist den Rechtsmitteln beigetreten.

Vorinstanz:

Landgericht Braunschweig – Urteil vom 21. September 2021 – 16 KLs 406 Js 59398/16 (85/19)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 16. Dezember 2022 um 9.00 Uhr (Verhandlungstermin am 18. November 2022 um 9.00 Uhr) in Sachen V ZR 144/21 (Wiederkaufsrecht der Gemeinde in städtebaulichem Vertrag)

Datum: 16.12.2022
Akkreditierungsschluss: 15.12.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Grundstückskaufverträge zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage der Wirksamkeit eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag über den Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer.

Sachverhalt:

Der Beklagte kaufte von der klagenden bayerischen Gemeinde mit notariellem Vertrag vom 21. Januar 1994 ein Grundstück zu einem Preis von 59.472 DM. Dabei handelte es sich um einen marktgerechten Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren ab dem Tag des Kaufs ein bezugsfertiges Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erstellen. Für den Fall, dass das Wohngebäude nicht fristgemäß errichtet oder das Vertragsgrundstück ohne Zustimmung der Gemeinde in unbebautem Zustand weiterveräußert wird, verpflichtete sich der Beklagte, das Grundstück auf Verlangen der Gemeinde kosten- und lastenfrei zurück zu übertragen gegen Erstattung des ursprünglichen Kaufpreises sowie entstandener Unkosten. Der Beklagte errichtete in der Folgezeit kein Wohngebäude. Mit Schreiben vom 14. November 2014 teilte die Klägerin mit, dass sie von ihrem Rückübertragungsrecht Gebrauch mache.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewilligen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der klagenden Gemeinde auf Rückübertragung des Grundstücks. Die Regelungen des Kaufvertrages über die Bebauungsverpflichtung des Beklagten und das Wiederkaufsrecht der Klägerin verstießen gegen das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Da die Parteien die Länge der Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts nicht geregelt hätten, sei sie durch Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung ergebe, dass die gesetzliche Höchstfrist von 30 Jahren (§ 462 Satz 1 BGB) vereinbart worden sei. Damit sei das Gebot der Angemessenheit verletzt. Zwar habe der Bundesgerichtshof die Vereinbarung einer 30-jährigen Frist in einigen Fällen für unbedenklich gehalten. Allerdings habe es sich dabei jeweils um Fälle gehandelt, in denen die Käufer das Grundstück subventioniert erworben hätten. Dem Beklagten sei aber kein Preisnachlass gewährt worden. Zudem sei nach dieser Rechtsprechung selbst bei Veräußerung subventionierten Baulandes durch die Gemeinde eine Frist von 30 Jahren für die Ausübung des Wiederkaufsrechts nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt worden sei oder sonst außergewöhnliche Umstände vorlägen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigten. Die durch die unwirksame Ausübungsfrist entstandene Lücke könne daher auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Selbst wenn ungeachtet des nicht gewährten Preisnachlasses eine moderate Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts zulässig sein sollte, wäre diese nämlich abgelaufen, weil die Klägerin das Recht erst über 20 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages ausgeübt habe.

Der Bundesgerichtshof wird daher die Frage zu beantworten haben, ob sich die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für den Fall, dass der Käufer das Grundstück entgegen seinen vertraglichen Pflichten nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, als unangemessen i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB darstellt, wenn die Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht 30 Jahre beträgt.

Vorinstanzen:

LG Landshut – Urteil vom 1. Juli 2020 – 91 O 2179/19
OLG München – Urteil vom 16. Juni 2021 – 20 U 4632/20
(veröff. u.a. in MittBayNot 2022, 278)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 11 BauGB - Städtebaulicher Vertrag

(1) 1Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. […]
(2) 1Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein. […]

§ 462 BGB – Ausschlussfrist

1Das Wiederkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von 30, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Vereinbarung des Vorbehalts ausgeübt werden. 2Ist für die Ausübung eine Frist bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 13. Dezember 2022, 9.00 Uhr in Sachen II ZR 9/21 und II ZR 14/21 (Übernahme der Postbank durch Deutsche Bank) (Verhandlung 20.9.2022)

Datum: 13.12.2022
Akkreditierungsschluss: 12.12.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat hat erneut darüber zu entscheiden, ob die den Aktionären der Deutschen Postbank AG von der Deutschen Bank AG gewährte Gegenleistung für ihre Aktien angemessen war.

Sachverhalt:

Die Klägerinnen und Kläger der beiden Verfahren hielten Aktien der Deutschen Postbank AG. Die Beklagte, die Deutsche Bank AG, veröffentlichte am 7. Oktober 2010 ein (freiwilliges) Übernahmeangebot nach § 29 Abs. 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zum Preis von 25 € pro Aktie, das die Klägerinnen und Kläger annahmen. Diese halten das Übernahmeangebot für unangemessen und verlangen deshalb Zahlung eines Differenzbetrags nach § 31 WpÜG bzw. Schadensersatz wegen eines unterlassenen Pflichtangebots nach § 35 Abs. 2 WpÜG.

Die Deutsche Bank AG schloss am 12. September 2008 mit der Deutsche Post AG einen Vertrag ("Ursprungsvertrag") über den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an der Postbank von 29,75 % zum Preis von 57,25 € pro Aktie. Zusätzlich erhielt die Deutsche Bank AG die Option, ein weiteres Aktienpaket in Höhe von 18 % an der Postbank für 55 € je Aktie zu erwerben, und die Deutsche Post AG erhielt eine Verkaufsoption, ihren an der Postbank verbleibenden Anteil von 20,25 % plus einer Aktie zum Preis von 42,80 € je Aktie an die Deutsche Bank AG veräußern zu können. Nachdem die Deutsche Bank AG und die Deutsche Post AG Ende Dezember 2008 aufgrund veränderter Marktbedingungen zunächst vereinbart hatten, den Vollzug der ursprünglichen Erwerbsvereinbarung zu verschieben, schlossen sie am 14. Januar 2009 eine "Nachtragsvereinbarung", nach der der Erwerb der Postbank in drei Schritten erfolgen sollte: Zunächst sollte die Deutsche Bank AG 50 Mio. Aktien (= 22,9 % des Grundkapitals der Postbank) zum Preis von 23,92 € pro Aktie, sodann 60 Mio. Aktien (= 27,4 % des Grundkapitals) über eine Pflichtumtauschanleihe mit Fälligkeit zum 25. Februar 2012 zum Preis von 45,45 € pro Aktie und schließlich 26.417.432 Aktien (= 12,1 % des Grundkapitals) aufgrund von Kauf- und Verkaufsoptionen zu einem Preis von 48,85 € je Aktie für die Kaufoption und von je 49,42 € für die Verkaufsoption erwerben. Die Optionen sollten zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 ausgeübt werden können.

Die Klägerinnen und Kläger sind der Ansicht, die Deutsche Bank AG hätte schon aufgrund des Ursprungsvertrags ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG zu einem Preis von 57,25 € pro Aktie veröffentlichen müssen, weil diese Vereinbarung eine dingliche Erwerbsverpflichtung der Beklagten über eine Beteiligung von 29,75 % hinaus enthalten und damit zu einer Kontrollerlangung der Beklagten gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG geführt habe. Sie meinen teilweise, die Beklagte hätte jedenfalls aufgrund der Nachtragsvereinbarung ein Pflichtangebot zu einem Preis von 49,42 € (Verkaufsoption), von 48,85 € (Kaufoption) bzw. von 45,45 € (Pflichtumtauschanleihe) veröffentlichen müssen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Im Verfahren II ZR 9/21 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht hat Beweis erhoben und die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen.

Im Verfahren II ZR 14/21 hatten die Klägerinnen und Kläger, die das Angebot der Beklagten angenommen hatten, mit ihren Klagen ganz überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klagen abgewiesen.

Zur Begründung wurde jeweils ausgeführt, die Klägerinnen und Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass die Deutsche Bank AG schon vor der Veröffentlichung des (freiwilligen) Übernahmeangebots am 7. Oktober 2010 die Kontrolle über die Postbank erlangt habe, weil ihr Stimmrechte aus den von der Deutschen Post AG gehaltenen Aktien nach § 30 WpÜG zuzurechnen gewesen seien. Es liege insbesondere kein "acting in concert" iSd. § 30 Abs. 2 WpÜG zwischen der Deutschen Bank AG und der Deutschen Post AG vor. Damit sei die Deutsche Bank AG nicht zur Veröffentlichung eines Pflichtangebots nach § 35 WpÜG verpflichtet gewesen, so dass den Klägerinnen und Klägern ein Anspruch auf Zahlung eines Differenzbetrags zur angebotenen Gegenleistung von 25 € pro Aktie nicht zustehe.

Mit ihren vom Berufungsgericht im Hinblick auf die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung der Zurechnungstatbestände des § 30 Abs. 2 WpÜG zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen und Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

II ZR 9/21:
LG Köln - Urteil vom 29. Juli 2011 - 82 O 28/11
OLG Köln - Urteil vom 31. Oktober 2012 - 13 U 166/11
BGH - Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12
OLG Köln - Urteil vom 16. Dezember 2020 - 13 U 166/11

und

II ZR 14/21
LG Köln - Urteil vom 20. Oktober 2017 – 82 O 11/15
OLG Köln - Urteil vom 16. Dezember 2020 – 13 U 231/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 29 WpÜG

(1) Übernahmeangebote sind Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind.
(2) Kontrolle ist das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft.

§ 30 Abs. 1, 2 WpÜG

(1) Stimmrechten des Bieters stehen Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft gleich,

2. die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Bieters gehalten werden,

5. die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann,

(2) Dem Bieter werden auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien der Zielgesellschaft in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Bieter oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt; ausgenommen sind Vereinbarungen in Einzelfällen. Ein abgestimmtes Verhalten setzt voraus, dass der Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft in sonstiger Weise zusammenwirken. Für die Berechnung des Stimmrechtsanteils des Dritten gilt Absatz 1 entsprechend.

§ 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG

(1) Der Bieter hat den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Bei der Bestimmung der angemessenen Gegenleistung sind grundsätzlich der durchschnittliche Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft und Erwerbe von Aktien der Zielgesellschaft durch den Bieter, mit ihm gemeinsam handelnden Personen oder deren Tochterunternehmen zu berücksichtigen.

§ 35 Abs. 2, 3 WpÜG

(2) Der Bieter hat innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft der Bundesanstalt eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 Satz 1 ein Angebot zu veröffentlichen. ….
(3) Wird die Kontrolle über die Zielgesellschaft auf Grund eines Übernahmeangebots erworben, besteht keine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin verlegt auf den 29. November 2022, 9.45 Uhr (mündliche Verhandlung am 5.7.2022), in Sachen KZR 42/20
(Schaden für Schlecker durch Drogeriekartell?)

Datum: 29.11.2022
Akkreditierungsschluss: 28.11.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs wird u.a. über die Frage verhandeln, ob ohne gerichtliches Sachverständigengutachten davon ausgegangen werden kann, dass der Anton Schlecker e.K. i.L. durch das Drogeriekartell kein Schaden entstanden ist.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Anton Schlecker e.K. i.L. (im Folgenden: Schlecker). Er verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von mindestens 212,2 Mio. €. Schlecker war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2012 eines der bundesweit größten Einzelhandelsunternehmen für Drogeriemarkenartikel.

Die Beklagten sind Hersteller von Drogeriemarkenartikeln. Im hier maßgeblichen Zeitraum erfolgten die Preisverhandlungen für diese Produkte in Jahresgesprächen zwischen dem Einzelhändler und dem jeweiligen Hersteller, die sich über mehrere Monate hinzogen und im Abschluss einer Jahresvereinbarung mündeten. Die Hersteller übermittelten dem Einzelhandel üblicherweise einige Monate vor, spätestens zu Beginn der Jahresgespräche neue, von ihnen einseitig festgelegte Bruttopreise in sortimentsübergreifenden Listen. Hiervon ausgehend wurde über Rabatte, Skonti, Rückvergütungen, Werbeaktionen, Werbekostenzuschüsse und sonstige Vergütungen verhandelt.

Das Bundeskartellamt verhängte u.a. gegen die Beklagten Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB und Art. 81 EGV (nunmehr Art. 101 AEUV). Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts waren die Hersteller in den Jahren 2004 bis 2006 in unterschiedlichem zeitlichen und sachlichen Umfang an einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch beteiligt. Im Kern betraf der Vorwurf u.a. den regelmäßigen Austausch von Informationen über beabsichtigte und durchgesetzte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen (an dem nicht alle Beklagten beteiligt waren) sowie über den aktuellen Stand der Jahresverhandlungen mit ausgewählten großen Einzelhändlern und das Bestehen und die Höhe diesen gegenüber erhobener Sonderforderungen.

Der Kläger behauptet, Schlecker habe aufgrund des Drogeriekartells überhöhte Preise für Drogeriemarkenartikel bezahlen müssen. Schlecker sei dadurch ein Schaden in Höhe von mindestens 212,2 Mio. € entstanden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, nach den bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts stehe zwar fest, dass die Beklagten gegen das Kartellverbot verstoßen hätten. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass Schlecker infolge des kartellrechtswidrigen Verhaltens mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden sei. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten hat das Berufungsgericht nicht eingeholt.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10. August 2018 - 2-03 O 239/16
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12. Mai 2020 - 11 U 98/18 (Kart)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 GWB Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Artikel 81 EGV (= Art. 101 AEUV)

(1) Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere
a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. (…)

§ 287 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO)
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. (…)

Karlsruhe, den 25. März 2022

Akkreditierungen

Verkündungstermin am 23. November 2022, 14.00 Uhr im Verfahren 2 StR 142/21 (Fall eines Anschlags auf einen Rechtsanwalt) (Verkündungstermin vorher 17.8.2022, Hauptverhandlung: 6.7 2022)

Datum: 23.11.2022
Akkreditierungsschluss: 22.11.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Urteilsfeststellungen sah sich der Angeklagte, der im Zusammenhang mit dem Verkauf von Geschäftsanteilen wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden war, erheblichen zivilrechtlichen Forderungen ausgesetzt, wobei aus seiner Sicht Rechtsanwalt Dr. J. auf Seiten der Anspruchsteller die treibende Kraft war. Um sich an Dr. J. zu rächen, beauftragte der Angeklagte zwei Personen damit, einen Anschlag mit einer Schusswaffe zu organisieren, bei dem dieser so schwer verletzt werden sollte, dass er einen Krankenhausaufenthalt benötigen würde. Der Anschlag wurde wie vereinbart ausgeführt und Rechtsanwalt Dr. J. am 8. Februar 2010 beim Einsteigen in sein Auto von einem unbekannten Täter unvermittelt aus ca. 10 cm Entfernung kontrolliert in das linke Bein geschossen, um diesen zu verletzen. Der Geschädigte erlitt eine potentiell lebensgefährliche Durchschussverletzung, die operativ behandelt werden musste.

Gegen dieses Urteil richtet sich die mit der Sachrüge und Verfahrensbeanstandungen begründete Revision des Angeklagten, über die der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 6. Juli 2022 verhandelt hat (siehe Pressemitteilung 87/22).

Termin zur Verkündung einer Entscheidung ist nunmehr auf den 23. November 2022, 14.00 Uhr, bestimmt worden.

Vorinstanz:

Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 9. Juli 2020 – 5/22 Ks 3390 Js 203753/19

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 16. November 2022, 14.00 Uhr in Sachen VIII ZR 221/21, VIII ZR 288/21, VIII ZR 290/21 und VIII ZR 436/21 (Nichtigkeit kombinierter Kauf- und Mietverträge mit Verwertungsklausel) (T: 26.10.2022)

Datum: 16.11.2022
Akkreditierungsschluss: 15.11.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Kauf- und Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage, ob ein nach § 34 Abs. 4 GewO verbotenes Rückkaufsgeschäft beziehungsweise ein wucherähnliches Geschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) vorliegt, wenn ein staatlich zugelassener Pfandleiher gewerblich Kraftfahrzeuge ankauft, diese an den Verkäufer zurückvermietet und nach dem Ende der vertraglich festgelegten Mietzeit durch öffentliche Versteigerung, an der der Verkäufer teilnehmen kann, verwertet.

Sachverhalt:

Die Beklage betreibt ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit kauft sie Kraftfahrzeuge an und vermietet diese unmittelbar an die Verkäufer zurück ("sale and rent back"). Am Ende des Mietverhältnisses verwertet sie die Kraftfahrzeuge durch öffentliche Versteigerung.

In allen vier terminierten Verfahren veräußerten die Kläger (Kunden) der Beklagten ihr Kraftfahrzeug. Nach den vertraglichen Vereinbarungen soll das betroffene Kraftfahrzeug nach dem Ende der jeweils für sechs Monate vereinbarten Mietzeit im Wege der öffentlichen Versteigerung, an der die jeweiligen Kläger teilnehmen dürfen, durch die Beklagte verwertet werden. Der vertraglich vereinbarte Aufrufpreis setzt sich jeweils aus dem Ankaufspreis zuzüglich verschiedener weiterer Positionen, wie ausstehenden Mieten, nicht ersetzten Schäden und den Kosten der Versteigerung zusammen. Ein in der Versteigerung erzielter Mehrerlös soll den Klägern nach dem Mietvertrag dann nicht zufließen, wenn sie das Kraftfahrzeug selbst erfolgreich im Wege der Versteigerung erwerben.

Für den Fall des Zahlungsverzugs des Kunden und den Fall einer notwendigen Rückführung der Kraftfahrzeuge ließ sich die Beklagte in drei der terminierten Verfahren (VIII ZR 221/21, VIII ZR 288/21 und VIII ZR 290/21) vertraglich weitreichende Zugriffsmöglichkeiten auf das Kraftfahrzeug einräumen. Nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen soll sie das Kraftfahrzeug im Falle des Zahlungsverzugs ohne Ankündigung sicherstellen und für den Fall der unterlassenen Rückgabe nach Ende der Mietzeit auf Kosten und ohne den Willen des jeweiligen Kunden in Besitz nehmen dürfen. Für die Inbesitznahme soll die Beklagte keinen Beschränkungen in der Tageszeit unterliegen und zu diesem Zweck auch befriedetes Besitztum öffnen und betreten dürfen.

Bisheriger Prozessverlauf:

In allen vier Verfahren haben die Berufungsgerichte angenommen, dass nach einer Gesamtbetrachtung von Kauf- und Mietvertrag ein gemäß § 34 Abs. 4 GewO verbotenes Rückkaufsgeschäft gegeben sei. Der Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO führe gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge. In drei der Verfahren (VIII ZR 221/21, VIII ZR 290/21, VIII ZR 436/21) sind die Berufungsgerichte ferner davon ausgegangen, dass sich die Nichtigkeit auch auf die jeweilige Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug erstrecke. In einem Verfahren (VIII ZR 436/21) hat das Berufungsgericht zusätzlich eine Nichtigkeit des Kauf- und Mietvertrags sowie der Übereignung des Kraftfahrzeugs wegen Vorliegens eines wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) angenommen.

Im Verfahren VIII ZR 221/21 verkaufte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug vom Typ Smart Fortwo MHD am 13. August 2018 für 1.500 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Marktwert von 4.500 €. Nach Unterzeichnung der Verträge erhielt die Beklagte von der Klägerin den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II. Der Klägerin wurde von der Beklagten ein Barscheck über 1.500 € ausgehändigt. Diesen löste sie nicht ein und zahlte an die Beklagte auch keine Miete.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin des Kraftfahrzeugs geblieben sei, und hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil II und den Zweitschlüssel herauszugeben. Ferner hat es festgestellt, dass der Beklagten aus dem Mietvertrag keine Ansprüche gegen die Klägerin zustünden. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 116/20) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Im Verfahren VIII ZR 288/21 verkaufte der Kläger sein Kraftfahrzeug vom Typ Land Rover Defender am 9. Mai 2019 zum Preis von 15.000 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Händlereinkaufswert von wenigstens 19.500 €. Während der bis zum 9. November 2019 vereinbarten Mietzeit verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 1.275 €. Er zahlte an die Beklagte für die gesamte Vertragslaufzeit Miete in Höhe von 7.650 € sowie eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €, insgesamt also 7.749 €.

Die zuletzt auf Verurteilung der Beklagten zur Rückübereignung des Kraftfahrzeugs an den Kläger, Zug um Zug gegen Zahlung von 15.000 €, sowie zur Zahlung von 7.749 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in beiden Instanzen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 125/20) zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Im Verfahren VIII ZR 290/21 verkaufte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug vom Typ Ford Focus am 7. Januar 2020 zum Preis von 3.000 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrswert von wenigstens 4.500 €. Während der bis zum 7. Juli 2020 vereinbarten Mietzeit verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 297 €. Nach Unterzeichnung der Verträge überwies die Beklagte an die Klägerin 2.758,77 € und zahlte 241,23 € an deren Haftpflichtversicherer auf einen bereits fälligen Beitrag. Die Beklagte erhielt von der Klägerin den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II. Die Klägerin zahlte an die Beklagte außerdem für zwei Monate Miete sowie eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €, insgesamt also 693 €. Mit Schreiben vom 19. April 2020 kündigte die Beklagte den Mietvertrag aufgrund ausstehender Zahlungen.

Das Landgericht hat - unter Abweisung der Klage im Übrigen - festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge unwirksam seien und die Beklagte zur Zahlung von 693 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Klägerin ihr Eigentum an dem Kraftfahrzeug nicht an die Beklagte verloren habe. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 115/20) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil im Wesentlichen zurückgewiesen und die Klägerin auf eine erst in der Berufungsinstanz erhobene und auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Hilfswiderklage der Beklagten verurteilt, an diese den Kaufpreis in Höhe von 3.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Zweitschlüssel und der Zulassungsbescheinigung Teil II, zu zahlen.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision gegen die Verurteilung zur Rückzahlung des Kaufpreises.

Im Verfahren VIII ZR 436/21 verkaufte der Kläger sein Kraftfahrzeug vom Typ BMW M5 am 2. Januar 2018 für 5.000 € an die Beklagte. Während der zunächst bis zum 2. Juli 2018 vereinbarten und anschließend bis zum 1. April 2019 verlängerten Mietzeit verpflichtete er sich zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 495 €. Bis September 2018 zahlte er an die Beklagte insgesamt 4.455 € Miete zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €. Nachdem er die Miete für Oktober 2018 nicht gezahlt hatte, kündigte die Beklagte den Mietvertrag und ließ das Kraftfahrzeug öffentlich versteigern. An der Versteigerung nahm sie selbst teil, erwarb das Kraftfahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 € hatte, und veräußerte es anschließend weiter.

Das Berufungsgericht (OLG Hamm, I-18 U 105/20) hat der zuletzt noch auf Zahlung von insgesamt 16.445 € Schadensersatz nebst Zinsen gerichteten Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils in Höhe von 15.545 € nebst Zinsen stattgegeben. Es hat angenommen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger die geleisteten Zahlungen zu erstatten und Schadensersatz für das veräußerte Kraftfahrzeug zu leisten. Der Kläger müsse sich allerdings seinerseits den von der Beklagten erhaltenen Kaufpreis auf seine Forderungen anrechnen lassen.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen der Kläger sein Zahlungsbegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, und die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter.

Vorinstanzen:

VIII ZR 221/21
LG Frankfurt am Main - 2-14 O 414/18 - Urteil vom 18. September 2020
OLG Frankfurt am Main - 2 U 116/20 - Urteil vom 25. Juni 2021

und

VIII ZR 288/21
LG Frankfurt am Main - 2-23 O 228/19 - Urteil vom 8. Oktober 2020
OLG Frankfurt am Main - 2 U 125/20 - Urteil vom 11. August 2021

und

VIII ZR 290/21
LG Frankfurt am Main - 2-26 O 44/20 - Urteil vom 24. September 2020
OLG Frankfurt am Main - 2 U 115/20 - Urteil vom 11. August 2021

und

VIII ZR 436/21
LG Dortmund - 12 O 15/19 - Urteil vom 17. Juni 2020
OLG Hamm - I-18 U 105/20 - Urteil vom 2. August 2021

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch
§ 134 Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Gewerbeordnung
§ 34 Pfandleihgewerbe

[…]
(4) Der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts ist verboten.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 15. November 2022, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 551/21 – (Wirksamkeit einer Klausel zu einem Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen)

Datum: 15.11.2022
Akkreditierungsschluss: 14.11.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird über die Wirksamkeit einer Klausel zu entscheiden haben, mit der eine Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase eines Bausparvertrags ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt.

Sachverhalt:

Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Bausparkasse verwendet in ihren Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge u.a. die folgende Bestimmung:

„Die Bausparkasse berechnet während der Sparphase jeweils bei Jahresbeginn – bei nicht vollständigen Kalenderjahren anteilig – für jedes Konto des Bausparers ein Jahresentgelt von 12 EUR p.a.“

Prozessverlauf:

Der Kläger hält die vorbezeichnete Klausel für unwirksam, da sie die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Bausparverträgen zu verwenden und sich bei der Abwicklung von Bausparverträgen auf die Klausel zu berufen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revision der Beklagten am 15. November 2022 verhandeln.

Vorinstanzen:

Landgericht Hannover – Urteil vom 29. Januar 2021 – 13 O 90/20
Oberlandesgericht Celle – Urteil vom 17. November 2021 – 3 U 39/21

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 11. November 2022, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 213/21 (Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Geltendmachung von Mängelrechten in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum; Altlasten als Mangel) (T: 30.9.22)

Datum: 11.11.2022
Akkreditierungsschluss: 10.11.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht und den Immobilienkauf zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, das kaufrechtliche Mängelrechte der Erwerber von Wohnungseigentum wegen einer Schadstoffbelastung des Grundstücks und deren gerichtliche Durchsetzung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer betrifft.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentumsanlage befindet sich auf einem in München belegenen Grundstück, das ursprünglich im Eigentum der Beklagten, einem Immobilienunternehmen, stand. Die Beklagte teilte das Grundstück mit dem bestehenden Gebäude im Jahr 2012 in Wohnungseigentum auf und begann mit dem Verkauf der Einheiten. Für den zunächst beabsichtigten Bau einer Tiefgarage ließ sie im Frühjahr 2013 die Böden des Innenhofs und der Außenflächen der Anlage untersuchen. Dabei wurde eine ehemalige Kiesgrube aufgefunden, deren aufgefüllte Böden, wie weitere Untersuchungen zeigten, unterschiedlich mit Schadstoffen belastet sind. Die Beklagte stoppte daraufhin zunächst den Verkauf und informierte die Stadt München. Behördlich angeordnete Untersuchungen des Oberbodens auf Altlasten ergaben Belastungen u.a. mit Benzo(a)pyren (BaP). In einer von der Beklagten in Auftrag gegebenen gutachterlichen Bewertung der Untersuchungsergebnisse wurde für den Innenhof ein Bodenaustausch bis zu einer Tiefe von 30 cm vorgeschlagen. Auf einen Austausch des tiefer liegenden Bodens könne wegen der geplanten Errichtung der Tiefgarage verzichtet werden. Maßnahmen im südlichen Außenbereich seien trotz der festgestellten Belastungen wegen einer möglichen Einzäunung der betroffenen Bereiche nicht erforderlich. Ab dem 29. Mai 2013 setzte die Beklagte den Verkauf der Wohnungen fort. In den Kaufverträgen wies sie auf eine allein den Innenhof betreffende Altlastenauskunft der Stadt München hin und verpflichtete sich zur Durchführung der für den Innenhof vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen. Die Haftung für eine Altlastenfreiheit des Grundstücks außerhalb des Innenhofs wurde ausgeschlossen. In der Folgezeit tauschte die Beklagte den Oberboden des Innenhofes in einer Tiefe von 20 cm aus. Der Bau einer Tiefgarage erfolgte dagegen nicht. In zwei Eigentümerversammlungen im Mai 2014 und im Oktober 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die gerichtliche Geltendmachung der „Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ wegen Altlasten im Innenhof und im südlichen Außenbereich.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der mit dem Hauptantrag beanspruchten Feststellung des Bestehens von Mängelansprüchen teilweise stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat das Oberlandesgericht den Hauptantrag abgewiesen und auf den Hilfsantrag der Klägerin zur Beseitigung der vorhandenen Altlasten durch Sanierung des Innenhofs und des südlichen Außenbereichs verurteilt, jedoch nur, soweit jeweils der Wert von 0,5 mg/kg BaP überschritten wird. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision will die beklagte Verkäuferin die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Mit der Anschlussrevision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit dieses erfolglos geblieben ist.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft zur Prozessführung befugt. Bei den geltend gemachten Nacherfüllungsansprüchen der einzelnen Wohnungseigentümer handele es sich um Rechte im Sinne von § 9a Abs. 2 WEG, die eine einheitliche Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft erforderten. Jedenfalls habe die Klägerin die - nach Kaufrecht zu beurteilenden - Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer durch die Beschlüsse vom Mai 2014 und Oktober 2015 nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF an sich gezogen und sei daher prozessführungsbefugt.

In der Sache könne die Klägerin von der Beklagten Nachbesserung verlangen, weil das Gemeinschaftseigentum im Innenhof und im südlichen Außenbereich bisher nicht beseitigte Sachmängel aufweise. Bereits das Auffinden einer verfüllten Kiesgrube habe einen als Sachmangel einzustufenden Altlastenverdacht begründet. Zudem handele es sich bei den festgestellten Bodenbelastungen um nicht nur unerhebliche Kontaminationen, die von der üblichen Beschaffenheit eines Grundstücks abwichen. Insoweit seien zur Feststellung eines Sachmangels wegen Bodenbelastungen grundsätzlich die auf der Grundlage des Bundesbodenschutzgesetzes in Verbindung mit der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodenSchV) festgelegten Prüf- und Maßnahmenwerte (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 2 BBodSchG) heranzuziehen. Die ermittelte Schadstoffkonzentration sei allerdings nicht bereits deshalb unerheblich, weil die Prüfwerte des Anhangs 2 zur BBodenSchV eingehalten seien. Hier gebe es neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die es rechtfertigten, hinsichtlich der festgestellten Belastung mit BaP einen niedrigeren Prüfwert von 0,5 mg/kg BaP zu Grunde zu legen, der überschritten sei. Dies genüge für die Annahme eines Mangels. Auf den in den Kaufverträgen der einzelnen Erwerber vereinbarten Gewährleistungsausschluss könne sich die Beklagte nicht berufen. Bereits nach dem Auffinden der aufgefüllten Kiesgrube sei ihr bewusst gewesen, dass der Boden möglicherweise Schadstoffe enthalte. Zudem habe sie den Käufern nach Beendigung des Verkaufsstopps das Ausmaß der ihr bekannten Altlastenproblematik nicht vollständig offengelegt.

Der Bundesgerichtshof wird zunächst klären müssen, ob die Prozessführungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer fortbesteht, nachdem die gesetzliche Regelung der sogenannten „Vergemeinschaftung durch Beschluss“ in § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF bei der Reform des Wohnungseigentumsrechts ersatzlos entfallen ist; aus dieser Bestimmung wurde bislang abgeleitet, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Mängelrechte aus individuellen Kauf- oder Werkverträgen der Erwerber durch Beschluss an sich ziehen und durchsetzen kann. Insoweit ist auch das Verhältnis zu der nunmehr geltenden Regelung der Ausübungsbefugnis in § 9a Abs. 2 WEG zu bestimmen. Sollte die Prozessführungsbefugnis bejaht werden, wird in der Sache voraussichtlich zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen Altlasten bei einem Grundstückskaufvertrag einen Sachmangel darstellen.

Vorinstanzen:

LG München I – Urteil vom 27. April 2018 – 25 O 24162/14
OLG München – Urteil vom 2. September 2021 – 8 U 1796/18 (siehe u.a. ZfIR 2022, 77)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 10 WEG Allgemeine Grundsätze

in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung:
[…]
(6) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen. Sie ist Inhaberin der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten. Sie übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. […]
[…]

§ 9a WEG Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

[…]
(2) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.
[…]

§ 434 BGB Sachmangel

in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung:
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]

§ 8 BBodSchG Werte und Anforderungen

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 20) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Erfüllung der sich aus § 4 ergebenden boden- und altlastenbezogenen Pflichten sowie die Untersuchung und Bewertung von Verdachtsflächen, schädlichen Bodenveränderungen, altlastverdächtigen Flächen und Altlasten zu erlassen. Hierbei können insbesondere
1. Werte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der Bodennutzung eine einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen und festzustellen ist, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt (Prüfwerte),
2. Werte für Einwirkungen oder Belastungen, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der jeweiligen Bodennutzung in der Regel von einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast auszugehen ist und Maßnahmen erforderlich sind (Maßnahmenwerte),
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Hauptverhandlung am 10. November 2022, 10.30 Uhr, Karl-Heine-Straße 12, Leipzig, in der Strafsache 5 StR 283/22 (zur Frage der Strafbarkeit der Fälschung von Corona-Impfbescheinigungen)

Datum: 10.11.2022
Akkreditierungsschluss: 10.11.2022 08:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 10. November 2022 über die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg, in dem es u.a. um die Strafbarkeit der Fälschung von Corona-Impfbescheinigungen geht.

Mit Urteil vom 1. März 2022 hat das Landgericht Hamburg den Angeklagten A. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Vom Vorwurf der Urkundenfälschung in neun Fällen hat es ihn freigesprochen.

Nach den Urteilsfeststellungen veräußerten der Angeklagte A. und der nichtrevidierende Mitangeklagte mit Gewinnerzielungsabsicht sechs Kilogramm Marihuana.

Darüber hinaus erstellte der Angeklagte A. in neun Fällen unrichtige Impfbescheinigungen, um sich hieraus eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Gegen Bezahlung trug er angeblich erfolgte Erst- und Zweitimpfungen gegen das Sars-CoV-2-Virus nebst Impfstoffbezeichnung und Chargennummer in von ihm neu erstellte oder bestehende Impfpässe ein. Die Eintragungen versah er mit dem vorgeblichen Stempel eines Impfzentrums sowie der nachgeahmten oder erfundenen Unterschrift des angeblichen Impfarztes. Angesichts der damals gültigen Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte aufgrund der CoViD-19-Pandemie war dem Angeklagten A. bewusst, dass seine Abnehmer die Bescheinigungen gegenüber Dritten, etwa Apotheken zur Erstellung eines digitalen Impfzertifikats oder in der Gastronomie zum Nachweis über angebliche Schutzimpfungen ihrer Person, vorlegen würden.

Im Hinblick auf den Vorwurf der Erstellung unrichtiger Impfbescheinigungen hat das Landgericht - in Übereinstimmung mit einem Teil der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung - die Auffassung vertreten, dass der Angeklagte A. keine Strafnorm verletzt habe. Eine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen gem. § 277 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung scheitere daran, dass die Vorschrift eine Verwendung der Falsifikate bei einer Behörde oder einer Versicherung voraussetze, was vorliegend bei Vorlage in der Gastronomie oder in Apotheken nicht gegeben sei.

Eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung gem. § 267 StGB sei nicht möglich, weil der Gesetzgeber mit § 277 a.F. StGB eine abschließende Sonderregelung geschaffen habe. Die in § 277 a.F. StGB zum Ausdruck kommende Wertentscheidung, bei Gesundheitszeugnissen nur ganz bestimmte Tatmodalitäten zu bestrafen, dürfe nicht durch einen Rückgriff auf das allgemeine Urkundenstrafrecht unterlaufen werden.

Während sich der Angeklagte A. mit der Sachrüge gegen seine Verurteilung wendet, beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Revision den Freispruch. Mit einem anderen Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Staatsanwaltschaft der Auffassung, dass § 277 a.F. StGB keine Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB zukommt.

Vorinstanz:

Landgericht Hamburg - Urteil vom 1. März 2022 – 634 KLs 8/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 267 StGB Urkundenfälschung

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
[…]
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
[…]

§ 277 StGB Fälschung von Gesundheitszeugnissen (in der bis 23.11.2021 gültigen Fassung)

Wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson oder unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugnis verfälscht und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 10. November 2022, 8.30 Uhr - in Sachen I ZR 241/19 (Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren) (Verhandlung: 29.9.2022)

Datum: 10.11.2022
Akkreditierungsschluss: 09.11.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, inwieweit Internethändler Verbraucher über Herstellergarantien für die angebotenen Produkte informieren müssen.

Sachverhalt:

Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebots¬seite enthielt unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: "Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt." Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.

Die Klägerin hält die Informationen der Beklagten zu der Herstellergarantie für unzureichend. Sie hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat angenommen, die Klägerin habe gemäß § 3a UWG unlauter gehandelt, weil sie gegen die gesetzlichen Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB verstoßen habe. Eine Informationspflicht des Verkäufers bestehe jedenfalls dann, wenn das Warenangebot - wie im Streitfall - einen Hinweis auf das Bestehen einer Garantie enthalte. Der Inhalt dieser Informationspflicht sei unter Rückgriff auf die Vorschrift des § 479 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Danach müsse eine Garantieerklärung einen Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf enthalten, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes angeben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 11. Februar 2021 (I ZR 241/19, GRUR 2021, 739 = WRP 2021, 619 - Herstellergarantie III) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt, dessen Umsetzung die Regelungen in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung dienen. Er hat durch die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Fragen geklärt wissen wollen, unter welchen Voraussetzungen eine Pflicht des Verkäufers zur Information über eine Herstellergarantie besteht und ob eine erforderliche Information dieselben Angaben enthalten muss wie eine Garantie nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Fragen mit Urteil vom 5. Mai 2022
(C-179/21, GRUR 2022, 832 = WRP 2022, 688 - absoluts/the-trading-company) dahin beantwortet, dass eine Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU ausgelöst wird, wenn der Verbraucher im Hinblick auf seine Entscheidung über einen Vertragsschluss ein berechtigtes Interesse daran hat, vom Unternehmer Informationen über die Herstellergarantie zu erhalten. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmer die Herstellergarantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. In diesem Fall hat der Unternehmer alle Informationen über die Bedingungen der Herstellergarantie zu erteilen, die dem Verbraucher die Entscheidung über eine vertragliche Bindung an den Unternehmer ermöglichen.

Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung fortsetzen.

Vorinstanzen:
LG Bochum - Urteil vom 21. November 2018 - I-13 O 110/18
OLG Hamm - Urteil vom 26. November 2019 - I-4 U 22/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren.

§ 479 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF)
Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten:
1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und
2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes […].

§ 479 Abs. 1 BGB in der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung (nF)
Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten:
1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln, darauf, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist sowie darauf, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden,
[…]
5. die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes.

Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF)
Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
[…]
9. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien, […]

Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der seit dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung (nF)
Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
[…]
12. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien,
[…]

Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU
Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:
[…]
m) gegebenenfalls den Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien;
[…]
Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG
Die Garantie muß
- darlegen, daß der Verbraucher im Rahmen der geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gesetzliche Rechte hat, und klarstellen, daß diese Rechte von der Garantie nicht berührt werden;
- in einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt der Garantie und die wesentlichen Angaben enthalten, die für die Inanspruchnahme der Garantie notwendig sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 10. November 2022, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 186/17 (Befugnis von Verbraucherschutzverbänden zur Verfolgung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht) (Verhandlung: 29.9.2022)

Datum: 10.11.2022
Akkreditierungsschluss: 09.11.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt nach Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren erneut über die Frage, ob ein Verstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegen die datenschutzrechtliche Verpflichtung, die Nutzer dieses Netzwerks über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten zu unterrichten, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbraucherschutzbänden durch eine Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Sachverhalt:

Die in Irland ansässige Beklagte, die Meta Platform Ireland Limited (ehemals Facebook Ireland Limited), betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen‘ oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten."

Der Kläger ist der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er beanstandet die Präsentation der unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweise im App-Zentrum als unlauter unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung des Nutzers. Ferner sieht er in dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel eine den Nutzer unangemessen benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingung. Er hält sich zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Wege der Klage vor den Zivilgerichten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG für befugt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite in einem App-Zentrum Spiele so zu präsentieren, dass Nutzer der Internetplattform mit dem Betätigen eines Buttons wie "Spiel spielen" die Erklärung abgeben, dass der Betreiber des Spiels über das von der Beklagten betriebene soziale Netzwerk Informationen über die dort hinterlegten personenbezogenen Daten erhält und ermächtigt ist, Informationen im Namen der Nutzer zu übermitteln (posten). Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 28. Mai 2020 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Kapitel VIII, insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung) getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2020 - I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu mit Urteil vom 28. April 2022
(C-319/20 - Meta Platforms Ireland) entschieden:

Art. 80 Abs. 2 der VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

Der Bundesgerichtshof hat nun Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, 29. September 2022, 10 Uhr anberaumt.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 28. Oktober 2014 - 16 O 60/13
Kammergericht Berlin - Urteil vom 22. September 2017 - 5 U 155/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG Beseitigung und Unterlassung
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […]
3. den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, […]

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG Anspruchsberechtige Stellen
(1) Die in den §§ 1 bis 2 bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung, auf Widerruf und auf Beseitigung stehen zu:
1. den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste nach § 4 eingetragen sind, […]

Artikel 80 Abs. 1 und 2 Verordnung (EU) 2016/679 Vertretung von betroffenen Personen
(1) Die betroffene Person hat das Recht, eine Einrichtung, Organisationen oder Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die ordnungsgemäß nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet ist, deren satzungsmäßige Ziele im öffentlichem Interesse liegen und die im Bereich des Schutzes der Rechte und Freiheiten von betroffenen Personen in Bezug auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten tätig ist, zu beauftragen, in ihrem Namen eine Beschwerde einzureichen, in ihrem Namen die in den Artikeln 77, 78 und 79 genannten Rechte wahrzunehmen und das Recht auf Schadensersatz gemäß Artikel 82 in Anspruch zu nehmen, sofern dieses im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen ist.
(2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass jede der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat das Recht hat, bei der gemäß Artikel 77 zuständigen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde einzulegen und die in den Artikeln 78 und 79 aufgeführten Rechte in Anspruch zu nehmen, wenn ihres Erachtens die Rechte einer betroffenen Person gemäß dieser Verordnung infolge einer Verarbeitung verletzt worden sind.

Artikel 84 Abs. 1 Verordnung (EU) 2016/679 Sanktionen
(1) Die Mitgliedstaaten legen die Vorschriften über andere Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung - insbesondere für Verstöße, die keiner Geldbuße gemäß Artikel 83 unterliegen - fest und treffen alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Karlsruhe, den 19. Mai 2022

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Oktober 2022, 9.00 Uhr - E 101 - in der Sache XII ZR 89/21 (Fernabschaltung einer Autobatterie) (Verhandlung: 28.9.2022)

Datum: 26.10.2022
Akkreditierungsschluss: 25.10.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Zulässigkeit einer AGB-Klausel, die dem Vermieter der Batterie eines E-Autos im Fall der außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags die Abschaltung der Autobatterie per digitalem Fernzugriff erlaubt.

Sachverhalt:
Der Kläger verlangt als Verbraucherschutzverein von der Beklagten, einer französischen Bank, die Unterlassung der Verwendung einer AGB-Klausel bei der Vermietung von Batterien für Elektrofahrzeuge. Die Beklagte vermietet Batterien für von ihren Kunden gekaufte oder geleaste Renault-Elektrofahrzeuge. Hierfür verwendet sie „Allgemeine Batterie-Mietbedingungen“, die ihr als Vermieterin im Fall der außerordentlichen Vertragsbeendigung durch Kündigung nach entsprechender Ankündigung eine Sperre der Wiederauflademöglichkeit der Batterie erlauben. Der Kläger macht geltend, die AGB-Klausel sei unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung der Mieter enthalte.

Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, eine Verwendung der Klausel gegenüber Verbrauchern zu unterlassen. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Sie ist der Ansicht, in der Sperrung der Wiederauflademöglichkeit liege keine verbotene Eigenmacht, weil dadurch nicht in den Besitz als tatsächliche Sachherrschaft des Mieters eingegriffen werde. Sie mache als Vermieterin – vergleichbar mit dem Abschalten einer Münzwaschmaschine oder der Sperrung eines abhanden gekommenen Smartphones – vielmehr in zulässiger Weise von ihrem Recht Gebrauch, nach wirksamer Kündigung ihre vertragliche Leistung einzustellen. Dadurch verhindere sie ein fortgesetztes unberechtigtes Wiederaufladen der Batterie, wodurch wertmindernd deren Ladekapazität verringert werde.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 307 BGB
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) …

§ 858 BGB
(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
(2) …

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf - Urteil vom 11. Dezember 2019 - 12 O 63/19
OLG Düsseldorf - Urteil vom 7. Oktober 2021 - 20 U 116/20

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 13. Oktober 2022 um 8.30 Uhr in Sachen I ZR 111/21(Anspruch gegen Internetzugangsanbieter auf Einrichtung von Websperren) (Verhandlungstermin: 23.6.2022)

Datum: 13.10.2022
Akkreditierungsschluss: 12.10.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Rechtsinhaber von Internetzugangsanbietern nach § 7 Abs. 4 TMG die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten beanspruchen können.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen. Die Klägerinnen sind Wissenschaftsverlage. Sie verlangen von der Beklagten, dass diese den Zugang zu den Internetseiten von zwei Internetdiensten sperrt, auf denen - nach Darstellung der Klägerinnen - wissenschaftliche Artikel und Bücher bereitgehalten werden, an denen ihnen die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerinnen hätten entgegen § 7 Abs. 4 TMG nicht die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, der Verletzung ihrer Rechte abzuhelfen. Es sei ihnen zumutbar gewesen, vor Inanspruchnahme der Beklagten den in der Europäischen Union (Schweden) ansässigen Host-Provider der beiden Internetdienste gerichtlich auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, um anschließend mit den erlangten Informationen gegen die Betreiber der Internetdienste vorzugehen.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Anträge weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 25. Oktober 2019 - 21 O 15007/18
OLG München - Urteil vom 27. Mai 2021 - 29 U 6933/19

Die maßgebliche Vorschrift lautet auszugsweise:

§ 7 Abs. 4 TMG
Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. …

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 28. September 2022, 9:00 Uhr, (Verhandlungstermin am 7. September 2022 um 9.00 Uhr) in Sachen XII ZR 7/22 (Verfolgung der ungarischen Straßenmaut vor deutschen Gerichten)

Datum: 28.09.2022
Akkreditierungsschluss: 27.09.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Zulässigkeit der Durchsetzung der ungarischen Straßenmaut vor deutschen Zivilgerichten.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine ungarische Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Eintreibung der ungarischen Autobahnmaut ist. Die Beklagte ist ein im Inland ansässiges Autovermietungsunternehmen. Mit vier Mietfahrzeugen der Beklagten wurde im November 2017 insgesamt fünfmal ein Abschnitt der ungarischen Autobahn befahren, für den auf Grundlage der ungarischen Mautverordnung eine Straßenmaut zu entrichten ist. Schuldner der Maut ist nach § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes der Halter des Fahrzeugs. Wird die Maut nicht vor der Benutzung des Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette (e-Matrica) entrichtet, ist nach Anlage 1 der Mautverordnung eine Grundersatzmaut von 14.875 HUF (ungarische Forint) bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung zu entrichten bzw. eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500 HUF bei einer Zahlung nach mehr als 60 Tagen, was den Betrag für eine vorab erworbene virtuelle Vignette jeweils um ein Vielfaches übersteigt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 958,95 € nebst Zinsen sowie 409,35 € außergerichtlicher Inkassokosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 958,95 € (ohne Zinsen) sowie 362,95 € außergerichtlichen Inkassokosten verurteilt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Die Beklagte ist unter anderem der Ansicht, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass von den jeweiligen Fahrzeugführern vor der jeweiligen Straßenbenutzung keine virtuelle Vignette erworben worden sei. Jedenfalls verstoße die im ungarischen Recht vorgesehene Heranziehung des Fahrzeughalters für die Bezahlung der Maut gegen die inländische öffentliche Ordnung („ordre public“) und sei schon deshalb nicht anzuwenden. Auch die „erhöhte Zusatzgebühr“ begründe einen ordre-public-Verstoß, da sie der Sache nach einen unzulässigen Strafschadensersatz beinhalte und zudem unangemessen hoch sei. Schließlich sei die Klägerin nicht berechtigt, Zahlung in Euro zu verlangen, da die in der ungarischen Mautverordnung ausgewiesenen Beträge jeweils in Fremdwährung geschuldet seien.

Die maßgebliche Norm der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (ROM I-VO - gleichlautend mit Art. 26 ROM II-VO) lautet wie folgt:

Art. 21 Öffentliche Ordnung im Staat des angerufenen Gerichts

Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung ("ordre public") des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.

Vorinstanzen:

AG Frankfurt am Main - Urteil vom 24. März 2021 - 380 C 4/20 (14)
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 22. Dezember 2021 - 2-01 S 78/21

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 28. September 2022, 11.00 Uhr – VIII ZR 319/20 (Anspruch auf Entfernung einer negativen Bewertung bei eBay aufgrund nachvertraglicher Nebenpflichtverletzung?)

Datum: 28.09.2022
Akkreditierungsschluss: 27.09.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer, der ein Produkt über die Internetplattform ebay verkauft, einen Anspruch gegen den Käufer auf Entfernung einer von diesem abgegebenen negativen Bewertung hat.

Sachverhalt:

Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto. Davon entfielen 4,90 € auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien vor dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es auszugsweise:

ʺ§ 8 Bewertungen
[…]
2. Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.
[…]ʺ.

Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von eBay zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin mit dem Eintrag ʺWare gut, Versandkosten Wucher!!ʺ.

Die Klägerin hält die Bewertung "Versandkosten Wucher!!" für unzulässig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf Entfernung der Bewertung und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich bei der Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" um ein Werturteil, das nur dann unzulässig sei, wenn es sich um eine Schmähkritik handele. Eine solche liege jedoch nicht vor. Die Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß zur Entfernung der Bewertung und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Aus Sicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte mit der Bewertung eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB) und hierdurch einen Schaden verursacht, weil sich die negative Bewertung ungünstig auf die Möglichkeit der Klägerin auswirke, zukünftig Geschäfte über eBay abzuschließen. Die Bewertung verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der eBay-AGB, aus dem sich ein über die Abwehr von Schmähkritik und unwahrer Tatsachenbehauptungen hinausgehender Schutz ergebe. Es handele sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum sich die Versandkosten als ʺWucherʺ darstellten.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

AG Weiden in der Oberpfalz – 1 C 140/20 – Urteil vom 22. Juni 2020
LG Weiden in der Oberpfalz – 22 S 17/20 – Urteil vom 28. Oktober 2020

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

[…]

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 23. September 2022, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 148/21 (Gutgläubiger Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs) (Verhandlungstermin: 15.7.2022)

Datum: 23.09.2022
Akkreditierungsschluss: 22.09.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt in einem Verfahren, in dem es um den gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs geht. Es wird voraussichtlich zu klären sein, ob dann, wenn die Vorlage des Fahrzeugbriefs (heute: Zulassungsbescheinigung Teil II) bei dem Fahrzeugerwerb streitig ist, derjenige, der den guten Glauben in Abrede stellt, die Beweislast für die Nichtvorlage der Bescheinigung trägt, oder ob der das Fahrzeug besitzende Erwerber die Vorlage beweisen muss.

Sachverhalt:

Die Klägerin, die Fahrzeuge in Italien vertreibt, kaufte unter Einschaltung eines Vermittlers ein gebrauchtes Kraftfahrzeug (Mercedes C 43 AMG Kombi) von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. Eigentümerin des Fahrzeugs war aber nicht das Autohaus, sondern die Beklagte, eine Leasinggesellschaft, die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Nach Zahlung des Kaufpreises holte der Vermittler das Fahrzeug bei dem Autohaus ab und verbrachte es nach Italien. Zwischen den Parteien ist streitig, ob ihm eine echt aussehende Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe der Bescheinigung. Die Beklagte hat Widerklage erhoben und verlangt von der Klägerin die Herausgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei Fahrzeugeigentümerin geworden. Dafür spreche schon die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB, die die Beklagte nicht widerlegt habe. Die Klägerin habe das Eigentum an dem Fahrzeug gutgläubig erworben (§ 932 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klägerin wäre dann nicht in gutem Glauben an das Eigentum des Autohauses gewesen, wenn dem Vermittler, auf dessen Kenntnis es ankomme, bei Übergabe des Fahrzeugs die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt worden wäre. Das könne nicht festgestellt werden. Zwar sei das Original der Bescheinigung unstreitig nicht vorgelegt worden. Der gute Glaube der Klägerin sei aber auch dann geschützt, wenn eine Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden sei, bei der sich um eine hochwertige, nicht als solche erkennbare Fälschung gehandelt habe. Davon sei zu Lasten der Beklagten auszugehen. Die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass eine echt aussehende Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt worden sei. Einen Beweis habe sie nicht angeboten. An dem guten Glauben der Klägerin fehle es auch nicht deshalb, weil dem Vermittler die (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II nur vorgezeigt und nicht übergeben worden sei. In dem Kaufvertrag sei vorgesehen gewesen, dass die Bescheinigung mit der Post übersandt werde. Das sei im internationalen Fahrzeughandel üblich. Die Beklagte vertritt im Revisionsverfahren die Auffassung, die Klägerin müsse beweisen, dass die Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden sei. Sie selbst sei an dem Erwerbsvorgang nicht beteiligt gewesen und habe keine Kenntnis von dem Geschehensablauf.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart – Urteil vom 26. Februar 2021 – 14 O 43/20
OLG Stuttgart – Urteil vom 21. Juli 2021 – 9 U 90/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 932 BGB Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

§ 1006 BGB Eigentumsvermutung für Besitzer

(1) Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. (…)
(2) …
(3) …

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 16.09.2022 um 9:00 Uhr (Verhandlungstermin am 1. Juli 2022 um 9.00 Uhr) in Sachen V ZR 69/21 (Verteilung des im Gebäudeversicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalts auf die Wohnungseigentümer)

Datum: 16.09.2022
Akkreditierungsschluss: 15.09.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem die Wohnungseigentümer darüber streiten, ob nach einem im räumlichen Bereich des Sondereigentums eingetretenen Leitungswasserschaden der im Gebäudeversicherungsvertrag vereinbarte Selbstbehalt von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich oder von dem geschädigten Wohnungseigentümer allein zu tragen ist.

Sachverhalt:

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu der Anlage gehören die Wohnungen der Beklagten und die gewerbliche Einheit der Klägerin. Die Gemeinschaft unterhält eine Gebäudeversicherung, die auch Leitungswasserschäden abdeckt. Der Versicherungsschutz besteht für das gesamte Gebäude, ohne dass zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterschieden wird. In der Vergangenheit traten aufgrund mangelhafter Leitungen (Kupferrohre) wiederholt Wasserschäden in den Wohnungen der Beklagten auf, die sich allein im Jahr 2018 auf rd. 85.000 € beliefen. Die Gemeinschaft macht deshalb bereits seit geraumer Zeit vor Gericht Ansprüche gegen das Unternehmen geltend, das die Leitungen verlegt hat. Bislang ist die Praxis in der Gemeinschaft so, dass die Verwalterin bei einem Wasserschaden ein Fachunternehmen mit der Schadensbeseitigung beauftragt und die Kosten von dem Gemeinschaftskonto begleicht. Sie nimmt die Versicherung in Anspruch und legt die Kosten unter Abzug der Versicherungsleistung nach Miteigentumsanteilen um, und zwar auch insoweit, als die Schäden im Bereich des Sondereigentums entstanden sind. Aufgrund der Schadenshäufigkeit beträgt der in jedem Schadensfall verbleibende Selbstbehalt inzwischen 7.500 €. Dies hat zur Folge, dass die Versicherung nur noch ca. 25 % der Schäden erstattet. Gestützt auf die Behauptung, die Mängel an den Leitungen seien jeweils hinter den Absperreinrichtungen in den betroffenen Wohneinheiten aufgetreten, verlangt die Klägerin mit ihrer Beschlussersetzungsklage eine von der bisherigen Praxis abweichende Verteilung des Selbstbehalts. Sie will erreichen, dass sie nicht aufgrund des im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalts anteilig an den Kosten für die Beseitigung von Leitungs- und Folgeschäden beteiligt wird, die nach ihrer Ansicht ausschließlich an dem Sondereigentum der Beklagten entstanden sind; auch verweist sie darauf, dass in ihrer Einheit bislang kein Schaden aufgetreten ist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Nachdem die Berufung vor dem Landgericht erfolglos geblieben ist, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren mit der von dem Senat zugelassenen Revision weiter.

Das Landgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Anspruch auf eine gerichtliche Beschlussersetzung nicht zu. Die Verteilung des Selbstbehalts auf die Wohnungseigentümer könne zwar gemäß § 16 Abs. 2 WEG Gegenstand einer Beschlussfassung sein. Da das auf die Sachmängelhaftung bezogene Gerichtsverfahren nicht beendet sei, erscheine derzeit eine Regelung über die Verteilung des Selbstbehalts aber nicht angezeigt. Bei einem günstigen Ausgang des Verfahrens sei wegen der dann erfolgenden Mängelbeseitigung nicht mit weiteren Schadensfällen zu rechnen; zudem seien Schadenersatzleistungen zu erwarten. Außerdem sei fraglich, ob es ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche, die Verteilung des Selbstbehalts von dem Bereich abhängig zu machen, in dem der Schaden entstanden sei. Für Schäden am Gemeinschaftseigentum müsse insgesamt die Gemeinschaft aufkommen. Zudem sei zu beachten, dass die Wohnungseigentümer, anders als dies bisher praktiziert werde, Schäden im Sondereigentum selbst beseitigen müssten und die Gemeinschaft lediglich zur Unterstützung bei der Abwicklung des Versicherungsfalles verpflichtet sei. Die Gemeinschaft müsse daher über die Verteilung des Selbstbehalts erst entscheiden, wenn sie von einem Sondereigentümer in Anspruch genommen werde.

Vorinstanzen:

AG Köln - Urteil vom 21. Juli 2020 - 204 C 171/19
LG Köln - Urteil vom 18. März 2021 - 29 S 146/20

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 16 WEG Nutzungen und Kosten

(1) […]
(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.
(3) […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 25. August 2022, 10.30 Uhr, Saal E 101, Herrenstraße 45a, in der Strafsache 3 StR 359/21 (Verfahren betreffend u. a. die Ermordung des Dr. Lübcke)
Akkreditierung für Medien: Siehe Pressemitteilung 120/2022

Datum: 25.08.2022
Akkreditierungsschluss: 16.08.2022 15:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Mit Urteil vom 28. Januar 2021 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Angeklagten Stephan E. wegen Mordes an dem ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten vorbehalten. Von einem weiteren Vorwurf (versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung zu Lasten eines Asylbewerbers) hat es ihn freigesprochen. Den Angeklagten Markus H. hat es wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines wesentlichen Teils einer vollautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord zum Nachteil von Dr. Lübcke hat es ihn freigesprochen.

Nach den vom Oberlandesgericht zur Verurteilung des Angeklagten E. getroffenen Feststellungen erschoss dieser am 1. Juni 2019 gegen 23:20 Uhr Dr. Lübcke mit einem Trommelrevolver. Er handelte aus fremdenfeindlichen Motiven und nutzte die Arglosigkeit sowie die darauf beruhende Wehrlosigkeit seines Tatopfers aus, indem er sich an den sich in scheinbarer Sicherheit wähnenden und sich keines Angriffs versehenden Dr. Lübcke anschlich und aus kurzer Distanz einmal auf dessen Kopf schoss. Dabei kam es ihm darauf an, sein Tatopfer wegen dessen politischer Überzeugung und Betätigung als Regierungspräsident zu töten und gleichsam für die von diesem vertretene Linie in der Flüchtlingspolitik abzustrafen. Zum Teilfreispruch des Angeklagten E. hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der betroffene Nebenkläger am 6. Januar 2016 von einer männlichen Person durch einen Stich mit einem Messer in den Rücken erheblich verletzt wurde. Von einer Täterschaft des Angeklagten E. hat es sich nicht zu überzeugen vermocht.

Hinsichtlich des Angeklagten H. ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass dieser spätestens ab 2014 bis zum Jahr 2019 eine Maschinenpistole als Dekorationswaffe aufbewahrte, bei der das Griffstück weiterhin funktionsfähig war. Dagegen ist es nicht zur Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte H. dem Angeklagten E. Hilfe zur Tötung von Dr. Lübcke leistete.

Gegen das Urteil haben die Angeklagten und der Generalbundesanwalt Revision eingelegt. Während sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilung wenden, beanstandet der Generalbundesanwalt die Teilfreisprüche beider Angeklagten und dass die Sicherungsverwahrung des Angeklagten E. lediglich vorbehalten wurde. Weiter greifen die Ehefrau des Getöteten sowie seine beiden Söhne als Nebenkläger den Teilfreispruch des Angeklagten H. an. Der Geschädigte des Übergriffs am 6. Januar 2016 wendet sich als Nebenkläger mit seiner Revision gegen den Teilfreispruch des Angeklagten E. Die Revisionen aller Verfahrensbeteiligten sind auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützt, die Angeklagten und die Nebenkläger erheben darüber hinaus Verfahrensbeanstandungen.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat bezüglich aller Rechtsmittel Termin zur Hauptverhandlung auf den 28. Juli 2022 bestimmt. Als Termin zur Verkündung einer Entscheidung ist der 25. August 2022 in Aussicht genommen.

Vorinstanz:

OLG Frankfurt am Main - 5 - 2 StE 1/20-5a - 3/20 - Urteil vom 28. Januar 2021

Akkreditierungen

Verkündungstermin 2. August 2022, 9:00 Uhr (Verhandlungstermin 28. Juni 2022 um 9:00 Uhr) in Sachen X ZR 53/21(Rücktritt von einer für April 2020 vorgesehenen Pauschalreise nach
Japan wegen Covid 19)

Datum: 02.08.2022
Akkreditierungsschluss: 01.08.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Pauschalreiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises nach Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag wegen Covid 19.

Sachverhalt:

Der Kläger buchte bei der Beklagten im Januar 2020 eine Reise nach Japan im Zeitraum vom 3. bis 12. April 2020 zu einem Gesamtpreis von 6.148 Euro.

In Japan waren Anfang Februar Schutzmasken im gesamten Land ausverkauft. Ende Februar schlossen die großen Vergnügungsparks, sportliche Großveranstaltungen fanden nicht mehr oder nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Am 26. Februar 2020 beschloss die japanische Regierung, für die kommenden Wochen sämtliche Großveranstaltungen komplett abzusagen. Einen Tag später wurde beschlossen, sämtliche Schulen bis mindestens Anfang April zu schließen.

Der Kläger trat am 1. März 2020 von der Reise zurück. Die Beklagte berechnete Stornokosten in Höhe von insgesamt 1.537 Euro (25 % des Reisepreises), die der Kläger bezahlte. Am 26. März 2020 erging für Japan ein Einreiseverbot. Der Kläger verlangte daraufhin die Rückzahlung des bereits geleisteten Betrags.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Rückzahlung von 1.537 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 255,85 Euro verurteilt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht den zu zahlenden Betrag auf 14,50 Euro zuzüglich vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 83,54 Euro reduziert und die weitergehende Klage abgewiesen.

Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Rückzahlungsanspruch in voller Höhe weiter.

Der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung setzt nach § 651h Abs. 3 BGB voraus, dass am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände aufgetreten sind, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt haben. Nach Auffassung beider Vorinstanzen sind hierfür die Umstände und Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung maßgeblich, im Streitfall also am 1. März 2020. Nach Auffassung des Amtsgerichts war schon zu diesem Zeitpunkt hinreichend wahrscheinlich, dass es bis Anfang April zu weiteren Einschränkungen kommen wird, die die Reise erheblich beeinträchtigen. Das Landgericht ist hingegen zu der Einschätzung gelangt, am 1. März sei eine solche Entwicklung noch nicht absehbar gewesen.

Vorinstanzen:

Amtsgericht München - Urteil vom 8. Dezember 2020 - 243 C 10984/20
Landgericht München I - Urteil vom 22. Juni 2021 - 13 S 669/21

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 651h BGB Rücktritt vor Reisebeginn

(1) Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Der Reiseveranstalter kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen.
(2) …
(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 3 kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne dieses Untertitels, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 14. Juli 2022, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 97/21 (Anspruch auf Unterlassung des Betriebs eines kommunalen Internetportals) (Verhandlungstermin: 12.5.2022)

Datum: 14.07.2022
Akkreditierungsschluss: 13.07.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob eine Kommune berechtigt ist, ein Internetangebot in Form eines Stadtportals zu betreiben, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch in größerem Umfang Informationen über das Geschehen in der Stadt abrufbar sind.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein Verlag, der neben Tageszeitungen in Form von Printmedien auch digitale Medien anbietet, darunter ein Nachrichtenportal. Die beklagte Stadt betreibt ein Internetportal, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch redaktionelle Inhalte veröffentlicht werden. Nach der über das Internetportal abrufbaren Eigenwerbung soll es umfassend und aktuell über das Geschehen in der Stadt informieren.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Internetportal überschreite die Grenzen der zulässigen kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und sei deshalb nach § 3a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse wettbewerbswidrig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Nach einer Gesamtschau der Beiträge in dem Internetportal überschritten die vorgehaltenen Inhalte die Grenzen einer zulässigen kommunalen Berichterstattung. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die einzelnen Beiträge in dem Portal der Beklagten gingen zwar über eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit hinaus. Allerdings lasse sich bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht feststellen, dass der Gesamtcharakter des Portals geeignet sei, die Institutsgarantie der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Die konkret zu beanstandenden Einzelbeiträge gingen in der in dem Portal abrufbaren Fülle von Informationen nahezu unter.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Vorinstanzen:

LG Dortmund - Urteil vom 8. November 2019 - 3 O 262/17
OLG Hamm - Urteil vom 10. Juni 2021 - I-4 U 1/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Art. 5 Abs. 1 GG

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 14. Juli 2022, 14:00 Uhr, E 101, (mV: 24.03.2022, 9:00 Uhr), in Sachen VII ZR 422/21 ("Dieselverfahren“; Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist) - zur Info: VII ZR 437/21 (Verhandlungstermin wurde aufgehoben) und VII ZR 478/21 (Verhandlungstermin wurde aufgehoben) -

Datum: 14.07.2022
Akkreditierungsschluss: 13.07.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in drei gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden "Dieselverfahren“ erneut darüber zu entscheiden, wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche des Fahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG begann.

Sachverhalt:

In den drei Verfahren nimmt die jeweilige Klagepartei die beklagte Volkswagen AG als Fahrzeug- bzw. Motorherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Im Verfahren VII ZR 422/21 erwarb der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin im Dezember 2011 einen neuen Pkw Audi Q5 2.0 TDI zum Preis von 54.000 €.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 437/21 erwarb im November 2010 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Passat Variant zum Preis von 18.900 €.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 478/21 erwarb im Oktober 2014 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Sharan 2.0 TDI zum Preis von 29.500 €.

Die Fahrzeuge sind jeweils mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ausgestattet. Diese verfügten zum Zeitpunkt des Kaufs über eine Software, welche erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte.

Ab September 2015 wurde - ausgehend von einer Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 - über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA 189 ausführlich in den Medien berichtet. Ab Oktober 2015 bestand für alle Kunden die Möglichkeit, auf der Homepage der Beklagten zu überprüfen, ob ihre Fahrzeuge über die vorgenannte Software verfügten.

Die Klageparteien verlangen mit ihren jeweils im Jahr 2020 eingereichten Klagen im Wesentlichen - unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - die Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Sie behaupten, erst im Jahr 2017 von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs vom sogenannten Abgasskandal erfahren zu haben. Die Beklagte hat jeweils die Einrede der Verjährung erhoben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klagen hatten vor dem Berufungsgericht überwiegend Erfolg. Das Berufungsgericht hat jeweils im Wesentlichen ausgeführt:

Der Anspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung aus § 826 BGB sei nicht verjährt, da die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB erst mit Schluss des Jahres 2017 zu laufen begonnen habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klageparteien bis zum Ende des Jahres 2016 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hätten. Zudem stelle es kein grob fahrlässiges Verhalten dar, wenn der Besitzer eines Fahrzeugs der Beklagten im Jahr 2015 oder 2016 - ohne von der Beklagten individuell informiert worden zu sein - keine eigenen Nachforschungen hinsichtlich der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal unternommen habe.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen erstrebt die Beklagte jeweils die vollständige Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

VII ZR 422/21

Landgericht Ellwangen - Urteil vom 25. September 2020 - 5 O 246/20
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 13. April 2021 - 12 U 327/20

und

VII ZR 437/21

Landgericht Ellwangen - Urteil vom 20. November 2020 - 3 O 292/20
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 4. Mai 2021 - 12 U 381/20

und

VII ZR 478/21

Landgericht Ulm - Urteil vom 15. September 2020 - 6 O 90/20
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 27. April 2021 - 12 U 309/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1. der Anspruch entstanden ist und

2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin verlegt auf Freitag, den 1. Juli 2022, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 23/21 (Nachbarstreit über grenzüberschreitende Wärmedämmung) (Verhandlung: 13.5.2022)(Verkündung vorher: 23.6.2022)

Datum: 01.07.2022
Akkreditierungsschluss: 30.06.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt erneut über ein Verfahren, in dem zu klären ist, ob eine landesrechtliche Regelung – hier des Landes Berlin –, die eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung von Bestandsbauten erlaubt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Berlin. Das auf dem Grundstück der Beklagten stehende Gebäude ist ca. 7,5 m niedriger als das Gebäude der Klägerin. Diese will im Rahmen einer Fassadensanierung den seit 1906 nicht mehr sanierten grenzständigen Giebel ihres Gebäudes mit einer 16 cm starken mineralischen Dämmung versehen und in diesem Umfang über die Grenze zum Grundstück der Beklagten hinüberbauen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, die Überbauung ihres Grundstücks zum Zwecke der Wärmedämmung der grenzständigen Giebelwand des klägerischen Gebäudes zu dulden. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Das Landgericht meint, die Beklagte sei nach § 16a NachbarG Bln verpflichtet, das Anbringen der Wärmedämmung an der grenzständigen Giebelwand des klägerischen Gebäudes zu dulden. Die Norm sei verfassungsgemäß. Dem Land habe im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Gesetzgebungskompetenz zu ihrem Erlass zugestanden. Die in § 16a NachbarG Bln getroffene Regelung sei auch materiell
verfassungsgemäß. Sie begünstige nicht einseitig die Interessen des dämmenden Eigentümers, sondern sei vor dem Hintergrund der allgemein anerkannten Notwendigkeit der Steigerung der Energieeffizienz und der Senkung des Energiebedarfs zu sehen. Der Landesgesetzgeber habe bewusst auf unbestimmte Rechtsbegriffe verzichtet. Zwar sehe die Vorschrift keine Einschränkungen der Duldungspflicht vor - die sich aber aus allgemein geltenden Rechtsgrundsätzen ableiten ließen -, dafür aber den Anspruch des Nachbarn auf Beseitigung des Überbaus, wenn und soweit er selbst zulässigerweise an die Grenzwand anbauen wolle. Zudem werde dem dämmenden Eigentümer die Unterhaltungspflicht für den Wärmeschutzüberbau auferlegt. Die Verweisung auf § 17 Abs. 3 NachbarG Bln stelle die zügige und schonende Ausübung des Überbaurechts sicher, die Verweisung auf § 912 Abs. 2 BGB die Entschädigungspflicht.

Schwerpunkt des Revisionsverfahrens:

Der Senat hat zwischenzeitlich in seinem zu § 23a Abs. 1 NachbarG NW ergangenen Urteil vom 12. November 2021 (V ZR 115/20) entschieden, dass Regelungen, die den Grundstückseigentümer zur Duldung einer nachträglichen grenzüberschreitenden Wärmedämmung des Nachbargebäudes verpflichten, aufgrund des Vorbehalts in Art. 124 EGBGB von der Gesetzgebungskompetenz der Länder umfasst sind (siehe hierzu die Pressemitteilung Nr. 210/21).

Im vorliegenden Verfahren wird es in der Revisionsinstanz daher vor allem um die Frage gehen, ob die Regelung in § 16a NachbarG Bln materiell verfassungsgemäß ist, namentlich ob der Landesgesetzgeber den ihm bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten hat. Während die in anderen Bundesländern getroffenen Regelungen zumeist differenzierte Vorgaben zu Inhalt und Grenzen der Duldungspflicht vorsehen (vgl. § 7c NRG BW; Art. 46a BayAGBGB; § 19a BbgNRG; § 74a HBO; § 10a NachbarG HE; § 21a NNachbG; § 23a NachbarG NW; § 19a NachbarG SL; § 15 NachbarG SH; § 14a ThürNRG), setzt die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 16a NachbarG Bln allein voraus, dass der Überbau zum Zwecke der Wärmedämmung eines Bestandsgebäudes erfolgt.

Vorinstanzen:

AG Pankow/Weißensee – Urteil vom 24. Januar 2018 – 7 C 245/17
LG Berlin – Urteil vom 28. Januar 2021 – 65 S 52/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 16a NachbarG Bln Wärmeschutzüberbau der Grenzwand

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.
(2) Im Falle des Wärmeschutzüberbaus ist der duldungsverpflichtete Nachbar berechtigt, die Beseitigung des Überbaus zu verlangen, wenn und soweit er selbst zulässigerweise an die Grenzwand anbauen will.
(3) Der Begünstigte des Wärmeschutzüberbaus muss die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand erhalten. Er ist zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet.
(4) § 17 Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) § 912 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt entsprechend.

§ 912 BGB Überbau; Duldungspflicht

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.
(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

Art. 124 EGBGB Nachbarschaftsrecht

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen. Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften, nach welchen Anlagen sowie Bäume und Sträucher nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden dürfen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 14. Juni 2022, 10.00 Uhr in Sachen VI ZR 172/20 („Wittenberger Sau“) (Verhandlungstermin: 30.5.2022)

Datum: 14.06.2022
Akkreditierungsschluss: 13.06.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über einen Anspruch auf Entfernung eines Sandsteinreliefs von einer Kirchenfassade zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die beklagte Kirchengemeinde ist Eigentümerin der Wittenberger Stadtkirche, an deren Außenfassade sich seit etwa dem Jahr 1290 ein Sandsteinrelief befindet. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte als Juden identifiziert werden. Eine durch einen Hut als Rabbiner zu identifizierende Figur hebt den Schwanz der Sau und blickt ihr in den After. Im Jahr 1570 wurde in Anlehnung an zwei von Martin Luther 1543 veröffentlichte antijudaistische Schriften über der Sau die Inschrift „Rabini Schem Ha Mphoras“ angebracht. Im Jahr 1983 entschied der Gemeindekirchenrat im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche, das Relief an seinem Ort zu belassen und ebenfalls zu sanieren. Am 11. November 1988 wurde unter dem Relief eine in Bronze gegossene quadratische Bodenreliefplatte mit einer Inschrift eingeweiht. Der Text der Inschrift lautet: "Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb in 6 Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen". In Hebräischer Schrift ist darüber hinaus der Beginn von Psalm 130 wiedergegeben, der – übersetzt - lautet: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir". Auf einem in unmittelbarer Nähe angebrachten Schrägaufsteller heißt es:

„An der Südostecke der Stadtkirche Wittenberg befindet sich seit etwa 1290 ein Hohn- und Spottbild auf die jüdische Religion. Schmähplastiken dieser Art, die Juden in Verbindung mit Schweinen zeigen - Tiere, die im Judentum als unrein gelten - waren besonders im Mittelalter verbreitet. Es existieren noch etwa fünfzig derartige Bildwerke.

Judenverfolgungen fanden in Sachsen Anfang des 14. Jahrhunderts und 1440 statt, 1536 wurde Juden der Aufenthalt in Sachsen grundsätzlich verboten.
Martin Luther veröffentlichte 1543 die antijudaistischen Schriften „Von den Juden und ihren Lügen“ und „Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi“, auf die sich die Inschrift der Schmähplastik bezieht. Sie wurde 1570 angebracht wie der lateinische Text an der Traufe, der die von Martin Luther angestoßene Reformation mit der Tempelreinigung Jesu (Matthäus 21) gleichsetzt und gegen „Papisten“ polemisiert.
Das Mahnmal unterhalb der Schmähplastik wurde im November 1988 enthüllt, fünfzig Jahre nach dem Beginn der Judenpogrome im nationalsozialistisch beherrschten Deutschland. Die in Bronze gegossene Bodenplatte zeigt vier gegeneinander verkippte Trittplatten, die aussehen, als seien sie in morastigem Untergrund verlegt. Die Fugen ergeben ein Kreuzeszeichen. Der umlaufende Text verbindet die Inschrift der Schmähplastik mit dem Holocaust: „Gottes eigentlicher Name / der geschmähte Schem Ha Mphoras / den die Juden vor den Christen / fast unsagbar heilig hielten / starb in sechs Millionen Juden / unter einem Kreuzeszeichen.“ Dazu steht in hebräischer Schrift der Beginn von Psalm 130: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“. Die Bronzeplatte entwarf der Bildhauer Wieland Schmiedel. Die Umschrift verfasste der Schriftsteller Jürgen Rennert.“

Der Kläger ist Jude und Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten in erster Linie die Entfernung des Sandsteinreliefs; für den Fall, dass der Beklagten dies aus Denkmalschutzgründen nicht möglich sein sollte, begehrt er hilfsweise die Feststellung, dass das Relief den objektiven und subjektiven Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfülle.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das öffentlich sichtbare Vorhalten des Reliefs verwirkliche weder den objektiven Tatbestand der Beleidigung des § 185 StGB noch verletze es das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Zwar habe das Relief ursprünglich dazu gedient, Juden verächtlich zu machen, zu verhöhnen und herabzuwürdigen. Bei isolierter Betrachtung wäre es deshalb als Beleidigung von Juden zu werten. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände sei ihm ein rechtsverletzender Sinngehalt aber nicht mehr zu entnehmen. Es sei inzwischen Teil eines nach den örtlichen Verhältnissen nicht zu übersehenden Ensembles von Exponaten, die die Zielrichtung der Beklagten erkennen ließen, es als Teil einer Gedenk- und Erinnerungskultur zu erhalten. Der Informationstext auf dem Schrägaufsteller bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich die Beklagte von Judenverfolgungen, den antijudaistischen Schriften Luthers und insbesondere auch von der verhöhnenden und verspottenden Zielrichtung der „Schmähplastik“ distanziere.

Vorinstanzen:

LG Dessau-Roßlau - 2 O 230/18 - Entscheidung vom 24. Mai 2019
OLG Naumburg - 9 U 54/19 - Entscheidung vom 4. Februar 2020

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 13. Juni 2022, 12.00 Uhr, in Sachen VIa ZR 418/21("Dieselverfahren"; Sammelklageninkasso für Schweizer Erwerber)

Datum: 13.06.2022
Akkreditierungsschluss: 10.06.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 13. Juni 2022 über die Frage verhandeln, ob ein Inkassodienstleister sich wirksam Schadensersatzforderungen abtreten lassen kann, deren sich Schweizer Erwerber von Kraftfahrzeugen gegen die beklagte Volkswagen AG berühmen.

Sachverhalt:
Einer dieser Erwerber, der spätere Zedent, ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz, kaufte im Februar 2015 in der Schweiz von einer Schweizer Vertragshändlerin der beklagten Fahrzeugherstellerin einen VW Tiguan mit Erstzulassung 2015. In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete sie vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen Stickoxid-optimierten Abgasrückführungsmodus 1 (Prüfstanderkennungssoftware). Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Das Kraftfahrt-Bundesamt bewertete diese Software als unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete für die betroffenen Fahrzeuge einen Rückruf an. In der Schweiz erließ das Bundesamt für Straßen (ASTRA) im Oktober 2015 ein vorläufiges Zulassungsverbot für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189, von dem das Fahrzeug des Zedenten nicht betroffen war. Der Erwerber ließ Ende 2016 ein Software-Update aufspielen.
Am 18. Dezember 2017 trat der Erwerber seine Forderungen gegen die Beklagte an die Klägerin, eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) registrierte Inkassodienstleisterin in der Rechtsform einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, treuhänderisch zur Einziehung ab. Die Klägerin sollte die Forderung zunächst außergerichtlich geltend machen. Im Falle des Scheiterns der außergerichtlichen Geltendmachung sollte die Klägerin die Ansprüche im eigenem Namen gerichtlich geltend machen, wobei ihr im Erfolgsfall eine Provision zukommen sollte. Der Erwerber und Zedent sollte für etwaige Kosten der Rechtsverfolgung nicht aufkommen müssen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin, die sich in über 2000 Fällen in entsprechender Weise Forderungen von Schweizer Erwerbern treuhänderisch zur Einziehung hat abtreten lassen, hat bei dem Landgericht 2019 eine Klage erhoben, in der sie sämtliche Forderungen zum Gegenstand von Feststellungsbegehren gemacht hat. Das Landgericht hat das Verfahren die Ansprüche des Zedenten betreffend abgetrennt. Auf richterlichen Hinweis hat die Klägerin sodann ihren Antrag umgestellt und die Beklagte auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrags, mindestens jedoch CHF 5.394 (15% des Kaufpreises als Minderwert) zuzüglich Zinsen ab Übergabe des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin fehle für die Geltendmachung der Schadensersatzforderung des Zedenten die Aktivlegitimation. Die Klägerin habe für die Geltendmachung der Forderung, die Schweizer Recht unterfalle, einer Erlaubnis nicht nur – wie vorhanden – nach § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, sondern nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedurft, über die sie nicht verfüge. Folge des Fehlens der Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RDG sei, dass die Klägerin durch ihr Tätigwerden gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen habe. Dieser Verstoß führe nicht nur zur Nichtigkeit des der Abtretung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Dienstleistungsvertrags mit dem Zedenten, sondern auch zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Braunschweig – Urteil vom 30. April 2020 – 11 O 3092/19
Oberlandesgericht Braunschweig – Urteil vom 7. Oktober 2021 – 8 U 40/21

Die maßgeblichen Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes lauten:

§ 10 Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde

(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:
1. Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1),
2. […]
3. Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht; ist das ausländische Recht das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, darf auch auf dem Gebiet des Rechts der Europäischen Union und des Rechts des Europäischen Wirtschaftsraums beraten werden.
Die Registrierung kann auf einen Teilbereich der in Satz 1 genannten Bereiche beschränkt werden, wenn sich der Teilbereich von den anderen in den Bereich fallenden Tätigkeiten trennen lässt und der Registrierung für den Teilbereich keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses entgegenstehen.

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 13. Juni 2022, 13.00 Uhr, in Sachen VIa ZR 680/21("Dieselverfahren"; Gewährung von Restschadensersatz bei EU-Reimport)

Datum: 13.06.2022
Akkreditierungsschluss: 10.06.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) wird am 13. Juni 2022 in einer Sache verhandeln, die die Gewährung von Restschadensersatz bei EU-Reimporten in einem Dieselverfahren betrifft.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Er bestellte am 13. August 2014 bei einem deutschen Händler als EU-Reimport einen Neuwagen des Typs VW Tiguan zum Preis von 30.000 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 25. Oktober 2014 mit einer EG-Übereinstimmungsbescheinigung und einer Laufleistung von 0 km übergeben. Der deutsche Händler hatte das Fahrzeug zuvor von einem Händler in einem anderen EU-Mitgliedstaat erhalten, der es von der Beklagten erworben hatte.

Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die hinsichtlich der Abgasrückführung zwischen Prüfstand und gewöhnlichem Fahrbetrieb unterschied, sodass die Emissionsgrenzwerte für Stickoxide nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) beanstandete die Software im Jahr 2015. Die Beklagte entwickelte ein Software-Update, das vom KBA zugelassen wurde. Die Beklagte informierte den Kläger im Februar 2016 über die Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal. Im November 2016 ließ der Kläger das Software-Update aufspielen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der am 30. November 2020 erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 30.000 € nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.725,37 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers, mit der er die Höhe der anzurechnenden Nutzungsentschädigung etwas reduziert und hilfsweise beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung von 7.500 € ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt zu verurteilen, hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels gemäß dem Hilfsantrag ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt verurteilt, 2.250 € an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte sei dem Kläger dem Grunde nach gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz in Form der Rückgängigmachung des Kaufvertrags über das Fahrzeug verpflichtet. Dieser Anspruch sei jedoch, worauf sich die Beklagte berufen habe, verjährt, da der Kläger spätestens im Februar 2016 Kenntnis sowohl vom sogenannten Abgasskandal im Allgemeinen als auch von der Betroffenheit seines Fahrzeugs gehabt habe.

Die Beklagte habe allerdings gemäß § 852 Satz 1 BGB den auf Kosten des Klägers erlangten Kaufpreis herauszugeben, soweit er ihr nach Abzug der Herstellungskosten und der Händlermarge verblieben sei. Dass der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von der Beklagten, sondern über einen Händler als reimportierten EU-Neuwagen erworben habe, schließe die Anwendung des § 852 Satz 1 BGB nicht aus. Auch wenn die Beklagte das Neufahrzeug zunächst in das EU-Ausland verkauft und den Kaufpreis unmittelbar von dem erwerbenden Händler erhalten habe, habe sie ihn doch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht auf dessen Kosten, sondern auf Kosten des Klägers erlangt.

Die Beklagte habe in einer mit der Berufungserwiderung vorgelegten Anlage dargelegt, dass sie als Herstellerin jedes einzelne Kraftfahrzeug sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland an einen Vertragshändler übergebe, der es regelmäßig mit einer Händlermarge an den Endkunden verkaufe. Der Erwerb im Wege des EU-Reimports unterscheide sich nicht vom Erwerb in der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr werde das bestellte Fahrzeug, wenn es wie hier ohne Papiere und Zulassung übergeben werde, vom Händler lediglich durchgereicht, weshalb ein solcher Verkauf nicht außerhalb der Wertschöpfungskette der Beklagten liege.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt, mit der er seine Berufungsanträge teilweise weiter geltend macht und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 30.000 € nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von nunmehr 10.715,70 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen.

Vorinstanzen:

Landgericht Ravensburg - Urteil vom 13. April 2021 - 4 O 379/20
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 18. November 2021 - 14 U 58/21

Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs lauten:

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 852 Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 2. Juni 2022 um 9.00 Uhr in Sachen VII ZR 174/19 (Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsätze)

Datum: 02.06.2022
Akkreditierungsschluss: 01.06.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der schwerpunktmäßig unter anderem für das Architektenrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Rahmen der Vergütungsklage eines Ingenieurs darüber zu entscheiden, ob die Mindestsätze der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) in der Fassung aus dem Jahr 2013 in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen weiterhin als verbindliches Preisrecht Anwendung finden, obwohl der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem von der Europäischen Kommission betriebenen Vertragsverletzungsverfahren durch Urteil vom 4. Juli 2019 (C-377/17) entschieden hat, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe g) und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat.

Sachverhalt:

Der Kläger, der ein Ingenieurbüro betreibt, verlangt von der Beklagten die Zahlung restlicher Vergütung aufgrund eines im Jahre 2016 abgeschlossenen Ingenieurvertrages, in dem die Parteien für die vom Kläger zu erbringenden Ingenieurleistungen bei einem Bauvorhaben der Beklagten ein Pauschalhonorar in Höhe von 55.025 € vereinbart hatten.

Nachdem der Kläger den Ingenieurvertrag gekündigt hatte, rechnete er im Juli 2017 seine erbrachten Leistungen in einer Honorarschlussrechnung auf Grundlage der Mindestsätze der HOAI 2013 ab. Mit der Klage hat er eine noch offene Restforderung in Höhe von 102.934,59 € brutto geltend gemacht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 100.108,34 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 96.768,03 € verurteilt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Das Oberlandesgericht hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein restlicher Vergütungsanspruch nach den Mindestsätzen der HOAI 2013 zu. Die im Ingenieurvertrag getroffene Pauschalpreisvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen den Mindestpreischarakter der HOAI als zwingendes Preisrecht unwirksam. Das im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ergangene Urteil des EuGH ändere nichts an der Anwendbarkeit der maßgeblichen Bestimmungen der HOAI 2013 zum Mindestpreischarakter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 14. Mai 2020 (vgl. Pressemitteilung Nr. 59/2020) ausgesetzt und dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen mehrere Fragen zur Fortgeltung der in der HOAI 2013 statuierten verbindlichen Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen der Architekten und Ingenieure vorgelegt.

Der EuGH hat mit Urteil vom 18. Januar 2022 - C-261/20 über diese Fragen entschieden. Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung fortsetzen.

Vorinstanzen:

VII ZR 174/19
LG Essen - Urteil vom 28. Dezember 2017 - 6 O 351/17
OLG Hamm - Teilverzichts- und Schlussurteil vom 23. Juli 2019 - 21 U 24/18 (BauR 2019, 1810)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (2013)

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt die Berechnung der Entgelte für die Grundleistungen der Architekten und Architektinnen und der Ingenieure und Ingenieurinnen (Auftragnehmer oder Auftragnehmerinnen) mit Sitz im Inland, soweit die Grundleistungen durch diese Verordnung erfasst und vom Inland aus erbracht werden.

§ 7 Honorarvereinbarung

(1) Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.
(2) …
(3) Die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze können durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden.
(4) …
(5) Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist, wird unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze gemäß Absatz 1 vereinbart sind.
(6) …

Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie)

Art. 15 Zu prüfende Anforderungen

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.
(2) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:

g) der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer;

(3) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:
a) Nicht-Diskriminierung: die Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder - bei Gesellschaften - aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;
b) Erforderlichkeit: die Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;
c) Verhältnismäßigkeit: die Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.
(5-7) …

Akkreditierungsbedingungen


Verkündungstermin am 2. Juni 2022, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17, I ZR 135/18 und I ZR 140/15 (Zur Haftung der Diensteanbieter „YouTube“ und „uploaded“ für urheberrechtsverletzende Inhalte) (Verhandlungstermin: 24.2.2022)

Datum: 02.06.2022
Akkreditierungsschluss: 01.06.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Haftung des Betreibers der Internetvideoplattform "YouTube" und des Betreibers des Internetsharehosting-Dienstes "uploaded" für von Dritten hochgeladene urheberrechtsverletzende Inhalte zu entscheiden.

Zum Verfahren I ZR 140/15:

Sachverhalt:

Der Kläger ist Musikproduzent. Er hat mit der Sängerin Sarah Brightman im Jahr 1996 einen Künstlerexklusivvertrag geschlossen, der ihn zur Auswertung von Aufnahmen ihrer Darbietungen berechtigt. Im November 2008 erschien das Studioalbum "A Winter Symphony" mit von der Sängerin interpretierten Musikwerken. Zugleich begann die Künstlerin die Konzerttournee "Symphony Tour", auf der sie die auf dem Album aufgenommenen Werke darbot. Der Kläger behauptet, er habe dieses Album produziert.

Die Beklagte zu 3 betreibt die Internetplattform "YouTube", auf die Nutzer kostenlos audiovisuelle Beiträge einstellen und anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1 ist alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 3.

Anfang November 2008 waren bei "YouTube" Videos mit Musikwerken aus dem Repertoire von Sarah Brightman eingestellt, darunter private Konzertmitschnitte und Musikwerke aus ihren Alben. Nach einem anwaltlichen Schreiben des Klägers sperrte die Beklagte zu 3 jedenfalls einen Teil der Videos. Am 19. November 2008 waren bei "YouTube" erneut Tonaufnahmen von Darbietungen der Künstlerin abrufbar, die mit Standbildern und Bewegtbildern verbunden waren.

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben näher bezeichnete Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin Sarah Brightman aus dem Studioalbum "A Winter Symphony" öffentlich zugänglich zu machen. Ferner hat es die Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft über die Nutzer der Plattform verurteilt, die diese Musiktitel unter Pseudonymen auf das Internetportal hochgeladen haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit den vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter und erstreben die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage.

Zu den Verfahren I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17 und I ZR 135/18:

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt den Sharehosting-Dienst "uploaded" im Internet. Dieser Dienst bietet jedermann kostenlos Speicherplatz für das Hochladen von Dateien beliebigen Inhalts. Für jede hochgeladene Datei erstellt die Beklagte automatisch einen elektronischen Verweis (Download-Link) auf den Dateispeicherplatz und teilt diesen dem Nutzer automatisch mit. Die Beklagte bietet für die bei ihr abgespeicherten Dateien weder ein Inhaltsverzeichnis noch eine entsprechende Suchfunktion. Allerdings können Nutzer die Download-Links in sogenannte Linksammlungen im Internet einstellen. Diese werden von Dritten angeboten und enthalten Informationen zum Inhalt der auf dem Dienst der Beklagten gespeicherten Dateien. Auf diese Weise können andere Nutzer auf die auf den Servern der Beklagten abgespeicherten Dateien zugreifen.

Der Download von Dateien von der Plattform der Beklagten ist kostenlos möglich. Allerdings sind Menge und Geschwindigkeit für nicht registrierte Nutzer und solche mit einer kostenfreien Mitgliedschaft beschränkt. Zahlende Nutzer haben, bei Preisen zwischen 4,99 € für zwei Tage bis 99,99 € für zwei Jahre, ein tägliches Downloadkontingent von 30 GB bei unbeschränkter Downloadgeschwindigkeit. Zudem zahlt die Beklagte den Nutzern, die Dateien hochladen, Downloadvergütungen, und zwar bis zu 40 € für 1.000 Downloads.

Der Dienst der Beklagten wird sowohl für legale Anwendungen genutzt als auch für solche, die Urheberrechte Dritter verletzen. Die Beklagte erhielt bereits in der Vergangenheit in großem Umfang Mitteilungen über die Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte von im Auftrag der Rechtsinhaber handelnden Dienstleistungsunternehmen. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist es den Nutzern untersagt, über die Plattform der Beklagten Urheberrechtsverstöße zu begehen.

Die Klägerinnen in den Verfahren I ZR 53/17 und I ZR 54/17 sind Verlage, die Klägerinnen in den Verfahren I ZR 55/17 und I ZR 135/18 sind Musikunternehmen, die Klägerin im Verfahren I ZR 56/17 ist die GEMA und die Klägerin im Verfahren I ZR 57/17 ist ein Filmunternehmen. Die Klägerinnen sehen jeweils Rechtsverletzungen darin, dass über die externen Linksammlungen Dateien auf den Servern der Beklagten erreichbar seien, die Werke enthielten, an denen ihnen beziehungsweise im Verfahren I ZR 56/17 den Rechtsinhabern, deren Rechte die GEMA wahrnehme, Nutzungsrechte zustünden. Außer in den Verfahren I ZR 57/17 und I ZR 135/18 haben die Klägerinnen die Beklagte in erster Linie als Täterin, hilfsweise als Teilnehmerin und weiter hilfsweise als Störerin auf Unterlassung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht beantragt. Im Verfahren I ZR 57/17 wird die Beklagte nur auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht und im Verfahren I ZR 135/18 auf Unterlassung und Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

In den Verfahren I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 56/17 und I ZR 57/17 haben die Landgerichte die Beklagte wegen Teilnahme an den Rechtsverletzungen zur Unterlassung verurteilt, sofern dies beantragt war, und den Anträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht stattgegeben. In den Verfahren I ZR 55/17 und I ZR 135/18 haben die Landgerichte die Beklagte als Störerin zur Unterlassung und im Verfahren I ZR 135/18 darüber hinaus zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten verurteilt. Im Übrigen haben die Landgerichte die Klagen abgewiesen.

Die Oberlandesgerichte haben angenommen, die Beklagte sei nur als Störerin zur Unterlassung und im Verfahren I ZR 135/18 zudem zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten verpflichtet; im Übrigen haben sie die Klagen abgewiesen. In den Verfahren I ZR 53/17 und I ZR 135/18 haben die Oberlandesgerichte darüber hinaus angenommen, dass sich hinsichtlich einzelner Werke nicht feststellen lasse, dass die Beklagte diesbezüglich Prüfpflichten verletzt habe; insoweit haben sie die Klagen vollständig abgewiesen.

Mit den im Verfahren I ZR 135/18 vom Oberlandesgericht und im Übrigen vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Weiterer Prozessverlauf in allen sieben Verfahren:

Der Bundesgerichtshof hat die Verfahren I ZR 140/15 (YouTube) und I ZR 53/17 (uploaded) mit Beschlüssen vom 13. und 20. September 2018 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt und der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt (dazu Pressemitteilungen Nr. 150/2018 vom 13. September 2018 und Nr. 156/2018 vom 20. September 2018). Die Verfahren I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17 und I ZR 135/18 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren I ZR 53/17 ausgesetzt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 22. Juni 2021 - C-682/18 und C-683/18 (YouTube und Cyando) im Wesentlichen entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen ist, dass seitens des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform, auf der Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können, keine "öffentliche Wiedergabe" dieser Inhalte im Sinne dieser Bestimmung erfolgt, es sei denn, er trägt über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, sofern dieser Betreiber keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass der Inhaber eines Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts nach nationalem Recht eine gerichtliche Anordnung gegen den Vermittler, dessen Dienst von einem Dritten zur Verletzung seines Rechts genutzt wurde, ohne dass der Vermittler hiervon Kenntnis im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG gehabt hätte, erst erlangen kann, wenn diese Rechtsverletzung vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zunächst dem Vermittler gemeldet wurde und wenn dieser nicht unverzüglich tätig geworden ist, um den fraglichen Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sperren und dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen.

Der Bundesgerichtshof wird nun im Verfahren I ZR 135/18 erstmalig mündlich verhandeln und im Übrigen die mündlichen Verhandlungen fortsetzen.

Vorinstanzen:

I ZR 140/15
LG Hamburg - Urteil vom 3. September 2010 - 308 O 27/09
OLG Hamburg - Urteil vom 1. Juli 2015 - 5 U 175/10

und

I ZR 53/17
LG München I - Urteil vom 18. März 2016 - 37 O 6199/14
OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 1797/16

und

I ZR 54/17
LG München I - Urteil vom 31. März 2016 - 7 O 6201/14
OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 1818/16

und

I ZR 55/17
LG München I - Urteil vom 31. Mai 2016 - 33 O 6198/14
OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 2874/16

und

I ZR 56/17
LG München I - Urteil vom 10. August 2016 - 21 O 6197/14
OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 3735/16
und

I ZR 57/17
LG München I - Urteil vom 31. März 2016 - 7 O 6202/14
OLG München - Urteil vom 2. März 2017 - 29 U 1819/16

und

I ZR 135/18
LG Hamburg - Urteil vom 7. Juli 2016 - 310 O 208/15
OLG Hamburg - Urteil vom 28. Juni 2018 - 5 U 150/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.

Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewußt, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder
b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewußtsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 1. Juni 2022, 10.00 Uhr in Sachen VIII ZR 287/20 (Weiteres Verfahren der Klageserie gegen Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen)

Datum: 01.06.2022
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Im Anschluss an sein Urteil vom 6. April 2022 (siehe hierzu Pressemitteilung Nr. 60/2022) wird sich der unter anderem für das Energielieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in diesem Verhandlungstermin erneut mit Rechtsfragen zu Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen befassen. Es handelt sich um ein weiteres von zahlreichen beim Senat anhängigen Verfahren, in denen Ansprüche gegen ein Berliner Energieversorgungsunternehmen geltend gemacht werden.

Sachverhalt:

Die Beklagte belieferte die Kläger in den Jahren 2002 bis 2018 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellte die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasste.

Im Januar 2019 entschied das Kammergericht in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit, dass die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht genüge und damit sämtliche in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten enthaltenen Anpassungsklauseln also auch die den Bereitstellungspreis betreffende nach § 139 BGB unwirksam seien. Unter Berufung auf dieses Urteil hielten die Kläger wie andere Kunden auch die entrichteten Wärmeentgelte für überhöht und verlangten Rückerstattung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf Rückzahlung in den Jahren 2015 bis 2018 vermeintlich überzahlter Arbeits- und Bereitstellungspreise in Höhe von 1.350,24 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht zunächst Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen.

Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Preisänderungsklausel betreffend den Arbeitspreis zwar nach § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV intransparent und deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam sei. Dies erfasse jedoch nicht zugleich die Anpassungsklausel zum Bereitstellungspreis, da es sich um jeweils voneinander getrennte und keinen rechnerischen Zusammenhang aufweisende Preisänderungsformeln handele (vgl. hierzu bereits Pressemitteilung Nr. 60/2022).

Aber auch bezüglich der von der Beklagten abgerechneten Arbeitspreise liege im streitgegenständlichen Zeitraum keine Überzahlung vor, da insoweit entgegen der Auffassung der Kläger nicht auf die bei Abschluss des Vertrags im Jahr 2002 vereinbarten (deutlich niedrigeren) Anfangspreise abzustellen sei. Vielmehr könnten Kunden bei Energielieferungsverträgen nach der sogenannten Dreijahreslösung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu etwa Pressemitteilung Nr. 35/2012 sowie Senatsurteil vom 24. September 2014 - VIII ZR 350/13, NJW 2014, 3639 Rn. 16 f.) unwirksame Preiserhöhungen nur dann geltend machen, soweit sie diese innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ab Zugang der Jahresabrechnung, in der die jeweilige Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstandet hätten. Danach seien vorliegend die Arbeitspreise des Jahres 2014 maßgebend, weil die Kläger den unwirksamen Preiserhöhungen erstmals im Februar 2019 widersprochen hätten. Hiernach sei es im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum jedoch zu keinen Überzahlungen gekommen, da die von der Beklagten in den Jahren 2015 bis 2018 abgerechneten Arbeitspreise nicht über dem Preis des Jahres 2014 gelegen hätten.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des (stattgebenden) erstinstanzlichen Urteils. Sie sind unter anderem der Auffassung, die sogenannte Dreijahreslösung des Bundesgerichtshofs sei mit der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG ("Klausel-Richtlinie") nicht vereinbar.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Schöneberg – 107 C 76/19 – Urteil vom 30. Januar 2020
Landgericht Berlin – 3 S 7/20 – Urteil vom 11. September 2020

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 134 Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 139 BGB Teilnichtigkeit

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in der bis zum 4. Oktober 2021 gültigen Fassung:

§ 1 Gegenstand der Verordnung

(1) 1Soweit Fernwärmeversorgungsunternehmen für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und für die Versorgung mit Fernwärme Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (allgemeine Versorgungsbedingungen), gelten die §§ 2 bis 34. […]

§ 24 Abrechnung, Preisänderungsklauseln
[…]
(4) 1Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. 2Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. […]

Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

Artikel 6
(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.
[…]

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin aufgehoben, weil der Rechtsstreit in der Hauptsache weitgehend für erledigt erklärt worden ist. -----Verhandlungstermin am 5. Mai 2022, 9:00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 209/20 ("Dieselverfahren": Volkswagen AG, EA 897, "Aufheizstrategie")

Datum: 05.05.2022
Akkreditierungsschluss: 10.05.2022
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in einem zur mündlichen Verhandlung anstehenden Verfahren über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Einbau eines Motors des Typs EA 897 in ein von der Volkswagen AG hergestelltes Fahrzeug zu entscheiden.

Sachverhalt:

In dem Verfahren nimmt der Kläger die beklagte Fahrzeugherstellerin - die Volkswagen AG - auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger erwarb im September 2014 einen von der Volkswagen AG hergestellten Pkw VW Touareg V6 TDI Bluemotion Technology 3.0 TDI (Euro 6) als Neufahrzeug zum Preis von 56.990 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der - hier nicht beklagten - AUDI AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet.

Das Fahrzeug unterlag einem im Dezember 2017 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen. Nach den Feststellungen des KBA enthält das Motorsteuerungsgerät unter anderem in Form der von ihm so bezeichneten Strategie A eine unzulässige Abschalteinrichtung ("Aufheizstrategie"), die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiviert sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die zuletzt in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz überwiegend Erfolg.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hafte gemäß §§ 826, 31 BGB. Sie habe vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt, indem sie das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen in den Verkehr gebracht habe. Der Motor habe ausweislich der Beurteilung des KBA, an die das Berufungsgericht gebunden sei, eine solche unzulässige Abschalteinrichtung jedenfalls in Form der "Aufheizstrategie" enthalten. Der Einbau der so manipulierten Motorsteuerungssoftware im Fahrzeug des Klägers sei mit Wissen und Wollen der Beklagten erfolgt. Zwar habe die AUDI AG als Tochterkonzern der Beklagten die bewusst auf den Prüfstand zugeschnittene unzulässige Abschalteinrichtung in den von ihr hergestellten Motor implementiert. Es liege jedoch ein eigenes vorsätzliches Handeln der Beklagten vor. Die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software sei zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen sowie jahrelang umgesetzt worden. Der Kläger habe hierzu ausreichend vorgetragen, während die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen sei, so dass der Klägervortrag als zugestanden anzusehen sei.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...] "Abschalteinrichtung" ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...]

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]
Vorinstanzen:

VII ZR 209/20

Landgericht Aurich – Urteil vom 16. Dezember 2019 – 5 O 376/19
Oberlandesgericht Oldenburg – Urteil vom 16. Oktober 2020 – 11 U 2/20

Akkreditierungsbedingungen


Verhandlungstermin am 21. April 2022, 9:00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 247/21, 285/21 und 783/21 ("Dieselverfahren"; Bemessung des Nutzungsvorteils beim Leasing)

Datum: 21.04.2022
Akkreditierungsschluss: 20.04.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in drei gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden "Dieselverfahren" erneut darüber zu entscheiden, wie der Nutzungsvorteil zu bemessen ist, der auf den etwaigen Schadensersatzanspruch eines Leasingnehmers anzurechnen ist.

Sachverhalt:

In den drei Verfahren nimmt die jeweilige Klagepartei die beklagte Volkswagen AG als Fahrzeug- bzw. Motorherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Im Verfahren VII ZR 247/21 schloss die Klägerin im Frühjahr 2010 mit der Volkswagen Leasing GmbH einen Leasingvertrag über ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug des Typs VW Golf. In der Folgezeit zahlte sie die vereinbarten monatlichen Leasingraten, bis sie das Fahrzeug im Juni 2013 kaufte.

Im Verfahren VII ZR 285/21 schloss der Kläger am 29. Mai 2015 mit der Volkswagen Leasing GmbH einen Leasingvertrag über ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug vom Typ VW Tiguan. Vertragsgemäß erbrachte er in der Folgezeit eine Einmalzahlung sowie monatliche Zahlungen, bis er das Fahrzeug im März 2018 kaufte.

Im Verfahren VII ZR 783/21 schloss die Klägerin am 7. Dezember 2011 mit der Volkswagen Leasing GmbH einen Leasingvertrag über ein Neufahrzeug des Typs Seat Ibiza 2.0 TDI. Sie leistete eine Sonderanzahlung und monatliche Raten, zudem wandte sie 1.178,29 € für den Einbau eines Gewindefahrwerks auf. Am 2. August 2016 kaufte sie das Fahrzeug.

In den Fahrzeugen ist jeweils ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut. Die Motoren enthielten bei Abschluss der Leasingverträge eine Software, die den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.

Die Klageparteien haben in den Vorinstanzen, soweit für die Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen die Erstattung ihrer Leasingzahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung begehrt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klagen hatten vor dem jeweiligen Berufungsgericht jeweils zum Teil Erfolg. Die Berufungsgerichte haben übereinstimmend angenommen, dass den Klageparteien ein Anspruch auf Erstattung ihrer Leasingzahlungen (im Verfahren VII ZR 783/21 zuzüglich der Aufwendungen für das Gewindefahrwerk) unter Anrechnung gezogener Nutzungsvorteile zustehe. Der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile entspreche nicht den Leasingzahlungen, sondern sei nach der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berechnungsformel (so die Berufungsgerichte in den Verfahren VII ZR 247/21 und 783/21) bzw. gemäß dem während der Leasingzeit eingetretenen Wertverlust des Fahrzeugs (so das Berufungsgericht im Verfahren VII ZR 285/21) zu bemessen.

Mit ihren von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen erstrebt die Beklagte in den Verfahren VII ZR 285/21 und 783/21 jeweils die vollständige Abweisung der Klage; im Verfahren VII ZR 247/21 möchte sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen, durch das sie lediglich zur Erstattung des im Juni 2013 von der Klägerin gezahlten Kaufpreises abzüglich der nach dem Kauf gezogenen Nutzungen verurteilt worden war.

Vorinstanzen:

VII ZR 247/21:

Landgericht Köln - Urteil vom 24. März 2020 - 32 O 308/18
Oberlandesgericht Köln - Urteil vom 17. Dezember 2020 - 15 U 84/20

und

VII ZR 285/21:

Landgericht Köln - Urteil vom 4. Juni 2020 - 19 O 334/19
Oberlandesgericht Köln - Urteil vom 25. Februar 2021 - 18 U 138/20

und

VII ZR 783/21:

Landgericht Koblenz - Urteil vom 24. Juni 2020 - 15 O 46/18
Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 8. Juli 2021 - 1 U 1129/20

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 7. April 2022, 9.00 Uhr in Sachen I ZR 222/20 (urheberrechtliche Ansprüche eines Konstrukteurs der Porsche AG auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a UrhG)

Datum: 07.04.2022
Akkreditierungsschluss: 06.04.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über urheberrechtliche Ansprüche auf weitere angemessene Beteiligung des früheren Leiters der Abteilung Karosserie-Konstruktion der Porsche AG am wirtschaftlichen Erfolg des Porsche 911 zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist die Porsche AG. Die Klägerin ist die Tochter des im Jahr 1966 verstorbenen früheren Leiters der Abteilung Karosserie-Konstruktion der Beklagten. Dieser war im Rahmen seiner Tätigkeit mit der Entwicklung des ab 1950 produzierten Fahrzeugmodells Porsche 356 und dessen seit 1963 gebauten Nachfolgemodells Porsche 911 befasst. Der Umfang seiner Beteiligung an der Gestaltung dieser Modelle ist zwischen den Parteien streitig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin verlangt als Erbin ihres Vaters und aus abgetretenem Recht von der Beklagten gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ab dem 1. Januar 2014 eine angemessene Beteiligung an den Erlösen aus dem Verkauf der ab 2011 produzierten Baureihe 991 des Porsche 911. Sie meint, bei den Fahrzeugen dieser Baureihe seien wesentliche Gestaltungselemente der unter maßgeblicher Beteiligung ihres Vaters entwickelten Ursprungsmodelle des Porsche 356 und des Porsche 911 übernommen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerin habe zwar bewiesen, dass ihr Vater die äußere Gestaltung der Karosserie des Porsche 356 in seiner Urform, bei der es sich um ein Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele, geschaffen habe und er somit nach § 7 UrhG deren Urheber sei. Die Baureihe 991 des Porsche 911 sei aber jedenfalls gemäß § 24 Abs. 1 UrhG in freier Benutzung der äußeren Gestaltung der Karosserie des Porsche 356 geschaffen worden, die allenfalls als Anregung für die neue Gestaltung gedient habe. Eine solche Nutzung begründe keinen Anspruch auf angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG. Hinsichtlich der äußeren Gestaltung der Karosserie des Porsche 911 in ihrer Urform sei der Klägerin schon nicht der Nachweis gelungen, dass ihr Vater deren Miturheber sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG

Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke.

§ 2 Abs. 2 UrhG

Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

§ 7 UrhG

Urheber ist der Schöpfer des Werkes.

§ 24 Abs. 1 UrhG

Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

§ 32a Abs. 1 UrhG

Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 26. Juli 2018 - 17 O 1324/17
OLG Stuttgart - Urteil vom 20. November 2020 - 5 U 125/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen III ZR 79/21 am 17. März 2022, 10.00 Uhr, Saal E 101 über Entschädigung/Schadensersatz für coronabedingte Betriebsschließung (Verhandlung: 3.3.2022)

Datum: 17.03.2022
Akkreditierungsschluss: 16.03.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Amts- und Staatshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat wird am 3. März 2022 über einen Anspruch wegen der Schließung eines Gastronomiebetriebs aufgrund der brandenburgischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Corona-Virus SARS-CoV2 und COVID-19 vom 22. März 2020 verhandeln.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Inhaber eines Hotel- und Gaststättenbetriebs. Er musste aufgrund der Verordnung seine Gaststätte zeitweise schließen und sich auf den Außerhausverkauf von Speisen und Getränken beschränken. Die Investitionsbank Brandenburg gewährte dem Kläger eine Coronasoforthilfe. Er verlangt vom Land Brandenburg den Ersatz seiner den ausgezahlten Betrag übersteigenden Einbußen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf das Infektionsschutzgesetz, das brandenburgische Ordnungsbehörden-gesetz, enteignenden beziehungsweise enteignungsgleichen Eingriff und auf § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG gestützte Klage ist vor dem Land- und dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Potsdam - Urteil vom 24. Februar 2021 - 4 O 146/20
Oberlandesgericht Brandenburg - Urteil vom 1. Juni 2021 – 2 U 13/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten wie folgt:

§ 839 BGB - Haftung bei Amtspflichtverletzung

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Art. 34 GG

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadenersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 3. März 2022, 12.00 Uhr, in Leipzig in Sachen 5 StR 228/21 (suspendierter Homburger Oberbürgermeister) (Verhandlung: 2.3.2022)

Datum: 03.03.2022
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über Revisionen des Angeklagten (derzeit suspendierter Oberbürgermeister der Stadt Homburg) und der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27. Januar 2021 zu entscheiden.

In einem ersten Rechtsgang hatte das Landgericht Saarbrücken den Angeklagten bereits mit Urteil vom 21. Februar 2019 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Diese Verurteilung hatte der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 8. Januar 2020 (5 StR 366/19) weitgehend aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 29. Januar 2020, Nr. 13/2020).

Nunmehr hat das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt. Nach seiner Auffassung soll der Angeklagte als Oberbürgermeister der Stadt Homburg eine Detektei zu Unrecht weiter mit der Überprüfung städtischer Mitarbeiter betraut haben, obwohl er einen so teuren Auftrag nicht eigenständig habe vergeben dürfen und die weitere Auftragsdurchführung unwirtschaftlich gewesen sei. Zudem hätten die Voraussetzungen für eine datenschutzrechtlich zulässige Fortsetzung der Überwachung nicht vorgelegen. Während die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel eine höhere Bestrafung des Angeklagten erstrebt, wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision insgesamt gegen seine Verurteilung. Über beide Rechtsmittel wird der 5. Strafsenat am 2. März 2022 in Leipzig mündlich verhandeln.

Vorinstanz:

Landgericht Saarbrücken – Urteil vom 27. Januar 2021 – 5 KLs 2/20

Die maßgeblichen Vorschriften:

§ 266 StGB Untreue

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

§ 13 Begehen durch Unterlassen

(1) Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 24. Februar 2022, 8.30 Uhr, in Sachen I ZR 2/21 (Verwendung des Namens einer weltberühmten Sängerin und des Bildnisses einer Doppelgängerin für die Bewerbung einer Show) (Verhandlung: 4.11.2021)

Datum: 24.02.2022
Akkreditierungsschluss: 23.02.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob es zulässig ist, in der Werbung für eine Show, in der Lieder einer weltberühmten Sängerin nachgesungen werden, den Namen der Sängerin und das Bildnis einer Doppelgängerin zu verwenden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine weltberühmte Sängerin. Die Beklagte ist Produzentin einer Show, in der die Sängerin F. auftritt und die größten Hits der Klägerin präsentiert. Die Beklagte warb für die Show mit Plakaten, auf denen der Name der Klägerin genannt wird und F. abgebildet ist. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Betrachter aufgrund der Ähnlichkeit zwischen F. und ihr davon ausgehe, dass sie selbst auf den Plakaten abgebildet sei. Die Klägerin hatte weder in die Verwendung ihres Bildnisses noch ihres Namens eingewilligt und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stünden keine Unterlassungsansprüche zu.

Die Verwendung des Bildnisses sei nicht nach §§ 22, 23 Kunsturhebergersetz (KUG) unzulässig. Zwar habe die Beklagte auf den Plakaten jeweils ein Bildnis der Klägerin im Sinne von § 22 Satz 1 KUG verwendet, da auch die Abbildung eines Doppelgängers als Bildnis dieser berühmten Person anzusehen sei, wenn - wie im Streitfall - der Eindruck erweckt werde, bei dem Doppelgänger handele es sich um die berühmte Person selbst. Die Verwendung des Bildnisses sei jedoch gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG zulässig, da es nicht auf Bestellung der Klägerin angefertigt worden sei, seine Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst diene und durch die Verbreitungshandlung kein berechtigtes Interesse der Klägerin im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG verletzt werde. Die von der Beklagten dargebotene Show und damit auch die Plakate als Werbemittel dafür fielen in den Schutzbereich der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG. Diese habe hier Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin in Form ihres Rechts am eigenen Bild. Insbesondere seien auf den Plakaten keine unwahren Aussagen über eine Beteiligung der Klägerin an der Show oder eine Unterstützung derselben enthalten. Die Zulässigkeit der Bildnisveröffentlichung ergebe sich daneben auch aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG.

Auch auf das Datenschutzrecht könne die Klägerin einen Unterlassungsanspruch nicht stützen. Zwar stellten die der Klägerin ähnlich sehenden Abbildungen auf den Plakaten personenbezogene Daten dar, weil es sich um Informationen handele, die sich auf die Klägerin als identifizierbare natürliche Person bezögen. Die gebotene umfassende Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) komme jedoch zu demselben Ergebnis wie die Abwägung nach dem Kunsturhebergesetz.

Der Klägerin stehe auch kein Unterlassungsanspruch wegen der Benutzung ihres Namens auf den Plakaten zu. Im Streitfall sei keine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB gegeben, bei der ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebrauche, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintrete und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt würden. Es bestünden schon grundsätzliche Zweifel, ob die Vorschrift überhaupt anwendbar sei und ein "Gebrauchen" des Namens der Klägerin vorliege. Jedenfalls gingen wiederum die Interessen der Beklagten denjenigen der Klägerin vor.

Die Klägerin habe auch keinen Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zwar habe die Beklagte in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingegriffen, indem sie deren Namen und Bildnis zu Werbezwecken verwendet habe. Diese Verwendung sei aber nicht rechtswidrig.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der vom Landgericht ausgesprochenen Verurteilung der Beklagten.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 22. Januar 2020 - 28 O 193/19
OLG Köln - Urteil vom 17. Dezember 2020 - 15 U 37/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 22 Satz 1 KUG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 und 4 und Abs. 2 KUG

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
(…)
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient;
(…)
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f der Verordnung (EU) 2016/679

Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
(…)
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

§ 12 Satz 1 BGB

Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermine am 21. Februar 2022 in Sachen VIa ZR 8/21 um 12.00 Uhr und VIa ZR 57/21 um 13.00 Uhr („Dieselverfahren“; Verjährung; Restschadenersatz nach § 852 Satz 1 BGB bei Neuwagen)

Datum: 21.02.2022
Akkreditierungsschluss: 18.02.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22.07.2021) wird am 21.02.2022 über Fragen verhandeln, die unter anderem einen geltend gemachten Restschadensersatz bei Erwerb eines Neuwagens betreffen.

Sachverhalt:

In beiden Verfahren nehmen die Kläger die beklagte Volkswagen AG auf Schadensersatz nach Erwerb eines Kraftfahrzeugs in Anspruch.

Der Kläger im Verfahren VIa ZR 8/21 erwarb im April 2013 zu einem Kaufpreis von 30.213,79 € einen Neuwagen VW Golf Cabrio „Life“ TDI von der Beklagten als Herstellerin, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen war. Das Kraftfahrzeug war bei Erwerb mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte.

Die Klägerin im Verfahren VIa ZR 57/21 erwarb im Juli 2012 zu einem Kaufpreis von 36.189 € einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen VW EOS 2.0 l TDI von einem Händler. Dieser Neuwagen war ebenfalls mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen. Das Kraftfahrzeug war wiederum bei Erwerb mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte.

Ab September 2015 wurde - ausgehend von einer Pressemitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 - über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA 189 in den Medien berichtet. Beide Kläger ließen ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update aufspielen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat im Verfahren VIa ZR 8/21 die Beklagte aus dem Rechtsgrund einer sittenwidrig vorsätzlichen Schädigung – im Wesentlichen antragsgemäß unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs – zur Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen und zur Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten verurteilt. Die weitergehende Klage auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten hat das Landgericht abgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen und eine Anschlussberufung des Klägers, mit der er noch die Feststellung des Verzugs der Beklagten mit der Annahme des zurück zu gewährenden Kraftfahrzeugs begehrt hat, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt:

Zwar bestehe dem Grunde nach ein Anspruch des Klägers nach § 826 BGB gegen die Beklagte. Dieser Anspruch sei indessen verjährt. Wenn der Kläger im Jahr 2015 keine Kenntnis von den für das Anlaufen der Verjährung maßgeblichen Tatsachen erlangt habe, habe seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Ihm sei eine Klage gegen die Beklagte auch zumutbar gewesen. Die Beklagte dürfe sich in zweiter Instanz auf die Einrede der Verjährung berufen, obwohl sie in der ersten Instanz in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht die Einrede der Verjährung zunächst fallen gelassen habe.

Einen (unverjährten) Anspruch auf Gewährung von Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB könne der Kläger gegen die Beklagte nicht geltend machen. Zwar habe der Kläger das Kraftfahrzeug als Neuwagen direkt von der Beklagten erworben. Der Schutzzweck des § 852 Satz 1 BGB sei indessen zugunsten des Klägers nicht eröffnet. Die Vorschrift setze voraus, dass dem Geschädigten eine Rechtsverfolgung vor Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB erschwert oder unmöglich gewesen sei. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, zumal der Kläger Ansprüche in einem Musterfeststellungsverfahren habe anmelden können. Mangels des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs scheide die Feststellung des Annahmeverzugs ohne weiteres aus.

Das Berufungsgericht hat die Revision „hinsichtlich des Herausgabeanspruchs nach Eintritt der Verjährung gemäß § 852 BGB“ zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger, der eine wirksame Zulassungsbeschränkung in Zweifel zieht, sein Klagebegehren „im Umfang der Revisionszulassung“ weiter.

Im Verfahren VIa ZR 57/21 hat das Landgericht die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung von Finanzierungskosten abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Überlassung des Kraftfahrzeugs, auf Feststellung des Annahmeverzugs und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Zwar lägen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB vor. Dieser Anspruch sei jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2019 verjährt, weil die Klägerin im Februar 2016 aufgrund eines Informationsschreibens der Beklagten Kenntnis nicht nur von dem „sogenannten Diesel- oder Abgasskandal allgemein“, sondern auch von der individuellen Betroffenheit ihres Kraftfahrzeugs erlangt habe und ihr ab dem Jahr 2016 eine Klage gegen die Beklagte zumutbar gewesen sei. Die Beklagte habe sich auf die Einrede der Verjährung berufen und berufen dürfen, ohne dass ihr ein Verstoß gegen Treu und Glauben zur Last falle.

Der Klägerin stehe nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB kein Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852 BGB zu. Zwar sei § 852 BGB grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn der Geschädigte schon vor Eintritt der Verjährung in der Lage gewesen sei, seinen Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend zu machen. Die Klägerin habe indessen trotz eines entsprechenden Hinweises bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz keine Angaben zu dem von der Beklagten aus dem Verkauf des Kraftfahrzeugs an den Händler erzielten Gewinn gemacht.

Das Berufungsgericht hat die Revision „in Anbetracht der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung zum Umfang des im Fall des Neuwagenkaufs über einen Vertragshändler im Sinne des § 852 Satz 1 BGB Erlangten“ zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin, die eine wirksame Zulassungsbeschränkung in Zweifel zieht, ihr Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 195 Regelmäßige Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 852 Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Vorinstanzen:

Verfahren VIa ZR 8/21
Landgericht Trier - Urteil vom 30. Dezember 2020 - 5 O 119/20
Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 2. Juli 2021 - 8 U 140/21

Verfahren VIa ZR 57/21
Landgericht Osnabrück - Urteil vom 5. Oktober 2020 - 3 O 1935/20
Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 15. Juli 2021 - 1 U 266/20

Karlsruhe, den 5. Januar 2022

Verhandlungstermin am 10. Februar 2022, 10:00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 365/21, 396/21, 679/21, 692/21 und 717/21 („Dieselverfahren“; Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist, Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB)

Datum: 10.02.2022
Akkreditierungsschluss: 09.02.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in fünf gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden „Dieselverfahren“ darüber zu entscheiden, wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche des Fahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG begann und ob im Falle der Verjährung ein Anspruch auf sogenannten Restschadensersatz aus § 852 Satz 1 BGB besteht.

In den fünf Verfahren nimmt die jeweilige Klagepartei die beklagte Volkswagen AG auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch. Die - jeweils gebraucht erworbenen - Fahrzeuge sind mit Dieselmotoren der Baureihe EA189 (EU 5) ausgestattet. Diese verfügten zum Zeitpunkt des Kaufs über eine Software, welche erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselt.

Ab September 2015 wurde - ausgehend von einer Pressemitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 - über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA189 ausführlich in den Medien berichtet. Im Oktober 2015 schaltete die Beklagte eine Website frei, auf der unter Eingabe einer Fahrzeugidentifizierungsnummer ermittelt werden konnte, ob ein Fahrzeug mit einem vom Abgasskandal betroffenen Motor ausgestattet war.

Die Kläger verlangen jeweils im Wesentlichen - unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - die Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die Beklagte hat jeweils die Einrede der Verjährung erhoben.

Zu den Verfahren VII ZR 365/21 und VII ZR 396/21

Sachverhalt:

Der Kläger im Verfahren VII ZR 365/21 erwarb im September 2015 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Sharan TDI zum Preis von 24.400 €. Er hat im Juni 2020 Klage eingereicht.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 396/21 erwarb im August 2011 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Tiguan TDI zum Preis von 25.150 €. Er hat im Dezember 2019 Klage eingereicht, die im Februar 2020 zugestellt wurde.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Stuttgart) hat jeweils im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Anspruch aus § 826 BGB stehe die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die Verjährung habe Ende des Jahres 2015 zu laufen begonnen. Bereits ab Oktober 2015 habe mindestens grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger von den für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen vorgelegen. Der Sachverhalt des sogenannten Dieselskandals sei in der Medienberichterstattung omnipräsent gewesen. Dass die Kläger den Weg zur Ermittlung der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs nicht beschritten hätten, erscheine nach Lage des Falles geradezu unverständlich, da sie naheliegende und unschwer zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hätten. Ihnen stehe auch kein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB zu, da sie die Fahrzeuge als Gebrauchtwagen erworben hätten und die Beklagte nichts auf ihre Kosten erlangt habe.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

VII ZR 365/21
Landgericht Stuttgart - Urteil vom 30. Oktober 2020 - 18 O 173/20
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 30. März 2021 - 10 U 397/20

und

VII ZR 396/21
Landgericht Rottweil - Urteil vom 16. Dezember 2020 - 6 O 102/19
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 30. März 2021 - 10 U 16/21

Zu den Verfahren VII ZR 679/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21

Sachverhalt:

Die Klägerin im Verfahren VII ZR 679/21 erwarb im April 2015 einen gebrauchten, von einer Tochtergesellschaft der Beklagten hergestellten Pkw Audi A1 Ambition 1,6 l TDI zum Preis von 19.800 €. Sie hat im Juli 2020 Klage eingereicht.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 692/21 erwarb im Februar 2015 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Tiguan Sport & Style zum Preis von 19.400 €. Er hat im September 2020 Klage eingereicht.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 717/21 erwarb im März 2015 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Passat zum Preis von 13.000 €. Er hat im September 2020 Klage eingereicht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Klagen jeweils überwiegend stattgegeben, das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Koblenz) hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen und hierzu jeweils im Wesentlichen ausgeführt:

Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 826 BGB seien verjährt. Die in zweiter Instanz (erneut) erhobene Einrede der Verjährung sei beachtlich, da in dem „Fallenlassen“ der Verjährungseinrede in erster Instanz nicht ohne Weiteres ein dauerhafter Verzicht auf dieses Verteidigungsmittel liege. Die Klageparteien hätten im Jahr 2015 die Veranlassung und Möglichkeit gehabt, von einem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte Kenntnis zu erlangen. Der Dieselskandal als solcher und die Betroffenheit von auch in Deutschland angebotenen Fahrzeugen der Beklagten könne ihnen schlechterdings nicht entgangen sein, selbst wenn sie nicht laufend die Pressemeldungen verfolgt hätten. Die Klageparteien hätten gegen die Beklagte auch keine Ansprüche aus § 852 Satz 1 BGB, da sie die Fahrzeuge als Gebrauchtwagen erworben hätten und die von ihnen entrichteten Kaufpreise der Beklagten nicht zugutegekommen seien.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klageparteien ihre Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

VII ZR 679/21
Landgericht Trier - Urteil vom 30. Dezember 2020 - 5 O 148/20
Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 22. Juni 2021 - 4 U 146/21

und

VII ZR 692/21
Landgericht Trier - Urteil vom 22. Dezember 2020 - 5 O 268/20
Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 15. Juni 2021 - 3 U 105/21

und

VII ZR 717/21
Landgericht Trier - Urteil vom 3. Februar 2021 - 5 O 262/20
Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 15. Juni 2021 - 3 U 290/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1. der Anspruch entstanden ist und

2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 852 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 7. Februar 2022, 12.00 Uhr im Großen Sitzungssaal des Reichsgerichtsgebäudes (Sitz des Bundesverwaltungsgerichts) in Leipzig , in Sachen 5 StR 542/20 (sog. „Berliner Wettbüro-Mordfall“) (Verhandlung: 18.1.2022 und 19.1.2022)

Datum: 07.02.2022
Akkreditierungsschluss: 03.02.2022 16:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verkündet am 7. Februar 2022, 12.00 Uhr die Entscheidung über die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen die Urteile des Landgerichts Berlin im sogenannten „Berliner Wettbüro-Mordfall“.

Das Landgericht Berlin hat am 1. Oktober und 18. Dezember 2019 acht der Angeklagten wegen Mordes und einen weiteren wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Von der Mindestverbüßungsdauer hat es in allen Fällen einen Teil für vollstreckt erklärt.

Nach den Urteilsfeststellungen beauftragte der wegen Anstiftung zum Mord verurteilte Anführer der Berliner „Hells Angels“ am Abend des 10. Januar 2014 u. a. die Mitangeklagten, seinen langjährigen Widersacher zu töten. Dementsprechend suchten sie diesen noch am gleichen Abend zusammen mit weiteren „Hells Angels“-Mitgliedern in seinem Stammlokal in einem Berliner Wettbüro auf. Nachdem sie überfallartig in die Lokalität eingedrungen waren, gab einer der Angeklagten dem Tatplan entsprechend binnen Sekunden mehrere Schüsse auf das arglose Opfer ab, das seinen Schussverletzungen noch am Tatort erlag.

Das Landgericht hat die Tat nach mehrjähriger Verhandlung als heimtückische und aus niedrigen Bewegründen begangene Tötung bewertet. Es hat die am Tatort anwesenden Angeklagten deshalb wegen Mordes (§ 211 StGB) und den Auftraggeber wegen Anstiftung zum Mord (§ 211, § 26 StGB) verurteilt. Von den danach zwingend zu verhängenden lebenslangen Freiheitsstrafen hat es den Angeklagten jeweils einen Vollstreckungsabschlag von zwei Jahren gewährt, weil es von einer Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 MRK verbürgten Rechts der Angeklagten auf ein faires Verfahren ausgegangen ist. Denn es sei – so das Landgericht – nach der Beweisaufnahme nicht auszuschließen, dass nicht namhaft zu machende Kräfte des Landeskriminalamts Berlin keine Maßnahmen zur Verhinderung der Tat ergriffen hätten, obwohl sie bereits Ende Oktober 2013 Kenntnis von dem auf das spätere Tatopfer abzielenden „Mordauftrag“ des Anführers der Berliner „Hells Angels“ erlangt hätten.

Die Angeklagten wenden sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten und zum Teil mit Verfahrensbeanstandungen geführten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft greift allein den allen Angeklagten gewährten Vollstreckungsabschlag an.

Über die Rechtsmittel wird der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ab 12 Uhr im Großen Sitzungssaal des Reichsgerichtsgebäudes (Sitz des Bundesverwaltungsgerichts) in Leipzig, Simsonplatz 1 verkünden.

Vorinstanz:
Landgericht Berlin - Urteile vom 1. Oktober 2019 – (515 Ks) 251 Js 26/14 (7/14) – und vom 18. Dezember 2019 – (515 Ks) 251 Js 256/17 (7/14) Trb1

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 211 Strafgesetzbuch (Mord)

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

§ 26 Strafgesetzbuch (Anstiftung)

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Artikel 6 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2010 – MRK (Recht auf ein faires Verfahren)

(1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
(…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 27. Januar 2022, 14.00 Uhr, in Sachen VII ZR 303/20 („Dieselverfahren“; Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist, Hemmung der Verjährung) (Verhandlung: 11.11.2021)

Datum: 27.01.2022
Akkreditierungsschluss: 26.01.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat verhandelt in einem VW-Verfahren, das die Frage betrifft, ob die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche des Fahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG mit dem Schluss des Jahres 2015 begann und ob sie durch Anmeldung der klägerischen Ansprüche zum Klageregister der am OLG Braunschweig geführten Musterfeststellungsklage gehemmt wurde.

Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die beklagte Volkswagen AG wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger erwarb 2011 bei einer Kfz-Händlerin ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug VW Golf VI 2.0 TDI zu einem Preis von 22.607 €. In dem mit einem Dieselmotor des Typs EA189 (EU 5) ausgestatteten Fahrzeug war eine Motorsteuerungssoftware verbaut, durch die auf dem Prüfstand bessere Stickoxidwerte erzielt wurden als im realen Fahrbetrieb. Ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update wurde zwischenzeitlich durchgeführt.

Mit seiner im Oktober 2019 eingegangenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung sowie die Zahlung von Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Die Beklagte hat unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger behauptet, er habe im Jahr 2015 von der Manipulation seines Fahrzeugs keine Kenntnis gehabt. Er habe sich im Dezember 2018 zur Musterfeststellungsklage an- und im September 2019 wieder abgemeldet.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Einem Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung stehe die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen. Es sei keine Hemmung der Verjährung vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt. Bereits Ende September 2015 habe auf Seiten des Klägers mindestens grob fahrlässige Unkenntnis von den für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen vorgelegen. Dem Verjährungsbeginn habe nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015 entgegengestanden. Die rechtzeitige Eintragung im Klageregister zum Musterfeststellungsverfahren noch im Jahr 2018 habe der Kläger nicht bewiesen. Eine Anmeldung zum Klageregister erst nach Ablauf der Verjährungsfrist wirke nicht auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage zurück.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Ellwangen - Urteil vom 11. Februar 2020 - 5 O 363/19
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 17. November 2020 - 10 U 86/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]

§ 204 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch […]
1a. die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, […]
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. […]

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 606 der Zivilprozessordnung (ZPO)

(1) Mit der Musterfeststellungsklage können qualifizierte Einrichtungen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungszielen) zwischen Verbrauchern und einem Unternehmen begehren. […]

§ 608 der Zivilprozessordnung (ZPO)

(1) Bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins können Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den Feststellungszielen abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden. […]
(3) Die Anmeldung kann bis zum Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zurückgenommen werden. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen III ZR 3/21 und III ZR 4/21 am 27. Januar 2022, 10.00 Uhr, Sitzungssaal E 101 (Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks)

Datum: 27.01.2022
Akkreditierungsschluss: 26.01.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für Rechtsstreitigkeiten über Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat wird über zwei Rechtsstreite zu entscheiden haben, in denen sich die Frage stellt, ob der Anbieter eines sozialen Netzwerks dessen Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen hat.

Sachverhalt:

In den zwei beim III. Zivilsenat anhängigen Revisionssachen streiten die Parteien über die in den Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks vorgesehene Klarnamenpflicht der Nutzer.

Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieter und Vertragspartner für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist. Die Nutzungsbedingungen der Beklagten vom 30. Januar 2015 enthalten eine Regelung, wonach die Nutzer ihre wahren Namen und Daten anzugeben haben. Nach den Nutzungsbedingungen vom 19. April 2018 hat der Nutzer bei der Nutzung des Netzwerks den Namen zu verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet (sogenannte Klarnamenpflicht).

In dem Verfahren III ZR 3/21 hatte der Kläger als seinen Profilnamen ursprünglich ein Pseudonym verwendet. Nachdem er im März 2018 auf Nachfrage nicht bestätigt hatte, dass es sich um seinen im Alltag verwendeten Namen handelt, sperrte die Beklagte sein Nutzerkonto. Sie schaltete es erst nach einer Änderung des Profilnamens wieder frei. Der Kläger nimmt die Beklagte vor diesem Hintergrund auf Unterlassung in Anspruch, Änderungen seines von ihm in dem Netzwerk verwendeten Profilnamens zu verhindern.

In dem Verfahren III ZR 4/21 gab die Klägerin als Profilnamen ebenfalls ein Pseudonym an. Ihr Nutzerkonto wurde von der Beklagten im Januar 2018 gesperrt, nachdem sie der Aufforderung, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachgekommen war. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieser Sperrung.

Die Kläger machen geltend, die Nutzungsbedingungen der Beklagten verstießen hinsichtlich der Klarnamenpflicht gegen § 13 Abs. 6 Satz 1 Telemediengesetz (TMG) und seien damit rechtswidrig. Außerdem stelle das Erfordernis, bei der Nutzung des Netzwerks nach außen mit dem Klarnamen aufzutreten, einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften dar.

Bisheriger Prozessverlauf:

Im Verfahren III ZR 3/21 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Im Verfahren III ZR 4/21 hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, das Nutzerkonto der Klägerin freizuschalten und ihr unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen des Kontos zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat in beiden Berufungsurteilen ausgeführt, die Beklagte sei nicht gemäß § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG verpflichtet, ihren Vertragspartnern die Nutzung der von ihr angebotenen Dienste unter Pseudonym zu ermöglichen. Die in den Nutzungsbedingungen der Beklagten statuierte Verpflichtung der Nutzer, ihre wahren Namen und Daten anzugeben bzw. denselben Namen zu verwenden, dessen sie sich auch im täglichen Leben bedienten, halte der gebotenen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand. Sie benachteilige die Nutzer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise. Die entsprechenden Klauseln seien auch nicht im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmungen des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG unvereinbar. Mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung sei der Beklagten bei der Frage, ob ihr die Ermöglichung einer Nutzung des Netzwerks unter Pseudonym zuzumuten ist, ein größerer Spielraum zuzubilligen. Eine spezifische Einwilligung im Sinne dieser Verordnung sei in Bezug auf die Klauseln nicht erforderlich.

Mit den vom Oberlandesgericht – teilweise beschränkt – zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre Begehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 und 2 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

§ 13 Abs. 6 Satz 1 TMG

Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.

Vorinstanzen:

Verfahren III ZR 3/21:

LG Traunstein - Urteil vom 2. Mai 2019 - 8 O 3510/18
OLG München - Urteil vom 8. Dezember 2020 - 18 U 2822/19 Pre

und

Verfahren III ZR 4/21:

LG Ingolstadt - Urteil vom 13. September 2019 - 31 O 227/18
OLG München - Urteil vom 8. Dezember 2020 - 18 U 5493/19 Pre

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 26. Januar 2022, 9.00 Uhr, in Sachen IV ZR 144/21 (Betriebsschließungsversicherung)

Datum: 26.01.2022
Akkreditierungsschluss: 19.01.2022 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Anmeldungen für Medienvertreterinnen und Medienvertreter und Hinweise für interessierte Bürgerinnen und Bürger siehe Pressemitteilung 3/2022

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich mit der Frage zu befassen haben, ob einem Versicherungsnehmer Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen einer im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erfolgten Schließung der von ihm betriebenen Gaststätte in Schleswig-Holstein zustehen.

Sachverhalt:

Dem Versicherungsvertrag liegen die "Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - 2008 (ZBSV 08)“ zugrunde. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 ersetzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Falle einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung den Ertragsausfallschaden bis zu einer Haftzeit von 30 Tagen. Die ZBSV 08 lauten auszugsweise:

"§ 2 Versicherte Gefahren
1. Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;

2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

a) Krankheiten: …

b) Krankheitserreger: …
…“

In § 2 Nr. 2 Buchst. a und b ZBSV 08 werden weder die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) noch das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) oder das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) aufgeführt. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ordnete mit der am 18. März 2020 in Kraft getretenen Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung - SARS-CoV-2-BekämpfV) vom 17. März 2020 unter anderem die Schließung von sämtlichen Gaststätten an, wobei Leistungen im Rahmen eines Außerhausverkaufs unter bestimmten Voraussetzungen zulässig waren. Der Kläger schloss daraufhin seine Gaststätte und bot einen Lieferdienst an.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der beklagte Versicherer verpflichtet ist, ihm aufgrund der Schließung seines Restaurants eine Entschädigung aus der Betriebsschließungsversicherung zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts setzt § 2 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 eine konkrete, einzelfallbezogene Maßnahme zur Bekämpfung einer gerade aus dem konkreten Betrieb erwachsenden Infektionsgefahr - woran es hier fehle - voraus. Unabhängig davon greife die Betriebsschließungsversicherung auch deshalb nicht ein, weil das Coronavirus von § 2 Nr. 2 ZBSV 08 nicht erfasst werde. Ein verständiger Versicherungsnehmer werde die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger aufgrund des eindeutigen Wortlauts mit dem Begriff "folgenden" abschließend verstehen. Die Erläuterung, dass die im folgenden Text aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannt seien, unterstreiche lediglich die Herkunft des folgenden Katalogs und die Relevanz der genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Hinweis:

Es wird voraussichtlich ein Akkreditierungsverfahren durchgeführt werden. Hierzu wird zu gegebener Zeit eine weitere Pressemitteilung veröffentlicht werden.

Vorinstanzen:

Landgericht Lübeck - Urteil vom 8. Januar 2021 – 4 O 164/20
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - Urteil vom 10. Mai 2021 – 16 U 25/21

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 24. Januar 2022 in Sachen VIa ZR 100/21 um 12.00 Uhr („Dieselverfahren“; Gewährung von
„kleinem“ Schadenersatz)

Datum: 24.01.2022
Akkreditierungsschluss: 21.01.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22.07.2021) wird am 24.01.2022 in einer Sache verhandeln, die den Ersatz des „kleinen“ Schadensersatzes in einem Dieselverfahren betrifft.

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte im September 2013 für 12.999 € von einem Dritten einen Gebrauchtwagen Seat Leon, der mit einem von der beklagten Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen war. Bei Erwerb wies das Kraftfahrzeug eine Laufleistung von 60.400 km auf. Es war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte.

Ab September 2015 wurde - ausgehend von einer Pressemitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 - über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA 189 in den Medien berichtet. Der Kläger ließ ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update aufspielen. Zum 31. Dezember 2019 betrug die Laufleistung des Kraftfahrzeugs nach Angaben des Klägers rund 275.000 km.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die auf Leistung des vorgerichtlich verlangten „kleinen“ Schadensersatzes nebst Zinsen und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen.

Das Landgericht, das bei seiner Entscheidung noch keine Kenntnis von dem Urteil des VI. Zivilsenats vom 6. Juli 2021 in der Sache VI ZR 40/20 (vgl. Pressemitteilung Nr. 154/2021 vom 12. August 2021) hatte, hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er sein Zahlungsbegehren weiterverfolgt hat, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein deliktischer Anspruch auf kleinen Schadensersatz komme schon dem Grunde nach nicht in Betracht.

Das Landgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die Frage habe Grundsatzbedeutung, ob und unter welchen Voraussetzzungen deliktische Anspruchsgrundlagen „den Ersatz des merkantilen Minderwertes einer Sache“ umfassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Bonn - Urteil vom 19. Januar 2021 - 106 C 7/20
Landgericht Bonn - Urteil vom 6. Juli 2021 - 5 S 28/21

Karlsruhe, den 5. Januar 2022

Verkündungstermin am 12. Januar 2022, 9.00 Uhr , Saal E 101, in Sachen XII ZR 8/21 (Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung) (Verhandlung: 1.12.2021)

Datum: 12.01.2022
Akkreditierungsschluss: 11.01.2022 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 1. Dezember 2021 über die Rechtsfrage, ob ein Mieter von gewerblich genutzten Räumen für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der Corona-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist.

Sachverhalt:

Die Beklagte hat von der Klägerin im Bezirk des Landgerichts Chemnitz gelegene Räumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs gemietet. Aufgrund des sich im März 2020 in Deutschland verbreitenden SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 18. März 2020 eine Allgemeinverfügung, nach deren Ziffer 1 in Sachsen grundsätzlich alle Geschäfte geschlossen wurden, soweit sie nicht unter die in der Allgemeinverfügung ausdrücklich benannten Ausnahmen fielen. Diese Allgemeinverfügung trat am 19. März 2020 um 0:00 Uhr in Kraft und wurde ab dem 22. März 2020, 0:00 Uhr von einer weiteren Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 ersetzt, nach deren Ziffer 2, übereinstimmend mit der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020, Geschäfte grundsätzlich geschlossen wurden, soweit nicht die in der Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 formulierten Ausnahmen eingriffen. Aufgrund der genannten Allgemeinverfügungen musste die Beklagte ihr Textileinzelhandelsgeschäft im Mietobjekt vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 schließen. Infolge der behördlich angeordneten Betriebsschließung entrichtete die Beklagte für den Monat April 2020 keine Miete.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Miete für den Monat April 2020 in Höhe von 7.854,00 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Beklagte - unter Abweisung der Klage im Übrigen - zur Zahlung von nur 3.720,09 € verurteilt. Infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung auf Grundlage der Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20. März 2020 sei eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB eingetreten, die eine Anpassung des Vertrags dahin gebiete, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.

Hiergegen wenden sich die Klägerin, die nach wie vor die volle Miete verlangt, und die Beklagte, die ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt, mit ihren vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. […]

§ 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. 3Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. […]

Art. 240 § 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (in Kraft seit dem 31.12.2020)

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. […]

Vorinstanzen:

LG Chemnitz – 4 O 639/20 - Urteil vom 26. August 2020
OLG Dresden – 5 U 1782/20 - Urteil vom 24. Februar 2021

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 16. Dezember 2021, 9.00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 389/21 ("Dieselverfahren": AUDI AG, EA 896/897, verbrieftes Rückgaberecht) (Revisionsrücknahme in Sachen VII ZR 256/21)

Datum: 16.12.2021
Akkreditierungsschluss: 15.12.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in zwei gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden Sachen über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Einbau von Motoren des Typs EA 896 oder EA 897 in ein von der AUDI AG bzw. von der Volkswagen AG hergestelltes Fahrzeug zu entscheiden.

Sachverhalt:

In den beiden Verfahren nehmen die jeweiligen Kläger die beklagte Motorherstellerin - die AUDI AG - auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 256/21 erwarb im November 2015 einen von der - in dieser Sache gemeinsam mit der AUDI AG in Anspruch genommenen - Volkswagen AG hergestellten Pkw VW Touareg 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 65.090 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 389/21 erwarb im Februar 2017 einen von der AUDI AG hergestellten Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 46.800 €. Die beiden Fahrzeuge sind jeweils mit einem von der AUDI AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 896 G2 oder EA 897 ausgestattet.

Der jeweilige Kaufpreis wurde (teil-)finanziert über ein Darlehen der Volkswagen Bank bzw. der AUDI Bank. Die Darlehensverträge verbrieften ein Rückgaberecht des jeweiligen Klägers dergestalt, dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate an die Verkäuferin zu einem bereits festgelegten Kaufpreis zurückübertragen können sollte. Beide Kläger haben davon keinen Gebrauch gemacht.

Das Fahrzeug im Verfahren VII ZR 256/21 unterlag einem am 8. Dezember 2017 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Fahrzeug im Verfahren VII ZR 389/21 unterlag einem am 12. Dezember 2018 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die in der Hauptsache jeweils auf Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten - im Verfahren VII ZR 389/21 unter Abzug einer Nutzungsentschädigung - Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage hatte im Verfahren VII ZR 256/21 im Wesentlichen Erfolg, im Verfahren VII ZR 389/21 wurde die Klage hingegen abgewiesen.

Das Berufungsgericht im Verfahren VII ZR 256/21 hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte zu 1 - die AUDI AG - hafte gemäß §§ 826, 31 BGB. Das Gericht sei überzeugt, dass sie den im Fahrzeug des Klägers verbauten Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 versehen habe. Die Beklagte zu 1 habe die Existenz einer Aufheizstrategie selbst eingeräumt. Deren Unzulässigkeit ergebe sich aus dem Bescheid des KBA, in dem die als Strategie „A“ bezeichnete Aufheizstrategie ausdrücklich als unzulässig eingeordnet werde. Dieser Bewertung sei die Beklagte zu 1 nicht entgegengetreten, auch müsse wegen der Bestandskraft des Bescheids diese Wertung zugrunde gelegt werden, unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts. Mindestens ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten zu 1, dessen Handeln diese sich gemäß § 31 BGB zurechnen lassen müsse, habe alle Elemente des objektiven und subjektiven Tatbestands des § 826 BGB verwirklicht.

Die Beklagte zu 2 - die Volkswagen AG - habe ebenfalls vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Denn auch sie habe potentielle Käufer darüber getäuscht, die Betriebszulassung auf ordnungsgemäßem Weg erlangt zu haben. Dies sei aus den gleichen Gründen wie bei der Beklagten zu 1 als objektiv sittenwidrig zu bewerten. Das Gericht gehe ebenso davon aus, dass ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten zu 2, dessen Handeln sie sich zurechnen lassen müsse, Kenntnis von der Ausstattung des Motors mit der unzulässigen Abschalteinrichtung und der bewussten Täuschung der Genehmigungsbehörden sowie potentieller Käufer gehabt habe, denn die Beklagte zu 2 sei der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Der im Vertragsschluss liegende Schaden werde nicht dadurch kompensiert, dass dem Kläger ein im Rahmen der Finanzierung gewährtes Rückgaberecht zugestanden habe, das er nicht ausgeübt habe. Es könne aus Sicht des Käufers durchaus wirtschaftlich vorteilhaft sein, das betroffene Fahrzeug zu behalten und nach §§ 826, 31 BGB vorzugehen. Es sei nicht ersichtlich, dass die wirtschaftlichen Nachteile des Käufers auch im Rahmen des verbrieften Rückgaberechts voll berücksichtigt würden. Der Kläger müsse sich aber eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.

Das Berufungsgericht im Verfahren VII ZR 389/21 hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die beklagte AUDI AG sei zwar gegenüber Käufern von Fahrzeugen aus dem VW-Konzern, die mit dem VW-Dieselmotor EA 189 ausgestattet seien, grundsätzlich wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Schaden in Form eines ungewollten Vertragsschlusses könne hier indes nicht mehr angenommen werden, weil der Kläger das ihm im Rahmen der Finanzierung gewährte Rückgaberecht nicht ausgeübt habe. Indem er durch bewusste Ablösung der Restschuld das Fahrzeug während des laufenden Berufungsverfahrens freiwillig übernommen habe, anstatt den Wagen zum Ende der Vertragslaufzeit gegen Erstattung des vertraglich vereinbarten Restwerts an die Händlerin zurückzugeben, habe der Kläger seine Handlungsfreiheit entsprechend ausgeübt. Wähle er nach Vollerwerb des Fahrzeugs den Schadensersatz durch Rückzahlung des Kaufpreises einschließlich der Finanzierungskosten Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, setze er sich zu seinem eigenen vorherigen Verhalten in Widerspruch.

Mit ihrer vom Berufungsgericht jeweils zugelassenen Revision verfolgen im Verfahren VII ZR 256/21 die beiden Beklagten ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter; im Verfahren VII ZR 389/21 verfolgt der Kläger weiterhin seine zuletzt gestellten Klageanträge.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...] "Abschalteinrichtung" ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...]

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen:

VII ZR 256/21
Landgericht Trier – Urteil vom 15. November 2019 – 5 O 185/19
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 25. Februar 2021 – 2 U 2153/19

und

VII ZR 389/21
Landgericht Hildesheim – Urteil vom 27. November 2019 – 2 O 40/19
Oberlandesgericht Celle – Urteil vom 31. März 2021 – 7 U 27/20 (S.7a)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 15. Dezember 2021, 11.00 Uhr, Saal E 101, Herrenstraße 45a, in der Strafsache 3 StR 441/20 (sog. NSU-Verfahren betreffend den Angeklagten André E. - Hauptverhandlung am 2. Dezember 2021) Hier: Akkreditierungsbedingungen für Medienvertreterinnen und Medienvertreter sowie Hinweise für Bürgerinnen und Bürger

Datum: 15.12.2021
Akkreditierungsschluss: 09.12.2021 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Hier: Akkreditierungsbedingungen für Medienvertreterinnen und Medienvertreter sowie Hinweise für Bürgerinnen und Bürger

Aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus ist die Anzahl der verfügbaren Sitzplätze für den Verkündungstermin am 15. Dezember 2021, 11.00 Uhr, Karlsruhe, Herrenstraße 45a, Sitzungssaal E 101 (siehe Pressemitteilung Nr. 158/2021) reduziert, um die Gefahr einer Infektion zu verringern. Es wird nur jeder zweite Platz besetzt. Dadurch stehen im Sitzungssaal E 101 insgesamt 36 Sitzplätze für die Öffentlichkeit zur Verfügung, hiervon sind 12 Sitzplätze für die Presse reserviert. Von diesen 12 Sitzplätzen sind drei Plätze für die Mitglieder der Justizpressekonferenz reserviert sowie aufgrund des internationalen Interesses an dem Verfahren insgesamt drei Sitzplätze (jeweils einer) für Vertreter und Vertreterinnen iranischer, griechischer und türkischer Medien vorbehalten.

Um der Presse eine ausreichende Anzahl an Sitzplätzen zur Verfügung zu stellen, wird ein Medienarbeitsraum im Foyer der Bibliothek des Bundesgerichtshofs eingerichtet, in den der Ton aus dem Sitzungssaal übertragen wird. Im Medienarbeitsraum stehen weitere 50 Sitzplätze für Medienvertreter zur Verfügung. Von diesen 50 Sitzplätzen sind 12 Plätze für die Mitglieder der Justizpressekonferenz reserviert; zudem wird aufgrund des internationalen Interesses an dem Verfahren jeweils ein Sitzplatz für Vertreter und Vertreterinnen iranischer, griechischer und türkischer Medien vorbehalten.

Auf der Grundlage der sitzungspolizeilichen Anordnung des Vorsitzenden des 3. Strafsenats vom 2. Dezember 2021 und der Verfügung der Präsidentin des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2021 gelten folgende Regelungen für den Zutritt zu dem Verkündungstermin. Hiervon abweichende Angaben auf der Homepage des Bundesgerichtshofs haben keine Geltung.

1. Allgemeine Regelungen für den Zugang zum Sitzungssaal und zum Medienarbeitsraum

Für den Zugang der Zuhörerinnen und Zuhörer sowie der Medienvertreterinnen und Medienvertreter zum Sitzungssaal und zum Medienarbeitsraum gilt gleichermaßen Folgendes:

a) Es ist während der gesamten Dauer des Aufenthalts innerhalb des Sitzungssaals und des Medienarbeitsraums und im jeweiligen Bereich davor eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung (sogenannte OP-Maske, FFP2-Maske oder vergleichbare Schutzmaske) zu tragen.

b) Die Zuhörer und Zuhörerinnen sowie die Medienvertreter und Medienvertreterinnen werden nur in den Sitzungssaal oder den Medienarbeitsraum eingelassen, wenn sie

aa) einen gültigen amtlichen Personalausweis oder Reisepass, ausländische Staatsangehörige ein entsprechendes gültiges Ausweispapier, sowie ggf. den Presseausweis vorlegen und

bb) nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vollständig geimpft, von einer derartigen Infektion genesen sind oder einen negativen Antigentest, der nicht älter als 24 Stunden sein darf, bzw. einen PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf, vorlegen;

cc) keine Taschen, Beutel, Tüten oder sonstigen Behältnisse - mit Ausnahme derjenigen, in denen Medienvertreter und Medienvertreterinnen ihre technische Ausstattung transportieren -, keine Transparente, keine Waffen im technischen und nichttechnischen Sinne (insbesondere keine zum Schlagen oder Werfen geeigneten Gegenstände), ferner - abgesehen von Journalistinnen und Journalisten - keine Mobiltelefone, Foto-, Film- und Tonbandaufnahmegeräte sowie Laptops mit sich führen. Gegenstände, deren Mitnahme in den Sitzungssaal untersagt ist, müssen unter Ausschluss der Haftung an der Eingangskontrolle hinterlegt werden;

dd) sich einer Durchsuchung ihrer Person unterziehen. Die Durchsuchungen sind mittels Metalldetektors, durch Abtasten der Kleidung und Überprüfen des auf Aufforderung vorzulegenden Inhalts der Kleidung vorzunehmen.

c) Während der Verkündung dürfen Medienvertreterinnen und Medienvertreter mobile Computer und sonstige internetfähige Kommunikationsgeräte im Sitzungssaal und im Medienarbeitsraum ausschließlich im Offline-Modus benutzen. Das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Nachrichten, das Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets sind während der Verkündung nicht gestattet.

2. Anmeldeverfahren für Zuhörer und Zuhörerinnen und Vergabe der Sitzplätze

Für Personen, die als Zuhörerinnen und Zuhörer an dem Verkündungstermin teilnehmen möchten, wird ein Anmeldeverfahren durchgeführt, das über den Besucherdienst des Bundesgerichtshofs abgewickelt wird. Interessierte Personen können ihren Teilnahmewunsch in der Zeit vom 6. Dezember 2021, 10.00 Uhr bis 9. Dezember 2021, 12.00 Uhr schriftlich oder per E-Mail an den Besucherdienst des Bundesgerichtshofs, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, E-Mail: verhandlungsbesuch@bgh.bund.de, mitteilen. Vor Beginn und nach Ablauf der Frist eingehende Anmeldungen werden nicht berücksichtigt. Pro Anmeldung (schriftlich oder per E-Mail) kann nur eine Person berücksichtigt werden. Gruppen-Anmeldungen sind nicht möglich.

Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und die Erreichbarkeit (per Telefon oder E-Mail) anzugeben. Die Informationen zum Schutz personenbezogener Daten (Art. 13 und 14 DSGVO) im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens können der Internetseite des Bundesgerichtshofs unter Datenschutz entnommen werden.

Die Vergabe der Besucherplätze erfolgt nach der Reihenfolge des Eingangs der Anmeldungen.

3. Akkreditierungsverfahren für Medienvertreter und Medienvertreterinnen für die Presseplätze im Sitzungssaal und im Medienarbeitsraum und Vergabe der Sitzplätze

Für Medienvertreter und Medienvertreterinnen wird ein gemeinsames Akkreditierungsverfahren für den Zugang zum Sitzungssaal und zum Medienarbeitsraum über die Pressestelle des Bundesgerichtshofs durchgeführt, sodass es nur einer Anmeldung bedarf. Ein Medienorgan, das im Akkreditierungsverfahren den Zugang zum Sitzungssaal erhalten hat, nimmt an der Verteilung der Sitzplätze im Medienarbeitsraum nicht teil. Pressevertreterinnen und -vertreter, die einen Sitzplatz im Medienarbeitsraum bevorzugen, werden gebeten, dies bei der Akkreditierung anzugeben, damit der ggf. zuzuteilende Platz im Sitzungssaal anderweitig vergeben werden kann.

a) Akkreditierungsverfahren

Das Akkreditierungsverfahren beginnt am 6. Dezember 2021 um 10.00 Uhr und endet am 9. Dezember 2021 um 12.00 Uhr. Vor Beginn und nach Ablauf der Frist sind keine Akkreditierungen möglich.

Für Akkreditierungsgesuche ist das bereitgestellte Online-Formular zu benutzen. Das Formular muss vollständig ausgefüllt sein. Zudem ist eine Kopie des gültigen Presseausweises beizufügen. Das Akkreditierungsgesuch kann per E-Mail an die Adresse akkreditierungen@bgh.bund.de oder per Telefax an die Rufnummer +49 (721) 159-715599 übermittelt werden. Akkreditierungsgesuche an sonstige E-Mail-Adressen oder Telefaxanschlüsse des Gerichts werden nicht berücksichtigt.

Die Mitglieder der Justizpressekonferenz Karlsruhe e.V. können ihr Akkreditierungsgesuch formlos an die Adresse akkreditierungen@bgh.bund.de übermitteln. Das gilt nicht, soweit die Akkreditierung zum Zwecke der Fertigung von Foto-, Film- oder Fernsehaufnahmen oder für Tonaufnahmen erfolgt. In diesem Fall ist ebenfalls das bereitgestellte Online-Formular zu benutzen.

Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los (hierzu näher unten). Einige Tage nach Ablauf der Frist versendet die Pressestelle des Bundesgerichtshofs eine Benachrichtigung über die erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Akkreditierung. Die Informationen zum Schutz personenbezogener Daten (Art. 13 und 14 DSGVO) im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens entnehmen Sie bitte der Internetseite des Bundesgerichtshofs unter Datenschutz.

b) Vergabe der Sitzplätze im Sitzungssaal und im Medienarbeitsraum

Von den reservierten Sitzplätzen im Sitzungssaal steht für jedes einzelne Medienorgan (also z. B. eine bestimmte Zeitung, einen bestimmten Rundfunk- oder Fernsehsender) nur ein Platz zur Verfügung. Von dieser Regelung erfasste Sitzplätze, für die im Akkreditierungsverfahren keine Anmeldung erfolgt, werden anderen Zuhörern und Zuhörerinnen nach Maßgabe des gesonderten Besucherakkreditierungsverfahrens zur Verfügung gestellt, die sich innerhalb des Akkreditierungszeitraums angemeldet haben.

Für die 12 im Sitzungssaal vorhandenen Medienplätze gilt: Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei gleichzeitigem Eingang entscheidet das Los. Die anschließende Verteilung der Sitzplätze erfolgt nach demselben System. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Eingangs des Akkreditierungsgesuchs.

Medienvertreter, die entweder Mitglied der Justizpressekonferenz oder Vertreter der iranischen, türkischen oder griechischen Presse sind und keinen der für sie im Sitzungssaal reservierten Plätze erhalten haben, nehmen an der Verteilung der übrigen für die Presse im Sitzungssaal reservierten Plätze teil.

Sind alle Medienplätze im Sitzungssaal vergeben, nehmen die überzähligen Akkreditierungsgesuche automatisch an der Verteilung der Plätze im Medienarbeitsraum teil.

Von den Sitzplätzen im Medienarbeitsraum steht für jedes einzelne Medienorgan (also z. B. eine bestimmte Zeitung, einen bestimmten Rundfunk- oder Fernsehsender) ebenfalls nur ein Platz zur Verfügung (insgesamt also im Sitzungssaal und Medienarbeitsraum zusammengenommen je Medienorgan nur ein Platz).

Medienvertreter der iranischen, türkischen oder griechischen Presse, sowie Mitglieder der Justizpressekonferenz, die keinen der für sie im Medienarbeitsraum reservierten Plätze erhalten haben, nehmen an der Verteilung der übrigen Plätze im Medienarbeitsraum teil.

4. Vergabe im Akkreditierungsverfahren nicht vergebener oder am Sitzungstag nicht in Anspruch genommener oder im Laufe des Sitzungstages freiwerdender Sitzplätze

Ist innerhalb des Anmeldezeitraums nicht für alle Sitzplätze im Zuhörerbereich eine Anmeldung erfolgt, fallen diese Plätze der Presse zu. Nicht vergebene Plätze für die Presse werden bis 15 Minuten vor Sitzungsbeginn, nicht eingenommene oder im Verlauf des Sitzungstages freiwerdende Sitzplätze werden - unabhängig von ihrer Zuordnung zum Zuhörer- oder zum Pressebereich - unverzüglich an akkreditierte Medienvertreterinnen und Medienvertreter vergeben, die einen Platz im Medienarbeitsraum zugewiesen bekommen haben. Die Verteilung erfolgt nach der Reihenfolge des Eingangs der Akkreditierungsgesuche. Bleiben weitere Sitzplätze frei, werden sie an wartende Journalisten und Journalistinnen in der Reihenfolge ihrer Anmeldung an der Pforte des Bundesgerichtshofs vergeben. Soweit keine weiteren Medienvertreterinnen und Medienvertreter Einlass begehren, sind freie Sitzplätze in diesem Bereich an wartende Zuhörer und Zuhörerinnen in der Reihenfolge ihres Erscheinens an der Pforte des Bundesgerichtshofs zu vergeben.

Im Akkreditierungsverfahren nicht vergebene oder am Sitzungstag nicht in Anspruch genommene Plätze im Medienarbeitsraum werden nach der Reihenfolge des Erscheinens am Sitzungstag (maßgeblich ist die Meldung an der Pforte) vergeben.

5. Ton- und Bildaufnahmen

Vor Beginn der Entscheidungsverkündung sind Foto- und Filmaufnahmen (Bildaufnahmen) vom Einzug des Senats in den Sitzungssaal möglich. Während der Verkündung der Entscheidung sind Ton- und Filmaufnahmen zulässig. Aufnahmen dürfen nur von den im jeweiligen Medienpool zugelassenen Kamerateams und Fotografen gefertigt werden.

Es werden vier Medienpools gebildet. Zugelassen werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privater Sender mit jeweils einer Kamera) sowie zwei Fotografen (ein Agenturfotograf und ein freier Fotograf). Übersteigt die Anzahl der zwischen dem 6. Dezember 2021, 10 Uhr und dem 9. Dezember 2021, 12 Uhr eingehenden Anmeldungen die Zahl der im jeweiligen Medienpool zur Verfügung stehenden Plätze, ist Voraussetzung für eine Zulassung die im Akkreditierungsgesuch erklärte Bereitschaft zur Übernahme der Poolführerschaft. Der jeweilige Poolführer ist verpflichtet, abgelehnten Bewerbern des Medienpools die gefertigten Aufnahmen auf Anfrage unverzüglich in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Die Zulassung zum jeweiligen Medienpool und gegebenenfalls die Vergabe der Poolführerschaft erfolgen nach der Reihenfolge des Eingangs des Akkreditierungsgesuchs; bei gleichzeitigem Eingang entscheidet das Los. Akkreditierungsgesuch, die vor Beginn oder nach Ablauf der Akkreditierungsfrist eingehen, werden nicht berücksichtigt.

Bildaufnahmen dürfen nur von den zugewiesenen Plätzen aus gefertigt werden. Der Aufenthalt hinter der Richterbank und das Filmen von Akten sind nicht gestattet. Bei der Entscheidungsverkündung sind Kameras ausschließlich auf die Richterbank zu richten. Kameraschwenks sind nur innerhalb der Richterbank zulässig.

Interviews oder interviewähnliche Gespräche, insbesondere mit den Verfahrensbeteiligten, sind innerhalb des Sitzungssaals untersagt.

6. Fahrzeuge der Radio- und Fernsehteams sowie Techniker

Für SNG-, Schnitt- und Übertragungsfahrzeuge steht nur eine begrenzte Anzahl von Standplätzen zur Verfügung. Falls Standplätze benötigt werden, ist dies bereits mit dem Akkreditierungsgesuch im bereitgestellten Online-Formular anzugeben. Die Standplätze werden nach Eingang des Antrags vergeben.

Nachgereicht werden können die Namen, Geburtsdaten und Personalausweisnummern der begleitenden Techniker sowie die Fahrzeugdaten. Für die Zuweisung der Standplätze werden folgende Angaben benötigt: Kennzeichen, Fahrzeug-Typ, Fabrikat, Abmessungen (LxBxH in m), Gewicht und evtl. Bedarf an Strom, der über den Bundesgerichtshof bezogen werden soll.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 9. Dezember 2021, 10.45 Uhr Sachen I ZR 146/20 (Werbung für Fernbehandlungen) (Verhandlung: 7.10.2021)

Datum: 09.12.2021
Akkreditierungsschluss: 08.12.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob eine private Krankenversicherung für ärztliche Fernbehandlungen über eine App durch im Ausland ansässige Ärzte werben darf.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Webseite für die Leistungen einer privaten Krankenversicherung und insbesondere für das Angebot eines "digitalen Arztbesuchs" mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten. Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist § 9 HWG durch das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation ("Digitale-Versorgung-Gesetz") vom 9. Dezember 2019 ergänzt worden. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Beklagte habe für eine digitale ärztliche Primärversorgung geworben, bei der in Deutschland befindliche Patienten von im Ausland ansässigen Ärzten Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen erhalten könnten, ohne dafür persönlich zum Arzt gehen zu müssen. Dies stelle einen Verstoß sowohl gegen die alte als auch gegen die neue Fassung von § 9 HWG dar. Die Werbung für eine Fernbehandlung sei auch dann unzulässig, wenn die beworbene Fernbehandlung selbst zulässig sei. Deshalb komme es nicht darauf an, ob für die hier in Rede stehende Tätigkeit der in der Schweiz ansässigen Ärzte eine schweizerische oder eine deutsche Berufsordnung maßgeblich und die Fernbehandlung danach zulässig sei. Bei § 9 HWG handele es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, so dass der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründet sei.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 16. Juli 2019 - 33 O 4026/18
OLG München - Urteil vom 9. Juli 2020 - 6 U 5180/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 9 HWG in der Fassung bis zum 18.12.2019

Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).

§ 9 HWG in der Fassung seit dem 19.12.2019

Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 8. Dezember 2021, 10.00 Uhr – VIII ZR 190/19 (Einrede unverhältnismäßiger Kosten bei begehrter Ersatzlieferung für ein vom sog. Abgasskandal betroffenes Fahrzeug)

Datum: 08.12.2021
Akkreditierungsschluss: 07.12.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Nach seinen Urteilen vom 21. Juli 2021 (siehe hierzu Pressemitteilung Nr. 140/2021) wird sich der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in diesem Verhandlungstermin erneut mit Fragen des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Dieselfahrzeugs (EA 189) beschäftigen.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Juni 2015 bei der beklagten Fahrzeughändlerin im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs ein mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug Volkswagen Caddy III, dessen Motorsteuerungssoftware den Prüfstandlauf erkannte und in diesem Fall den Ausstoß von Stickoxiden verringerte. Nachdem die Verwendung entsprechender Vorrichtungen bei Dieselmotoren des Typs EA 189 im Verlauf des sogenannten Dieselskandals öffentlich bekannt geworden war, informierte der Fahrzeughersteller den Kläger im Dezember 2016, dass für sein Fahrzeug nunmehr ein zur Beseitigung der Abschalteinrichtung entwickeltes und vom Kraftfahrtbundesamt freigegebenes Software-Update zur Verfügung stehe. Der Kläger lehnte das Aufspielen des Updates ab und verlangte stattdessen im Mai 2017 von der Beklagten die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs. Die Beklagte verweigerte eine Nachlieferung unter anderem mit der Begründung, dass deren Kosten im Vergleich zu den Kosten einer Nachbesserung durch das Software-Update unverhältnismäßig seien.

Bisheriger Prozessverlauf:

In den Vorinstanzen hat der Kläger mit seinem auf Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs gerichteten Begehren keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts könne der Kläger gemäß § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB zur Beseitigung des Sachmangels der unzulässigen Abschalteinrichtung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) zwar grundsätzlich frei zwischen der Nachbesserung und der Nachlieferung einer mangelfreien Sache wählen. Vorliegend habe die Beklagte die Ersatzlieferung jedoch gemäß § 439 Abs. 3 BGB (alte Fassung, nunmehr § 439 Abs. 4 BGB) verweigern dürfen, weil die für sie durch die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs in Gestalt des zwischenzeitlich auf den Markt getretenen Nachfolgemodells Volkswagen Caddy IV zusätzlich anfallenden Kosten (11.849,10 €) die Kosten für die Umrüstung durch das Software-Update von maximal 100 € um mehr als das 117-fache überschritten und damit unverhältnismäßig seien (sogenannte relative Unverhältnismäßigkeit). Soweit der Kläger eingewandt habe, eine Nachbesserung durch das vom Hersteller entwickelte Update scheide aus, weil es zur Installation einer anderen Abschalteinrichtung ("Thermofenster"), zu Folgeschäden (Leistungsverlust, höherer Kraftstoffverbrauch u.a.) und zu einem merkantilen Minderwert des Fahrzeugs führte, seien seine Behauptungen ohne Substanz. Zudem habe das Kraftfahrtbundesamt mit seiner Freigabeerklärung die dauerhafte Funktionsfähigkeit des Systems bescheinigt, ohne dass der Kläger dagegen konkrete Einwände erhoben habe.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Braunschweig – 11 O 1170/17 (252) – Urteil vom 14. Mai 2018
OLG Braunschweig – 7 U 289/18 – Urteil vom 13. Juni 2019

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
[…]
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen,
[…]

§ 439 BGB Nacherfüllung (in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung)

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
[…]
(3) 1Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung […] verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. 2Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. 3Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am Montag, den 29. November 2021, 11.00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VI ZR 248/18 und VI ZR 258/18 (Verfahren zum Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“) (Verhandlung: 25.10.2021)

Datum: 29.11.2021
Akkreditierungsschluss: 26.11.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren um das Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“ den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 25. Oktober 2021, 11.00 Uhr, bestimmt.

Sachverhalt:

Im Oktober 2014 erschien im H.-Verlag, einer Verlagsmarke der Drittbeklagten, ein vom Erstbeklagten, einem Historiker und Journalisten, zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Zweitbeklagten, ebenfalls Journalist, verfasstes Buch mit dem Titel „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“. Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des vormaligen Klägers Bundeskanzler a. D. Dr. Helmut Kohl. Hinsichtlich sämtlicher Äußerungen machen die Beklagten geltend, dass sie anlässlich von Gesprächen gefallen sind, die der Erstbeklagte mit dem vormaligen Kläger zur Erstellung von dessen Memoiren geführt hatte. Der vormalige Kläger hat geltend gemacht, das Buch verletze ihn in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er hat die Beklagten deshalb zum einen auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen (VI ZR 248/18) und zum anderen auf Zahlung einer Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen (VI ZR 258/18) in Anspruch genommen. Bei der nunmehrigen Klägerin handelt es sich um die Witwe des am 16. Juni 2017 und damit während der Berufungsverfahren verstorbenen vormaligen Klägers, die den Rechtsstreit als seine Alleinerbin fortführt.

Bisheriger Prozessverlauf:

VI ZR 248/18 (Klage auf Unterlassung):

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hinsichtlich des Erstbeklagten ist es davon ausgegangen, dieser sei bereits aufgrund einer mit dem vormaligen Kläger anlässlich der „Memoirengespräche“ konkludent geschlossenen Verschwiegenheitsvereinbarung zur beantragten Unterlassung verpflichtet. Gegenüber den anderen beiden Beklagten ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 830 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn mit der Veröffentlichung und Verbreitung der betroffenen Textpassagen hätten sie den (vormaligen) Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Die Berufung des Erstbeklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auch nach seiner Auffassung ist der Erstbeklagte aufgrund einer mit dem vormaligen Kläger konkludent getroffenen Vereinbarung zur Verschwiegenheit über sämtliche im Rahmen der Memoirengespräche erlangte Informationen verpflichtet. Diese Verpflichtung dauere fort und könne - so das Oberlandesgericht weiter - auch nach dem Tod des vormaligen Klägers durch die Klägerin geltend gemacht werden. Die Revision hat das Oberlandesgericht insoweit nicht zugelassen. Die vom Erstbeklagten dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 23. März 2021 zurückgewiesen. Insoweit ist das Verfahren abgeschlossen.

Die Berufungen des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten hatten in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts trifft diese beiden Beklagten zwar eine Unterlassungsverpflichtung wegen Verletzung des - nun postmortalen - Persönlichkeitsrechts des vormaligen Klägers. Diese Unterlassungsverpflichtung sei aber auf die wörtliche Wiedergabe und Verbreitung (angeblich) wörtlicher Zitate des vormaligen Klägers beschränkt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte begehren mit ihren Revisionen weiterhin die Abweisung der Klage. Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist der Rechtsstreit ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand der anberaumten mündlichen Verhandlung wird deshalb insoweit alleine noch der gegen die Drittbeklagte gerichtete Unterlassungsanspruch sein.

VI ZR 258/18 (Geldentschädigung)

Das Landgericht hat die drei Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1 Mio. € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie begehrt weiterhin eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen. Auch dieser Rechtsstreit ist hinsichtlich des verstorbenen Zweitbeklagten bzw. seiner Erben unterbrochen. Gegenstand des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung sind deshalb insoweit nur die gegen den Erstbeklagten und gegen die Drittbeklagte geltend gemachten Ansprüche.

Vorinstanzen:

VI ZR 248/18

LG Köln - 14 O 261/14 – Entscheidung vom 27. April 2017
OLG Köln - 15 U 65/17 – Entscheidung vom 29. Mai 2018

und

VI ZR 258/18

LG Köln - 14 O 323/15 – Entscheidung vom 27. April 2017
OLG Köln - 15 U 64/17 – Entscheidung vom 29. Mai 2018

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) […].

§ 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) […].

§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.
(2) […].

Art. 1 des Grundgesetzes (GG):

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) […].
(3) […].

Art. 2 des Grundgesetzes (GG):

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) […].

Art. 5 des Grundgesetzes (GG):

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 25. November 2021, 9.00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 238/20, 243/20, 257/20 und 38/21 ("Dieselverfahren": AUDI AG, Haftung für EA 189)

Datum: 25.11.2021
Akkreditierungsschluss: 24.11.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in vier gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden Sachen über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Einbau von Motoren des Typs EA 189 in von der AUDI AG hergestellte Fahrzeuge zu entscheiden.

Sachverhalt:

In den vier Verfahren nimmt die jeweilige Klagepartei die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 238/20 erwarb im April 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi Q5 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 20.500 €. Die Klägerin im Verfahren VII ZR 243/20 erwarb im März 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A3 1.6 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 12.000 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 257/20 erwarb im November 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A5 Sportback 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 29.970 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 38/21 erwarb im Juni 2009 ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug Audi A4 2.0 TDI zum Preis von 30.526,80 €.

Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Software, die den Stickoxidausstoß im Prüfstand verringerte. Die Motorsteuerung war so programmiert, dass bei Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand diese Situation erkannt wurde. Nach Bekanntwerden der "Umschaltlogik" verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten Software und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug des jeweiligen Klägers aufgespielt wurde.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die in der Hauptsache zuletzt jeweils auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg. Das Berufungsgericht hat jeweils im Wesentlichen ausgeführt:

Die Kläger hätten gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB. Die Beklagte hafte nicht allein aufgrund einer Zurechnung fremden Fehlverhaltens, sondern im Kern aufgrund eigenen deliktischen Handelns. Dies beruhe auf dem von der Beklagten zu verantwortenden Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer manipulativen, auf Täuschung ausgerichteten unzulässigen Abschalteinrichtung. Die Beklagte habe auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung die Typgenehmigungsbehörde und die Kunden arglistig getäuscht. Als Fahrzeugherstellerin sei sie für alle Belange des Typgenehmigungsverfahrens verantwortlich und verpflichtet gewesen, den Motor eigenständig auf Gesetzmäßigkeit zu überprüfen. Sie habe gegenüber der Genehmigungsbehörde zumindest konkludent erklärt, dass das Fahrzeug die gesetzlichen Vorschriften einhalte und insbesondere über keine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge. Im Übrigen sei die vollständige Übertragung des Typgenehmigungsverfahrens auf die Volkswagen AG unzulässig und begründe ein Organisationsverschulden. Die Beklagte müsse sich das Wissen der Volkswagen AG von der unzulässigen Abschalteinrichtung, von dem auszugehen sei, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, da die Volkswagen AG in ihrem Auftrag im Typgenehmigungsverfahren tätig geworden sei.

Hinzu komme, dass das Spannungsverhältnis zwischen kostengünstiger Produktion und Begrenzung der Stickoxidemissionen zum Zeitpunkt der Entwicklung und des Einbaus des Motors allgemein bekannt gewesen sei und durch das grundsätzliche Verbot von Abschalteinrichtungen noch an Bedeutung gewonnen habe. Die Beklagte stelle selbst Dieselmotoren nebst Steuerungstechnik her. Es sei nicht plausibel, dass sich keiner ihrer Verantwortlichen dafür interessiert habe, ob und wie die Volkswagen AG den Zielkonflikt beim Motor EA 189 gelöst haben könnte.

Die subjektiven Voraussetzungen der Haftung nach § 826 BGB seien ebenfalls erfüllt. Es scheine ausgeschlossen, dass die Beklagte den Motor ohne eigene Prüfung und Kenntnis der wesentlichen Merkmale „blind“ in ihre eigenen Fahrzeuge eingebaut habe. Es liege vielmehr auf der Hand, dass im Unternehmen der Beklagten mindestens ein handelnder Repräsentant an der Entscheidung über die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung beteiligt gewesen sei. Dies folge aus der Tragweite der Entscheidung, aber auch aus den Umständen.

Mit ihrer vom Berufungsgericht jeweils zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge auf vollständige Abweisung der betreffenden Klage weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 166 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) […]

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...] "Abschalteinrichtung" ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...]

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen:

VII ZR 238/20
Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 21. Mai 2019 – 21 O 1939/17
Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November 2020 – 21 U 3457/19

und

VII ZR 243/20
Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 17. Januar 2019 – 44 O 379/18
Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November 2020 – 21 U 972/19

und

VII ZR 257/20
Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 22. November 2019 – 41 O 2463/18
Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November 2020 – 21 U 7307/19

und

VII ZR 38/21
Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 26. Juli 2019 – 51 O 1424/18
Oberlandesgericht München – Urteil vom 14. Dezember 2020 – 21 U 5181/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin verlegt auf 18. November 2021, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 106/20 (Bindung des Mieters an einen vom Vermieter bereitgestellten Kabelanschluss) (Termin: 8.7.21)(vorher: Verkündungstermin: 20.10.2021)

Datum: 18.11.2021
Akkreditierungsschluss: 17.11.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob in Mietverträgen über Wohnraum vereinbart werden darf, dass der Mieter für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses an einen vom Vermieter zur Verfügung gestellten Breitbandkabelanschluss gebunden ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Die Beklagte ist Vermieterin von mehr als 120.000 Mietwohnungen, von denen ein großer Teil - nach Angaben der Beklagten etwa 108.000 - an ein Kabelfernsehnetz angeschlossen ist, über das Fernseh- und Hörfunkprogramme übertragen werden und das auch für andere Dienste wie Telefonate und Internet genutzt werden kann. Das Entgelt, das die Beklagte für die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen über das Kabelnetz zahlt, legt sie nach den Mietverträgen als Betriebskosten auf ihre Mieter um. Für die Mieter besteht keine Möglichkeit, während der Dauer des Mietverhältnisses die Versorgung ihrer Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunksignalen zu kündigen.

Die Klägerin sieht einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 43b TKG darin, dass die Mietverträge keine Regelungen enthalten, nach denen die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-TV- oder Kabel-Internet-Anschlusses wenigstens zum Ablauf einer Laufzeit von 24 Monaten kündbar ist, und die Beklagte nicht den Abschluss von Mietverträgen anbietet, nach denen die Bereitstellung solcher Anschlüsse auf eine Laufzeit von höchstens 12 Monaten begrenzt ist. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 43b TKG und kein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten zu. Die Vorschrift des § 43b Satz 1 TKG, nach der die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten 24 Monate nicht überschreiten darf, sei im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern nicht anwendbar. Es sei schon fraglich, ob die Beklagte einen Telekommunikationsdienst anbiete, also einen Dienst, der nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 24 TKG „ganz oder überwiegend“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze besteht. Wesentlicher Kern der von der Beklagten geschuldeten Leistung sei die Gewährung des Gebrauchs der vermieteten Wohnung. Der in der Übertragung von Signalen bestehende Dienst der Beklagten sei jedenfalls nicht "öffentlich zugänglich". Bei den Mietern eines Mehrfamilienwohnhauses handele es sich nicht um einen unbestimmten Personenkreis, sondern um eine von der Öffentlichkeit durch ihre Eigenschaft als Mieter von Wohnungen in bestimmten Immobilien klar abgegrenzte Personengruppe. § 43b TKG sei im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern auch nicht entsprechend anwendbar, da es an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz fehle.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Essen - Urteil vom 31. Mai 2019 - 45 O 72/18
OLG Hamm - Urteil vom 28. Mai 2020 - I-4 U 82/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 3 Nr. 24 TKG

Im Sinne dieses Gesetzes […] sind "Telekommunikationsdienste" in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen.

§ 43b TKG

Die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten darf 24 Monate nicht überschreiten. Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sind verpflichtet, einem Teilnehmer zu ermöglichen, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten abzuschließen.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 15. November 2021, 10.00 Uhr, in Sachen NotZ (Brfg) 2/21 (Bewerbung einer überwiegend als Insolvenzverwalterin tätigen Rechtsanwältin um ein Notaramt)

Datum: 15.11.2021
Akkreditierungsschluss: 10.03.2021
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs verhandelt in einem Berufungsverfahren über die Frage, ob bei der Bewerbung einer Rechtsanwältin um eine Notarstelle die Tätigkeit als Insolvenzverwalterin als Wartezeit zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist seit 1999 als Rechtsanwältin zugelassen. Seit 2009 ist sie im Amtsgerichtsbezirk X niedergelassen und mit einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in einer Partnerschaftsgesellschaft verbunden. Im Oktober 2019 bewarb sie sich als einzige Kandidatin auf eine für den Bereich ihres Kanzleisitzes ausgeschriebene Notarstelle im Anwaltsnotariat. Die Klägerin war in den letzten fünf Jahren vor ihrer Bewerbung vor allem als Insolvenzverwalterin tätig. Die Beklagte berücksichtigte ihre Bewerbung nicht. Sie erfülle die für ihre Ernennung zur Notarin notwendige Voraussetzung der örtlichen Wartezeit des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO (noch) nicht, denn sie sei nicht in dem vom Gesetz geforderten Umfang anwaltlich tätig geworden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die gegen den Bescheid der Beklagten erhobene Klage, die ausgeschriebene Notarstelle mit ihr zu besetzen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts erneut zu bescheiden, ist - ebenso wie ein früherer Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - vor dem Notarsenat des Oberlandesgerichts erfolglos geblieben. Dieser hat angenommen, die zur Bestellung als Anwaltsnotarin notwendigen Voraussetzungen der allgemeinen und örtlichen Wartezeit nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BNotO [a.F.] seien zwar in zeitlicher Hinsicht gegeben, es fehle jedoch an dem Erfordernis, dass die Klägerin in den letzten drei Jahren in nicht unerheblichem Umfang für unterschiedliche Auftraggeber als Rechtsanwältin tätig gewesen sei. Der Bewerber müsse in erheblichem ins Gewicht fallenden Maß als Rechtsanwalt tätig gewesen sein. Die Klägerin sei jedoch nur in einem von dem Durchschnitt der Rechtsanwälte deutlich nach unten abweichenden Umfang mit anwaltlichen Mandaten befasst gewesen. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege vielmehr auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung. Die insoweit bearbeiteten Verfahren könnten indes nicht berücksichtigt werden. Die Erfüllung der Wartezeit sei an die Tätigkeit als "als Rechtsanwalt" gebunden. Ein Insolvenzverwalter werde jedoch nicht, beziehungsweise nicht im Schwerpunkt rechtsberatend tätig. Eine Ausnahme von dem Regelerfordernis des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO [a.F.] komme nicht Betracht.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Vorinstanz:

OLG Celle - Not 19/20 - Entscheidung vom 21. Dezember 2020.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 6 Abs. 2 BNotO in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung (Neuregelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat) vom 2. April 2009

(1) (…)
(2) Im Fall des § 3 Abs. 2 [Anmerkung: betrifft die Ausübung des Amts des Notars im Nebenamt, mithin den Anwaltsnotar] soll als Notar nur bestellt werden, wer nachweist, dass er bei Ablauf der Bewerbungsfrist

1. mindestens fünf Jahre in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber als Rechtsanwalt tätig war,
2. die Tätigkeit nach Nummer 1 seit mindestens drei Jahren ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich ausübt,
3. (…)
4. (…)
5. (…)
(…).

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 12. November 2021, 9.00 Uhr, in Sachen V ZR 115/20 (Nachbarstreit über grenzüberschreitende Wärmedämmung) Verhandlung: 15.10.2021)

Datum: 12.11.2021
Akkreditierungsschluss: 11.11.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem zu klären ist, ob landesrechtliche Regelungen, die eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung von Bestandsbauten erlauben, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die jeweils mit vermieteten Mehrfamilienhäusern bebaut sind. Die Giebelwand des vor mehreren Jahrzehnten errichteten Gebäudes der Klägerin steht direkt an der gemeinsamen Grundstücksgrenze, während das Gebäude der Beklagten etwa 5 Meter von der Grenze entfernt ist. Gestützt auf die Behauptung, eine Innendämmung ihres Gebäudes könne nicht mit vertretbarem Aufwand vorgenommen werden, verlangt die Klägerin von den Beklagten, dass diese die grenzüberschreitende Außendämmung der Giebelwand der Klägerin dulden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Auf die Berufung der Belagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrem Rechtsmittel will die Klägerin das Urteil des Amtsgerichts wiederherstellen lassen.

Nach Ansicht des Landgerichts müssen die Beklagten die grenzüberschreitende Wärmedämmung als vorsätzlichen Überbau gemäß § 912 BGB nicht dulden. Die in § 23a Abs. 1 NachbarG NW vorgeschriebene Duldungspflicht sei verfassungswidrig und nichtig, weil es an der Gesetzgebungskompetenz des Landes fehle. Der Bundesgesetzgeber habe von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht Gebrauch gemacht und in § 912 BGB abschließend geregelt, inwieweit Nachbarn einen Überbau dulden müssten. Der in Art. 124 EGBGB enthaltene Vorbehalt erlaube lediglich andersartige landesrechtliche Beschränkungen des Eigentums an Grundstücken zugunsten des Nachbarn, nicht jedoch eine Modifizierung der im Bürgerlichen Gesetzbuch bereits geregelten Eigentumsbeschränkungen. Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG hat das Berufungsgericht als entbehrlich angesehen.

Dagegen hält die Klägerin § 23a Abs. 1 NachbarG NW für wirksam. Die Länder seien aufgrund des Vorbehalts in Art. 124 EGBGB befugt, die nachträgliche Wärmedämmung zu regeln. Selbst wenn der historische Gesetzgeber eine Verschärfung der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten nachbarlichen Duldungspflichten durch Landesrecht nicht gewollt habe, komme dies im maßgeblichen Wortlaut des Art. 124 EGBGB nicht zum Ausdruck.

Vorinstanzen:

AG Köln – Urteil vom 2. Oktober 2019 – 127 C 551/17
LG Köln – Urteil vom 14. Mai 2020 – 29 S 223/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 23 a NachbG NW Wärmedämmung und Grenzständige Gebäude

(1) Der Eigentümer bzw. die Eigentümerin eines Grundstücks hat die Überbauung seines bzw. ihres Grundstücks aufgrund von Maßnahmen, die an bestehenden Gebäuden für Zwecke der Wärmedämmung vorgenommen werden, zu dulden, wenn diese über die Bauteileanforderungen in der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), geändert durch Verordnung vom 29. April 2009 (BGBl. I S. 954), in der jeweils geltenden Fassung nicht hinausgeht, eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und die Überbauung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Überbauung die Grenze zum Nachbargrundstück in der Tiefe um mehr als 0,25 m überschreitet (…)
(5) Dem bzw. der Eigentümer/in des betroffenen Grundstücks ist ein angemessener Ausgleich in Geld zu leisten. Die Ausgleichszahlung darf die Höhe des Bodenrichtwertes nicht übersteigen (…)

§ 912 BGB Überbau; Duldungspflicht

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.
(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

Art. 124 EGBGB Nachbarschaftsrecht

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen. Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften, nach welchen Anlagen sowie Bäume und Sträucher nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden dürfen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 4. November 2021, 8.30 Uhr in Sachen I ZB 54/20 (Verbandsrechtliche Haftung der Fußballvereine für das Verhalten ihrer Anhänger) (Verhandlung: 1.7.2021)

Datum: 04.11.2021
Akkreditierungsschluss: 03.11.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Schiedssprüche zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein auf Grundlage der Rechts- und Verfahrensordnung des Deutschen Fußball-Bundes ergangener Schiedsspruch des "Ständigen Schiedsgerichts für die dritte Liga beim Deutschen Fußballbund" (Ständiges Schiedsgericht) gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt. Mit dem Schiedsspruch wurde ein Ligateilnehmer für das Verhalten seiner Anhänger im Fanblock bei Heim- sowie bei Auswärtsspielen mit einer Geldstrafe belegt.

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist die ausgegliederte Fußball-Profiabteilung des FC Carl Zeiss Jena e.V. Ihre erste (Männer-)Mannschaft spielte in der vom Antragsgegner, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), als Profiliga ausgerichteten dritten Liga. Die Parteien schlossen Anfang 2018 einen Schiedsgerichtsvertrag, in dem für Streitigkeiten insbesondere über Sanktionen die Zuständigkeit des Ständigen Schiedsgerichts vereinbart wurde. Bei einem Auswärtsspiel und zwei Heimspielen im Jahr 2018 brannten Personen im Fanblock der Antragstellerin pyrotechnische Gegenstände ab und/oder warfen Gegenstände in Richtung Spielfeld.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Sportgericht des Antragsgegners belegte die Antragstellerin aufgrund dieser Vorfälle gemäß § 9a Nr. 1 und 2 der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) mit einer Geldstrafe in Höhe von 24.900 €. Die Berufung der Antragstellerin wies das Bundesgericht des Antragsgegners zurück und stellte dabei ergänzend darauf ab, dass neben der verschuldensunabhängigen Haftung für die Vorfälle im heimischen Stadion auch eine eigene Verschuldenshaftung der Antragstellerin gegeben sei. Die dagegen erhobene Klage der Antragstellerin wies das Ständige Schiedsgericht im November 2019 ab.

Den Antrag, diesen Schiedsspruch aufzuheben, hat das Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen. Das Ständige Schiedsgericht sei ein echtes Schiedsgericht im Sinne der Vorschriften der Zivilprozessordnung über das schiedsrichterliche Verfahren (§§ 1025 ff. ZPO). Die Anwendung der in § 9a DFB-RuVO geregelten Verbandsstrafenhaftung im Sinne einer objektiven Kausalhaftung für ein Fehlverhalten Dritter verstoße nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, deren Zurückweisung der Antragsgegner beantragt.

Vorinstanzen:

OLG Frankfurt am Main - Beschluss vom 23. Juni 2020 - 26 Sch 1/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 9a DFB-RuVO:

Verantwortung der Vereine
1. Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich.
2. Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art.

§ 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO

Aufhebungsantrag

(2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, wenn das Gericht feststellt, dass
b) die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am Freitag, den 29. Oktober 2021, 10.30 Uhr, in Sachen 5 StR 443/19 im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig („Infinus-Verfahren“) (Verhandlung 11.10.2021)

Datum: 29.10.2021
Akkreditierungsschluss: 28.10.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Dresden hat fünf ehemalige Verantwortliche der Infinus-Unternehmensgruppe wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Kapitalanlagebetrug und einen weiteren Mitarbeiter wegen Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zum Kapitalanlagebetrug zu Freiheitsstrafen zwischen vier Jahren und sechs Monaten und acht Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen.

Nach den Urteilsfeststellungen unterhielten die Angeklagten ein aus mehreren Unternehmen bestehendes „Schneeballsystem“. Hierfür wurden Anleger geworben, indem diesen Scheingewinne vorgetäuscht wurden, obwohl die Anlagegesellschaft tatsächlich nicht über ein tragfähiges Geschäftskonzept verfügte. Irrtumsbedingt investierten die geschädigten Anleger im von der Anklage umfassten Tatzeitraum in Anleihen und Nachrangdarlehen im Gesamtvolumen in Höhe von 541.947.300 Euro, wovon bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs lediglich ein Teil zur Rückzahlung gelangte.

Gegen dieses Urteil richten sich die mit der Sachrüge und Verfahrensbeanstandungen geführten Revisionen der Angeklagten, über die der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 11. Oktober 2021 um 10.00 Uhr im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts (Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, Großer Sitzungssaal) verhandeln wird. Als Termin zur Verkündung einer Entscheidung ist der 29. Oktober 2021, 10.30 Uhr, ebenfalls im Großen Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts, in Aussicht genommen.

Vorinstanz:

Landgericht Dresden - Urteil vom 9. Juli 2018 – 5 KLs 100 Js 7387/12

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 263 StGB (Betrug):

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(…)

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

§ 264a StGB (Kapitalanlagebetrug):

(1) Wer im Zusammenhang mit
1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder

2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,
in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(…)

§ 27 StGB (Beihilfe):

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 22. Oktober 2021, 12:00 Uhr (Verhandlungstermin am 25. Juni 2021 um 9:45 Uhr) in Sachen V ZR 225/19 u.a. (Freiland-Photovoltaikanlage)

Datum: 22.10.2021
Akkreditierungsschluss: 21.10.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Sachenrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt in vier Parallelverfahren über die Frage, ob Solarmodule, die in eine Freiland-Photovoltaikanlage eingebaut sind, Gegenstand besonderer Rechte sein können.

Sachverhalt:

Kläger ist in allen vier Verfahren der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft, die im Jahr 2010 eine Freiland-Photovoltaikanlage mit insgesamt 5.000 Photovoltaikmodulen, neun Wechselrichtern und einer Gesamtleistung von 1.050 kWp erwarb, welche zuvor auf dem Grundstück eines Dritten errichtet worden war. Die Gesellschaft erhielt an dem Grundstück ein Nutzungsrecht. Ende 2010 verkaufte sie die Module dieser Anlage an insgesamt 65 Kapitalanleger. Diese sollten gemäß den jeweiligen Kaufverträgen – mit Unterschieden in den Einzelheiten – das Eigentum an einer bestimmten Anzahl von Modulen nebst einem Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion der Photovoltaikanlage erwerben. Zugleich vermieteten die Anleger die Module an ein Tochterunternehmen der die Module veräußernden Gesellschaft zurück. Im März 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat in einer Reihe von Verfahren zunächst die Feststellung begehrt, dass die jeweiligen Beklagten kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion erworben haben. Nachdem die jeweiligen Beklagten Widerklage u.a. auf Herausgabe der Module erhoben hatten, haben die jeweiligen Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Klage für in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Oberlandesgerichte München (V ZR 225/19) und Bamberg (V ZR 8/20, V ZR 69/20) haben den Widerklagen stattgegeben, das Oberlandesgericht Karlsruhe (V ZR 44/20 und – nicht zur Verhandlung anstehend – V ZR 269/20) hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision in den drei erstgenannten Verfahren verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter, die Beklagten möchten in dem letztgenannten Verfahren erreichen, dass der Widerklage auf Herausgabe der Module stattgegeben wird.

Rechtliche Problemstellung:

Der Fall wirft eine Reihe von Fragen auf, die die Vorinstanzen jeweils unterschiedlich beantwortet haben. So stellt sich zunächst die Frage, ob Solarmodule, die in eine Freiland-Photovoltaikanlage eingebaut werden, gem. § 93 BGB als wesentliche
Bestandteile der Anlage anzusehen sind, was zur Folge hätte, dass sie ohne Trennung von der Anlage nicht gesondert übereignet werden könnten. Das Oberlandesgericht Bamberg verneint dies unter Verweis auf die Austauschbarkeit der Module zum Zeitpunkt des Einbaus. Wird die Frage hingegen bejaht, so wären die Module nur sonderrechtsfähig, wenn sie – wie das Oberlandesgericht München annimmt – als Scheinbestandteile der Anlage anzusehen sein sollten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist hingegen der Ansicht, die Photovoltaikanlage sei insgesamt als Gebäude i.S.v. § 94 BGB anzusehen. In dieses seien die einzelnen Module zur Herstellung eingefügt worden und hierdurch nach § 94 Abs. 2 BGB zu wesentlichen Bestandteilen der Anlage geworden.

Vorinstanzen:

V ZR 225/19
LG Deggendorf – Urteil vom 18. Januar 2019 – 31 O 274/18
OLG München – Urteil vom 24. Juli 2019 – 3 U 875/19

und

V ZR 8/20
LG Aschaffenburg – Urteil vom 10. Januar 2019 – 13 O 209/18
OLG Bamberg – Urteil vom 10. Dezember 2019 – 6 U 11/19

und

V ZR 44/20
LG Mosbach – Urteil vom 17. Oktober 2018 – 2 O 86/18
OLG Karlsruhe – Urteil vom 24. Januar 2020 – 1 U 175/18

und

V ZR 69/20
LG Würzburg – Urteil vom 1. April 2019 – 71 O 1050/18 Ins
OLG Bamberg – Urteil vom 5. März 2020 – 1 U 122/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 93 BGB Wesentliche Bestandteile einer Sache

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

§ 94 BGB Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes

(1) 1Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. 2Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.
(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

§ 95 BGB Nur vorübergehender Zweck

(1) 1Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. 2Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist.
(2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Oktober 2021, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 96/20 (Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts) (Termin: 8.7.2021)

Datum: 20.10.2021
Akkreditierungsschluss: 19.10.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob Verbrauchern ein Widerrufsrecht zusteht, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts abschließen.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale. Die Beklagte vertreibt Kurventreppenlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven angepasst werden. Die Beklagte teilt Verbrauchern bezüglich der Kurventreppenlifte mit, dass - außer für ein bestimmtes Modell - kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Widerrufsrecht bestehe und sieht in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Er nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 Satz 1, § 312g Abs. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB zu. Zwar sei ein Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über das Widerrufsrecht zu informieren, das dieser bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen habe. Nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB bestehe jedoch kein Widerrufsrecht bei einem Vertrag zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt seien und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich sei oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten seien. So liege der Fall hier. Bei den Verträgen über die Lieferung und Montage der Kurventreppenlifte handle es sich um Werklieferungsverträge, die in den Anwendungsbereich des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB fielen, und nicht um Werkverträge, auf die diese Ausnahmevorschrift keine Anwendung finde. Nach der Verkehrsanschauung stünden die Lieferung des individuell angefertigten Treppenlifts und die Übertragung des Eigentums daran im Vordergrund und nicht die Planung und Montage des Liftsystems.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 3. Dezember 2019 - 81 O 72/19
OLG Köln - Beschluss vom 13. Mai 2020 - 6 U 300/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB

Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren.

§ 312g Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind, […]

Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB

Steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu, ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher zu informieren
1. über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2,
2. gegebenenfalls darüber, dass der Verbraucher im Widerrufsfall die Kosten für die Rücksendung der Waren zu tragen hat, und bei Fernabsatzverträgen zusätzlich über die Kosten für die Rücksendung der Waren, wenn die Waren auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postweg zurückgesendet werden können, und
3. darüber, dass der Verbraucher dem Unternehmer bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen oder über die nicht in einem bestimmten Volumen oder in einer bestimmten Menge vereinbarte Lieferung von Wasser, Gas, Strom oder die Lieferung von Fernwärme einen angemessenen Betrag nach § 357 Absatz 8 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die vom Unternehmer erbrachte Leistung schuldet, wenn der Verbraucher das Widerrufsrecht ausübt, nachdem er auf Aufforderung des Unternehmers von diesem ausdrücklich den Beginn der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hat.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 15. Oktober 2021, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 225/20 (Nutzungsverbot für ein Parkhaus durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer?) (Verhandlung: 17.9.21)

Datum: 15.10.2021
Akkreditierungsschluss: 14.10.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, das ein nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteiltes, stark sanierungsbedürftiges Parkhaus betrifft. Die klagende Teileigentümerin wehrt sich gegen einen Mehrheitsbeschluss, mit dem aus Sicherheitsgründen ein Nutzungsverbot für das Parkhaus verhängt worden ist, ohne dass eine Sanierung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft vorgesehen ist.

Sachverhalt:

Drei der insgesamt elf Ebenen des über 40 Jahre alten Parkhauses stehen als eigene Teileigentumseinheit im Sondereigentum der Klägerin. Sie vermietet ihre Einheit an ein benachbartes Hotel. Im Übrigen ist das Parkhaus seit Jahren außer Betrieb. Nachdem das Bauordnungsamt Nachweise für die Einhaltung der brandschutztechnischen Mindestanforderungen angefordert hatte, beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass die Ebenen, die zu der Einheit der Klägerin gehören, nicht mehr genutzt werden dürfen. Vor dem Hintergrund, dass die Gemeinschaft eine Sanierung bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgelehnt hatte, wurde der Klägerin gestattet, die brandschutztechnischen Mängel selbst und auf eigene Kosten zu beseitigen; erst nach Vorlage entsprechender Nachweise sollte sie die Nutzung wieder aufnehmen dürfen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Beschlussmängelklage der Klägerin hat das Amtsgericht abgewiesen. Ihre Berufung war erfolglos. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will die Klägerin erreichen, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird.

Das Landgericht (LG München I, ZWE 2021, 170 ff.) meint, die Gemeinschaft habe aus Gründen der Verkehrssicherheit ein Betretens- und Nutzungsverbot beschließen dürfen. Die Wohnungseigentümer hätten tätig werden müssen, nachdem ihnen das Schreiben des Bauordnungsamts und ein Gutachten über Brandschutzmängel des Parkhauses vorgelegen hätten. Normalerweise sei eine Wohnungseigentümergemeinschaft zwar verpflichtet, einen gefahrenträchtigen Zustand zu beheben. Hier sei das Parkhaus aber zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört, weil dem Verkehrswert von ca. 3,6 Mio. € Sanierungskosten von ca. 4,9 Mio. € gegenüber stünden. Deshalb schließe § 22 Abs. 4 WEG aF (jetzt § 22 WEG) eine Verpflichtung zum Wiederaufbau aus. Diese Norm sei auch dann anwendbar, wenn der Zustand des Gebäudes auf einer mangelnden Instandhaltung beruhe; nach bestrittener, aber zutreffender Ansicht komme es auf die Ursache der Baufälligkeit nicht an.

Dagegen hält die Klägerin den Beschluss für nichtig. Er greife in ihr unentziehbares Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ein und hindere sie daran, mit ihrem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren. Die von ihr genutzten Ebenen wiesen keine Brandschutzmängel auf. Außerdem bestehe weiterhin eine gemeinschaftliche Sanierungspflicht der Wohnungseigentümer. Denn „zerstört“ im Sinne des § 22 Abs. 4 WEG aF werde ein Gebäude nur durch plötzliche und unvorhergesehene Ereignisse (wie Brand, Erdbeben oder Überflutung), nicht jedoch durch unterlassene Instandhaltung. Den Mehrheitseigentümern gehe es vornehmlich darum, den Abriss des Parkhauses zu erzwingen.

Vorinstanzen:

AG Augsburg – Urteil vom 24. Mai 2017 – 31 C 4282/16 WEG
LG München I – Urteil vom 7. Oktober 2020 – 1 S 9173/17 WEG

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 Abs. 1 WEG aF (= § 13 Abs. 1 WEG nF):

"Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen."

§ 21 Abs. 3 WEG aF (vgl. § 19 Abs. 1 WEG nF):

„Soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen.“

§ 22 Abs. 4 WEG aF (= § 22 WEG nF):
„Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht gemäß § 21 Abs. 3 beschlossen oder gemäß § 21 Abs. 4 verlangt werden.“

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen 2 StR 418/19 am 13. Oktober 2021, 15.00 Uhr, Rintheimer Querallee 11, Karlsruhe (Freisprüche vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung im Zusammenhang mit dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln) ( (mündliche Verhandlung 7.7.2021)

Datum: 13.10.2021
Akkreditierungsschluss: 12.10.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Köln hat zwei Angeklagte vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am 3. März 2009 zu dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln sowie zweier Wohngebäude, bei dem zwei Menschen zu Tode kamen und ein Schaden – insbesondere an den Gebäuden und dem Archivgut – in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags entstanden ist. Ursache des Unglücks war zur Überzeugung der Strafkammer die Havarie einer rund 27 Meter tiefen Baugrube in unmittelbarer Nähe der Gebäude, die im Zuge eines Großprojekts zur Errichtung einer Stadtbahn ausgehoben worden war. Die Erstellung der seitlichen Schlitzwand der Baugrube, mit welcher das Eindringen von Grundwasser verhindert werden sollte, war nicht fachgerecht erfolgt. Infolgedessen hielt diese Wand am Unglückstag dem Wasserdruck nicht mehr stand, wodurch Wasser, Sand und Erdreich in die Baugrube einströmten und so unter den anliegenden Gebäuden ein Hohlraum entstand, der zu deren Einsturz führte.

Die beiden Angeklagten waren als Bauleiter für die Errichtung der Schlitzwand bzw. den Aushub der Baugrube verantwortlich. Das Landgericht hat zwar Sorgfaltspflichtverletzungen der Angeklagten festgestellt. Indes waren diese nach den Wertungen der Strafkammer für den Einsturz der Gebäude nicht ursächlich. Gegen die Freisprüche wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Soweit das Landgericht einen weiteren Angeklagten – einen von der Bauherrin eingesetzten Bauüberwacher – wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hat, wird der Senat über dessen Revision im Beschlussverfahren gesondert entscheiden. Gleiches gilt für die Revision eines durch eine andere Strafkammer des Landgerichts verurteilten Angeklagten (2 StR 477/19).

Vorinstanz:

Landgericht Köln – Urteil vom 12. Oktober 2018 – 110 KLs 9/17

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 12. Oktober 2021 um 10.30 Uhr in Sachen VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19 (Ärztebewertungsportal „JAMEDA“)

Datum: 12.10.2021
Akkreditierungsschluss: 10.03.2021
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am kommenden Dienstag, den 12. Oktober 2021, ab 10.30 Uhr in zwei Verfahren um das Ärztebewertungsportal „JAMEDA“ mündlich verhandeln (Az. VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19).

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt das Ärztebewertungsportal „JAMEDA“, das monatlich von mindestens sechs Millionen Nutzern besucht wird. Sie erstellt dabei für alle Ärzte unter Verwendung von Daten aus allgemein zugänglichen Quellen ein Basisprofil mit Namen, akademischem Grad, Fachrichtung, Praxisanschrift, weiteren Kontaktdaten und Sprechzeiten. Nutzer des Portals können die Ärzte nach bestimmten, vorgegebenen Kriterien benoten und in Form von Freitextkommentaren bewerten. Aus den abgegebenen Einzelbewertungen werden für die unterschiedlichen Kategorien Durchschnittsnoten gebildet, aus den Durchschnittsnoten der verschiedenen Kategorien wiederum eine Gesamtnote für den jeweiligen Arzt, die auf dessen Profil sichtbar ist. Die Beklagte bietet den in ihrem Portal erfassten Ärzten den Erwerb eines „Gold“- oder „Platinpakets“ gegen monatliche Zahlungen von 69 € bzw. 139 € an, die es ermöglichen, die Profilseiten - etwa durch Hinzufügen eines Fotos, Setzen eines Links auf die eigene Internetseite oder die Veröffentlichung von Fachartikeln - ansprechender zu gestalten.

Die Klägerin im Verfahren VI ZR 488/19 ist Fachzahnärztin für Parodontologie, der Kläger im Verfahren VI ZR 489/19 Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Sie verfügen über kein kostenpflichtiges Paket bei der Beklagten; in ihre Aufnahme in das Portal der Beklagten haben sie nicht eingewilligt. Beide werden von der Beklagten deshalb mit einem Basisprofil geführt. Mit ihren Klagen verlangen sie zum einen die vollständige Löschung ihrer Daten aus dem Portal der Beklagten, zum anderen, es auch in Zukunft zu unterlassen, sie betreffende Profile zu veröffentlichen, wenn das Portal bestimmte, im einzelnen beschriebene Merkmale aufweist. Konkret wenden sie sich hierbei gegen eine Vielzahl - im Einzelnen bezeichneter - Unterschiede bei der Ausgestaltung von zahlungspflichtigen Gold- oder Platinprofilen einerseits und Basisprofilen andererseits (z. B.: Verlinkung anderer Ärzte bzw. Ärztelisten, die Möglichkeit, Bilder, Texte u. ä. einzustellen, Werbung von Drittunternehmen) sowie eine unterschiedliche Behandlung von zahlenden und nichtzahlenden Ärzten in Bezug auf bestimmte Serviceleistungen, etwa eine professionelle Hilfestellung beim Verfassen von Texten oder eine kostenlose Hotline nur für zahlende Ärzte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht Bonn (Az. 9 U 157/18 bzw. 18 U 143/18) hat beiden Klagen stattgegeben. Die dagegen gerichteten Berufungen der Beklagten hat das Oberlandesgericht Köln (Az. 15 U 89/19 bzw. 15 U 126/19) hinsichtlich der Löschungsanträge zurückgewiesen. Hinsichtlich der - im Revisionsverfahren allein noch relevanten - Unterlassungsanträge hat es das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen der Beklagten überwiegend abgeändert und die Klagen abgewiesen. Nach seiner Auffassung ist die Zulässigkeit der Aufnahme der Kläger in das Portal an Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zu messen, wonach eine rechtmäßige Datenverarbeitung voraussetzt, dass die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Nutzer erforderlich ist und die Interessen der Kläger als betroffene Personen nicht überwiegen. Im Rahmen der damit gebotenen Einzelfallabwägung sei von den Grundsätzen des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2018 (VI ZR 30/17, GRUR 2018, 636) auszugehen. Danach erfülle das von der Beklagten betriebene Portal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion. Der Portalbetreiber könne seine auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit gestützte Rechtsposition gegenüber den Betroffenen aber nur mit geringerem Gewicht geltend machen, soweit er seine Stellung als neutraler Informationsmittler nicht mehr wahre und seinen eigenen Kunden in Gewinnerzielungsabsicht verdeckte Vorteile verschaffe; erforderlich sei hierfür, dass Basiskunden auf dem Portal als „Werbeplattform“ für Premiumkunden benützt würden und dass den Premiumkunden dadurch ein Vorteil gewährt werde, der schließlich aus Sicht des durchschnittlichen Nutzers verdeckt, mithin für diesen nicht erkennbar, erfolge. Dies sei nur hinsichtlich eines (geringen) Teils der Unterlassungsanträge der Fall. Mit ihren Revisionen verfolgen die Kläger ihre Begehren, soweit sie abgewiesen wurden, weiter.

Vorinstanzen:

VI ZR 488/19
LG Bonn – 9 O 157/18 – Entscheidung vom 29. März 2019
OLG Köln – 15 U 89/19 – Entscheidung vom 14. November 2019

und

VI ZR 489/19
LG Bonn – 18 O 143/18 – Entscheidung vom 28.März 2019
OLG Köln – 15 U 126/19 – Entscheidung vom 14. November 2019

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Artikel 6 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO):

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
[…].
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
[…]

Artikel 21 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO):

(1) Die betroffene Person hat das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e oder f erfolgt, Widerspruch einzulegen; […]. Der Verantwortliche verarbeitet die personenbezogenen Daten nicht mehr, es sei denn, er kann zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, oder […].
[…].

Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO):

(1) Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken […] in Einklang.
(2) Für die Verarbeitung, die zur journalistischen Zwecken […] erfolgt, sehen die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), […] vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.
[…]

Art. 38 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG):

(1) Werden personenbezogene Daten zu journalistischen, […] Zwecken verarbeitet, stehen den betroffenen Personen nur die in Abs. 2 genannten Rechte zu. […].
(2) […].

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 6. Oktober 2021, 11.00 Uhr, Sitzungssaal E 101 in dem Verfahren XI ZR 234/20, (Musterfeststellungsklage zur Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen)

Datum: 06.10.2021

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird im Rahmen einer Musterfeststellungsklage über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen zu entscheiden haben.

Sachverhalt:

Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die beklagte Sparkasse schloss seit dem Jahr 1994 mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es u.a.:

„Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst.“

In den in die Sparverträge einbezogenen „Bedingungen für den Sparverkehr“ heißt es weiter:

„Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“

Prozessverlauf:

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungs-klage insgesamt sieben Feststellungsziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revisionen des Musterklägers und der Musterbeklagten am 6. Oktober 2021 verhandeln.

Vorinstanz:

Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 22. April 2020 – 5 MK 1/19

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 16. September 2021, 9.00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20 ("Dieselverfahren": Daimler-Thermofenster)

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in vier gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden Sachen über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Thematik des sogenannten "Thermofensters" zu entscheiden.

Sachverhalt:
In den vier Verfahren nehmen die jeweiligen Kläger den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen Verwendung einer angeblich unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 190/20 erwarb im Januar 2016 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz C 250 CDI zum Preis von 16.900 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 286/20 erwarb im Juli 2012 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz GLK 250 CDI 4M BE zum Preis von 43.950 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 321/20 erwarb im November 2016 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4M BE zum Preis von 23.760 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 322/20 erwarb im August 2016 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz B 180 zum Preis von 20.900 €.

Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet und unterliegen keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Für den jeweiligen Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Abgasreinigung erfolgt in den Fahrzeugen über die Abgasrückführung, bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Bei kühleren Temperaturen wird die Abgasrückführung zurückgefahren ("Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien jeweils streitig ist, bei welchen Außen-/Ladelufttemperaturen dies der Fall ist.

Die Kläger machen jeweils geltend, die Beklagte habe das Thermofenster in Form einer verbotenen Abschaltvorrichtung exakt auf die Prüfbedingungen im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) abgestimmt und so im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens unter Vorspiegelung der Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte die Erlangung der EG-Übereinstimmungsbescheinigung und die damit einhergehende Erteilung der Betriebserlaubnis erwirkt. Mit ihren Klagen verlangen sie jeweils Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen, die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Bisheriger Prozessverlauf:

In allen vier Verfahren hatten die Klagen in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat jeweils im Wesentlichen ausgeführt:

Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 826 BGB scheide aus, weil eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters nicht ausreichend konkret dargelegt worden sei. So hätten die Kläger sich jeweils nicht widerspruchsfrei auf eine Temperatur festgelegt, bei welcher die Abgasreinigung abgeschaltet werde, und ins Blaue hinein behauptet, dass das Thermofenster exakt auf die Prüfbedingungen im NEFZ abgestimmt sei. Unabhängig davon, ob ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, sei das Inverkehrbringen eines derart konzipierten Fahrzeugs subjektiv jedenfalls nicht als sittenwidrige Handlung zu bewerten. Bei einer die Abgasreinigung beeinflussenden Motorsteuerungssoftware wie dem hier in Rede stehenden Thermofenster, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeite wie auf dem Prüfstand und bei der Gesichtspunkte des Motor- oder Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft erwogen werden könnten, könne bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte - die hier weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich seien - nicht ohne Weiteres unterstellt werden, die Handelnden bzw. Verantwortlichen bei der Beklagten hätten in dem Bewusstsein agiert, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Dass andere mit einem Motor aus der Serie OM 651 ausgestattete Fahrzeuge von einer Rückrufaktion des KBA betroffen seien, sei hierfür allein nicht ausreichend. Da die Gesetzeslage hinsichtlich der Zulässigkeit von Thermofenstern nicht eindeutig sei, könne ein Handeln unter vertretbarer Gesetzesauslegung nicht als besonders verwerflich angesehen werden. Die Kläger hätten auch jeweils nicht dargetan, dass Repräsentanten der Beklagten die maßgeblichen Umstände in Bezug auf den konkreten Fahrzeugtyp gekannt hätten. Die Beklagte hafte ferner nicht aus anderen Vorschriften des deutschen bzw. des Unionsrechts.

Mit ihren vom Berufungsgericht jeweils zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre Klageziele weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...]
"Abschalteinrichtung" ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...]

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen:

VII ZR 190/20
Landgericht Bad Kreuznach – Urteil vom 22. Februar 2019 – 2 O 30/19
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 12. Oktober 2020 – 12 U 1525/19

VII ZR 286/20
Landgericht Koblenz – Urteil vom 26. November 2019 – 1 O 70/19
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 16. November 2020 – 12 U 2252/19

VII ZR 321/20
Landgericht Koblenz – Urteil vom 26. November 2019 – 1 O 67/19
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 23. November 2020 – 12 U 2250/19

VII ZR 322/20
Landgericht Bad Kreuznach – Urteil vom 22. Februar 2019 – 2 O 31/19
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 23. November 2020 – 12 U 2054/19

Datum: 16.09.2021
Akkreditierungsschluss: 15.09.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Verkündungstermin am 16. September 2021, 11.00 Uhr, Saal E 101 (Verhandlungstermin am 2. September 2021, 9.00 Uhr), in Sachen VII ZR 192/20 („Dieselverfahren“: Verwendung von EA189-Motoren durch die Audi AG, Bemessung des Nutzungsvorteils beim Leasing)

Datum: 16.09.2021
Akkreditierungsschluss: 15.09.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat über Schadensersatzansprüche wegen des Leasings und anschließenden Kaufs eines von der beklagten Audi AG hergestellten Kraftfahrzeugs zu entscheiden, in dem ein vom sogenannten "Abgasskandal" betroffener Dieselmotor der Baureihe EA189 verbaut ist.

Das Verfahren betrifft unter anderem die Fragen, ob die Audi AG dem Grunde nach für die Verwendung von EA189-Motoren in ihren Fahrzeugen haftet, und wie der Nutzungsvorteil zu bemessen ist, der auf den etwaigen Schadensersatzanspruch eines Leasingnehmers anzurechnen ist; zudem erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Sachverhalt:

Der Kläger leaste ab Juni 2009 für vier Jahre von der Volkswagen Leasing GmbH einen neuen Audi Q5. Er leistete monatliche Leasingraten in Höhe von 437 € und eine Leasingsonderzahlung in Höhe von 5.000 €. Im Mai 2013 erwarb er das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 80.000 für 25.680,74 € von einem anderen Unternehmen. Bei einem Kilometerstand von 170.000 erlitt das Fahrzeug einen Motorschaden und wurde seitdem nicht mehr bewegt.

Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchlief, und in diesem Fall eine höhere Abgasrückführungsrate und einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.

Mit seiner im Jahr 2019 erhobenen Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung seiner für das Leasing und den Kauf gezahlten Beträge abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hatte in den Vorinstanzen teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB zustehe, soweit er seine Ansprüche auf den Abschluss des Kaufvertrags im Mai 2013 stütze. Die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich ihrer angeblichen Unkenntnis von der manipulierten Motorsteuerungssoftware. Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises zuzüglich verschiedener Aufwendungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die seit dem Kauf gefahrenen 90.000 Kilometer, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs. Der Anspruch sei nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist habe frühestens am 1. Januar 2017 begonnen. Dem Kläger falle keine grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners bereits im Jahre 2015 zur Last. Der Kläger könne hingegen nicht Erstattung der aufgrund des Leasingvertrags geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 25.976 € verlangen. Ein etwaiger Anspruch scheitere jedenfalls daran, dass der gegebenenfalls anzurechnende Nutzungsvorteil der Höhe nach den Leasingzahlungen entspreche.

Gegen das Berufungsurteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision weiterhin die vollständige Klageabweisung. Sie meint, dass sie schon dem Grunde nach nicht auf Schadensersatz hafte, da sie keine Kenntnis von der fraglichen Motorsteuerungssoftware gehabt habe; hilfsweise beruft sie sich auf Verjährung. Der Kläger macht mit seinem Rechtsmittel in erster Linie geltend, das Berufungsgericht habe den während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteil zu hoch bewertet; die insgesamt gefahrenen 170.000 Kilometer seien einheitlich nach der für den Kauf anerkannten Berechnungsformel (Fahrzeugpreis mal Fahrstrecke geteilt durch Laufleistungserwartung) zu bewerten, ausgehend vom Neupreis des Fahrzeugs.

Vorinstanzen:

Landgericht Ellwangen – Urteil vom 20. Dezember 2019 – 1 O 9/19
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 9. Oktober 2020 – 12 U 33/20 – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2021

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 9. September 2021, 8.30 Uhr, in den Sachen I ZR 90/20, I ZR 125/20 und I ZR 126/20, Saal E 101, (Zur Pflicht von Influencerinnen, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen) (Verhandlung: 29.7.2021)

Datum: 09.09.2021
Akkreditierungsschluss: 08.09.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Verfahren über die Frage zu entscheiden, ob Influencerinnen verpflichtet sind, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen.

Kläger ist in allen Verfahren ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder einschließlich der Verfolgung von Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht gehört. Die Beklagten sind Influencerinnen, die auf der Social-Media-Plattform Instagram regelmäßig Bilder veröffentlichen. Bestandteil der Bilder sind von den Beklagten eingefügte sogenannte "Tap Tags". Klickt man auf das mit "Tap Tags" versehene Bild eines Instagram-Beitrags, erscheinen die "Tap Tags", die die Firmen bzw. Marken der Hersteller von Produkten oder der Inhaber von Betrieben enthalten, die in der Regel auf dem jeweiligen Bild zu sehen sind. Durch einen Klick auf einen "Tap Tag" wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des jeweiligen Unternehmens weitergeleitet.

Der Kläger sieht darin unzulässige Schleichwerbung und nimmt die Beklagten jeweils auf Unterlassung und Ersatz einer Abmahnkostenpauschale in Anspruch.

Zum Verfahren I ZR 90/20:

Sachverhalt:

Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram insbesondere Bilder von Sportübungen sowie Fitness- und Ernährungstipps. Darüber hinaus unterhält sie eine gewerbliche Internetseite, auf der sie Fitnesskurse und Personaltrainings gegen Entgelt anbietet und einen Online-Shop betreibt. Wird das Profil der Beklagten bei Instagram aufgerufen, erscheint unter anderem ein Hinweis auf ihre Internetadresse und eine App, die ihren Profilnamen trägt.

Bezüglich eines der streitgegenständlichen Instagram-Beiträge hat die Beklagte eingeräumt, dass eine Kooperation mit dem verlinkten Unternehmen bestanden habe. In diesem Fall hieß es in dem das Bild begleitenden Text: "Heute konnte ich zumindest der lieben @[…] eine Freude bereiten und sie erhält unter anderem die ganze neue Raspberry Jam von […] (*Werbung: gibt's ab morgen neu im Shop)."

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und ein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Die beanstandeten Handlungen stellten geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zur Förderung des Absatzes der Drittunternehmen dar. Dabei sei nicht allein entscheidend, ob die Beklagte Gegenleistungen von den Unternehmen erhalten habe, da eine Gesamtwürdigung der objektiven Begleitumstände vorzunehmen sei. Entgegen § 5a Abs. 6 UWG sei der kommerzielle Zweck der Drittwerbung nicht ausreichend kenntlich gemacht worden. Die fehlende Kenntlichmachung sei geeignet, den Verbraucher zu andernfalls nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:
LG Göttingen - Urteil vom 13. November 2019 - 3 O 22/19
OLG Braunschweig - Urteil vom 13. Mai 2020 - 2 U 78/19

Zum Verfahren I ZR 125/20:

Sachverhalt:

Die Beklagte unterhält bei Instagram einen Account, der von ihr überwiegend kommerziell genutzt wird und von 1,7 Millionen Nutzern abonniert war. Der Account ist verifiziert und daher am Anfang des Profils mit einem blauen Haken versehen. Die Beklagte veröffentlicht regelmäßig Bilder von sich selbst mit kurzen Begleittexten zu den Themen Beauty, Mode, Lifestyle und Reisen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und kein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Bei den streitgegenständlichen Instagram-Beiträgen und den darin enthaltenen Tap Tags handele es sich zwar um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da die Beklagte sowohl den Absatz von Waren oder Dienstleistungen der beworbenen Unternehmen als auch ihr eigenes Unternehmen fördere. Eine wettbewerbswidrige Handlung gemäß § 5a Abs. 6 UWG liege jedoch nicht vor, da sich der kommerzielle Zweck der geschäftlichen Handlung unmittelbar aus den Umständen ergebe. Darüber hinaus sei das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks nicht dazu geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Eine Unlauterkeit nach § 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG wegen einer fehlenden Erkennbarkeit von kommerzieller Kommunikation scheide aus, da gemäß § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG eine kommerzielle Kommunikation nicht bei Angaben zu Waren und Dienstleistungen vorliege, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht würden. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, dass die Beklagte für die streitgegenständlichen "Tap Tags" eine Gegenleistung erhalten habe. Daher scheide ebenso eine Unlauterkeit nach Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG wegen als Information getarnter Werbung aus, denn auch insoweit sei ein vom Unternehmer finanzierter Einsatz Voraussetzung. Schließlich folge eine Unlauterkeit nicht aus § 3a UWG in Verbindung mit den Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags zur Erkennbarkeit von Werbung, denn auch § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV setze voraus, dass es sich um entgeltliche Werbung handle.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:
LG Hamburg - Urteil vom 28. März 2019 - 403 HKO 127/18
OLG Hamburg - Urteil vom 2. Juli 2020 - 15 U 142/19

Zum Verfahren I ZR 126/20:

Sachverhalt:

Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram regelmäßig Bilder von sich selbst, oftmals mit kurzen Begleittexten. Darin beschäftigt sie sich vor allem mit Themen wie Mode, ihrem Leben als Mutter eines Kleinkinds, Yoga oder Reisen. Diejenigen Instagram-Beiträge, für die die Beklagte nach eigenem Bekunden von den verlinkten Unternehmen bezahlt wird, kennzeichnet sie mit dem Hinweis „bezahlte Partnerschaft mit …“. Die streitgegenständlichen Beiträge enthielten keine entsprechende Kennzeichnung. In einem Fall postete die Beklagte die Abbildung eines Stofftier-Elefanten, ohne dessen Hersteller mithilfe eines "Tags" zu verlinken.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und kein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Es fehle an einer geschäftlichen Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Informationen zu den von ihr verwendeten Produkten, inklusive der angebrachten Tags und Links, gehörten zum "redaktionellen" Teil ihrer Beiträge. Selbst wenn man mit Blick darauf, dass die Beiträge der Förderung des eigenen Images zur Erlangung von Werbeverträgen dienten, vom Vorliegen einer geschäftlichen Handlung ausginge, wäre diese nicht gemäß § 5a Abs. 6 UWG unlauter, da sich dieser kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergäbe und es daher einer besonderen Kenntlichmachung nicht bedürfte. Eine Unlauterkeit nach § 3a UWG in Verbindung mit Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags oder mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG scheide aus, weil hinsichtlich der streitgegenständlichen Beiträge kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung geflossen sei.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:
LG München I - Urteil vom 29. April 2019 - 4 HK O 14312/18
OLG München - Urteil vom 25. Juni 2020 - 29 U 2333/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet
"geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen; […]

§ 3 Abs. 1 und 3 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG

Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind […] der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung); […]

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a Abs. 6 UWG

Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG

Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […]
2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt; […]

§ 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG in der bis zum 26. November 2020 gültigen Fassung

Im Sinne dieses Gesetzes […]
5. ist kommerzielle Kommunikation jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt; die Übermittlung der folgenden Angaben stellt als solche keine Form der kommerziellen Kommunikation dar: […]
b) Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG

Diensteanbieter haben bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens die folgenden Voraussetzungen zu beachten:
1. Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein.

§ 2 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen Fassung

Im Sinne dieses Staatsvertrags ist […]
7. Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern.

§ 58 Abs. 1 RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen Fassung

Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin verlegt auf 9. September 2021, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 113/18 (Zur Urheberrechtsverletzung durch Framing) (Verhandlungstermin: 17.6.2021; vorher Verkündungstermin: 29.7.2021))

Datum: 09.09.2021
Akkreditierungsschluss: 08.09.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob eine Verwertungsgesellschaft den Abschluss eines Vertrags über die Nutzung von Digitalisaten urheberrechtlich geschützter Werke im Internet davon abhängig machen darf, dass der Nutzer wirksame technische Maßnahmen gegen sogenanntes "Framing" ergreift, also gegen das Einbetten der auf dem Server dieses Nutzers gespeicherten und auf seiner Internetseite eingestellten Inhalte auf der Internetseite eines Dritten.

Sachverhalt:

Die Klägerin, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist Trägerin der Deutschen Digitalen Bibliothek. Diese bietet eine Online-Plattform für Kultur und Wissen an, die deutsche Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen miteinander vernetzt. Auf der Internetseite der Bibliothek sind über elektronische Verweise ("Links") digitalisierte Inhalte abrufbar, die in den Webportalen dieser Einrichtungen gespeichert sind. Die Bibliothek speichert Vorschaubilder dieser digitalisierten Inhalte. Einige dieser Inhalte, wie etwa Werke der bildenden Kunst, sind urheberrechtlich geschützt.

Die Beklagte, die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, nimmt die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Urheber an Werken der bildenden Kunst wahr. Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Abschluss eines Vertrags, der ihr das Recht zur Nutzung dieser Werke in Form von Vorschaubildern einräumt. Die Beklagte macht den Abschluss eines solchen Nutzungsvertrags von der Aufnahme folgender Bestimmung in den Vertrag abhängig:

"Die Lizenznehmerin verpflichtet sich, bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame technische Maßnahmen zum Schutz dieser Werke oder Schutzgegenstände gegen Framing anzuwenden."

Die Klägerin lehnt eine solche Vertragsbestimmung ab und hat mit ihrer Klage die Feststellung beantragt, dass die Beklagte zum Abschluss eines Nutzungsvertrages ohne diese Regelung verpflichtet ist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht die Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Nutzungsvertrags ohne diese Klausel festgestellt. Mit der vom Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. April 2019 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Einbettung eines mit Einwilligung des Rechtsinhabers auf einer frei zugänglichen Internetseite verfügbaren Werks in die Internetseite eines Dritten im Wege des Framing eine öffentliche Wiedergabe des Werks im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft darstellt, wenn sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat (dazu Pressemitteilung Nr. 54/2019 vom 25. April 2019).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage mit Urteil vom 9. März 2021 - C-392/19 bejaht. Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung fortsetzen.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 25. Juli 2017 - 15 O 251/16
Kammergericht - Urteil vom 18. Juni 2018 - 24 U 146/17

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin verlegt auf den 9. September 2021 um 8.45 Uhr in Sachen I ZR 113/20 (Zulässigkeit des Angebots eines Rechtsdokumente-Generators durch einen Verlag) (Verhandlungstermin: 17.06.2021)(Verkündungstermin vorher: 26.8.2021)

Datum: 09.09.2021
Akkreditierungsschluss: 08.09.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob ein Verlag einen Rechtsdokumente-Generator anbieten darf, der softwaregestützt auf der Grundlage eines Frage-Antwort-Systems aus einer Sammlung alternativer Textbausteine individuelle Rechtsdokumente erstellt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskammer. Die Beklagte betreibt einen Verlag mit Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Steuern. Sie ist nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und besitzt keine Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Zu den von ihr vertriebenen Produkten gehört ein an fachfremdes Publikum gerichteter elektronischer Generator für Rechtsdokumente, den sie als "digitale Rechtsabteilung für Ihr Unternehmen" anpreist. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher können entweder im Rahmen eines Abonnements oder im Wege des Einzelkaufs Rechtsdokumente, insbesondere Verträge zu diversen Rechtsthemen, erwerben. Hierzu wird der Kunde durch einen Fragen-Antwort-Katalog geführt. Der Erstellungsprozess ist dabei laut Bewerbung durch die Beklagte "dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt nachempfunden". Basierend auf den Angaben des Kunden wird sodann das Dokument inhaltlich individuell erstellt.

Die Klägerin sieht darin - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 3 RDG zu. Die Beklagte erbringe mit ihrem Angebot keine gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG. Die Software als solche sei keine "Tätigkeit" eines Dienstleisters. Tätigkeit der Beklagten sei vielmehr das Entwickeln und Bereitstellen der Software. Diese Tätigkeit erfolge jedoch weder in einer konkreten fremden Angelegenheit noch bedürfe sie einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls. Die Benutzung des Programms durch den Anwender in eigener Sache sei der Beklagten nicht als Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit zuzurechnen und erfordere zudem keine rechtliche Prüfung des Einzelfalls, da das Programm nach einer festgelegten Routine ablaufe und ein Sachverhalt lediglich in ein vorgegebenes Raster eingefügt werde.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 8. Oktober 2019 - 33 O 35/19
OLG Köln - Urteil vom 19. Juni 2020 - 6 U 263/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 2 Abs. 1 RDG

Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

§ 3 RDG

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 29. Juli 2021, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 139/20, Saal E 101 (Markenschutz des Goldtons des "Lindt Goldhasen") (Verhandlungstermin: 28.5.2021).

Datum: 29.07.2021
Akkreditierungsschluss: 28.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob der Goldton des "Lindt Goldhasen" Markenschutz genießt.

Sachverhalt:

Die Klägerinnen sind Gesellschaften der Unternehmensgruppe Lindt & Sprüngli, die Premiumschokolade herstellt. Eines der Produkte der Klägerinnen ist der "Lindt Goldhase", der seit dem Jahr 1952 in Deutschland in goldener Folie und seit 1994 im aktuellen Goldton angeboten wird. Die Klägerinnen setzten in den letzten 30 Jahren in Deutschland mehr als 500 Millionen Goldhasen ab. Der "Lindt Goldhase" ist der mit Abstand meistverkaufte Schokoladenosterhase Deutschlands. Sein Marktanteil betrug in Deutschland im Jahr 2017 über 40%. Die Klägerinnen bewerben den "Lindt Goldhasen" vor und zu Ostern ganz erheblich in einer Vielzahl unterschiedlicher Medien.

Die Beklagte ist ebenfalls Herstellerin von Schokoladenprodukten. Sie vertrieb in der Ostersaison 2018 einen Schokoladenhasen in einer goldfarbenen Folie.

Die Klägerinnen sehen darin eine Verletzung der Benutzungsmarke im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG, die ihnen an dem Goldton des "Lindt Goldhasen" zustehe. Sie begehren mit dem Hauptantrag, der Beklagten den Vertrieb von Schokoladenosterhasen zu verbieten, wenn dies wie mit den zu den Akten gereichten Originalen der Schokoladenosterhasen der Beklagten geschieht. Hilfsweise haben sie Abbildungen dieser Schokoladenosterhasen zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemacht. Daneben nehmen sie die Beklagte auf Auskunft und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hilfsantrag zur Unterlassung verurteilt sowie dem Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsantrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die gegen die Abweisung des Hauptantrags gerichtete Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Es hat angenommen, der Hauptantrag sei zwar nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, obwohl die Originale der Schokoladenosterhasen der Beklagten nicht mit dem Urteil in einer einheitlichen Urkunde festgelegt werden könnten. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die Klägerinnen nicht Inhaberinnen einer Benutzungsmarke gemäß § 4 Nr. 2 MarkenG an dem goldenen Farbton des "Lindt Goldhasen" seien. Der Farbton habe für die Ware Schokoladenhasen keine Verkehrsgeltung erlangt.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 15. Oktober 2019 - 33 O 13884/18
OLG München - Urteil vom 30. Juli 2020 - 29 U 6389/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Nr. 2 MarkenG

Der Markenschutz entsteht […]
2. durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat, […]

§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO

Die Klageschrift muss enthalten: […]
2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 29. Juli 2021, 13.00 Uhr, in Sachen VI ZR 1118/20 (VW-Verfahren: Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist, Hemmung der Verjährung durch Erhebung einer Musterfeststellungsklage) (Verhandlung 13.7.2021)

Datum: 29.07.2021
Akkreditierungsschluss: 28.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 13. Juli 2021 in einem weiteren VW-Verfahren. Das Verfahren hat die Frage zum Gegenstand, ob die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche eines Fahrzeugkäufers gegen die VW AG bereits mit Schluss des Jahres 2015 begann und ob sie durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage zum OLG Braunschweig sowie die vorübergehende Anmeldung der klägerischen Ansprüche zu deren Klageregister zeitweise gehemmt wurde.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im September 2013 einen gebrauchten VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 (EU5) ausgestattet ist. Der beklagte Fahrzeughersteller erklärte im September 2015 in einer Ad-hoc-Mitteilung, dass bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren vom Typ EA189 auffällige Abweichungen zwischen den auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerten und denen im realen Fahrzeugbetrieb festgestellt worden seien. In der Folge trat die Beklagte wiederholt an die Öffentlichkeit; die Medien berichteten umfangreich über das Geschehen.

Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage verlangt der Kläger, nachdem er seine Ansprüche zuvor zum Klageregister der Musterfeststellungsklage an- und wieder abgemeldet hatte, Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Zahlung von Wertersatz maximal in Höhe des erzielten Erlöses für das zwischenzeitlich weiterveräußerte Fahrzeug. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage ab-, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem Schadensersatzanspruch des Klägers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB stehe die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Eine auch Ende 2015 noch bestehende Unkenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners beruhe auf grober Fahrlässigkeit, da bereits im letzten Quartal des Jahres 2015 alle Umstände in der Öffentlichkeit bekannt geworden seien, die dem Kläger die notwendige Kenntnis von der bewussten Manipulation von Dieselmotoren durch die Beklagte und der damit für die Erwerber verbundenen Gefahren einer Betriebsstillegung hätten vermitteln können. Die Verjährung sei auch nicht durch den Beitritt zum Musterfeststellungsverfahren gehemmt worden. Der Kläger habe nicht belegt, dass er sich bereits im Jahr 2018 in das Klageregister eingetragen habe; bei einer späteren Anmeldung sei bereits Verjährung eingetreten. Im Übrigen sei die Anmeldung rechtsmissbräuchlich, wenn sie von vornherein nur erfolgt sei, um nach ihrer Rücknahme auch noch im Jahr 2019 Individualklage zu erheben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Dessau-Roßlau - Urteil vom 27. März 2020 - 4 O 367/19
Oberlandesgericht Naumburg - Urteil vom 25. Juni 2020 - 8 U 34/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]

§ 204 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch […]
1a. die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, […]
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. […]

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 606 der Zivilprozessordnung (ZPO)

(1) Mit der Musterfeststellungsklage können qualifizierte Einrichtungen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungszielen) zwischen Verbrauchern und einem Unternehmen begehren. […]

§ 608 der Zivilprozessordnung (ZPO)

(1) Bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins können Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den Feststellungszielen abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden. […]
(3) Die Anmeldung kann bis zum Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zurückgenommen werden. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen III ZR 179/20 und III ZR 192/20 am 29. Juli 2021, 12.00 Uhr, Sitzungssaal E 101 (Verhandlungstermin 22. Juli 2021) (Ansprüche gegen den Betreiber eines sozialen Netzwerks, der unter dem Vorwurf der „Hassrede“ Beiträge gelöscht und Konten gesperrt hat)

Datum: 29.07.2021
Akkreditierungsschluss: 28.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für Rechtsstreitigkeiten über Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat wird darüber zu entscheiden haben, ob die Nutzer eines sozialen Netzwerks Ansprüche gegen dessen Betreiber haben, weil dieser unter dem Vorwurf von „Hassrede“ ihre Beiträge gelöscht und vorübergehend ihre Konten gesperrt hat.

Sachverhalt:

In zwei beim III. Zivilsenat anhängigen Revisionssachen streiten die Parteien über die Rechtmäßigkeit einer vorübergehenden Teilsperrung der Facebook-Benutzerkonten der Kläger und der Löschung ihrer Kommentare durch die Beklagte.

Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieter und Vertragspartner für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist. Sie nehmen die Beklagte - soweit für die Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf Freischaltung der von ihnen in dem Netzwerk veröffentlichten und von der Beklagten gelöschten Beiträge, auf Unterlassung einer erneuten Sperre ihrer Nutzerkonten und Löschung ihrer Beiträge sowie - in einem der beiden Revisionsverfahren - auf Auskunft über ein mit der Durchführung der Kontosperre beauftragtes Unternehmen in Anspruch.

Nach den Nutzungsbedingungen des Netzwerks in der seit dem 19. April 2018 geltenden Fassung darf nicht gegen die „Gemeinschaftsstandards“ verstoßen werden. Diese verbieten eine - dort näher definierte - „Hassrede“.

In dem Verfahren III ZR 179/20 postete die Klägerin folgenden Beitrag:

„Schon der Wahnsinn, kann mich nicht an ein Attentat erinnern, das sog. Reichsbürger verübt haben. Im Gegensatz dazu dann die Morde von islamischen Einwanderern, die man zwar beobachtet hat, aber nichts dazu machen konnte. Deutsche Menschen werden kriminalisiert, weil sie eben eine andere Ansicht von ihrem Heimatland haben als das Regime. Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert's! Da würde ich mir mal ein Durchgreifen des Verfassungsschutzes wünschen.“
In dem Verfahren III ZR 192/20 kommentierte der Kläger am 10. August 2018 den Beitrag eines Dritten, der ein Video beinhaltet, in dem eine Person mit Migrationshintergrund es ablehnt, von einer Polizistin kontrolliert zu werden, wie folgt:

„Was suchen diese Leute hier in unserem Rechtsstaat … kein Respekt … keine Achtung unser Gesetze … keine Achtung gegenüber Frauen … DIE WERDEN SICH HIER NIE INTEGRIEREN UND WERDEN AUF EWIG DEM STEUERZAHLER AUF DER TASCHE LIEGEN … DIESE GOLDSTÜCKE KÖNNEN NUR EINES MORDEN … KLAUEN … RANDALIEREN … UND GANZ WICHTIG … NIE ARBEITEN.“

Die Beklagte löschte diese Äußerungen im August 2018, da sie gegen das Verbot der „Hassrede“ verstießen. Sie sperrte die Nutzerkonten - in der Sache III ZR 179/20 für 30 Tage, in der Sache III ZR 192/20 für drei Tage -, so dass die Kläger in dieser Zeit nichts posten, nichts kommentieren und auch die Messenger-Funktion nicht nutzen konnten.

Mit ihren Klagen machen die Kläger geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihre Beiträge zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren. Die zum 19. April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards seien schon nicht Bestandteil des Nutzungsvertrages zwischen den Parteien geworden. Sie rechtfertigten aber auch nicht die Maßnahmen der Beklagten. Die ihr dort eingeräumte Befugnis zur Entfernung von Beiträgen und Sperre von Nutzerkonten sei gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam, weil sie die Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Dies gelte insbesondere, wenn man den grundlegenden Wert der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) berücksichtige. Darüber hinaus folge die Unwirksamkeit der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards aus einem Verstoß gegen das Transparenz-, Verständlichkeits- und Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der seit dem 19. April 2018 geltenden Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards könne die Beklagte ihre gegen die Kläger getroffenen Maßnahmen nicht rechtfertigen. Ihre Kommentare unterfielen dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit und seien weder als „Hassrede“ noch sonst als rechtswidrig oder strafbar anzusehen. Durch die Löschung der Beiträge und Sperre der Nutzerkonten habe die Beklagte nicht nur ihre Pflichten aus den Nutzungsverträgen verletzt, sondern darüber hinaus auch rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger als Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB eingegriffen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Im Verfahren III ZR 179/20 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Im Verfahren III ZR 192/20 hat das Landgericht die Beklagte dazu verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des Textes:

„Was suchen diese Leute in unserem Rechtsstaat - kein Respekt - keine Achtung unserer Gesetze - keine Achtung gegenüber Frauen. Die werden sich hier nie inte¬grieren und werden auf ewig dem Steuerzahler auf der Tasche liegen."

erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, wenn sich der Beitrag auf Personen bezieht, die sich der Anweisung einer Polizistin mit dem Argument widersetzen, dass sie sich von einer Frau nichts sagen ließen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat in beiden Berufungsurteilen - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards in der seit dem 19. April 2018 geltenden Fassung seien aufgrund der Zustimmung der Kläger durch Anklicken der entsprechenden Schaltfläche wirksam geworden. Die Gemeinschaftsstandards, insbesondere die Regelungen zum Verbot der „Hassrede“, hielten auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand. Die Kommentare der Kläger erfüllten die Merkmale einer „Hassrede“. Da ihre Äußerungen gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen hätten, habe die Beklagte Funktionen der Nutzerkonten der Kläger zeitweise sperren und die Äußerungen entfernen dürfen. Den Klägern stehe kein Anspruch auf Auskunft darüber zu, ob und gegebenenfalls wen die Beklagte mit Aufgaben im Zusammenhang mit der Sperre betraut habe.

Mit den vom Oberlandesgericht - beschränkt - zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Freischaltung der gelöschten Beiträge, auf Unterlassung einer erneuten Kontosperre und Löschung der Beiträge sowie - im Verfahren III ZR 192/20 - auf Auskunft über ein mit der Durchführung der Kontosperre beauftragtes Unternehmen weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

§ 307 Abs. 1 BGB

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

§ 823 Abs. 1 BGB

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Vorinstanzen:

Verfahren III ZR 179/20:
LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 14. Oktober 2019 - 11 O 7080/18
OLG Nürnberg - Urteil vom 4. August 2020 - 3 U 4039/19

und

Verfahren III ZR 192/20:
LG Regensburg - Urteil vom 27. August 2019 - 72 O 1943/18 KOIN
OLG Nürnberg - Urteil vom 4. August 2020 - 3 U 3641/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündung am 28. Juli 2021, 11.00 Uhr, Saal E 101, Herrenstraße 45a, in Sachen 1 StR 519/20 (Erstes CumEx-Verfahren) (Verhandlung: 15.6.2021)

Datum: 28.07.2021
Akkreditierungsschluss: 27.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Bonn hat im Zusammenhang mit sog. CumEx-Geschäften die Angeklagten S. und D. wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu Bewährungsstrafen verurteilt und bei dem Angeklagten S. Taterträge in Höhe von 14 Mio. Euro sowie bei der Nebenbeteiligten, dem Bankhaus W., in Höhe von ca. 176 Mio. Euro eingezogen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren in den Jahren 2007 bis 2011 zunächst der Angeklagte S. und später auch der Angeklagte D. in die Planung und Organisation von Aktientransaktionen eingebunden, die der Umsetzung des Geschäftsmodells mit sog. CumEx-Leerverkaufsgeschäften dienten. Diese lagen allen abgeurteilten Einzeltaten zu Grunde. Alle Aktientransaktionen verfolgten das Ziel, eine Erstattung von Kapitalertragsteuer zu erreichen, denen aber kein vorheriger entsprechender Steuereinbehalt zugeordnet werden konnte. Das Landgericht hat angenommen, dass die Einziehungsbeteiligte durch die unberechtigte Steueranrechnung Vermögenswerte einschließlich Nutzungen in Höhe von ca. 176 Mio. Euro erlangt hat und der Angeklagte S. u.a. für sie gehandelt hat. Beim Angeklagten S. bezifferte es den Gewinn aus den Steuerhinterziehungstaten auf 14 Mio. Euro.

Alle Verfahrensbeteiligten haben Revision eingelegt: Der Angeklagte S. greift mit seinem Rechtsmittel nur die ihn betreffende Einziehung von Taterträgen an. Der Angeklagte D. wendet sich insgesamt gegen seine Verurteilung. Die Einziehungsbeteiligte hält die vom Landgericht ausgesprochene Einziehung von Taterträgen für nicht rechtmäßig. Die Staatsanwaltschaft macht geltend, die Entscheidungen zur Einziehung seien deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie in Bezug auf den Angeklagten S. und die Einziehungsbeteiligte lediglich eine gesamtschuldnerische Haftung anordneten.

Vorinstanz:

Landgericht Bonn - Urteil vom 18. März 2020 – 62 KLs – 213 Js 41/19 – 1/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 370 Abs. 1 AO Steuerhinterziehung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

§ 73 StGB Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
1. durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2. auf Grund eines erlangten Rechts.

§ 73b Abs. 1 StGB Einziehung von Taterträgen bei anderen

(1) Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn
1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat,
2. ihm das Erlangte
a) unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b) übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, oder
3. das Erlangte auf ihn
a) als Erbe übergegangen ist oder
b) als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 21. Juli 2021, 9.30 Uhr im Saal E 101 in Sachen VIII ZR 254/20, VIII ZR 118/20, VIII ZR 275/19 und VIII ZR 357/20 (Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung bei Fahrzeug mit Dieselmotor EA 189?)

Datum: 21.07.2021
Akkreditierungsschluss: 20.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Für diesen Verhandlungstermin sind vier Verfahren terminiert, in denen die Käufer vor geraumer Zeit (in den Jahren 2009 oder 2010) jeweils ein mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug erworben hatten. Allen Fällen ist weiter gemeinsam, dass die Käufer ihr Nachlieferungsbegehren erstmals sieben oder acht Jahre nach dem Abschluss des Kaufvertrages geltend gemacht hatten und das ursprünglich erworbene Fahrzeugmodell zum Zeitpunkt des Nachlieferungsverlangens nicht mehr hergestellt wurde. Die jeweiligen Verkäufer haben die Einrede der Verjährung nicht erhoben beziehungsweise hatten auf die Einrede – auch soweit Verjährung bereits eingetreten war - ausdrücklich verzichtet. In allen vier Verfahren hatten die Käufer die Kraftfahrzeuge zudem als Verbraucher erworben, so dass sie im Falle einer Nachlieferung für die Nutzung des zunächst gelieferten mangelhaften Fahrzeugs keinen Ersatz schulden (§ 474 Abs. 5 BGB aF bzw. § 475 Abs. 3 BGB nF).

Die Berufungsgerichte haben die Verkäufer in zwei Fällen zu der vom Käufer begehrten Ersatzlieferung verurteilt; in den beiden anderen Fällen hatten die Käufer mit ihrem Begehren auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs keinen Erfolg.

Im Verfahren VIII ZR 254/20 hatte der Kläger aufgrund Kaufvertrags vom 20. April 2009 von der beklagten Vertragshändlerin einen fabrikneuen VW-Tiguan zum Preis von 27.618,64 € erworben. Dieses Modell wird seit dem Jahr 2013 nicht mehr hergestellt; das Nachfolgemodell verfügt über einen Motor der Baureihe EA 288 und die Schadstoffklasse Euro 6. Ein Aufspielen des Software-Updates lehnte der Käufer mit Schreiben vom 7. März 2017 ab und forderte stattdessen die Nachlieferung eines fabrikneuen typengleichen Fahrzeugs. Die auf Neulieferung eines fabrikneuen Fahrzeugs Zug-um-Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs gerichtete Klage hat in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Köln Erfolg gehabt.

Das Oberlandesgericht Köln (18 U 59/18) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Käufer stehe wegen des in der fehlerhaften Software liegenden Mangels des Fahrzeugs der geltend gemachte Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs zu. Der zwischenzeitliche Modellwechsel führe nicht dazu, dass der Anspruch wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Aus der maßgeblichen Sicht der Parteien sei auch ein Fahrzeug der neuen Generation geeignet, den Nachlieferungsanspruch des Käufers zu erfüllen. Die Nachlieferung sei auch nicht unverhältnismäßig nach § 439 Abs. 3 BGB aF. Auf eine (kostengünstige) Nachbesserung durch ein Aufspielen des Updates müsse sich der Kläger nicht verweisen lassen, weil nicht feststehe, dass keine Folgeprobleme entstünden. Die Nachlieferung sei auch nicht absolut unverhältnismäßig. Dies gelte selbst bei Zugrundelegung des von der Beklagten vorgetragenen, rund 70 % höheren Beschaffungspreis für das Nachfolgemodell. Denn einerseits reduziere sich ihr Beschaffungsaufwand durch den Restwert des ursprünglichen Fahrzeugs und andererseits könne sie gemäß § 478 BGB aF bei der Herstellerin des Fahrzeugs Regress nehmen.

Im Verfahren VIII ZR 118/20 hatte der Kläger aufgrund Kaufvertrags vom 29. April/15. Mai 2009 von der beklagten Vertragshändlerin ein fabrikneues Fahrzeug VW-Golf zum Preis von 17.181,03 € erworben. Die Herstellerin dieses Fahrzeugtyps beendete die Produktion dieser Modellreihe im Juni 2009 und stellte sie auf eine neue Modellreihe (mit einem die Anforderung der Euro-6 Norm erfüllenden Motor EA 288) um. Auch in diesem Fall lehnte der Käufer das ihm angebotene Aufspielen eines Updates ab und verlangte mit Schreiben vom 31. Juli 2017 die Lieferung eines Neuwagens. Die Klage des Käufers auf Nachlieferung hat auch hier vor dem Oberlandesgericht Köln (6 U 24/19) Erfolg gehabt. Die Nachlieferung sei nicht wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen, da das Nachfolgemodell erfüllungstauglich sei. Der Umstand, dass die Einführung des Nachfolgemodells bei Abschluss des Kaufvertrags unmittelbar bevorgestanden habe, ändere daran nichts. Die Beklagte könne die Nachlieferung auch nicht § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB aF wegen relativer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Ersatzbeschaffung im Vergleich zur Nachbesserung verweigern. Denn die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, inwiefern der Mangel allein durch ein Update der Software in der Weise behoben werden könne, dass dem Käufer keine anderweitigen Nachteile wie etwa erhöhter Verbrauch, geringere Laufleistung und höhere Lautstärke entstünden.

Im Verfahren VIII ZR 275/19 hatte der Kläger am 23. Oktober 2009 ein Neufahrzeug Audi A 5 Sportback zum Preis von 45.070 € bei der beklagten Autohändlerin bestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Oktober 2016 verlangte er die Nachlieferung eines Fahrzeugs aus der nunmehr aktuellen Modellreihe und erhob im Februar 2017 eine entsprechende Klage. Diese Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht (Saarländisches Oberlandesgericht - 2 U 92/17) hat darauf abgestellt, dass sich die Beklagte gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Ersatzlieferung auf die Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit gemäß § 439 Abs. 3 aF, jetzt § 439 Abs. 4 BGB) berufen könne. Die mit 10.170,71 € zu veranschlagenden Kosten der Nachlieferung überstiegen die Kosten der Nachbesserung (100 €) bei weitem. Der Kläger habe auch nicht substantiiert dargetan, dass das Aufspielen des Updates zu neuen Mängeln an dem Fahrzeug führe.

Im Verfahren VIII ZR 357/20 hatte der Kläger von der beklagten Herstellerin im Januar 2010 ein Neufahrzeug VW-Tiguan zum Preis von 28.662,01 € erworben. Mit Schreiben vom 18. März 2018 forderte er die Beklagte vergeblich zur Lieferung eines mangelfreien typengleichen Neufahrzeugs aus der aktuellen Modellreihe, Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs, auf. Diesen Anspruch hat er im vorliegenden Verfahren als Hauptantrag weiterverfolgt und hilfsweise Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs, und weiter hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung begehrt. Der Hauptantrag auf Ersatzlieferung hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt, während dem Hilfsantrag auf Schadensersatz teilweise – nämlich unter Abzug einer Nutzungsentschädigung für (im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mit dem Fahrzeug zurückgelegte) 257.568 Kilometer – stattgeben worden ist.

Die auf Nachlieferung gerichtete Klage hat das Berufungsgericht (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - 6 U 43/19) dagegen für unbegründet erachtet, weil die Beklagte – angesichts von Ersatzbeschaffungskosten von 9.000 € und Nachbesserungskosten das Aufspielen des Update von nur 100 € - mit Erfolg die Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit erhoben habe. Dazu, dass das Update zu neuen Mängeln führe, habe der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Soweit er auf geringere Motorleistungen, erhöhten Wartungsaufwand und höheren Verbrauch hingewiesen habe, handele es sich um bloße Vermutungen ohne objektivierbare Grundlage.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]

§ 439 BGB Nacherfüllung

(in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB für vor dem 1. Januar 2018 entstandene Schuldverhältnisse geltenden Fassung)

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

[…]

(3) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

[…]

§ 474 BGB Begriff des Verbrauchsgüterkaufs; anwendbare Vorschriften

(in der bis 1. Januar 2018 geltenden Fassung)

[…]

(5) Auf die in diesem Untertitel geregelten Kaufverträge ist § 439 Abs. 3 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind.

[…]

Vorinstanzen:

VIII ZR 254/20
OLG Köln - 18 U 59/18 – Entscheidung vom 30. Juli 2020
LG Aachen - 8 O 264/17 – Entscheidung vom 13. April 2018

und

VIII ZR 118/20
OLG Köln - 6 U 24/19 – Entscheidung vom 27. März 2020
LG Aachen - 11 O 429/17 - Entscheidung vom 17. Januar 2019

und

VIII ZR 275/19
OLG Saarbrücken - 2 U 92/17 - Entscheidung vom 28. August 2019
LG Saarbrücken - 12 O 14/17 – Entscheidung vom 5. Oktober 2017

und

VIII ZR 357/20
OLG Schleswig - 6 U 43/19 – Entscheidung vom 03. April 2020
LG Itzehoe - 6 O 167/18 - Entscheidung vom 14. Juni 2019

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 20. Juli 2021, 10.00 Uhr, in Sachen II ZR 152/20 (Schadensersatzanspruch gegen den Zulieferer der in den Dieselfahrzeugen verbauten Software)

Datum: 20.07.2021
Akkreditierungsschluss: 19.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Kapitalmarktrecht zuständige II. Zivilsenat hat zu entscheiden, ob Aktionären der Volkswagen AG wegen Beihilfe zu einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Information des Kapitalmarkts Schadensersatzansprüche gegen den Zulieferer der in Dieselfahrzeugen verbauten Software zustehen.

Sachverhalt:

Die Kläger erwarben im Dezember 2013 Vorzugsaktien der Volkswagen AG für gut 12.000 €. Am 3. September 2015 räumte die Volkswagen AG gegenüber US-amerikanischen Behörden ein, eine Software in ihren Dieselfahrzeugen verbaut zu haben, die erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet. In diesem Fall schaltete das System in einen Modus, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkt. Dadurch ergeben sich auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Im September 2015 veräußerten die Kläger die Aktien für rund 8.500 €. Wenige Tage später informierte die Volkswagen AG durch Ad-hoc-Mitteilungen den Kapitalmarkt erstmals über die Verwendung der Software.

Die Beklagte lieferte der Volkswagen AG die Software. Die Kläger begehren von ihr Ersatz des Unterschiedsbetrags zwischen ihren Erwerbsaufwendungen und dem Veräußerungserlös. Sie legen der Beklagten zur Last, durch die Softwarelieferung Beihilfe zur unterbliebenen bzw. nicht rechtzeitigen Information des Kapitalmarkts durch die Volkswagen AG geleistet und sie dadurch geschädigt zu haben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.

Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Volkswagen AG ein beihilfefähiges Kapitalmarktdelikt begangen hat. Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte durch die Lieferung der Software schon objektiv keine Hilfe zur Begehung eines solchen Delikts geleistet. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte die Volkswagen AG in ihrem Entschluss zum Verschweigen des Softwareeinsatzes bestärkt habe. Zudem fehle es an einem ausreichenden deliktischen Sinnbezug der Softwarelieferung zu einem ihr nachfolgenden Kapitalmarktdelikt der Volkswagen AG.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Schadensersatzbegehren weiter.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Ludwigsburg – Urteil vom 11. Dezember 2019 – 7 C 337/19
Landgericht Stuttgart – Urteil vom 22. Juli 2020 – 5 S 11/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) 1Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. 2Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 826 BGB Sittenwidrig vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 830 BGB Mittäter und Beteiligte

(1) 1Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. 2Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Juli 2021, 12.20 Uhr in Sachen VI ZR 575/20 (Schadensersatzanspruch nach Weiterverkauf eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs)

Datum: 20.07.2021
Akkreditierungsschluss: 19.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat wird eine weitere Entscheidung zum sogenannten Dieselskandal verkünden.

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb im Juni 2014 einen gebrauchten VW Touran. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Dieser Motor hatte eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im Prüfstandsbetrieb stieß das Fahrzeug weniger Stickoxid aus als im Betrieb auf der Straße. Während des laufenden Rechtsstreits veräußerte die Klägerin das Fahrzeug zu einem marktgerechten Preis.

Zwischen den Parteien war streitig, ob der Klägerin trotz des Weiterverkaufs des VW Touran ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die Fahrzeugnutzung und abzüglich des erzielten Verkaufserlöses zusteht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klägerin trotz Weiterverkaufs des Diesel-Fahrzeugs einen Schadensersatzanspruch zuerkannt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Juli 2021, 12.00 Uhr in Sachen VI ZR 533/20 (Schadensersatzanspruch nach Weiterverkauf eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs; Abzug einer "Wechselprämie")

Datum: 20.07.2021
Akkreditierungsschluss: 19.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat wird eine weitere Entscheidung zum sogenannten Dieselskandal verkünden.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im September 2014 einen gebrauchten VW Passat. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Dieser Motor hatte eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im Prüfstandsbetrieb führte die Software zu einer erhöhten Abgasrückführung im Vergleich zum Normalbetrieb, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten. Während des erstinstanzlichen Verfahrens erwarb der Kläger ein Fahrzeug eines anderen Herstellers, gab das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug in Zahlung und erhielt zusätzlich eine "Wechselprämie".

Zwischen den Parteien war streitig, ob dem Kläger trotz des Weiterverkaufs des VW Passat ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die Fahrzeugnutzung und abzüglich des erzielten Verkaufserlöses zusteht und, wenn ja, ob von diesem Anspruch die "Wechselprämie" ebenfalls abzuziehen ist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage nur zu einem geringen Teil stattgegeben. Es hat dem Kläger zwar trotz Weiterverkaufs des Diesel-Fahrzeugs einen Schadensersatz¬anspruch zuerkannt, von dem zu ersetzenden Kaufpreis für das Diesel-Fahrzeug aber neben der Nutzungsentschädigung und dem Verkaufserlös zusätzlich die Wechsel¬prämie abgezogen. Die Berufung des Klägers hatte insofern Erfolg, als nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Wechselprämie nicht in Abzug zu bringen war. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 249 Abs. 1 BGB:

Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

Vorinstanzen:

Landgericht Aurich - Urteil vom 9. September 2019 - 5 O 1411/18
Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 18. März 2020 -3 U 167/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 15. Juli 2021, 10.00 Uhr, Saal N 004, in Sachen III ZR 225/20 (Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr für die Zeit vor dem tatsächlichen Einzug des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim) (Verhandlung: 1.7.2021)

Datum: 15.07.2021
Akkreditierungsschluss: 14.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus Heimverträgen zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob eine Platz-/Reservierungsgebühr, die einem privatversicherten Pflegebedürftigen für die Zeit vor dem tatsächlichen Einzug in das Pflegeheim berechnet wurde, zurückerstattet werden muss.

Sachverhalt:

Für die inzwischen verstorbene Mutter des Klägers bestand eine private Pflegepflichtversicherung. Sie war ab dem 4. Januar 2016 pflegebedürftig und wurde zunächst in einem anderen Alten- und Pflegeheim vollstationär untergebracht. In der Folgezeit schlossen der Kläger als Vertreter seiner Mutter und die Beklagte als Einrichtungsträgerin unter dem 12. Februar 2016 einen schriftlichen "Vertrag für vollstationäre Pflegeeinrichtungen" mit Wirkung zum 15. Februar 2016. Der Einzug der Bewohnerin in das Pflegeheim der Beklagten erfolgte am 29. Februar 2016.

Der Pflegevertrag sieht vor, dass die (künftige) Bewohnerin vom Vertragsbeginn bis zum Einzugstermin eine Platzgebühr in Höhe von 75 % der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie des Umlagebetrags nach der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung (AltPflAusglVO) zu entrichten hat.

Dementsprechend stellte die Beklagte der Mutter des Klägers für die Reservierung eines Zimmers in ihrem Pflegeheim in dem Zeitraum vom 15. bis 28. Februar 2016 eine Platzgebühr in Höhe von 1.127,84 € in Rechnung. Der Kläger bezahlte zunächst den Rechnungsbetrag. 2018 forderte er die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung auf.

Der Kläger hat geltend gemacht, gemäß § 87a SGB XI habe eine Vergütungspflicht erst ab dem tatsächlichen Einzug seiner Mutter in das Pflegeheim der Beklagten am 29. Februar 2016 bestanden. Abweichende Vereinbarungen seien unwirksam.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrags nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 209,30 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt worden ist. Mit der von der Vorinstanz zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Ersturteils.

Vorinstanzen:

AG Kerpen -Urteil vom 9. Juli 2019 – 102 C 28/19
LG Köln - Urteil vom 26. August 2020 – 13 S 148/19

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014)

§ 87a Berechnung und Zahlung des Heimentgelts

(1) 1Die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert berechenbaren Investitionskosten (Gesamtheimentgelt) werden für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet (Berechnungstag). 2Die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger endet mit dem Tag, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt. 3Zieht ein Pflegebedürftiger in ein anderes Heim um, darf nur das aufnehmende Pflegeheim ein Gesamtheimentgelt für den Verlegungstag berechnen. 4Von den Sätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarungen zwischen dem Pflegeheim und dem Heimbewohner oder dessen Kostenträger sind nichtig. 5Der Pflegeplatz ist im Fall vorübergehender Abwesenheit vom Pflegeheim für einen Abwesenheitszeitraum von bis zu 42 Tagen im Kalenderjahr für den Pflegebedürftigen freizuhalten. 6Abweichend hiervon verlängert sich der Abwesenheitszeitraum bei Krankenhausaufenthalten und bei Aufenthalten in Rehabilitationseinrichtungen für die Dauer dieser Aufenthalte. 7In den Rahmenverträgen nach § 75 sind für die nach den Sätzen 5 und 6 bestimmten Abwesenheitszeiträume, soweit drei Kalendertage überschritten werden, Abschläge von mindestens 25 vom Hundert der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung und der Zuschläge nach § 92b vorzusehen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 13. Juli 2021, 8:40 Uhr in Sachen VI ZR 128/20 (Weitere Entscheidung zum Daimler-Thermofenster)

Datum: 13.07.2021
Akkreditierungsschluss: 12.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat wird eine weitere Entscheidung zum sogenannten "Thermofenster" verkünden.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Oktober 2012 von dem beklagten Fahrzeughersteller ein Neufahrzeug vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI BlueEfficiency zu einem Kaufpreis von rund 35.000 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet und unterliegt keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung 715/2007/EG mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die Abgasreinigung erfolgt in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug über die Abgasrückführung, bei der ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt wird, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen reduziert ("Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außen-/Ladelufttemperaturen dies der Fall ist.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe durch den Einbau des Thermofensters und verschiedener weiterer Abschalteinrichtungen in verbotener Weise Einfluss auf das Emissionsverhalten genommen, so im Typgenehmigungsverfahren die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte vorgespiegelt und den Kläger dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises zuzüglich Finanzierungskosten, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs und abzüglich einer Nutzungsentschädigung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Das Inverkehrbringen des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten "Thermofensters" weder als sittenwidrige Handlung einzustufen noch ergebe sich daraus der erforderliche Schädigungsvorsatz der Beklagten. Es könne ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von "Thermofenstern" nicht eindeutig. Soweit der Kläger eine Vielzahl weiterer Steuerungsstrategien zur Abgasreinigung behaupte, fehle es an einem konkreten Bezug zu dem hier in Rede stehenden Fahrzeug und damit jedenfalls an einem substantiierten, dem Beweis zugänglichen Sachvortrag.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Vorinstanzen:

Landgericht Koblenz – Urteil vom 30. Oktober 2018 – 1 O 74/18
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 6. Januar 2020 – 12 U 1408/18

Akkreditierungsbedingungen

Aufhebung des Verhandlungstermins am 6. Juli 2021 wegen Rücknahme der Revision in Sachen XI ZR 4/20 - (Wirksamkeit von Klauseln, die eine „Servicepauschale“ zugunsten einer Bausparkasse vorsehen)

Datum: 06.07.2021
Akkreditierungsschluss: 05.07.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird über die Wirksamkeit von Klauseln zu entscheiden haben, die eine „Servicepauschale“ zugunsten einer Bausparkasse vorsehen.

Sachverhalt:

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Bausparkasse verwendet in ihrem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit folgender Klauseln, die zwei Tarifsysteme betreffen:

a) „Die Bausparer bilden mit ihren Verträgen eine Zweckspargemeinschaft, das Bausparkollektiv. Für die bauspartechnische Verwaltung und Steuerung des Kollektivs sowie die Führung der Zuteilungsmasse berechnet die Bausparkasse in der Sparphase bis zur vollständigen Auszahlung des Bausparguthabens eine Servicepauschale.

Die Servicepauschale in Höhe von 24 EUR wird dem Bausparer jeweils zum Jahresbeginn für jedes Bausparkonto berechnet. Bei unterjährigem Vertragsbeginn wird die Pauschale zu diesem Zeitpunkt anteilig belastet. Wird ein Bausparkonto im Laufe eines Jahres abgerechnet, erfolgt eine anteilige Rückvergütung.“

b) „Die Bausparer bilden mit ihren Verträgen eine Zweckspargemeinschaft, das Bausparkollektiv. Für die bauspartechnische Verwaltung und Steuerung des Kollektivs sowie die Führung der Zuteilungsmasse berechnet die Bausparkasse in der Sparphase bis zur vollständigen Auszahlung des Bausparguthabens eine Servicepauschale.

Die Servicepauschale in Höhe von 12 EUR wird dem Bausparer jeweils zum Jahresbeginn für jedes Bausparkonto berechnet. Bei unterjährigem Vertragsbeginn wird die Pauschale zu diesem Zeitpunkt anteilig belastet. Wird ein Bausparkonto im Laufe eines Jahres abgerechnet, erfolgt eine anteilige Rückvergütung.“

Prozessverlauf:

Der Kläger hält die Klauseln für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, die Klauseln in Verträge mit Verbrauchern nachträglich einzubeziehen, sich auf die Klauseln zu berufen und aufgrund solcher Klauseln „Servicepauschalen“ zu fordern und einzuziehen. Außerdem verlangt er die Erstattung von Abmahnkosten nebst Zinsen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revision der Beklagten am 6. Juli 2021 verhandeln.

Vorinstanzen:

Landgericht Koblenz – Urteil vom 29. November 2018 – 16 O 133/17
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 5. Dezember 2019 – 2 U 1/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 1. Juli 2021 - 14.00 Uhr in Sachen 3 StR 518/19, Rintheimer Querallee 11, Karlsruhe, Saal E 004, in einer Strafsache wegen der Ausfuhr von Waffen in die USA zum Re-Export nach Kolumbien (Verhandlung: 6.5.2021)

Datum: 01.07.2021
Akkreditierungsschluss: 01.07.2021 09:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Kiel hat drei Angeklagte wegen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz in mehreren Fällen zu Freiheitsstrafen verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen die Einziehungsbeteiligten, drei Gesellschaften aus der SIG SAUER Unternehmensgruppe, hat es die Einziehung von mehreren Millionen Euro angeordnet.

Nach den durch das Landgericht getroffenen Feststellungen verpflichtete sich die in den USA ansässige Sig Sauer Inc. gegenüber einer Beschaffungsstelle des US-Militärs, Pistolen des Typs SP 2022 zur Ausstattung der kolumbianischen Nationalpolizei unmittelbar nach Kolumbien zu liefern. Die Waffen wurden aufgrund einer konzerninternen Entscheidung im Werk der Sig Sauer Beteiligungs GmbH in Deutschland produziert, sodann im Rahmen eines sog. Intercompany-Geschäfts in der Zeit von April 2009 bis April 2011 der Sig Sauer Inc. zugeliefert und von dieser größtenteils nach Kolumbien re-exportiert. Entsprechend den Anträgen der Sig Sauer Beteiligungs GmbH, die die Bestätigung enthielten, dass die Pistolen nicht ohne Genehmigung in andere Länder re-exportiert werden, wurde die Ausfuhr ausschließlich zum Vertrieb und Verbleib der Güter in den USA genehmigt. Tatsächlich war jedoch bereits vor Einholung der Genehmigungen die Weiterlieferung nach Kolumbien geplant.

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz verurteilt, weil die Re-Exporte gegen die Bedingungen der erteilten Genehmigungen verstoßen hätten. Die ursprünglich genehmigten Ausfuhren in die USA seien daher rückwirkend ohne Genehmigung erfolgt. Bei den Einziehungsbeteiligten hat es die Einziehung des Wertes der jeweils erzielten Umsatzerlöse angeordnet.

Gegen das Urteil haben die Einziehungsbeteiligten Revision eingelegt. Die Rechtsmittel, mit denen auch Verfahrensfehler geltend gemacht werden, richten sich gegen die (Höhe der) Einziehung des durch die Tat Erlangten.

Vorinstanz:

Landgericht Kiel – 3 KLs 3/18 – Urteil vom 3. April 2019

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass das Platzangebot in den Sitzungssälen die infolge der Corona-Pandemie geltenden Abstandsregeln berücksichtigt.
Im Zuhörerbereich des Sitzungssaals E 004 wird nur eine begrenzte Anzahl von Sitzplätzen zur Verfügung stehen; womöglich wird nicht für alle Personen, die als Zuschauer und/oder Medienvertreter teilnehmen möchten, ein Sitzplatz bereit gehalten werden können.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 11. Juni 2021, 9.00 Uhr – V ZR 234/19 (Nachbarrecht: Darf bei überhängenden Ästen von dem Selbsthilferecht nach § 910 BGB auch dann Gebrauch gemacht werden, wenn der Baum dadurch seine Standfestigkeit verliert?) (Verhandlungstermin: 19.3.2021)

Datum: 11.06.2021
Akkreditierungsschluss: 10.06.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Grundstück der Kläger steht seit rund 40 Jahren eine Schwarzkiefer, deren Äste seit mindestens 20 Jahren auf das benachbarte, dem Beklagten gehörende Grundstück ragen. Der Baum hat eine Höhe von rund 15 Metern. Der Beklagte, der sich durch die herabfallenden Nadeln und Zapfen gestört fühlt, forderte die Kläger erfolglos auf, die überhängenden Äste zurückzuschneiden. Anschließend schnitt er selbst Äste ab. Die Kläger verlangen von dem Beklagten, es zu unterlassen, von der Kiefer überhängende Zweige oberhalb von fünf Metern abzuschneiden. Sie machen geltend, dass das Abschneiden der Äste die Standsicherheit des Baums gefährde.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich.

Rechtliche Problemstellung:

Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung, die Kläger müssten das Abschneiden der Zweige nicht nach § 910 BGB dulden, weil diese Vorschrift nur unmittelbar von den überhängenden Ästen ausgehende Beeinträchtigungen erfasse, nicht aber mittelbaren Folgen, wie den Abfall von Nadeln und Zapfen, ist durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2019 (V ZR 102/18) überholt. Damit stellt sich voraussichtlich die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, ob das durch § 910 BGB gewährte Selbsthilferecht des Nachbarn auch dann besteht, wenn der Baum infolge der Beseitigung des Überhangs seine Standfestigkeit verliert oder abzusterben droht.

Vorinstanzen

Amtsgericht Pankow/Weißensee – Urteil vom 8. August 2018 – 7 C 146/18
Landgericht Berlin – Urteil vom 9. September 2019 – 51 S 17/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 910 BGB:

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

§ 1004 BGB:

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündung, heute, 18. Mai 2021, 15.45 Uhr - (Verhandlungstermin am 18. Mai 2021, 9.00 Uhr), in Sachen KVR 54/20 (Zulässigkeit „enger" Bestpreisklauseln für Hotelbuchungsportale)

Datum: 18.05.2021
Akkreditierungsschluss: 17.05.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob „enge" Bestpreisklauseln in Vermittlungsverträgen von Hotelbuchungsportalen mit dem Kartellrecht vereinbar sind.

Sachverhalt

Das Hotelbuchungsportal booking.com ermöglicht Hotelkunden Direktbuchungen zu den jeweils aktuellen Zimmerpreisen. Für die Vermittlungsleistung erhalten die Betreiber des Portals von den Hotelunternehmen eine erfolgsabhängige Provision. Ursprünglich waren in den Vermittlungsverträgen mit den Hotelunternehmen "weite" Bestpreisklauseln verbreitet. Danach durften die Hotels ihre Zimmer weder online noch auf anderen Vertriebskanälen zu niedrigeren Preisen oder besseren Konditionen anbieten als auf dem Hotelbuchungsportal. Das Bundeskartellamt stufte eine solche Klausel in einer früheren, ein anderes Hotelbuchungsportal betreffenden Entscheidung als kartellrechtswidrig ein. Ab Juli 2015 sahen die allgemeinen Geschäftsbedingungen von booking.com eine "enge" Bestpreisklausel vor. Danach durften die Hotels zwar weiterhin ihre Zimmer auf den eigenen Internetseiten nicht zu niedrigeren Preisen oder besseren Konditionen anbieten als auf der Plattform booking.com. Jedoch konnten die Hotelzimmer auf anderen Online-Buchungsportalen oder, unter der Voraussetzung, dass dafür keine Werbung oder Veröffentlichung im Internet erfolgt, auch "offline" günstiger angeboten werden. Das Bundeskartellamt hat im Dezember 2015 festgestellt, dass auch eine solche Klausel kartellrechtswidrig sei, und ihre weitere Verwendung untersagt.

Bisheriger Verfahrensverlauf:

Auf die Beschwerde von booking.com hat das Oberlandesgericht die Verfügung des Bundeskartellamts aufgehoben. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts beeinträchtigen enge Bestpreisklauseln zwar den Wettbewerb, sind aber als notwendige Nebenabreden der Vermittlungsverträge mit den Hotelunternehmen vom Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB nicht erfasst. Denn sie seien, so meint das Beschwerdegericht, erforderlich, um ein illoyales Verhalten der Hotels zu verhindern, das darin bestehe, Kunden, die ein Hotel auf booking.com gefunden hätten, durch günstigere Angebote zu einer Direktbuchung auf den Internetseiten des Hotels zu veranlassen und so die Provision von booking.com zu umgehen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt das Bundeskartellamt die Wiederherstellung seiner Verfügung.
Vorinstanz:

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juni 2019 – VI-Kart 2/16 (V)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 101 AEUV
(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere
a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.
(2) Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.
(3) Die Bestimmungen des Absatzes 1 können für nicht anwendbar erklärt werden auf
- Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen,
- Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen,
- aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen,
die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen
a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder
b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

§ 1 GWB Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Verkündungstermin am 7. Mai 2021, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 299/19 (Anwendbarkeit von § 9a Abs. 2 WEG n.F. auch für bereits vor dem 1. Dezember 2020 anhängige Verfahren?) (Verhandlung: 26.3.2021)

Datum: 07.05.2021
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Anlässlich eines Revisionsverfahrens, in dem ein Wohnungseigentümer von dem Eigentümer des Nachbargrundstücks die Beseitigung von vier dort angepflanzten Zypressen verlangt, hat der V. Zivilsenat zu entscheiden, welche Auswirkungen der seit dem 1. Dezember 2020 geltende § 9a Abs. 2 WEG auf die Prozessführungsbefugnis eines Klägers hat, wenn die Klage vor dem 1. Dezember 2020 erhoben worden ist.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Baden-Württemberg. Das eine Grundstück steht im Eigentum des Klägers und einer weiteren Person, die zusammen eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden. Ihr Grundstück grenzt in dem Bereich des Gartens, an welchem dem weiteren Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht zusteht, unmittelbar an das Grundstück der Beklagten an. 2011 pflanzten die Beklagten auf ihrem Grundstück entlang dieser Grenze vier Zypressen mit einem Grenzabstand von unter vier Metern. Der Kläger verlangt deren Beseitigung, hilfsweise den Rückschnitt auf eine Höhe von maximal 3,5 Metern.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen.

Rechtliche Problemstellung:

Der Fall wirft u.a. die Frage auf, ob der ursprünglich allein prozessführungsbefugte Kläger mit dem Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes am 1. Dezember 2020 seine Prozessführungsbefugnis verloren hat und die Klage aus diesem Grund abzuweisen wäre. Mit dem Verlangen auf Beseitigung der auf dem Nachbargrundstück angepflanzten Zypressen macht der Kläger Ansprüche aus dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer geltend. Zu einer selbständigen gerichtlichen Geltendmachung solcher Ansprüche war er nach dem bisher geltenden Recht befugt, wenn – wie hier – die Wohnungseigentümergemeinschaft diese nicht an sich gezogen hatte (sog. „gekorene Ausübungsbefugnis“). Nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden § 9a Abs. 2 WEG liegt die Ausübungsbefugnis für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte bei der Wohnungseigentümergemeinschaft. Der einzelne Wohnungseigentümer ist nach dem neuen Recht nicht zur selbständigen gerichtlichen Geltendmachung solcher Ansprüche befugt. Der Senat hat nun zu entscheiden, welche Auswirkungen § 9a Abs. 2 WEG n.F. auf eine vor dem 1. Dezember 2020 erhobene Klage hat, insbesondere ob der Kläger mit Inkrafttreten dieser Vorschrift die ursprünglich bestehende Prozessführungsbefugnis verloren hat. Für diese Situation sieht das Wohnungseigentumsgesetz keine speziellen Überleitungsregelungen vor.

Vorinstanzen:

AG Mannheim - Urteil vom 7. März 2019 – 3 C 4402/17
LG Mannheim - Urteil vom 22. November 2019 – 1 S 36/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 6. Mai 2021, 10.00 Uhr, Saal N 004, in der Sache III ZR 169/20 (Rückzahlungsansprüche nach Widerruf eines Partnervermittlungsvertrags) (Verhandlung: 22.4.2021)

Datum: 06.05.2021
Akkreditierungsschluss: 05.05.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat wird über die Klage auf Rückzahlung von Vergütung nach dem Widerruf eines Partnervermittlungsvertrags entscheiden.

Die Klägerin schloss am 28. Mai 2018 in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der beklagten Partnervermittlungsagentur einen solchen Vertrag. In den Vertragsunterlagen ist unter anderem bestimmt, dass die Beklagte als „Hauptleistung“ spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Vertragsabschluss 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 % und auf die „Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten“ 10% des Honorars entfallen. Zeitgleich mit dem Vermittlungsvertrag trafen die Parteien in einem gesonderten Formular eine „Zusatzvereinbarung über den einvernehmlichen Ausschluss des Kündigungsrechtes“ nach § 627 BGB. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Klägerin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.

Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die Beklagte das Honorar in Höhe von 8.330 €. Die Beklagte übermittelte der Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 2018 drei Kontakte, die ihr jedoch nicht zusagten. Die Klägerin „kündigte“ daraufhin am 4. Juni 2018 den Vertrag schriftlich. Unmittelbar danach erhielt sie noch 17 weitere Kontaktvorschläge.

Das Landgericht hat die auf Rückzahlung von 8.330 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 7.139 € verurteilt, da die Klägerin drei der insgesamt 21 geschuldeten Partnervorschläge erhalten habe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Die Beklagte macht insbesondere geltend, das Widerrufsrecht sei erloschen, da sie das Partnerdepot erstellt und damit die Hauptleistungspflicht vollständig erbracht habe. Zudem streiten die Parteien über die Wirksamkeit des Ausschlusses des Kündigungsrechts nach § 627 BGB und die Berechnung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs.

Vorinstanzen:

LG Aachen - Urteil vom 23. Oktober 2019 - 8 O 332/18
OLG Köln -Urteil vom 25. Juni 2020 - 21 U 107/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 5. Mai 2021, 14.00 Uhr - Saal E 101, in Sachen VII ZR 78/20 (Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen des Alters durch Versagung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung) (Verhandlung: 25.2.2021)

Datum: 05.05.2021
Akkreditierungsschluss: 04.05.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil dem Kläger nach seiner Behauptung wegen seines Alters der Zutritt zu einer Musikveranstaltung verweigert worden ist.

Sachverhalt:

Der seinerzeit 44-jährige Kläger wollte am 26. August 2017 ein von der Beklagten veranstaltetes Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlasskontrolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt.

Vorprozessual teilte die Beklagte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Benachteiligung wegen des Alters vorliege und ihm daher ein Entschädigungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG zustehe. Er begehrt von der Beklagten die Zahlung von 1.000 € sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlichtungsverfahrens in Höhe von 142,80 €, jeweils nebst Zinsen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Landgericht ist der Meinung, dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch wegen Verstoßes gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG zu, da dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet sei. Das Benachteiligungsverbot sei auf Massengeschäfte (Fall 1) beschränkt, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (wie etwa Einzelhandel, Personennahverkehr, Kino, Schwimmbäder), oder auf diesen gleichgestellte Geschäfte, bei denen für den Anbieter einer Leistung nach der Art des Schuldverhältnisses die persönliche Auswahl seines Vertragspartners nachrangige Bedeutung hat (Fall 2).

Keiner der beiden Fälle liege hier vor. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Veranstaltung nicht für ein allgemeines Publikum vorgesehen, sondern nur für - zudem in bestimmter Art und Weise ("Partygänger") gekleidete - Personen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren zugänglich gewesen sei. Hinsichtlich der Zugehörigkeit zur altersmäßig definierten Zielgruppe sei es auf den optischen Eindruck angekommen, eine Alterskontrolle habe nicht stattgefunden.

Diese Entscheidung der Beklagten, die Veranstaltung auf den von ihr näher definierten Teilnehmerkreis zu beschränken, sei maßgeblich. Dass für Veranstaltungen der vorliegenden Art und Größe eine der Einlasspraxis der Beklagten widersprechende Verkehrssitte bestehe, ergebe sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Bei Zugrundelegung einer die Art der Veranstaltung bewertenden, typisierenden Betrachtungsweise sei nicht davon auszugehen, dass persönlichen Merkmalen der Teilnehmer nur nachrangige Bedeutung zukomme. Gerade im Bereich von Musik- und Tanzveranstaltungen finde sich - je nach Art der Musik - ein bestimmtes, nach Alter und Aufmachung homogenes Publikum ein, das unter sich bleiben wolle. Dies sei ein maßgebliches Kriterium für den Erfolg einer Veranstaltung. Einem privatwirtschaftlichen Veranstalter wie der Beklagten müsse daher ein weiter Beurteilungsspielraum zustehen, wie er den Erfolg einer Veranstaltung sicherstellen wolle. Hierzu gehöre jedenfalls bei Veranstaltungen mit der vorliegenden Höchstkapazität von 1.500 Personen die Beschränkung des Zutritts auf bestimmte Zielgruppen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Vorinstanzen:

AG München - Urteil vom 10.Oktober 2018 - 122 C 5020/18
LG München I - Urteil vom 31. März 2020 - 13 S 17353/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 19 AGG

(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen …
2. …
ist unzulässig.
(2) …

§ 21 AGG

(1) …
(2) Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbots ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
(3) …

Akkreditierungsbedingungen

Aufhebung des Verhandlungstermin am 28. April 2021, 9.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 275/19 (Anspruch auf Ersatzlieferung bei Fahrzeug mit Dieselmotor EA 189?)

Datum: 28.04.2021
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Hinweis: Siehe dazu auch die PM 79/2021

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Oktober 2009 von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen neuen Pkw Audi A5 Sportback 2.0 TDI, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist. Das Fahrzeug ist mit einer Software versehen, die erkennt, ob es sich in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet. In diesem Fall schaltet das System in einen Modus, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkt. Es ergeben sich hierdurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb.

Der Kläger verlangte von der Beklagten wegen dieser Software unter Fristsetzung bis 11. Oktober 2016 die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs. Die Beklagte, die zugleich bis 31. Dezember 2017 auf die Einrede der Verjährung verzichtete, wies den Anspruch auf Ersatzlieferung zurück und erklärte, dass die Unregelmäßigkeiten durch Aufspielen eines Software-Updates behoben werden sollen. Der Kläger werde sobald wie möglich näher über den Zeitplan und die für sein Fahrzeug konkret vorgesehenen Maßnahmen informiert. Am 7. März 2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Software-Update nun zur Verfügung stehe. Mitte des Jahres 2018 wurde bei dem Fahrzeug des Klägers das Update aufgespielt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Ersatzlieferung eines mangelfreien typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Fahrzeug zwar wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung und der damit latent bestehenden Gefahr einer Betriebsuntersagung oder Betriebsbeschränkung mit einem Sachmangel behaftet. Die Beklagte könne sich allerdings auf die von ihr erhobene Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit gemäß § 439 Abs. 3 BGB aF (jetzt: § 439 Abs. 4 BGB) berufen. Mit dem Aufspielen eines Software-Updates stehe eine Nacherfüllungsvariante zur Verfügung, die dazu führe, dass das Ersatzlieferungsverlangen als unverhältnismäßig anzusehen sei.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein auf Ersatzlieferung gerichtetes Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen

Landgericht Saarbrücken – Urteil vom 5. Oktober 2017 – 12 O 14/17
Saarländisches Oberlandesgericht – Urteil vom 28. August 2019 – 2 U 92/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]

§ 439 BGB Nacherfüllung

(in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB für vor dem 1. Januar 2018 entstandene Schuldverhältnisse geltenden Fassung)

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

[…]

(3) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 27. April 2021, 9.00 Uhr, Sitzungssaal E 101 - XI ZR 26/20 - (Wirksamkeit von Klauseln, die die Zustimmung des Kunden bei einer Änderung der AGB der Bank fingieren)

Datum: 27.04.2021
Akkreditierungsschluss: 26.04.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird, nachdem sich der Gerichtshof der Europäischen Union auf ein Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Obersten Gerichtshofs mit einer ähnlichen Klausel befasst hat (EuGH, Urteil vom 11. November 2020 – C-287/19, „DenizBank“, WM 2020, 2218 ff.), über die Wirksamkeit von Klauseln zu entscheiden haben, die unter bestimmten Bedingungen die Zustimmung des Kunden zu einer Änderung der AGB einer Bank fingieren.

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die beklagte Bank verwendet in ihrem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Klauseln enthalten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen. Danach werden Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung weist ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hin. Der Kunde hat die Möglichkeit der Kündigung.

Prozessverlauf:

Der Kläger hält die Klauseln für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, die Klauseln in Verträge mit Verbrauchern einzubeziehen und sich auf die Klauseln zu berufen.

Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in erster Instanz außerdem noch die Erstattung von Abmahnkosten nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt hat, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren mit Ausnahme seines Zahlungsantrags weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine in zweiter Instanz gestellten Anträge weiter.

Der XI. Zivilsenat wird über die Revision des Klägers am 27. April 2021 verhandeln.

Vorinstanzen:

Landgericht Köln – Urteil vom 12. Juni 2018 – 21 O 351/17
Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 19. Dezember 2019 – 12 U 87/18

Akkreditierungsbedingungen

Urteilsverkündung im Diesel-Revisionsverfahren VI ZR 274/20 am 13. April 2021, 9.30 Uhr, Sitzungssaal N 004

Datum: 13.04.2021
Akkreditierungsschluss: 12.04.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der VI. Zivilsenat wird am 13. April 2021 seine Entscheidung über die Revision der Volkswagen AG gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Februar 2020 - 27 U 52/19 verkünden. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat fand am 16. März 2021 statt.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen I ZR 9/18 (Vergütung des Chefkameramanns des Filmwerks "Das Boot") am 1. April 2021, 8:30 Uhr (Verhandlungstermin 17. Dezember 2020, 10.00 Uhr (vorher: 9. Juli 2020))

Datum: 01.04.2021
Akkreditierungsschluss: 31.03.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt erneut über eine weitere angemessene Beteiligung des Chefkameramanns des Filmwerks "Das Boot" an den von der Produktionsgesellschaft, dem Westdeutschen Rundfunk und dem Videoverwerter erzielten Vorteilen aus der Verwertung des Films.

Sachverhalt:

Der Kläger war Chefkameramann des in den Jahren 1980/1981 hergestellten Filmwerks "Das Boot". Der Film wurde national und international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und DVD ausgewertet. Die Beklagte zu 1 hat den Film produziert und mit dem Kläger für seine Leistung eine Pauschalvergütung in Höhe von 204.000 DM (104.303,54 €) gegen Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte vereinbart. Sie hat den Film an die Beklagten zu 2 und 3 sowie weitere Dritte lizenziert und im Rahmen der “Bavaria Filmtour“ auf ihrem Studiogelände in München genutzt. Der Beklagte zu 2 ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Er hat den Film in seinem Sender sowie im Gemeinschaftsprogramm der ARD ausgestrahlt sowie entgeltliche Sublizenzen erteilt. Die Beklagte zu 3 hat das Werk auf Grundlage von Lizenzverträgen auf Bildträgern (DVD etc.) in Deutschland und Österreich verbreitet.

Der Kläger macht gegen die Beklagten für nach dem 28. März 2002 erfolgte Werknutzungen jeweils einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 UrhG (Beklagte zu 1) und § 32a Abs. 2 UrhG (Beklagte zu 2 und 3) geltend, weil ihre aus der Werknutzung gezogenen Erträgnisse und Vorteile in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Vergütung stünden. Ferner beansprucht er gegenüber der Beklagten zu 1 Vertragsanpassung und gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 jeweils Feststellung der Verpflichtung zur künftigen weiteren Beteiligung. Zudem verlangt er von der Beklagten zu 3 Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Beklagten beantragen jeweils Klageabweisung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat die Beklagten bereits mit Erfolg auf Erteilung von Auskünften über die jeweils erzielten Erträgnisse und Vorteile in Anspruch genommen (BGH, Urteil vom 22. September 2011 - I ZR 127/10 - Das Boot I).

Seine im vorliegenden Rechtsstreit auf die erteilten Auskünfte gestützte Zahlungsklage hatte vor dem Landgericht teilweise Erfolg (LG München I, ZUM 2016, 776). Auf die Berufung sämtlicher Parteien hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Beklagte zu 1 zur Zahlung von 162.079,27 € und zur Einwilligung in die Anpassung des streitgegenständlichen Vertrages verurteilt. Die Beklagten zu 2 und 3 hat es zur Zahlung in Höhe von 89.856,59 € bzw. 186.490,74 € verurteilt; zudem hat es für die Zeit ab dem 9. Oktober 2015 bzw. ab dem 1. April 2017 deren Verpflichtung zur Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung festgestellt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klagen abgewiesen.

In einem weiteren Verfahren hat der Kläger die neben dem Beklagten zu 2 in der ARD organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus § 32a Abs. 2 UrhG in Anspruch genommen. Hierüber hat der Senat durch Zurückverweisung der Sache ans Berufungsgericht entschieden (Urteil vom 20. Februar 2020 I ZR 176/18, - Das Boot II; Pressemitteilung Nr. 20/2020).

Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Parteien ihre Anträge weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 2. Juni 2016 - 7 O 17694/08
OLG München - Urteil vom 21. Dezember 2017 - 29 U 2619/16 (

§ 32 UrhG Angemessene Vergütung

(1) Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene Vergütung gewährt wird.
(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist. ...

§ 32a UrhG Weitere Beteiligung des Urhebers

(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.
(2) Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich das auffällige Missverhältnis aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette. Die Haftung des anderen entfällt. ...

§ 287 ZPO Schadensermittlung; Höhe der Forderung

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen 3 StR 474/19 am 30. März 2021, 10.30 Uhr, Rintheimer Querallee 11, Karlsruhe, Saal E 004, in einer Strafsache wegen der Ausfuhr von Waffen nach Mexiko (Hauptverhandlung: 11.2.2021)

Datum: 30.03.2021
Akkreditierungsschluss: 29.03.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Stuttgart hat zwei Angeklagte wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Gütern aufgrund erschlichener Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz in mehreren Fällen bzw. wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen die Einziehungsbeteiligte, die Heckler & Koch GmbH, hat es die Einziehung von mehreren Millionen Euro angeordnet.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen lieferte die Heckler & Koch GmbH in den Jahren 2005 bis 2007 mehrfach Waffen, insbesondere Maschinengewehre und Zubehör, an die zentrale Beschaffungsstelle des mexikanischen Verteidigungsministeriums. Die Ausfuhr der Waffen bedurfte der Genehmigung sowohl nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz als auch nach dem Außenwirtschaftsgesetz. In den von der Beschaffungsstelle abgegebenen Endverbleiberklärungen waren auch die einzelnen mexikanischen Bundesstaaten bezeichnet, an die die Waffen weiterverkauft werden sollten. Die Genehmigungen wurden jeweils im Vertrauen darauf erteilt, dass die Angaben zum Endverbleib der Waffen korrekt waren. Diese waren jedoch teilweise unrichtig.

Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz verurteilt, weil in den abgeurteilten Fällen die Genehmigungen durch das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle erschlichen worden seien. Eine Strafbarkeit nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz hat es dagegen verneint, weil dieses Gesetz eine Strafbarkeit für die Ausfuhr aufgrund einer mit falschen Angaben erwirkten Genehmigung nicht vorsehe. Weitere Angeklagte hat es freigesprochen.

Gegen das Urteil haben die Staatsanwaltschaft, die verurteilten Angeklagten sowie die Einziehungsbeteiligte Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem Rechtsmittel insbesondere einen Schuldspruch auch nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung. Das Rechtsmittel der Einziehungsbeteiligten richtet sich gegen die (Höhe der) Einziehung des durch die Tat Erlangten.

Vorinstanz:

LG Stuttgart - 13 KLs 143 Js 38100/10 Urteil vom 21. Februar 2019

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 25. März 2021, 8.30 Uhr, in Sachen I ZR 203/19 (Zulässigkeit der Erhebung eines Entgelts für die Zahlung mittels PayPal und Sofortüberweisung) (Verhandlung: 10.12.2020)

Datum: 25.03.2021
Akkreditierungsschluss: 24.03.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob Unternehmen von ihren Kunden ein Entgelt für die Zahlung mittels PayPal und Sofortüberweisung erheben dürfen.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte bietet Fernbusreisen an und bewirbt diese im Internet. Sie bietet ihren Kunden vier Zahlungsmittel an, nämlich EC-Karte, Kreditkarte, Sofortüberweisung oder PayPal. Bei der Auswahl der Zahlungsmittel "Sofortüberweisung" und "PayPal“ erhebt die Beklagte jeweils ein zusätzliches Entgelt, dessen Höhe vom Fahrkartenpreis abhängt.

Bei der Sofortüberweisung findet eine SEPA-Überweisung vom Konto des Zahlers auf das Konto des Zahlungsempfängers statt. Allerdings wird die Überweisung nicht unmittelbar von dem Zahlenden, sondern von der Sofort GmbH ausgelöst, die zu diesem Zweck von dem Zahler dessen persönliche Sicherheitsmerkmale (PIN und TAN) erhält. Darüber hinaus informiert die Sofort-GmbH den Zahlungsempfänger über die Bonität des Kunden, was zu einer schnelleren Leistungserbringung führen soll.

Bei Zahlung mittels PayPal müssen sowohl der Zahler als auch der Zahlungsempfänger über ein PayPal-Konto verfügen; dabei handelt es sich um ein E-Geld-Konto. Befindet sich auf dem PayPal-Konto des Zahlers kein ausreichendes Guthaben, zieht PayPal den zu zahlenden Betrag per Lastschrift oder Kreditkartenabbuchung beim Zahlenden ein und schreibt diesen Betrag dem PayPal-Konto des Zahlungsempfängers gut.

Die Klägerin sieht in der Erhebung eines Entgelts für die Zahlung mittels PayPal und Sofortüberweisung einen Verstoß gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 270a BGB und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Vereinbarung eines Entgelts für die Nutzung der Zahlungsmittel "Sofortüberweisung“ oder "PayPal“ verstoße nicht gegen § 270a BGB.

Bei der Verwendung von PayPal handele es sich um eine sogenannte E-Geld-Zahlung. PayPal transferiere lediglich E-Geld zwischen Nutzern von PayPal, ohne dass es darauf ankomme, ob der PayPal-Nutzer das E-Geld gegen Zahlung eines Geldbetrages, durch Empfang von E-Geld oder durch Zugriff von PayPal auf eine andere Zahlungsquelle des Nutzers erhalte. Auch wenn PayPal gegenüber seinem Nutzer im Wege einer SEPA-Basislastschrift vorgehe, handele es sich nur in diesem Verhältnis und nicht im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner um die Verwendung einer SEPA-Lastschrift.

Der Sofortüberweisung liege zwar der Sache nach eine SEPA-Überweisung zugrunde. Allerdings werde diese nicht vom Schuldner als Zahler selbst ausgelöst (Push-Zahlung), sondern vom Betreiber des Zahlungsdienstes "Sofortüberweisung“, also durch einen Zahlungsauslösedienst.

Das streitgegenständliche Entgelt sei demnach keines, das für die Nutzung der in § 270a BGB genannten Zahlungsarten vereinbart worden sei, sondern werde jeweils für die Einschaltung eines Dritten erhoben, der (im Falle von PayPal) im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger die Zahlungsabwicklung mittels Übertragung von E-Geld vornehme bzw. (bei der Sofortüberweisung) anstelle des Schuldners den Zahlungsvorgang als solchen einleite.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wie-derherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 13. Dezember 2018 - 17 HK O 7439/18
OLG München - Urteil vom 10. Oktober 2019 - 29 U 4666/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 270a BGB

Eine Vereinbarung, durch die der Schuldner verpflichtet wird, ein Entgelt für die Nutzung einer SEPA-Basislastschrift, einer SEPA-Firmenlastschrift, einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte zu entrichten, ist unwirksam. Satz 1 gilt für die Nutzung von Zahlungskarten nur bei Zahlungsvorgängen mit Verbrauchern, wenn auf diese Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (ABl. L 123 vom 19.5.2015, S.1) anwendbar ist.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 22. März 2021, 14.00 Uhr – AnwZ (Brfg) 2/20 (besonderes elektronisches Anwaltspostfach – Verschlüsselungstechnik) (Verhandlung: 22.3.2021)

Datum: 22.03.2021
Akkreditierungsschluss: 22.03.2021 14:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Kläger sind zugelassene Rechtsanwälte. Die beklagte Bundesrechtsanwaltskammer richtete auf Grundlage von § 31a Abs. 1 BRAO für sie ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein. Nach § 31a Abs. 6 BRAO sind die Kläger verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über dieses Postfach zur Kenntnis zu nehmen.

Die Kläger wenden sich gegen die technische Ausgestaltung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs durch die Beklagte, weil dieses nicht über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verfüge, bei der sich die privaten Schlüssel ausschließlich in der Verfügungsgewalt der Postfachinhaber befänden. Sie verlangen mit ihrer Klage, dass die Bundesrechtsanwaltskammer das besondere elektronische Anwaltspostfach für sie mit einer derartigen Verschlüsselung betreibt und das derzeitige Verschlüsselungssystem nicht weiter verwendet.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in der Vorinstanz keinen Erfolg gehabt.

Nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofs besteht kein Anspruch darauf, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach ausschließlich mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in dem von den Klägern geforderten Sinne betrieben wird. Ein derartiger Anspruch ergebe sich weder aus den einfachen Gesetzen noch aus der Verfassung. Die gewählte Architektur des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs sei sicher im Rechtssinne.

Mit der vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Vorinstanz

Anwaltsgerichtshof Berlin – Urteil vom 14. November 2019 – I AGH 6/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 31a BRAO Besonderes elektronisches Anwaltspostfach

(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit ein. Nach Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt die Bundesrechtsanwaltskammer dessen Bezeichnung an die zuständige Rechtsanwaltskammer zur Speicherung in deren Verzeichnis.
[…]
(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat sicherzustellen, dass der Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist. Sie hat auch Vertretern, Abwicklern und Zustellungsbevollmächtigten die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zu ermöglichen; Absatz 2 gilt sinngemäß. Die Bundesrechtsanwaltskammer kann unterschiedlich ausgestaltete Zugangsberechtigungen für Kammermitglieder und andere Personen vorsehen. Sie ist berechtigt, die in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach gespeicherten Nachrichten nach angemessener Zeit zu löschen. Das besondere elektronische Anwaltspostfach soll barrierefrei ausgestaltet sein.
[…]
(6) Der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.
[…]

§ 19 RAVPV Besonderes elektronisches Anwaltspostfach

(1) Das besondere elektronische Anwaltspostfach dient der elektronischen Kommunikation der in das Gesamtverzeichnis eingetragenen Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer mit den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Ebenso dient es der elektronischen Kommunikation der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer untereinander.
(2) Das besondere elektronische Anwaltspostfach kann auch der elektronischen Kommunikation mit anderen Personen oder Stellen dienen.
[…]

§ 20 RAVPV Führung der besonderen elektronischen Postfächer

(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer auf der Grundlage des Protokollstandards „Online Services Computer Interface – OSCI“ oder einem künftig nach dem Stand der Technik an dessen Stelle tretenden Standard zu betreiben. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat fortlaufend zu gewährleisten, dass die in § 19 Absatz 1 genannten Personen und Stellen miteinander sicher elektronisch kommunizieren können.
(2) Der Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach soll barrierefrei im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung sein.
(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu gewährleisten, dass bei einem Versand nicht-qualifiziert signierter elektronischer Dokumente durch einen Rechtsanwalt auf einem sicheren Übermittlungsweg für den Empfänger feststellbar ist, dass die Nachricht von dem Rechtsanwalt selbst versandt wurde.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 18. März 2021, 10.30 Uhr, in Sachen VIII ZR 305/19 (Musterfeststellungsklage – bezüglich einer Modernisierungsankündigung)

Datum: 18.03.2021
Akkreditierungsschluss: 17.03.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Der Musterkläger ist ein Mieterverein. Die Musterbeklagte ist Eigentümerin einer größeren Wohnanlage mit Mietwohnungen in München.

Ende Dezember 2018 kündigte die Musterbeklagte den Mietern Modernisierungsmaßnahmen an, die im Zeitraum von Dezember 2019 bis Juni 2023 durchgeführt werden sollten, unter anderem die Anbringung einer Wärmedämmung, den Austausch der Fenster, die Anbringung von Rollläden sowie den Anbau von Balkonen.

Der Musterkläger beantragt mit seinem Hauptantrag die Feststellung, dass die erfolgte Modernisierungsankündigung nicht Grundlage einer Mieterhöhung nach Durchführung der Maßnahmen sein könne. Er hält die Ankündigung für unwirksam. Hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass auf eine Mieterhöhung nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen das seit 1. Januar 2019 geltende, für Mieter günstigere Recht anzuwenden sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das im Musterfeststellungsverfahren erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als es auf einen der Hilfsanträge des Musterklägers festgestellt hat, dass die den Mietern der Musterbeklagten Ende 2018 angekündigte Mieterhöhung nicht nach dem bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Recht erfolgen könne.

Die Modernisierungsankündigung genüge zwar grundsätzlich den Erfordernissen des § 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BGB. Die Musterbeklagte habe die von ihr angekündigten Modernisierungsmaßnahmen auch tatsächlich geplant und mittlerweile mit deren Umsetzung begonnen. Die Ankündigung etwa ein Jahr vor Baubeginn führe aber dazu, dass diese nicht ordnungsgemäß im Sinne von Art. 229 § 49 Abs. 1 Satz 2 EGBGB sei. Es fehle an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Modernisierungsankündigung und dem geplanten Ausführungsbeginn.

Mit ihrer Revision verfolgt die Musterbeklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Musterkläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision seinen Hauptantrag weiter und begehrt hilfsweise die Feststellung, dass auf die Mieterhöhung das ab 1. Januar 2019 geltende Recht anwendbar sei.

Vorinstanz

Oberlandesgericht München – Urteil vom 15. Oktober 2019 – MK 1/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 555c BGB Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen
(in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung)

(1) Der Vermieter hat dem Mieter eine Modernisierungsmaßnahme spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform anzukündigen (Modernisierungsankündigung). Die Modernisierungsankündigung muss Angaben enthalten über:
1. die Art und den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen,
2. den voraussichtlichen Beginn und die voraussichtliche Dauer der Modernisierungsmaßnahme,
3. den Betrag der zu erwartenden Mieterhöhung, sofern eine Erhöhung nach § 559 verlangt werden soll, sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten.
(2) Der Vermieter soll den Mieter in der Modernisierungsankündigung auf die Form und die Frist des Härteeinwands nach § 555d Absatz 3 Satz 1 hinweisen.
[…]

§ 559 BGB Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen
(in der seit 1. Januar 2019 geltenden Fassung)

(1) Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach Absatz 1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(3) Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere Wohnungen durchgeführt, so sind die Kosten angemessen auf die einzelnen Wohnungen aufzuteilen.
(3a) Bei Erhöhungen der jährlichen Miete nach Absatz 1 darf sich die monatliche Miete innerhalb von sechs Jahren, von Erhöhungen nach § 558 oder § 560 abgesehen, nicht um mehr als 3 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen. Beträgt die monatliche Miete vor der Mieterhöhung weniger als 7 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, so darf sie sich abweichend von Satz 1 nicht um mehr als 2 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen.
[…]

§ 559 BGB Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen
(in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung)

(1) Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 11 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach Absatz 1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(3) Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere Wohnungen durchgeführt, so sind die Kosten angemessen auf die einzelnen Wohnungen aufzuteilen.
[…]

Art 229 § 49 EGBGB Übergangsvorschriften zum Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18. Dezember 2018

(1) Auf ein bis einschließlich 31. Dezember 2018 entstandenes Mietverhältnis sind die §§ 555c und 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn dem Mieter bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 555c Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis einschließlich 31. Dezember 2018 zugegangen ist. Hat der Vermieter die Modernisierungsmaßnahme nicht oder nicht ordnungsgemäß nach § 555c Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angekündigt, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass es an Stelle des Zugangs der Mitteilung nach § 555c Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf den Zugang der Mieterhöhungserklärung nach § 559b Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ankommt. § 559c des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nur anzuwenden, wenn der Vermieter die Modernisierungsmaßnahme nach dem 31. Dezember 2018 angekündigt hat. § 559d des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nur anzuwenden auf ein Verhalten nach dem 31. Dezember 2018.

[...]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 12. März 2021, 9.00 Uhr, in Sachen V ZR 33/19 (Ersatz „fiktiver“ Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht?) (Verhandlungstermin: 13.03.2020, 26.2.2021)

Datum: 12.03.2021
Akkreditierungsschluss: 11.03.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der V. Zivilsenat setzt die mündliche Verhandlung in dieser Sache fort, nachdem der VII. Zivilsenat die an ihn gerichtete Anfrage (Beschluss vom 13. März 2020, V ZR 33/19, veröffentlicht auf der Homepage unter "Entscheidungen") beantwortet hat (Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, ebenfalls veröffentlicht auf der Homepage unter "Entscheidungen"). Siehe hierzu auch Pressemitteilungen Nr. 155/19 und Nr. 30/20.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin wurde aufgehoben in Sachen VI ZR 813/20 (Daimler-Thermofenster) (Verhandlung: 9.3.2021)

Datum: 09.03.2021
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat verhandelt über Schadensersatzansprüche eines Fahrzeugkäufers wegen eines sog. "Thermofensters".

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb am 21. Dezember 2016 ein von der beklagten Daimler AG hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug vom Typ Mercedes-Benz GLK 220 CDI zu einem Kaufpreis von 33.800 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe in das Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten „Thermofensters“ eingebaut.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Das Inverkehrbringen des später von der Klägerin erworbenen Fahrzeugs sei unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten "Thermofensters" nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen. Es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von "Thermofenstern" – anders als hinsichtlich der Prüfstandserkennung im VW-Motor EA189 – nicht eindeutig.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen:

Landgericht Bad Kreuznach - Urteil vom 13.09.2019, Az. 3 O 303/18
Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 11.05.2020, Az. 12 U 1837/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin im "Dieselverfahren" VI ZR 505/19 auf Montag, den 8. März 2021, 14.00 Uhr anberaumt (Verhandlung: 22.2.2021)

Datum: 08.03.2021
Akkreditierungsschluss: 05.03.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem weiteren den sogenannten "Dieselskandal" betreffenden Verfahren Verhandlungstermin bestimmt. Das Verfahren hat die Frage zum Gegenstand, ob eine Konzerntochter der Volkswagen AG, die einen von der Konzernmutter entwickelten und gelieferten Motor mit unzulässiger Abschalteinrichtung in ein von ihr hergestelltes Fahrzeug eingebaut hat, vom Käufer des Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Mai 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten Audi A6 Avant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der von der Volkswagen AG entwickelte und gelieferte Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und die in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Für die Erteilung der Typengenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand.

Im September 2015 wurde die Verwendung der Software mit den zwei Betriebsmodi zur Fahrzeugsteuerung bekannt. Im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrtbundesamt gegenüber der Volkswagen AG nachträgliche Nebenbestimmungen für die erteilte Typengenehmigung an. Die Volkswagen AG wurde darin verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen, bei denen innerhalb des VW-Konzerns Dieselmotoren vom Typ EA189 EU 5 zum Einbau gelangten, die aus Sicht des Kraftfahrtbundesamtes unzulässige Abschalteinrichtung zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. In der Folge wurde auf das Fahrzeug des Klägers im Juli 2016 ein Software-Update aufgespielt.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Halle hat der Klage bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht Naumburg hat auf die Berufung der Beklagten unter Zulassung der Revision die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz dem Grunde nach bestätigt, bei der Bemessung der Höhe des zu zahlenden Betrages allerdings anders als das Landgericht einen Abzug von der Kaufpreissumme wegen der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger vorgenommen.

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hafte dem Kläger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB auf Schadensersatz. Die Beklagte habe dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt, indem sie den von der Volkswagen AG mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Dieselmotor der Baureihe EA189 in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut und in Verkehr gebracht habe. Der Schaden des Klägers liege im Abschluss des Pkw-Kaufvertrages, der durch das spätere Software-Update nicht kompensiert worden sei. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter bzw. Organe der Beklagten hätten um die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände gewusst und diese billigend in Kauf genommen, hinsichtlich des bei dem Kläger eingetretenen Schadens hätten sie mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt. Die Beklagte habe entgegen ihrer insoweit bestehenden sekundären Darlegungslast nicht dargelegt, mit Kenntnis welcher Personen die Manipulation der Fahrzeuge erfolgt sei, und dass diese nicht zum Vorstand zählten oder die Manipulation ohne Einbeziehung eines verfassungsmäßigen Vertreters erfolgt sei. Die Beklagte sei zudem wegen ihrer Verbindung mit der Motorlieferantin im Konzern, ihrer Muttergesellschaft, in der Lage aufzuklären, wer bei der Muttergesellschaft für die Entwicklung und das anschließende Inverkehrbringen des Motors mit einer nicht ordnungsgemäßen Motorsoftware verantwortlich gewesen sei. Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei, müsse mit dem Vortrag des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung zur Verwendung einer fehlerhaften Software von verfassungsmäßigen Vertretern der Muttergesellschaft der Beklagten getroffen worden sei. Diesen Vorsatz müsse sich die Beklagte (entsprechend) § 166 BGB zurechnen lassen.

Vorinstanzen:

Landgericht Halle - Urteil vom 07.05.2019 - 9 O 13/18
Oberlandesgericht Naumburg - Urteil vom 30.10.2019 - 3 U 42/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 166 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 24. Februar 2021, 11.00 Uhr – VIII ZR 36/20 (Widerrufsrecht beim Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung)

Datum: 24.02.2021
Akkreditierungsschluss: 23.02.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Dem unter anderem für das Leasingrecht zuständigen VIII. Zivilsenat liegen derzeit zahlreiche Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden vor, in denen es jeweils zentral um die Frage geht, ob einem Leasingnehmer, der als Verbraucher einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung abgeschlossen hat, ein Widerrufsrecht zusteht. Diese Frage steht in dem ersten jetzt terminierten Verfahren zur Klärung an.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Der klagende Leasingnehmer nimmt als Verbraucher die beklagte Leasinggeberin nach einem im März 2018 erklärten Widerruf eines im Jahr 2015 geschlossenen Leasingvertrags über ein Neufahrzeug mit Kilometerabrechnung (sogenannter Kilometerleasingvertrag) auf Rückzahlung geleisteter Leasingraten in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe ein gesetzliches (§ 506 Abs. 1, 2, § 495 Abs. 1 BGB [jeweils aF], § 355 BGB) oder ein vertragliches Widerrufsrecht nicht zu. Ein Kilometerleasingvertrag sei nicht als Finanzierungshilfe im Sinne des § 506 Abs. 1, 2 BGB aF anzusehen. Der Kilometerleasingvertrag sehe weder eine Erwerbsverpflichtung des Leasingnehmers (§ 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB aF) oder ein Andienungsrecht des Leasinggebers (§ 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB aF) vor, noch habe der Leasingnehmer nach Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Vertragsgegenstands einzustehen (§ 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB aF; Restwertgarantie).

Angesichts der abschließenden Aufzählung der Widerrufsfälle in § 506 Abs. 2 BGB aF komme ein Rückgriff auf § 506 Abs. 1 BGB aF als Auffangtatbestand nicht in Betracht. Auch scheide mangels Bestehens einer planwidrigen Regelungslücke eine entsprechende Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB aF auf Kilometerleasingverträge aus. Es sei ferner nicht als Umgehung gemäß § 511 BGB aF zu werten, wenn der Vertragstyp des Kilometerleasings gewählt werde, der die Voraussetzungen des § 506 Abs. 1, 2 BGB aF nicht erfülle. Schließlich sei dem Kläger durch den Umstand, dass die Vertragsurkunde Informationen zu einem Widerruf enthalte, ein vertragliches Widerrufsrecht nicht eingeräumt worden.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision greift der Kläger das Berufungsurteil in allen Punkten an und verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften (soweit nicht anders angegeben jeweils in der Fassung vom 20.9.2013) lauten:

§ 506 Zahlungsaufschub, sonstige Finanzierungshilfe

(1) Die Vorschriften der §§ 358 bis 360 und 491a bis 502 sind mit Ausnahme des § 492 Abs. 4 und vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 auf Verträge entsprechend anzuwenden, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt.
(2) Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes gelten als entgeltliche Finanzierungshilfe, wenn vereinbart ist, dass
1. der Verbraucher zum Erwerb des Gegenstandes verpflichtet ist,
2. der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes verlangen kann oder
3. der Verbraucher bei Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat.
Auf Verträge gemäß Satz 1 Nr. 3 sind § 500 Abs. 2 und § 502 nicht anzuwenden.
[…]

§ 495 Widerrufsrecht

(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.
[…]

§ 511 Abweichende Vereinbarungen (in der Fassung vom 29.7.2009)

Von den Vorschriften der §§ 491 bis 510 darf, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. Diese Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 20. November 2018 – 8 O 275/18
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 29. Oktober 2019 – 6 U 338/18

Akkreditierungsbedingungen

Vorverlegung des weiteren Verhandlungstermins in den sogenannten VW-Verfahren auf Montag, den 22. Februar 2021, 12.00 Uhr, in Sachen VI ZR 513/20 (Verhandlungstermine in Sachen VI ZR 513/20 und VI ZR 268/20 wurden wegen Rücknahme der Revision aufgehoben.)

Datum: 22.02.2021
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat in zwei weiteren sogenannten VW-Verfahren Verhandlungstermine bestimmt. Die Verfahren haben Schadensersatzansprüche von Gebrauchtwagenkäufern zum Gegenstand, die die Fahrzeuge nach Aufdeckung des sogenannten Dieselskandals gekauft haben und geltend machen, mit dem zur Entfernung der Abschaltvorrichtung in Gestalt einer Umschaltlogik durchgeführten Software-Update habe die VW AG eine neue unzulässige Abschaltvorrichtung in Form eines „Thermofensters“ implementiert.

VI ZR 513/20

Sachverhalt

Der Kläger erwarb am 27. Mai 2016 von einem Autohaus einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten PKW VW Touran, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgeräts erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und schaltete in diesem Falle in einen Stickoxid-optimierten Modus. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.

Vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Ad-hoc- und in einer Pressemitteilung darüber informiert, dass bei rund 11 Millionen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte im Oktober 2015 nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung erlassen und der Beklagten aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge herbeizuführen. Die Beklagte hatte daraufhin ein Software-Update entwickelt, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah. Der Kläger ließ das Software-Update im Oktober 2016 durchführen.

Der Kläger behauptet unter anderem, auch nach Implementierung des Software-Updates werde bei niedrigeren Temperaturen, jedenfalls bei 5 °C, die Abgasrückführung in unzulässiger Weise zurückgefahren (Thermofenster). Mit seiner Klage begehrt er im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dem Kläger ständen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Die Beklagte habe den Kläger insbesondere nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zufügt. Zum Zeitpunkt des Kaufs im Mai 2016 sei eine besondere Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht mehr gegeben, da die Beklagte im September 2015 die Öffentlichkeit über das Vorhandensein einer Umschaltlogik informiert habe. Der Vortrag des Klägers zu dem mit dem Software-Update implementierten Thermofenster führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn nicht nur die Beklagte, sondern auch das Kraftfahrtbundesamt und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hätten die gewählte technische Lösung als rechtskonform angesehen. Unabhängig davon, ob diese Bewertung zutreffe, könne das Handeln der Beklagten unter diesen Umständen nicht als besonders verwerflich qualifiziert werden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart - Urteil vom 15. August 2019 -. 9 O 449/18
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 4. März 2020 – 4 U 526/19

VI ZR 268/20

Die Klägerin erwarb am 21. Februar 2017 von einem Autohaus einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten PKW VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist und ursprünglich ebenfalls mit der dargestellten und vom KBA als unzulässig angesehenen Steuerungssoftware versehen war. Das von der Beklagten entwickelte und vom KBA im Juni 2016 freigegebene Software-Update war im Oktober 2016 durchgeführt worden.

Die Klägerin macht geltend, dass die gesetzlichen Abgaswerte auch nach dem Update nicht eingehalten würden, da die volle Abgasrückführung lediglich zwischen 15° und 33° Celsius stattfinde (Thermofenster). Darüber hinaus habe das Update negative Auswirkungen auf die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und die Langlebigkeit der betroffenen Bauteile. Mit ihrer Klage begehrt sie im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Abschluss des Kaufvertrags im Februar 2017 nicht auf ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zurückzuführen. Die Beklagte habe die Allgemeinheit im Herbst 2015 über die unzulässige Abschalteinrichtung informiert und darüber aufgeklärt, welche Maßnahmen sie in Abstimmung mit dem KBA zur Behebung des Mangels vornehmen werde. Das KBA habe in seiner Freigabebestätigung vom 1. Juni 2016 ausdrücklich festgehalten, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden sei, die vorhandenen Abschalteinrichtungen als zulässig eingestuft worden seien, die von dem Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte bestätigt würden und die Motorleistung unverändert bleibe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Verden - Urteil vom 21. November 2018 - 5 O 119/18
Oberlandesgericht Celle - Urteil vom 29. Januar 2020 - 7 U 575/18

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 11. Februar 2021, 8.30 Uhr in Sachen I ZR 241/19 (Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren) (Verhandlung: 26.11.2020)

Datum: 11.02.2021
Akkreditierungsschluss: 10.02.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, in welchem Umfang Internethändler Verbraucher über Herstellergarantien für die angebotenen Produkte informieren müssen.

Sachverhalt:

Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an, wobei die Angebotsseite unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung" enthielt. Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das einen Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt. Danach erstrecke sich die Garantie zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstünden, seien durch die Garantie nicht gedeckt. Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.

Die Klägerin begehrt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat offengelassen, ob die Beklagte als Täterin oder Gehilfin wegen eines Verstoßes gegen § 479 Abs. 1 BGB hafte. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe jedenfalls nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB. Die Informationspflicht des Verkäufers nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB greife jedenfalls dann ein, wenn das Warenangebot einen Hinweis auf das Bestehen einer Garantie enthalte. Der Inhalt dieser Informationspflicht sei unter Rückgriff auf § 479 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Daher sei auch im Rahmen der Informationspflicht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen und darüber zu informieren, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, sowie der räumliche Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Bochum - Urteil vom 21. November 2018 - I-13 O 110/18
OLG Hamm - Urteil vom 26. November 2019 - I-4 U 22/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB

Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren.

§ 479 Abs. 1 BGB

Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten:
1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und
2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.

Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB

Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: […]
9. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien, […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 28. Januar 2021, 14.30 Uhr, in der Sache 3 StR 564/19 (Verurteilung wegen Kriegsverbrechens u.a.)

Datum: 28.01.2021
Akkreditierungsschluss: 27.01.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der 3. Strafsenat wird am 28. Januar 2021 eine Entscheidung verkünden, der folgender Sachverhalt sowie nachfolgend beschriebene rechtliche Problematik zugrunde liegt:

Das Oberlandesgericht München hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung, und wegen eines Kriegsverbrechens gegen Personen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen war der Angeklagte als Oberleutnant der afghanischen Armee auf einem ihrer Stützpunkte tätig. Bei der Befragung dreier Gefangener wandten er und der stellvertretende Kommandeur aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses Drohungen sowie Gewalt an. Ferner veranlasste der Angeklagte, dass der Leichnam eines Talibankommandeurs an einem Schutzwall aufgehängt, wie eine Trophäe präsentiert und herabgewürdigt wurde.

Der Angeklagte und zu dessen Lasten der Generalbundesanwalt wenden sich jeweils mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen gegen das Urteil. Der Generalbundesanwalt erstrebt in Bezug auf die Behandlung der Gefangenen eine Verurteilung auch wegen des Kriegsverbrechens der Folter und im Übrigen die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

Der 3. Strafsenat hat insbesondere zu klären, ob die anlässlich der Befragung der Gefangenen vorgenommenen Handlungen ein Kriegsverbrechen der Folter darstellen. Zudem ist von Belang, ob der Angeklagte aufgrund seiner Stellung als Angehöriger der afghanischen Armee vor deutschen Strafgerichten Immunität genießt mit der Folge, dass seine Verurteilung ausgeschlossen ist. Insofern ist für die Verfolgung von Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch über den Einzelfall hinaus bedeutsam, inwieweit nach dem Völkergewohnheitsrecht der strafrechtlichen Ahndung von Handlungen, die ein Angeklagter in Ausübung ausländischer hoheitlicher Tätigkeit vornahm, durch ein inländisches Gericht der Grundsatz der funktionellen Immunität entgegensteht. Ferner ist darüber zu befinden, ob der 3. Strafsenat diese Frage selbst entscheiden kann oder gemäß Art. 100 Abs. 2 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen hat.

Vorinstanz:

Oberlandesgericht München - Urteil vom 26. Juli 2019 - 8 St 5/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB:

„(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

(…)

3. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,

wird (…) in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren (…) bestraft.“

Art. 100 Abs. 2 GG:

„Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.“

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 28. Januar 20021, 10.00 Uhr, in Sachen III ZR 25/20 (Amtshaftungsanspruch wegen unwirksamer Mietenbegrenzungsverordnung) (Verhandlung: 21.1.2021)

Datum: 28.01.2021
Akkreditierungsschluss: 27.01.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Schadensersatzansprüche gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts aufgrund des Art. 34 GG zuständige III. Zivilsenat wird darüber zu entscheiden haben, ob Mietern Amtshaftungsansprüche zustehen, wenn eine Landesregierung eine Mietenbegrenzungsverordnung erlässt, die wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Begründung der Verordnung unwirksam ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt das Land Hessen auf Schadensersatz wegen der Unwirksamkeit einer von der Landesregierung erlassenen Mietenbegrenzungsverordnung (Hessische Verordnung vom 17. November 2015 zur Bestimmung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne des § 556d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) in Anspruch.

Die ursprünglichen Rechtsinhaber mieteten im Jahr 2017 eine Wohnung in Frankfurt am Main an. Der betreffende Stadtteil war in der Mietenbegrenzungsverordnung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgelegt. Die Klägerin nahm aus abgetretenem Recht der Mieter deren Vermieterin in einem Vorprozess auf Rückzahlung überhöhter Miete in Anspruch, wobei sie sich auf die Mietenbegrenzungsverordnung stützte. Diese Verordnung ist indes wegen Verstoßes gegen die in § 556d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB bestimmte Begründungsverpflichtung unwirksam (BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 - VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30). Deshalb wurde die Klage der Klägerin abgewiesen.

Mit der vorliegenden Teilklage macht die Klägerin nunmehr gegen das beklagte Land als Schaden der Mieter geltend, dass diesen bei Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin für die im August 2017 gezahlte Miete zugestanden hätte. Sie hält die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB für gegeben. Mit dem Erlass der fehlerhaften Verordnung habe das beklagte Land eine ihm gegenüber den Mietern obliegende Amtspflicht verletzt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, es bestünden regelmäßig keine Amtshaftungsansprüche wegen Nachteilen, die durch die Gesetzgebung entstanden seien. Zwar könnten solche Ansprüche ausnahmsweise anzunehmen sein, wenn es sich um ein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz handele, das die Belange Dritter unmittelbar berühre. Um ein solches Gesetz handele es sich bei der Mietenbegrenzungsverordnung jedoch nicht. Der Verordnungsgeber habe auch nicht in eine grundrechtlich geschützte Position der Mieter eingegriffen. Es gebe kein Grundrecht auf Anmietung einer Wohnung zu einem das ortsübliche Niveau nicht oder nur wenig überschreitenden Preis. Eine Amtshaftung bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs auf Erlass einer wirksamen Mietenbegrenzungsverordnung. § 556d BGB und die darauf beruhenden Rechtsverordnungen verfolgten ein sozialpolitisches Ziel. Sozialstaatliche Zielsetzungen verdichteten sich regelmäßig nicht zu staatlichen Handlungspflichten gegenüber Einzelnen oder Gruppen. Das beklagte Land hafte für den Fehler bei der Verordnungsgebung schließlich auch nicht wegen enttäuschten Vertrauens auf die Gültigkeit der Mietenbegrenzungsverordnung. Denn es hätten von Beginn an berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der Verordnung bestanden.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 556d BGB (in der bis zum 31. März 2020 gültigen Fassung)

(1) Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) höchstens um 10 Prozent übersteigen.

(2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. 2Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. 3Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn

1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

4Eine Rechtsverordnung nach Satz 1 muss spätestens am 31. Dezember 2020 in Kraft treten. 5Sie muss begründet werden. 6Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. 7Ferner muss sich aus der Begründung ergeben, welche Maßnahmen die Landesregierung in dem nach Satz 1 durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten Gebiet und Zeitraum ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 25. März 2019 - 2-04 O 307/18
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 13. Februar 2020 - 1 U 60/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 21. Januar 2021, 9.00 Uhr in Sachen I ZR 120/19 (Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr für die Nutzung eines Prominentenbildes zum "Clickbaiting") (Verhandlung: 24.9.2020)

Datum: 21.01.2021
Akkreditierungsschluss: 20.01.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob ein Presseunternehmen einem Prominenten eine fiktive Lizenzgebühr dafür zu zahlen hat, dass es ein Bild des Prominenten im Rahmen eines sogenannten Clickbaiting ("Klickködern") verwendet hat.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Fernsehmoderator und verfügt in Deutschland über einen hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad. Die Beklagte bietet eine Programmzeitschrift an und unterhält zudem eine Internetseite sowie ein Facebook-Profil. Auf diesem Profil postete die Beklagte am 18. August 2015 folgende Meldung:

+++ GERADE VERMELDET +++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht.
Der Post enthielt vier Bilder prominenter Fernsehmoderatoren, darunter ein Bild des Klägers, der der Verwendung seines Bildes nicht zugestimmt hatte. Durch Anklicken des Posts wurde der Leser auf das Internetangebot der Beklagten weitergeleitet, wo dann wahrheitsgemäß über die tatsächliche Erkrankung eines der drei anderen Fernsehmoderatoren berichtet wurde. Informationen über den Kläger fanden sich dort nicht. Der Kläger forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, die die Beklagte auch abgab.

Wegen der Nutzung seines Bildes hat der Kläger die Beklagte u.a. auf Zahlung einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr, mindestens jedoch 20.000 €, nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat entschieden, dass die Klage mit diesem Antrag dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte zur Zahlung von 20.000 € nebst Zinsen verurteilt.
Es hat angenommen, dem Kläger stehe ein solcher Anspruch aus den Gesichtspunkten der ungerechtfertigten Bereicherung und des Schadensersatzes zu. Die Nutzung des Bildes sei gemessen an §§ 22, 23 KUG rechtswidrig gewesen. Sie stelle sich zudem als kommerziell bzw. werblich dar. Die redaktionelle Berichterstattung im Zielartikel habe keinen Bezug zum Kläger aufgewiesen, sondern die Beklagte habe seinen Beliebtheitsgrad und damit auch den Marktwert des Bildes für das Generieren von Klicks ausgenutzt. Dem Kläger stehe daher eine fiktive Lizenzgebühr zu, deren Höhe mit 20.000 € zu bemessen sei.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 25. Juli 2018 - 28 O 74/18
OLG Köln - Urteil vom 28. Mai 2019 - 15 U 160/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 22 Satz 1 KUG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KUG

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
(…)
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 21. Januar 2021, 9.00 Uhr in Sachen I ZR 207/19 (Rechtmäßigkeit der Bildnis- und Namensnutzung für ein "Urlaubslotto") (Verhandlung: 24.09.2020)

Datum: 21.01.2021
Akkreditierungsschluss: 20.01.2021 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob ein Presseunternehmen in einer Zeitung für die Bebilderung seiner "Urlaubslotto"-Aktion das Bildnis und den Namen eines prominenten Schauspielers nutzen darf.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Schauspieler und hatte im Zeitraum von 2014 bis 2019 in der ZDF-Serie "Das Traumschiff" die Rolle des Kapitäns inne. Die Beklagte verlegt unter anderem eine Sonntagszeitung.

Am 18. Februar 2018 erschien im Inneren der Sonntagszeitung unter der Überschrift "Gewinnen Sie Bares und eine Traumreise" ein Artikel zu der Aktion "Urlaubslotto". Hierfür wurde bis auf die linke Spalte die gesamte Zeitungsseite genutzt. Unterhalb der Überschrift befand sich ein Foto, auf dem der Kläger mit zwei anderen Schauspielern der Serie in ihrer jeweiligen Rolle abgebildet war. Das Foto nahm etwa ein Drittel des Artikels ein und wurde durch eine Bildunterschrift ergänzt, in der auch der Name des Klägers genannt war.

Unter dem Foto wurde das "Urlaubslotto" erläutert. Zudem waren vier stilisierte Reisekoffer abgebildet. Jeder Koffer war mit einem aufgedruckten individuellen Zahlencode versehen, den die Leser bis zum 24. Februar 2018 um 24 Uhr per Anruf oder SMS an eine Mehrwertdienstenummer zu regulären Kosten von jeweils 50 Cent auf Gewinn von Bargeldbeträgen von 100, 1.000 oder 5.000 € überprüfen konnten. Unter allen Teilnehmern wurde zudem eine 13-tägige Kreuzfahrt verlost. Dies wurde im unteren Teil des Artikels unter der Überschrift "So können Sie auf dem Luxusschiff in See stechen" näher ausgeführt.

Wegen der Nutzung seines Bildnisses und seines Namens ohne Einwilligung hat der Kläger die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr sowie seiner Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage auf der ersten Stufe - d.h. bezüglich der Ansprüche auf Unterlassung und Auskunftserteilung - durch Teilurteil stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht unter Neufassung des erstinstanzlichen Urteilstenors zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, bei gebotener Abwägung der widerstreitenden Interessen im konkreten Einzelfall bestehe ein Unterlassungsanspruch des Klägers. Der Informationswert der Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers sei gering und dessen Veröffentlichung nicht geeignet, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Zugunsten des Klägers spreche entscheidend, dass sein Bildnis auch zu kommerziell-werblichen Zwecken genutzt worden sei. Zwar werde weder das Presseerzeugnis der Beklagten noch der Hauptgewinn unmittelbar mit dem Bildnis des Klägers beworben noch seien mit dem Bildnis direkt Einkünfte bei der Beklagten erzeugt worden. Dennoch sei das Gewinnspiel (auch) mit Konterfei und Namen des Klägers beworben worden, was in Verbindung mit dem damit zugleich gesetzten Anreiz für den Leser zum Anruf bei kostenpflichtigen Mehrwertdiensten im Ergebnis für die Annahme einer kommerziellen Ausnutzung genügen müsse. Für den Anspruch auf Unterlassung der Namensnennung gelte nichts Anderes. Auch die Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch lägen vor.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 30. Januar 2019 - 28 O 216/18
OLG Köln - Urteil vom 10. Oktober 2019 - 15 U 39/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 22 Satz 1 KUG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KUG

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
(…)
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin in Sachen III ZR 168/19 (tödlicher Sturz eines demenzkranken Pflegeheimbewohners aus dem Fenster seines im dritten Obergeschoss gelegenen Zimmers) am 14. Januar 2021, 10.00 Uhr, Sitzungssaal N 004

Datum: 14.01.2021
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird über einen Fall entscheiden, in dem ein demenzkranker Pflegeheimbewohner bei dem Sturz aus dem Fenster seines im dritten Obergeschoss gelegenen Zimmers tödliche Verletzungen erlitt.

Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt als Miterbin ihres Ehemannes die Beklagte, die ein Alten- und Pflegeheim betreibt, aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Anspruch. Der im Jahr 1950 geborene Ehemann der Klägerin lebte seit Februar 2014 in dem Pflegeheim. Er war hochgradig dement und litt unter Gedächtnisstörungen infolge Korsakow-Syndroms sowie psychisch-motorischer Unruhe. Zudem war er örtlich, zeitlich, räumlich und situativ sowie zeitweise zur Person desorientiert. Die Notwendigkeit besonderer Betreuung bestand wegen Lauftendenz, Selbstgefährdung, nächtlicher Unruhe und Sinnestäuschungen.

Die Beklagte brachte ihn in einem Zimmer im dritten Obergeschoss (Dachgeschoss) unter, das über zwei große Dachfenster verfügte, die gegen unbeaufsichtigtes Öffnen nicht gesichert waren. Der Abstand zwischen dem Fußboden und den Fenstern betrug 120 Zentimeter. Vor den Fenstern befanden sich ein 40 Zentimeter hoher Heizkörper sowie in 70 Zentimeter Höhe eine Fensterbank, über die man gleichsam stufenweise zur Fensteröffnung gelangen konnte. Am Nachmittag des 27. Juli 2014 stürzte der Heimbewohner aus einem der beiden Fenster. Dabei erlitt er schwere Verletzungen, an denen er trotz mehrerer Operationen und Heilbehandlungen am 11. Oktober 2014 verstarb.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe geeignete Schutzmaßnahmen zur Verhinderung des Fenstersturzes unterlassen. Es hätten zwingende Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung vorgelegen. Ihr Ehemann sei gerade auf Grund seiner Demenz mit Gedächtnisstörungen im Pflegeheim der Beklagten untergebracht worden. Vor diesem Hintergrund stelle die Unterbringung des Erblassers im dritten Obergeschoss in einem Zimmer, dessen Fenster leicht zu öffnen gewesen seien, eine erhebliche Pflichtverletzung dar.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 50.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann dem Vortrag der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin und den vorgelegten Unterlagen nicht entnommen werden, dass die Beklagte ihre vertraglichen Obhutspflichten oder die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Der Sturz habe sich im normalen, alltäglichen Gefahrenbereich ereignet, welcher grundsätzlich der jeweils eigenverantwortlichen Risikosphäre des Geschädigten zuzurechnen sei. Vorkehrungen gegen das Hinausklettern des Bewohners über das Fenster hätten nur dann getroffen werden müssen, wenn mit einer solchen Selbstgefährdung wegen seiner Verfassung und seines Verhaltens (ernsthaft) hätte gerechnet werden müssen. Hierfür fehlten hinreichende Anhaltspunkte. Sein geistiger Zustand und das daraus resultierende inadäquate Verhalten hätten es nicht erforderlich gemacht, Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Fenster zu ergreifen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 253 Abs. 2 BGB:

Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

§ 280 Abs. 1 BGB:

1Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. 2Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

§ 823 Abs. 1 BGB:

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Vorinstanzen:

LG Bochum – I-8 O 8/18 – Urteil vom 8. November 2018
OLG Hamm – I-12 U 9/19 – Urteil vom 20. November 2019

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 14. Januar 2021, 11.30 Uhr in der Strafsache 3 StR 124/20 (Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwölf Fällen in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion) (Verhandlung: 26.11.2020)

Datum: 14.01.2021
Akkreditierungsschluss: 13.01.2021 15:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Verhandlungsort: Außenstelle des Bundesgerichtshofs – Rintheimer Querallee 11, Sitzungssaal E 004

Das Schwurgericht des Landgerichts Düsseldorf hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwölf Fällen in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion freigesprochen.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde am 27. Juli 2000 im Bereich des S-Bahnhofs Düsseldorf-Wehrhahn auf der Rückseite des zu den Gleisen gelegenen Geländers einer Fußgängerbrücke eine mit dem Sprengstoff Trinitrotoluol (TNT) befüllte Rohrbombe zur Explosion gebracht. Zum Zeitpunkt der Explosion befand sich auf der Fußgängerbrücke eine Gruppe aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan stammender Personen – davon vier jüdischer Abstammung –, die zuvor eine anliegende Sprachschule besucht hatte. Zehn dieser Personen wurden von den durch die Sprengung ausgelösten Splittern teilweise lebensgefährlich verletzt. Eine im sechsten Monat schwangere Frau verlor ihr Kind.

Das Landgericht hat nach sechs Monaten Hauptverhandlung nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte die Explosion ausgelöst hatte.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Sie greift insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts an.

Vorinstanz:

LG Düsseldorf - 1 Ks 17/17 Urteil vom 31. Juli 2018

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 17. Dezember 2020, 14.30 Uhr in Sachen VI ZR 739/20 (VW-Verfahren: Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist) (Verhandlung: 14.12.2020)

Datum: 17.12.2020
Kameraöffentlichkeit: Ja

Siehe dazu auch Pressemitteilung 160/20 (Akkreditierungsbedingungen für Medienvertreter).

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem weiteren VW-Verfahren Verhandlungstermin bestimmt. Das Verfahren hat die Frage zum Gegenstand, ob die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche eines Fahrzeugkäufers gegen die VW AG bereits mit Schluss des Jahres 2015 begann.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im April 2013 einen VW Touran, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 ausgestattet ist. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.

Der Kläger erlangte im Jahr 2015 nicht nur allgemein von dem damals aufgedeckten sogenannten Dieselskandal Kenntnis, sondern auch konkret davon, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war. Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage hat er Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Stuttgart hat der Klage teilweise stattgegeben. Der Anspruch sei nicht verjährt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Klage abgewiesen. Dem Schadensersatzanspruch des Klägers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB stehe die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Da der Kläger bereits im Jahr 2015 Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal erlangt habe, hätten die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vorgelegen. Die Rechtslage sei nicht unsicher und zweifelhaft gewesen, so dass die Klageerhebung zumutbar gewesen sei.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart - Urteil vom 17. September 2019 - 15 O 241/19
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 14. April 2020 - 10 U 466/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 14. Dezember 2020, 11.00 Uhr in Sachen VI ZR 314/20 (Daimler-Thermofenster) aufgehoben

Datum: 14.12.2020
Kameraöffentlichkeit: Noch_offen

Siehe dazu auch die Pressemitteilung 156/2020.

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat verhandelt über Schadensersatzansprüche eines Fahrzeugkäufers wegen eines sog. „Thermofensters“.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb am 11. Februar 2016 von einem Vertragshändler der beklagten Daimler AG ein gebrauchtes Kraftfahrzeug vom Typ Mercedes-Benz E 350 CDI zu einem Kaufpreis von 27.800 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 ausgestattet. Das am 2. August 2011 erstmals zugelassene Fahrzeug wies bei Erwerb durch den Kläger einen Kilometerstand von 125.000 km auf. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die Abgasreinigung erfolgt in dem erworbenen Fahrzeug über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen reduziert ("Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außentemperaturen dies der Fall ist.

Der Kläger behauptet, dass die Abgasrückführung bei Temperaturen unter 7 Grad Celsius um bis zu 45 % reduziert und letztlich ganz abgeschaltet werde. Er sieht in der Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung, die bewirke, dass die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten würden.

Die Beklagte macht geltend, dass die fragliche Steuerung, die diverse Parameter berücksichtige, schon keine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstelle, jedenfalls aber zum Schutz des Motors zulässig sei. Sie behauptet, dass die Abgasrückführung erst bei einer Außentemperatur von -50 Grad Celsius abgeschaltet werde.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Das Inverkehrbringen des später vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten „Thermofensters“ nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen. Es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von „Thermofenstern“ – anders als hinsichtlich der Prüfstandserkennung im VW-Motor EA189 – nicht eindeutig.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...]
„Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...]

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen:

Landgericht Trier – Urteil vom 23. Mai 2019 – 5 O 394/18
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 10. Februar 2020 – 12 U 1039/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 10. Dezember 2020, 9.00 Uhr - in Sachen I ZR 153/17 (Umfang der von "YouTube" geschuldeten Auskünfte über Benutzer) (Verhandlungstermin: 15.10.2020)

Datum: 10.12.2020
Akkreditierungsschluss: 09.12.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Urheberrechtssachen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, welche Daten Betreiber einer Videoplattform über diejenigen Nutzer herausgeben müssen, die urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich auf die Plattform hochgeladen haben.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Filmverwerterin. Die Beklagte zu 1, deren Muttergesellschaft die Beklagte zu 2 ist, betreibt die Internetplattform "YouTube". Beim Hochladen von Videos auf "YouTube" müssen sich Benutzerinnen und Benutzer registrieren und dabei zwingend ihren Namen, eine E-Mail-Adresse und ein Geburtsdatum angeben. Für die Veröffentlichung eines Videos von mehr als 15 Minuten Länge muss außerdem eine Telefonnummer angegeben werden. Ferner müssen die Nutzer in die Speicherung von IP-Adressen einwilligen.

Die Klägerin macht exklusive Nutzungsrechte an den Filmwerken "Parker" und "Scary Movie 5" geltend. Diese Filme wurden in den Jahren 2013 und 2014 von drei verschiedenen Nutzern auf "YouTube" hochgeladen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin hat die Beklagten auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob die Klägerin Ansprüche auf Auskunft über die E-Mail-Adressen, die Telefonnummern und diejenigen IP-Adressen hat, die für das Hochladen der beiden Filme und für den letzten Zugriff auf die Konten der Benutzer genutzt wurden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zur Auskunft über die E-Mail-Adressen der Benutzer verurteilt, die die Filme hochgeladen haben, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge und verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 21. Februar 2019 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 19/2019 vom 21. Februar 2019). Der Bundesgerichtshof wollte im Wesentlichen wissen, ob sich die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG geregelte Auskunftspflicht von Personen, die - wie im Streitfall die Beklagten - in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben, auch auf die E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen der Nutzer der Dienstleistungen erstreckt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 9. Juli 2020 - C-264/19 im Wesentlichen entschieden, dass der in der Richtlinie verwendete Begriff „Adressen“ diese Daten nicht umfasst. Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung fortsetzen.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt a.M. - Urteil vom 3. Mai 2016 - 2-03 O 476/13
OLG Frankfurt a.M. - Urteil vom 22. August 2017 - 11 U 71/16

Die maßgebliche Vorschrift des Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG lautet auszugsweise:

Abs. 1: Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die […]
c) nachweislich für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte, […]
Abs. 2: Die Auskünfte nach Absatz 1 erstrecken sich, soweit angebracht, auf
a) die Namen und Adressen der Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Lieferer und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren; […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 27. November 2020, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 121/19 (Pferdehaltung im Offenstall) (Verhandlungstermin: 2.10.20)

Datum: 27.11.2020
Akkreditierungsschluss: 26.11.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem sich Grundstücksnachbarn über die Unterlassung der Pferdehaltung in einem Offenstall streiten.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Nachbarn. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin eines Pferdehofs. Sie errichtete ohne Baugenehmigung auf ihrem im Außenbereich gelegenen Grundstück in einer Entfernung von etwa 12 m vom Einfamilienhaus der Klägerin einen Offenstall für Pferde und stellte darin Pferde ein. Die Beklagte zu 2, deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 1 ist, betreibt auf dem Grundstück eine Reitschule.

Die Bauaufsichtsbehörde lehnte im September 2013 die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Die von der Beklagten zu 1 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit der Begründung ab, der Offenstall lasse die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der – dort beigeladenen – hiesigen Klägerin vermissen. Hierbei falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Stall unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der hiesigen Klägerin in einer Entfernung von etwa 12,5 m zu deren Ruheräumen befinde und die Boxen mit dem Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet seien. Das Urteil ist rechtskräftig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, die Haltung von Pferden in dem Offenstall zu unterlassen. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richtet. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 hat es die Verurteilung darauf beschränkt, dass bei der Haltung von Pferden in dem Offenstall die Immissionsrichtwerte nach der jeweils geltenden TA Lärm nicht überschritten werden dürften.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hat die Klägerin aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 906 BGB einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1, weil ihr Grundstück durch die Lärmimmissionen nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werde. Die Nutzung des Stalls sei auch nicht ortsüblich, da es an der notwendigen behördlichen Genehmigung fehle. Da es der Beklagten überlassen bleiben müsse, wie sie die Beeinträchtigung auf ein zumutbares Maß senke, könne die Klägerin aber nur die Unterlassung der Lärmbelästigung verlangen, nicht dagegen die Pferdehaltung in dem Offenstall. Ein solcher Anspruch folge auch nicht aus § 1004, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Gebot der Rücksichtnahme. Durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung stehe nicht mit Bindungswirkung für den Zivilprozess fest, dass dieses Gebot verletzt worden sei. In Rechtskraft sei allein die Feststellung erwachsen, dass die Beklagte zu 1 für den Offenstall keine Baugenehmigung erlangen könne.

Gegen die Beklagte zu 2 habe die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch, da diese nicht Störerin sei. Es fehle schon an schlüssigem Vortrag der Klägerin, dass die Beklagte zu 2 den Offenstall für ihre Pferde nutze.

Mit der von dem Senat zugelassen Revision möchte die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Vorinstanzen:

LG Halle – Urteil vom 28. September 2018 – 5 O 261/16
OLG Naumburg – Urteil vom 17. April 2019 – 12 U 123/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) (…)

§ 823 Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin vom 27. Oktober 2020 wurde aufgehoben in Sachen VI ZR 162/20 - "Dieselverfahren“ gegen die Daimler AG (siehe dazu Pressemitteilung 128/2020)

Datum: 27.10.2020
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat erneut über Schadensersatzansprüche eines Fahrzeugkäufers gegen einen Fahrzeughersteller zu entscheiden. Der klagende Käufer macht geltend, das von der beklagten Daimler AG hergestellte Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten „Thermofensters“ auf.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb am 4. Februar 2017 von einem privaten Verkäufer ein gebrauchtes Kraftfahrzeug vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI, Erstzulassung 7. November 2011. Die Laufleistung betrug 69.838 km, der Kaufpreis 13.000 €. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe OM 651 verbaut. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Bei dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug wird ein variabler Anteil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Das Ausmaß der Abgasrückführung hängt unter anderem von der Außentemperatur ab, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.

Der Kläger behauptet, dass bei Temperaturen unter 7 °C keine Abgasrückführung mehr stattfinde. Er sieht in der Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung, die bewirke, dass die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten würden.

Die Beklagte macht geltend, dass die fragliche Steuerung, die diverse Parameter berücksichtige, schon keine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstelle, jedenfalls aber zum Schutz des Motors zulässig sei.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es in erster Linie ausgeführt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB gegen die Beklagte zustehe. Das Inverkehrbringen des später vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen, unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten „Thermofensters“. Es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von „Thermofenstern“ – anders als hinsichtlich der Prüfstandserkennung im VW-Motor EA189 – nicht eindeutig.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...]
„Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...]

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen:

Landgericht Mainz – Urteil vom 31. Juli 2019 – 4 O 1/19
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 20. Januar 2020 – 12 U 1593/19

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 18. September 2020, 9.00 Uhr in der Sache V ZR 8/19 (Entwendung eines Autos während Probefahrt durch vermeintlichen Kaufinteressenten) (Verhandlungstermin: 19.6.2020)

Datum: 18.09.2020
Akkreditierungsschluss: 17.09.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat verhandelt über ein Verfahren, in dem es um den gutgläubigen Erwerb eines Kraftfahrzeuges geht, das zuvor anlässlich einer Probefahrt entwendet wurde.

Sachverhalt:

Bei der Klägerin, die ein Autohaus betreibt, erschien ein vermeintlicher Kaufinteressent für ein als Vorführwagen genutztes Kraftfahrzeug (Mercedes-Benz V 220 d) im Wert von 52.900 €. Nachdem dieser hochwertige Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das Fahrtenbuch- und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Der vermeintliche Kaufinteressent kehrte mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Kurze Zeit später wurde die Beklagte in einem Internetverkaufsportal auf das dort von einem Privatverkäufer angebotene Fahrzeug aufmerksam. Die Beklagte, die die vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht als gefälscht erkannte, schloss mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Ihr wurden nach Zahlung des Kaufpreises von 46.500 € das Fahrzeug, die Zulassungspapiere, ein passender sowie ein weiterer - nicht dem Fahrzeug zuzuordnender - Schlüssel übergeben. Die zuständige Behörde lehnte eine Zulassung ab, da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeuges und des Originalschlüssels; die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage die Feststellung ihres Eigentums an dem Fahrzeug sowie die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere und des Zweitschlüssels.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Marburg hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte die Klage unter Abweisung der Widerklage Erfolg. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hat die Beklagte das Eigentum an dem Fahrzeug nicht kraft guten Glaubens erworben. Zwar begegne die Annahme des Landgerichts, die Beklagte sei gutgläubig im Sinne des § 932 BGB gewesen, keinen Bedenken. Ein gutgläubiger Erwerb scheitere aber daran, dass der Klägerin das Fahrzeug im Sinne des § 935 BGB abhandengekommen sei. Der vermeintliche Kaufinteressent sei nur als ihr Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB anzusehen, dessen Besitzkehr zu einem unfreiwilligen Besitzverlust der Klägerin geführt habe. Sie habe durch die Prüfung und Ablichtung der von dem angeblichen Kaufinteressenten vorgelegten Dokumente (Ausweis, Führerschein, Meldebestätigung), die Vereinbarung der ständigen telefonischen Erreichbarkeit, die Zurückhaltung der Original-Zulassungspapiere und die Anbringung von roten Kennzeichen dokumentiert, dass die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über das Fahrzeug jederzeit und ausschließlich von ihrem Willen abhängig gewesen sei. Sie habe über die angegebene und funktionsfähige Mobilfunknummer jederzeit den Abbruch der Probefahrt anordnen können. In dem formularmäßigen „Fahrzeug-Benutzungsvertrag“ sei die Kennzeichnung als Probefahrt anstelle eines Mietvertrages vorgenommen worden. Hinzu komme die sehr kurze Nutzungsdauer und der allgemeine Umstand, dass die Benutzungsberechtigung im Rahmen einer Probefahrt ganz überwiegend als Teil der Vertragsanbahnung anzusehen sei.

Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und ihre Widerklage weiter.

Vorinstanzen

Landgericht Marburg, Urteil vom 25. April 2018, Az. 1 O 158/17
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17. Dezember 2018, Az.15 U 84/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 932 Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.
(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

§ 935 Kein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen

(1) Der Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932 bis 934 tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war.
(2) …

§ 855 Besitzdiener

Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in der Sache III ZR 136/18 (Auskunft über Vervielfältigungen der "Kohl-Tonbänder" und anderer Unterlagen) am 3. September 2020, 11.00 Uhr, Saal E 101) (mV. 20.08.2020)

Datum: 03.09.2020
Akkreditierungsschluss: 02.09.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Auftragsrecht zuständige III. Zivilsenat wird über die Auskunftsklage der Erbin des früheren Bundeskanzlers und vormaligen Klägers Dr. Helmut Kohl über Anzahl und Verbleib der Vervielfältigungen von Tonbandaufzeichnungen und sonstigen Unterlagen entscheiden. Die Entscheidung ergeht - entgegen der ursprünglichen Pressemitteilung vom 9. Januar 2020 (Nr. 5/2020) - ohne vorherige mündliche Verhandlung, nachdem die Parteien dem zugestimmt haben (§ 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Sachverhalt:

Dr. Kohl und der Beklagte, ein bekannter Journalist, schlossen 1999 mit einem Verlag jeweils selbständige, inhaltlich aber aufeinander abgestimmte Verträge. Gegenstand dieser Verträge war die Erstellung der Memoiren des ehemaligen Bundeskanzlers; die schriftliche Abfassung des Werkes sollte durch den Beklagten erfolgen. Kohl und der Beklagte, die die Einzelheiten ihrer Zusammenarbeit unmittelbar miteinander besprechen sollten, trafen sich in den Jahren 2001 und 2002 an über 100 Tagen im Wohnhaus des früheren Bundeskanzlers zu Gesprächen, die insgesamt etwa 630 Stunden dauerten und mit einem vom Beklagten zur Verfügung gestellten Tonbandgerät aufgenommen wurden. Kohl sprach dabei auf Fragen und Stichworte des Beklagten ausführlich über sein gesamtes Leben, sowohl über die Zeit, in der er höchste politische Ämter innehatte, als auch über seinen vorherigen Werdegang. Die Tonbänder, die Kohl persönlich zu keinem Zeitpunkt in den Händen hatte, nahm der Beklagte zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Von den Aufnahmen fertigte er digitale Kopien an und ließ Abschriften anfertigen. Außerdem gewährte bzw. ermöglichte Kohl dem Beklagten Zugang zu zahlreichen Unterlagen.

Später überwarfen sich die Parteien. Kohl kündigte die Zusammenarbeit mit dem Beklagten. Dieser wurde von dem Verlag finanziell abgefunden. In einem früheren Verfahren machte Kohl erfolgreich die Herausgabe der Tonaufnahmen geltend (vgl. Pressemitteilung 118/2015 vom 10. Juli 2015). Im vorliegenden Verfahren, das nach seinem Tod von seiner Erbin fortgeführt worden ist, verlangt diese im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über Existenz und Verbleib schriftlicher, digitaler und sonstiger Vervielfältigungen der Tonbänder sowie über sonstige Unterlagen, die der Beklagte aus der Zusammenarbeit im Rahmen der Erstellung der Memoiren besitzt oder weitergegeben hat.

Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage bezüglich der schriftlichen, digitalen und sonstigen Vervielfältigungen der Tonbänder stattgegeben und sie hinsichtlich der sonstigen Unterlagen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage auch im Hinblick auf schriftliche Vervielfältigungsstücke des Tonbandinhalts mit der Begründung abgewiesen, diese Ansprüche seien verjährt. Die Verurteilung des Beklagten zur Auskunft über die digitalen und sonstigen Vervielfältigungen hat es bestätigt. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision die geltend gemachten Auskunftsansprüche in vollem Umfang weiter; der Beklagte begehrt mit der Anschlussrevision die vollständige Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 27. April 2017 - 14 O 286/14
OLG Köln - Urteil vom 29. Mai 2018 - 15 U 66/17

Karlsruhe, den 16. April 2020

Verkündungstermin am 30. Juli 2020, 13.00 Uhr (Weiterer Verhandlungstermin in den sogenannten VW-Verfahren: 28.7.2020) (VI ZR 5/20)

Datum: 30.07.2020
Akkreditierungsschluss: 30.07.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem weiteren VW-Verfahren Verhandlungstermin auf den 28. Juli 2020 bestimmt. Das Verfahren hat Schadensersatzansprüche eines Gebrauchtwagenkäufers, der das Fahrzeug nach Aufdeckung des sogenannten Dieselskandals gekauft hat, gegen die VW AG zum Gegenstand.

Weitere VW-Verfahren:

21. Juli 2020, 10:30 und 11:30 Uhr (siehe Pressemitteilung Nr. 31/20)
28. Juli 2020, 9:00 Uhr (siehe Pressemitteilung Nr. 32/20)

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im August 2016 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Touran Match zu einem Kaufpreis von 13.600 €, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.

Vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA 189 informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte im Oktober 2015 nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung erlassen und der Beklagten aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. In der Folge hat die Beklagte bei Fahrzeugen mit dem betroffenen Motortyp ein Software-Update aufgespielt. Das Thema war Gegenstand einer umfangreichen Medienberichterstattung.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Trier hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Koblenz die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheitere daran, dass die genannten Vorschriften der EG-FGV nicht dem Schutz des Vermögens eines Fahrzeugerwerbers dienten. Aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB (Betrug) hafte die Beklagte nicht, weil der Kläger nicht substantiiert dargelegt habe, weshalb ihm trotz der ausführlichen Medienberichterstattung im Anschluss an die Ad-hoc-Mitteilung verborgen geblieben sein solle, dass das Fahrzeug mit der unzulässigen Umschaltlogik ausgestattet gewesen sei. Zudem habe die Beklagte zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt im August 2016 alles getan, um zu verhindern, dass ein Käufer ein von ihr mit dem Motor EA 189 ausgestattetes Fahrzeug in Unkenntnis der darin verbauten Umschaltlogik erwerben würde. Angesichts der von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen könne dieser jedenfalls in Bezug auf potenzielle Gebrauchtwagenkäufer ab Herbst 2015 kein verwerfliches Verhalten (mehr) angelastet werden, so dass auch ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ausscheide.

Vorinstanzen:

Landgericht Trier, Urteil vom 03.05.2019, Az. 5 O 686/18
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 02.12.2019, Az. 12 U 804/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Fall des Verschuldens ein.

§ 263 des Strafgesetzbuchs (StGB)

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
[…]
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungen am 30. Juli 2020 in Sachen VI ZR 354/19 um 11.00 Uhr und in VI ZR 367/19 um 11.30 Uhr (Weitere Verhandlungstermine in den sogenannten VW-Verfahren) (Verhandlung: 21.7.2020)

Datum: 30.07.2020
Akkreditierungsschluss: 30.07.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei weiteren sogenannten VW-Verfahren Verhandlungstermine für den 21. Juli 2020 bestimmt. Die Verfahren haben Schadensersatzansprüche von Fahrzeugkäufern gegen die VW AG zum Gegenstand. Die Ansprüche werden mit der Begründung geltend gemacht, die Fahrzeuge seien mit unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung versehen worden.

Weitere VW-Verfahren:
- 5. Mai 2020 (siehe Pressemitteilung Nr. 25/2020)


- 28. Juli 2020 (siehe Pressemitteilung Nr. 32/2020)

VI ZR 354/19

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Mai 2014 von einem Dritten einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten VW Passat 2,0 I TDI zum Preis von 23.750 €. In dem Fahrzeug, das bei Erwerb durch den Kläger eine Laufleistung von rund 57.000 km aufwies, ist ein Motor der Baureihe EA189, Schadstoffnorm Euro 5 verbaut. Der Motor ist mit einer Steuerungssoftware versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet. Das Kraftfahrt-Bundesamt erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete einen Rückruf an. Ein von der Beklagten daraufhin entwickeltes Software-Update ließ der Kläger nicht durchführen, weshalb ihm der weitere Betrieb des Fahrzeugs im Juni 2018 untersagt wurde. Das Fahrzeug hat inzwischen eine Laufleistung von rund 255.000 km. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Braunschweig die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bestünden schon deshalb nicht, weil der Betrugstatbestand nicht erfüllt sei. Zudem führe der im Hinblick auf die vom Kläger gezogenen Nutzungen vorzunehmende Vorteilsausgleich dazu, dass der vom Kläger aufgewendete Kaufpreis vollständig aufgezehrt sei, wobei eine Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 250.000 km zugrunde zu legen sei. Auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. anderen Schutzgesetzen scheiterten sowohl dem Grunde nach als auch am nach Anrechnung des Vorteilsausgleichs nicht mehr vorhandenen Schaden. Schließlich stehe auch einem Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB unabhängig davon, ob die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch ein Organ oder einen sonstigen Mitarbeiter der Beklagten zulasten des Klägers überhaupt schlüssig dargelegt seien, der Umstand entgegen, dass der Kläger keinen Schaden mehr habe. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt.

Vorinstanzen:
Landgericht Braunschweig, Urteil vom 27.11.2017, Az. 11 O 603/17
Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 20.08.2019, Az. 7 U 5/18

VI ZR 367/19

Sachverhalt
Der Kläger erwarb im April 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten PKW VW Tiguan 2.0 TDl zu einem Preis von 21.500 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet, der ebenfalls mit der dargestellten Steuerungssoftware versehen ist. Das von der Beklagten entwickelte Software-Update, das vom Kraftfahrt-Bundesamt mit Schreiben vom 1. Juni 2016 freigegeben wurde, ließ der Kläger im Februar 2017 aufspielen. Mit der im Dezember 2017 erhobenen Klage verlangt der Kläger Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers zum Oberlandesgericht Braunschweig hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB schieden aus, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, welche konkrete Person aus dem in Betracht kommenden Täterkreis (Vorstand, leitende Angestellte) den Betrugstatbestand verwirklicht bzw. den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Abgesehen davon fehle es an einem Schaden des Klägers, da er die abgasbeeinflussende Software schon vor der erstmaligen Geltendmachung seines Anspruchs durch das Software-Update habe beseitigen lassen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Vorinstanzen:
Landgericht Braunschweig, Urteil vom 06.07.2018, Az. 11 O 2675/17
Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 13.08.2019, Az. 7 U 352/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Fall des Verschuldens ein.

§ 263 des Strafgesetzbuchs (StGB)
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) […]
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 30. Juli 2020, 12.00 Uhr (Verhandlungstermin im sogenannten VW-Verfahren: 28.7.2020) (VI ZR 397/19)

Datum: 30.07.2020
Akkreditierungsschluss: 30.07.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat für ein weiteres sogenanntes VW-Verfahren Verhandlungstermin für den 28. Juli 2020 bestimmt. Das Verfahren hat Schadensersatzansprüche einer Fahrzeugkäuferin gegen die VW AG zum Gegenstand. Die Ansprüche werden mit der Begründung geltend gemacht, das Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung versehen worden.

Weitere VW-Verfahren:
- 5. Mai 2020 (siehe Pressemitteilung Nr. 25/2020)
- 21. Juli 2020 (siehe Pressemitteilung Nr. 31/2020)

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb im August 2014 von einem Autohändler einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Golf VI 1,6 TDI mit einer Laufleistung von rund 23.000 km zu einem Preis von 15.888 €. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, der mit einer Steuerungssoftware versehen war, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet. Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet und die Beklagte verpflichtet hatte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, ließ die Klägerin das von der Beklagten entwickelte Software-Update im Jahr 2017 aufspielen. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Oldenburg hat die Beklagte im Wesentlichen zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat dieses Urteil auf die Berufung der Klägerin dahingehend abgeändert, dass es ihr zusätzliche Zinsen zugesprochen hat. Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu, auf den sie sich im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse. Dabei sei von einer Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 200.000 km auszugehen. Ab Zahlung könne die Klägerin von der Beklagten gemäß § 849 BGB zudem sogenannte „Deliktszinsen“ verlangen. Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt.

Vorinstanzen:
Landgericht Oldenburg, Urteil vom 11.01.2019, Az. 3 O 1275/18
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019, Az. 5 U 47/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Fall des Verschuldens ein.

§ 849 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.

§ 263 des Strafgesetzbuchs (StGB)
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) […]
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 27. Juli 2020, 11.00 Uhr in Sachen VI ZR 405/18 und VI ZR 476/18 (Auslistungsbegehren gegen Google) (Verhandlungstermin: 16.6.2020)

Datum: 27.07.2020
Akkreditierungsschluss: 24.07.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Verfahren VI ZR 405/18:

Der Kläger war Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies dieser Regionalverband ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro auf; kurz zuvor meldete sich der Kläger krank. Über beides berichtete seinerzeit die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Der Kläger begehrt nunmehr von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine „Google“, es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste nachzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Die Voraussetzungen eines Auslistungsanspruchs gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO seien nicht gegeben. Zwar enthielten die von der Beklagten verlinkten Presseartikel Gesundheitsdaten des Klägers i.S.v. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Doch sei die Verarbeitung der Daten durch die Beklagte zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO). Die insoweit notwendige Grundrechtsabwägung führe im Ergebnis zur Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung der Beklagten.

Verfahren VI ZR 476/18:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin ist seine Lebensgefährtin und war Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, „durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen“, erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine „Google“, es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als sog. „thumbnails“ anzuzeigen. Die Beklagte bestreitet die Behauptung der Kläger, die Berichte über sie seien unwahr, im Wesentlichen mit Nichtwissen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Da ein Suchmaschinenbetreiber – so das Oberlandesgericht – in keinem rechtlichen Verhältnis zu den Verfassern der in den Ergebnislisten nachgewiesenen Inhalten stehe, sei ihm die Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts nicht möglich. Soweit maßgeblich auf den Wahrheitsgehalt der behaupteten Tatsache abzustellen sei, treffe die Darlegungs- und Beweislast hierfür daher in jedem Fall den Steller eines Auslistungsanspruchs. Im Streitfall hätten die Kläger der Beklagten keine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung dargelegt.

Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr jeweiliges Auslistungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

VI ZR 405/18:

Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 26. Oktober 2017-– 2-03 O 190/16
Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 6. September 2018 - 16 U 193/17

und

VI ZR 476/18:

Landgericht Köln - Urteil vom 22. November 2017 - 28 O 492/15
Oberlandesgericht Köln - Urteil vom 8. November 2018 - 15 U 178/17

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet:

Art. 17 Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“)

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:
a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)
c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…)
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist
a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 23. Juli 2020 um 8:30 Uhr in Sachen I ZB 42/19 und I ZB 43/19 (Verhandlungstermin am 14. Mai 2020) (Zur Schutzfähigkeit von dreidimensionalen quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade)

Datum: 23.07.2020
Akkreditierungsschluss: 22.07.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat erneut darüber zu entscheiden, ob dreidimensionale Verpackungen für Tafelschokolade als Marken schutzfähig sind.

Sachverhalt:

Für die Markeninhaberin sind dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware "Tafelschokolade" registriert. Sie zeigen jeweils die Vor- und Rückseite einer neutralen quadratischen Verpackung mit einem quadratischen Verpackungskörper, zwei seitlichen gezackten Verschlusslaschen und einer weiteren auf der Rückseite quer verlaufenden Verschlusslasche.

Bisheriger Verfahrensverlauf:

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt in zwei getrennten Verfahren jeweils die Löschung der Marken wegen fehlender Markenfähigkeit beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Anträge zurückgewiesen. Mit ihren dagegen zum Bundespatentgericht eingelegten Beschwerden hat die Antragstellerin geltend gemacht, die in den Marken gezeigten Verpackungen gäben typische Gebrauchseigenschaften von darin verpackter Tafelschokolade im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wieder. Das Bundespatentgericht hat daraufhin die Löschung der Marken angeordnet. Der Bundesgerichtshof hat am 18. Oktober 2017 (vgl. Pressemitteilung Nr. 162/2017) auf die Rechtsbeschwerden der Markeninhaberin die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und die Verfahren an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG liege nicht vor, weil die quadratische Form der Tafelschokolade keine wesentliche Gebrauchseigenschaft von Schokolade sei. Das Bundespatentgericht habe deshalb die von ihm offen gelassenen Fragen zu prüfen, ob das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG vorliege.

Im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren hat das Bundespatentgericht die Beschwerden der Löschungsantragstellerin zurückgewiesen, weil das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht vorliege. Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 MarkenG (in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung)
Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen,
1. die durch die Art der Ware selbst bedingt ist,

3. die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.

Vorinstanzen:

BPatG - Beschlüsse vom 4. November 2016 - 25 W (pat) 78/14 und 25 W (pat) 79/14
BGH - Beschlüsse vom 18. Oktober 2017 - I ZB 105/16 und I ZB 106/16
BPatG - Beschlüsse vom 13. Dezember 2018 - 25 W (pat) 78/14 und 25 W (pat) 79/14

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 8. Juli 2020, 11.00 Uhr – VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18 (Pflicht des Vermieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen bei unrenoviert überlassener Wohnung und unwirksamer Abwälzung auf den Mieter?) (Verhandlungstermin: 1.7.2020)

Datum: 08.07.2020
Akkreditierungsschluss: 07.07.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich in zwei Verfahren damit befassen, ob und gegebenenfalls inwieweit der Vermieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet ist, wenn dem Mieter eine unrenovierte Wohnung – ohne angemessenen Ausgleich - überlassen wurde und die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter aus diesem Grund unwirksam ist (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 303).

Sachverhalt in Sachen VIII ZR 163/18:

Die Kläger mieteten im Jahr 2002 von der beklagten Vermieterin eine bei Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus ihrer Sicht der Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich verschlechtert hatte, forderten sie die Beklagte im März 2016 vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen. Die auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von (zuletzt) 7.312,78 € gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Zur Begründung hat das Landgericht (LG Berlin, 18. Zivilkammer) ausgeführt, den Klägern stehe ein Vorschussanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zu, da die Mietsache aufgrund ihres dekorativen Verschleißes nicht mangelhaft (§ 536 Abs. 1 BGB) geworden sei. Da die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam sei, sei zwar grundsätzlich der Vermieter zur Instandhaltung verpflichtet. Auch sei davon auszugehen, dass sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit von 14 Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand weiter verschlechtert habe. Jedoch hätten die Kläger diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert, so dass ein Anspruch auf Vornahme von Renovierungsarbeiten ausscheide, zumal dadurch eine deutlich über den vertragsgemäß geschuldeten Zustand der Wohnung hinausgehende Verbesserung erzielt würde, welche die Beklagte nicht schulde. Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätigwerden des Vermieters bestehe nur dann, wenn die Wohnung zwischenzeitlich „verkommen“ und „Substanzschäden“ vorzubeugen sei. Dafür sei nichts ersichtlich.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag auf Zahlung eines Vorschusses zur Durchführung der Schönheitsreparaturen weiter.

Sachverhalt in Sachen VIII ZR 270/18:

In diesem Verfahren begehrt der Mieter (im Rahmen einer Widerklage) die Verurteilung der Vermieterin zur Vornahme konkret bezeichneter Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei Mietbeginn im Jahr 1992 von der Rechtsvorgängerin der Vermieterin unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015 forderte er die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner Sicht zur Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.

Zur Begründung hat das Landgericht (LG Berlin, 63. Zivilkammer) ausgeführt, dem Mieter stehe ein Anspruch auf Durchführung der von ihm geforderten Instandhaltungsarbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Zwar bestimme sich die Erhaltungspflicht des Vermieters nach dem Zustand der Mietsache bei Vertragsschluss. Danach wäre die Vermieterin aufgrund der unrenoviert überlassenen Wohnung lediglich verpflichtet, nach einem weiteren dekorativen Verschleiß den Ursprungszustand wiederherzustellen, nicht aber durch eine vollständige Renovierung dem Mieter eine Wohnung zu verschaffen, die deutlich besser sei als zu Anfang.

Jedoch sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht davon auszugehen, dass der schlechte Anfangszustand der vertragsgemäße sei. Der Vermieter müsse sich an dem im Mietvertrag festgehaltenen – jedoch unwirksamen – „Renovierungsprogramm“, wonach der Mieter von Zeit zu Zeit die Schönheitsreparaturen hätte ausführen müssen, spiegelbildlich festhalten lassen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Vermieterin ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage des Mieters weiter.

Vorinstanzen:

VIII ZR 163/18
Amtsgericht Charlottenburg – Urteil vom 30. November 2016– 216 C 294/16
Landgericht Berlin – Urteil vom 2. Mai 2018 – 18 S 392/16

und

VIII ZR 270/18
Amtsgericht Schöneberg – Urteil vom 11. August 2017 – 19 C 408/15
Landgericht Berlin – Urteil vom 24. Juli 2018 – 63 S 283/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

(1) 1Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. ²Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]

§ 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels

(1) Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen.
(2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn
1.der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder
2. […]

Karlsruhe, den 25. Mai 2020

Akkreditierungsbedingungen

Entscheidungsverkündungstermin in Sachen XI ZR 119/19 (Entgelt für Basiskonto) am 30. Juni 2020, 9.00 Uhr

Datum: 30.06.2020
Akkreditierungsschluss: 29.06.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Entscheidung ergeht – entgegen der ursprünglichen Pressemitteilung vom 29. Januar 2020 (Nr. 14/2020) – ohne vorherige mündliche Verhandlung, nachdem die Parteien dem zugestimmt haben (§ 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Er wendet sich gegen die im Preis- und Leistungsverzeichnis der beklagten Bank ausgewiesenen Entgelte für ein Basiskonto.

Die Beklagte verwendet ein Preis- und Leistungsverzeichnis (Stand: 1. Januar 2017), in dem unter anderem die Preise für ein Basiskonto im Sinne der §§ 30 ff. ZKG geregelt sind. Danach beträgt der monatliche Grundpreis für ein solches Konto 8,99 €. Die in diesem Preis enthaltenen Leistungen umfassen insbesondere die Nutzung von Online-Banking, Telefon-Banking und Bankingterminals, die Nutzung des Bank Card Service, Kontoauszüge am Bankterminal, beleglose Überweisungen sowie die Einrichtung und Änderung von Daueraufträgen über Online-Banking und Bankingterminal. Für beleghafte Überweisungen, für Überweisungen und die Einrichtung oder Änderung von Daueraufträgen über einen Mitarbeiter der Beklagten im telefonischen Kundenservice oder in der Filiale sowie für ausgestellte oder eingereichte Schecks hat der Inhaber eines Basiskontos ein zusätzliches Entgelt von jeweils 1,50 € zu entrichten.

Der Kläger hält die Entgeltklauseln wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 41 Abs. 2 ZKG für unwirksam.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Zur Begründung (WM 2019, 1297) hat es ausgeführt:

Die Verwendung der angegriffenen Klauseln sei unzulässig. Sie verstoße gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 41 Abs. 2 ZKG. Bei dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die beanstandeten Preisklauseln seien auch kontrollfähig, weil sie von der gesetzlichen Preisregelung des § 41 Abs. 2 ZKG abwichen. Soweit innerhalb der Angemessenheitskontrolle als objektives Korrektiv die marktüblichen Entgelte zu berücksichtigen seien, seien die von der Beklagten verlangten Entgelte zwar nicht zu beanstanden, weil weder vom Kläger dargetan noch vom Landgericht festgestellt sei, dass die Pauschale von 8,99 € die bundesweit oder regional üblichen Entgelte übersteige. Andererseits dürfe das Entgelt aber nicht so hoch sein, dass das gesetzgeberische Ziel, kontolosen, schutzbedürftigen Verbrauchern den Zugang zu Zahlungskonten zu ermöglichen, nicht erreicht werde. Dies sei hier der Fall. Die Beklagte habe zahlreiche Kostenpositionen auf die Kunden eines Basiskontos abgewälzt, die Ausfluss gesetzlicher Prüfungen oder Informationspflichten seien oder die Ausbuchungen von ausgefallenen Kundengeldern anderer Basiskontobesitzer beträfen. Dies seien etwa die Kosten für aufwändigere Legitimationsprüfungen, verstärktes Monitoring aufgrund höherer Risiken mit Blick auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Meldungen von Kontoeröffnungsablehnungen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder den Ausfall durch Ausbuchungen. Solche Kosten dürfe die Beklagte nicht auf die Basiskontokunden abwälzen, weil sie zu den zugrundeliegenden Tätigkeiten gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet sei oder sie überwiegend im eigenen Interesse erbringe und das Gesetz die Erhebung eines gesonderten Entgelts nicht vorsehe.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 8. Mai 2018 – 2-28 O 98/17
OLG Frankfurt am Main- Urteil vom 27. Februar 2019 - 19 U 104/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 und 2 BGB:

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

§ 38 Abs. 1 und 2 ZKG

(1) Durch einen Basiskontovertrag wird das kontoführende Institut verpflichtet, für den Kontoinhaber ein Basiskonto in Euro zu eröffnen und zu führen.
(2) Die Kontoführung nach Absatz 1 muss die Erbringung folgender Zahlungsdienste ohne Kreditgeschäft (Zahlungsgeschäft) ermöglichen:
1. die Dienste, mit denen Bareinzahlungen auf das Zahlungskonto oder Barauszahlungen von dem Zahlungskonto ermöglicht werden (Ein- oder Auszahlungsgeschäft), sowie alle für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge und
2. die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim kontoführenden Institut des Kontoinhabers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister durch
a) die Ausführung von Lastschriften einschließlich einmaliger Lastschriften (Lastschriftgeschäft),
b) die Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen (Überweisungsgeschäft),
c) die Ausführung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte oder eines ähnlichen Zahlungsinstruments (Zahlungskartengeschäft).

§ 41 Abs. 1 und 2 ZKG

(1) Der Kontoinhaber ist verpflichtet, an das kontoführende Institut für die Erbringung von Diensten auf Grund des Basiskontovertrags das vereinbarte Entgelt zu entrichten.
(2) Das Entgelt für die von § 38 erfassten Dienste muss angemessen sein. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind insbesondere die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten für Vereinbarungen über vom Kontoinhaber zu erstattende Kosten entsprechend.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Juni 2020, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 173/19 (Lärmbelästigung nach Austausch des Fußbodenbelags) (Verhandlungstermin: 13.3.2020)

Datum: 26.06.2020
Akkreditierungsschluss: 26.06.2020 08:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat verhandelt über ein Verfahren, in dem ein Wohnungseigentümer von dem Eigentümer der darüber liegenden Wohnung Maßnahmen des Trittschallschutzes verlangt, nachdem infolge des Austauschs des Bodenbelags in dieser Wohnung (Fliesen statt Teppichboden) die Trittschalldämmung wegen eines Mangels des Gemeinschaftseigentums den schallschutztechnischen Mindestanforderungen nicht mehr genügt.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung des Klägers befindet sich im zweiten Obergeschoss des 1962 errichteten Hauses, die Wohnung des Beklagten in dem darüber liegenden Dachgeschoss. Dieses war 1995 zu Wohnraum ausgebaut und mit Teppichboden ausgestattet worden.

2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Trittschalldämmung der Wohnungstrenndecke mit dem Fliesenbelag nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht. Der Antrag des Klägers, eine schallschutztechnisch den anerkannten Regeln der Technik genügende Trenndecke zwischen den Wohnungen der Parteien herstellen zu lassen, wurde in der Wohnungseigentümerversammlung vom 8. April 2014 abgelehnt.

Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, in dessen Wohnung Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von ≤ 53 dB herzustellen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung den Beklagten verurteilt, in seiner Wohnung durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der Trittschall 53 dB nicht übersteigt.

Das Landgericht meint, der Kläger könne von dem Beklagten gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3 WEG Maßnahmen verlangen, durch die der Trittschallpegel von 53 dB gemäß der DIN 4109 in der zum Zeitpunkt des Dachgeschossausbaus geltenden Ausgabe von 1989 eingehalten wird.

Zwar entspreche die im Gemeinschaftseigentum stehende Wohnungstrenndecke nicht den Anforderungen der DIN 4109 aus dem Jahr 1989. Gleichwohl sei der Beklagte für den unzureichenden Trittschallschutz verantwortlich. Denn infolge der Entfernung des Teppichbodens und der Verlegung von Fliesen habe sich der Trittschallpegel um 13 bis 15 dB auf Werte von 66 bis 67 dB verschlechtert. Zwar könne jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Bodenbelag durch einen anderen ersetzen. Führe dies aber zu Trittschallbelästigungen in der darunterliegenden Wohnung und gingen diese über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß gemäß § 14 Nr. 1 WEG hinaus, sei er Störer und zur Beseitigung dieser Einwirkung verpflichtet. Er müsse nicht die Schallschutzqualität der Wohnungstrenndecke verbessern. Es könne von ihm jedoch verlangt werden, durch die Art des Bodenbelags das Schallschutzniveau wiederherzustellen, das vor der Veränderung bestanden habe. Der Kläger könne sich nicht durch den Hinweis auf die Mangelhaftigkeit der Geschossdecke entlasten, wenn er mit weit weniger aufwändigen Maßnahmen, etwa durch die Verlegung von Teppichboden anstelle der Fliesen, den notwendigen Schallschutz herbeiführen könne. Von den Wohnungseigentümern vorzunehmende Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum, etwa die Verlegung eines schwimmenden Estrichs, würden weitaus höhere Kosten verursachen.

Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf – Urteil vom 27. Juni 2019 – 19 S 152/18
AG Mönchengladbach – Urteil vom 28. November 2018 – 36 C 438/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 14 WEG

Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst;
(…)

§ 15 Abs. 3 WEG

Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.

§ 1004 BGB

(1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 23. Juni 2020, 9.30 Uhr in Sachen KVR 69/19 (Facebook gegen Bundeskartellamt)

Datum: 23.06.2020
Akkreditierungsschluss: 19.06.2020 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Akkreditierung für Medienvertreter siehe Pressemitteilung 74/2020

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat über die sofortige Vollziehbarkeit einer Verbotsverfügung des Bundeskartellamts gegen Facebook zu entscheiden, die sich gegen Nutzungsbedingungen richtet, mit denen nach Auffassung des Kartellamts wegen eines Verstoßes gegen Datenschutzrecht eine marktbeherrschende Stellung von Facebook missbraucht wird.

Sachverhalt:

Die in Irland ansässige Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) betreibt das soziale Netzwerk „Facebook“.

Die Teilnahme am kostenlos zur Verfügung gestellten sozialen Netzwerk „Facebook“ hängt davon ab, dass die Nutzer bei der Registrierung den Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese erlauben Facebook die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Nutzers. Nach den Erläuterungen in den maßgeblichen Facebook-Richtlinien sammelt Facebook auch außerhalb der Facebook-Seiten Nutzerdaten, nämlich mit seinen anderen konzerneigenen Diensten (Instagram, WhatsApp, Masquerade und www.oculus.com) und auf Webseiten und mit Nutzerprogrammen (Apps) dritter Anbieter, welche über Facebook Business Tools (z.B. dem „Gefällt mir“-Button) mit Facebook-Seiten verbunden sind. Die gesammelten Daten werden zusammengeführt.

Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen und dem danach erlaubten Verarbeiten von außerhalb der Facebook-Seiten generierten Daten Verstöße gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gemäß § 19 Abs. 1 GWB. Die geforderten Konditionen seien mit Blick auf die Wertungen des Datenschutzrechts nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unangemessen. Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt, Nutzungsbedingungen zu verwenden, die eine solche Verarbeitung von außerhalb von Facebook.com auf den genannten konzerneigenen Diensten oder Webseiten oder Apps Dritter anfallenden Daten ohne weitere Einwilligung der Nutzer erlauben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Oberlandesgericht hat über die dagegen eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von Facebook und den weiteren Adressaten der angefochtenen Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Dies hat zur Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde durch das Oberlandesgericht entschieden ist. Das Oberlandesgericht hatte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung. Es hat angenommen, der Datenbezug aus Drittquellen stelle keine wettbewerbsschädliche Ausbeutung der Nutzer dar. Dem Verbraucher bleibe es unbenommen, die Daten beliebig oft jedem Dritten auf dem Markt für soziale Netzwerke zur Verfügung zu stellen. Eine übermäßige Preisgabe der Daten könne nicht festgestellt werden. Auch ein Kontrollverlust des Nutzers liege nicht vor, die Datenverarbeitung erfolge mit Wissen und Wollen des Nutzers. Unkenntnis über den Inhalt der Nutzungsbedingungen beruhe nicht auf der Marktmacht von Facebook, sondern bei lebensnaher Würdigung auf Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit der Nutzer. Es könne dahinstehen, ob die Nutzungsbedingungen den Vorgaben der DSGVO standhielten. Denn es fehle jedenfalls der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook und dem angeblichen Verstoß gegen Datenschutzrecht.

Gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wendet sich das Bundeskartellamt mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Vorinstanz:

OLG Düsseldorf - Beschluss vom 26. August 2019 – VI-Kart 1/19 (V)
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Relevante Vorschriften aus der DSGVO (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). (Auszüge)

Erwägungsgrund 42

… Es sollte nur dann davon ausgegangen werden, dass sie [die betroffene Person] ihre Einwilligung freiwillig gegeben hat, wenn sie eine echte oder freie Wahl hat und somit in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden.

Artikel 4 – Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
1. "personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden "betroffene Person") beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;
2. "Verarbeitung" jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;

11. "Einwilligung" der betroffenen Person jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist;

Artikel 6 - Rechtmäßigkeit der Verarbeitung

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Artikel 7 - Bedingungen für die Einwilligung


(4) Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.

Artikel 9 - Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten

(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.
(2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:
a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt

Relevante Bestimmungen aus dem Gesetz gegen

Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):

§ 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen

(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 18. Juni 2020, 10.00 Uhr in Sachen 4 StR 482/19 (über die Revisionen der Angeklagten gegen das zweite Urteil im „Berliner Raser-Fall“) (Termin zur Hauptverhandlung: 23.4.2020)

Datum: 18.06.2020
Akkreditierungsschluss: 16.06.2020 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Akkreditierungsanmeldung: siehe Pressemitteilung 69/2020

Der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revisionen der beiden zur Tatzeit 24 und 26 Jahre alten Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin, das im zweiten Rechtsgang ergangen ist, zu entscheiden.

Das Landgericht Berlin hatte die beiden Angeklagten im 1. Rechtsgang (unter anderem) wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revisionen der Angeklagten hatte der 4. Strafsenat das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen – insoweit wird auf die Presseerklärung vom 1. März 2018 (Nr. 45/2018) verwiesen.

Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht Berlin die beiden Angeklagten erneut wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und Sperrfristen für deren Wiedererteilung auf fünf Jahre festgesetzt.

Nach den neuen Feststellungen des Landgerichts führten die beiden Angeklagten am 1. Februar 2016 gegen 0.30 Uhr in Berlin entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße ein spontanes Autorennen durch. Sie fuhren nach einer Fahrtstrecke von über eineinhalb Kilometern nahezu gleichzeitig bei Rotlicht in den Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße ein. Im Kreuzungsbereich kollidierte der auf der rechten Fahrbahn mit einer Geschwindigkeit von 160 bis 170 km/h fahrende Angeklagte mit einem Kraftfahrzeugführer, der bei grünem Ampellicht von rechts aus der Nürnberger Straße kommend in die Kreuzung eingefahren war; dieser erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Durch die Wucht der Kollision wurde das Fahrzeug dieses Angeklagten zudem nach links abgelenkt und prallte auf das neben ihm fahrende Fahrzeug des Mitangeklagten, woraufhin das Fahrzeug des Mitangeklagten gegen ein Hochbeet stieß und anschließend durch die Luft katapultiert wurde. Hierdurch wurde die Beifahrerin im Fahrzeug des Mitangeklagten verletzt.

Das Landgericht hat für den Angeklagten, der den Unfall unmittelbar verursacht hat, ein vorsätzliches Tötungsdelikt angenommen und das Vorliegen von drei Mordmerkmalen (Heimtücke, niedrige Beweggründe und ein gemeingefährliches Mittel) bejaht. Den Mitangeklagten hat es wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes verurteilt, wobei es auch für ihn von einem bedingten Tötungsvorsatz und vom Vorliegen von drei Mordmerkmalen ausgegangen ist.

Die Angeklagten wenden sich mit ihren Revisionen gegen ihre Verurteilung.

Vorinstanz:

Landgericht Berlin - Urteil vom 26. März 2019 – (532 Ks) 251 Js 52/16 (9/18)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 28. Mai 2020, 9.00 Uhr in Sachen I ZR 186/17 (Verfahren gegen Facebook wegen Verstößen gegen Datenschutzrecht) (Verhandlung: 6.2.2020

Datum: 28.05.2020
Akkreditierungsschluss: 27.05.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundes¬gerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Verstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegen die datenschutzrechtliche Verpflichtung, die Nutzer dieses Netzwerks über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten zu unterrichten, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbänden verfolgt werden kann.

Sachverhalt:

Die in Irland ansässige Beklagte, die Facebook Ireland Limited, betreibt das soziale Netzwerk „Facebook“. Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: „Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen‘ oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr.“

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er ist der Ansicht, die Beklagte verstoße mit dieser Präsentation der Spiele im „App-Zentrum“ gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 TMG und § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG aF, weil die den Nutzern erteilten Hinweise zu Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten unzureichend seien und daher keine Grundlage für eine nach § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG aF wirksame Einwilligung in die Nutzung der Daten bilden könnten. Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass es sich bei den verletzten datenschutzrechtlichen Vorschriften um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG aF (jetzt § 3 Abs. 1, § 3a UWG) handele und ein Verstoß daher wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründe, zu deren Geltendmachung er als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG berechtigt sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite in einem App-Zentrum Spiele so zu präsentieren, dass Nutzer der Internetplattform mit dem Betätigen eines Buttons wie „Spiel spielen“ die Erklärung abgeben, dass der Betreiber des Spiels über das von der Beklagten betriebene soziale Netzwerk Informationen über die dort hinterlegten personenbezogenen Daten erhält und ermächtigt ist, Informationen im Namen der Nutzer zu übermitteln (posten). Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren durch Beschluss vom 11. April 2019 in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-40/17 über das Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Januar 2017 (I-20 U 40/16, GRUR 2017, 416) ausgesetzt. Das Oberlandesgericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Verfahren, in dem es um den „Gefällt mir“-Button von Facebook geht, die auch im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Art. 22 bis 24 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie) einer nationalen Regelung entgegenstehen, die - wie § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG - gemeinnützigen Verbänden zur Wahrung der Interessen der Verbraucher die Befugnis einräumt, im Falle einer Verletzung von Datenschutzvorschriften gegen den Verletzer vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Sache durch Urteil vom 29. Juli 2019 (GRUR 2019, 977) entschieden. Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit fortsetzen.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 28. Oktober 2014 - 16 O 60/13 - CR 2015, 121
Kammergericht Berlin - Urteil vom 22. September 2017 - 5 U 155/14 - GRUR-RR 2018, 115

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 Abs. 1 Satz 1 TMG

Der Diensteanbieter hat den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.

§ 4a Abs. 1 Satz 1 und 2 BDSG aF

Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen.

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG

Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind.

§ 148 Abs. 1 ZPO

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 28. Mai 2020, 9.00 Uhr in Sachen I ZR 40/19 (Wirksamkeit einer Klausel zur automatischen Verlängerung eines Makler-Alleinauftrags) (Verhandlungstermin: 30.1.2020)

Datum: 28.05.2020
Akkreditierungsschluss: 27.05.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Maklerrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob eine vorformulierte Klausel wirksam ist, nach der sich ein auf sechs Monate befristeter Makler-Alleinauftrag automatisch um weitere drei Monate verlängert, wenn er nicht gekündigt wird.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist als Maklerin tätig. Die Beklagte wollte ihre Eigentumswohnung verkaufen und schloss dafür mit der Klägerin eine als "Alleinverkaufsauftrag" bezeichnete Vereinbarung. Nach dem von der Klägerin vorformulierten Vertragsdokument war der Auftrag zunächst auf sechs Monate befristet und sollte sich jeweils um weitere drei Monate verlängern, falls er nicht gekündigt wird. In dem Alleinverkaufsauftrag wird auf ein weiteres, von der Klägerin ebenfalls vorformuliertes Dokument Bezug genommen, in dem es unter der Überschrift "Informationen für den Verbraucher" heißt: "Der Vertrag verlängert sich automatisch, wenn er nicht von einer Partei unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt wird."

Die Beklagte kündigte die Maklervereinbarung mit der Klägerin nicht. Nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von sechs Monaten wurde ein anderer Makler mit ihrer Zustimmung tätig. Die Beklagte verkaufte ihre Eigentumswohnung an eine Käuferin, die ihr der zweite Makler nachgewiesen hatte, und zahlte diesem eine Provision.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der ihr entgangenen Provision nebst Zinsen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Maklervereinbarung zwischen den Parteien sei vor dem Verkauf der Eigentumswohnung von selbst ausgelaufen. Die Laufzeit der Vereinbarung habe sich nicht automatisch verlängert. Die in der vorformulierten Vereinbarung enthaltene Klausel sei unwirksam, weil sie die Beklagte als Vertragspartnerin im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteilige. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 22. Juni 2018 - 30 O 19/18
OLG Stuttgart - Urteil vom 6. Februar 2019 - 3 U 146/18

§ 307 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) lautet:

Inhaltskontrolle - Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 28. Mai 2020, 9.00 Uhr in Sachen I ZR 7/16 (Einwilligung in die Speicherung von Cookies) (Verhandlungstermin: 30.1.2020)

Datum: 28.05.2020
Akkreditierungsschluss: 27.05.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, welche Anforderungen an die Einwilligung in die Speicherung von Cookies auf dem Endgerät des Nutzers zu stellen sind.

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Die Beklagte veranstaltete im September 2013 unter ihrer Internetadresse ein Gewinnspiel. Nach Eingabe der Postleitzahl gelangte der Nutzer auf eine Seite, auf der Name und Anschrift des Nutzers einzutragen waren. Unter den Eingabefeldern für die Adresse befanden sich zwei mit Ankreuzfeldern versehene Einverständniserklärungen.
Mit Bestätigen des ersten Textes, dessen Ankreuzfeld nicht mit einem voreingestellten Häkchen versehen war, sollte das Einverständnis mit einer Werbung durch Sponsoren und Kooperationspartner der Beklagten per Post, Telefon, E-Mail oder SMS erklärt werden. Dabei bestand die Möglichkeit, die werbenden Sponsoren und Kooperationspartner aus einer verlinkten Liste von 57 Unternehmen selbst auszuwählen. Das Einverständnis konnte nach dem Hinweistext jederzeit widerrufen werden.

Das zweite Ankreuzfeld war mit einem voreingestellten Häkchen versehen und wies folgenden Text auf:

Ich bin einverstanden, dass der Webanalysedienst Remintrex bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinnspielveranstalter, die [Beklagte], nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches [die Beklagte] eine Auswertung meines Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung durch Remintrex ermöglicht. Die Cookies kann ich jederzeit wieder löschen. Lesen Sie Näheres hier.
In der mit dem Wort "hier" verlinkten Erläuterung wurde darauf hingewiesen, dass die Cookies eine bestimmte, zufallsgenerierte Nummer (ID) erhalten würden, die den Registrierungsdaten des Nutzers zugeordnet sind, der sich mit Namen und Adresse in das bereitgestellte Webformular einzutragen hatte. Falls der Nutzer mit der gespeicherten ID die Webseite eines für Remintrex registrierten Werbepartners besuchen würde, sollte sowohl dieser Besuch erfasst werden als auch, für welches Produkt sich der Nutzer interessiert und ob es zu einem Vertragsschluss kommt.
Der voreingestellte Haken konnte entfernt werden. Eine Teilnahme am Gewinnspiel war aber nur möglich, wenn mindestens eines der beiden Felder mit einem Haken versehen war.

Soweit im Revisionsverfahren relevant, begehrt der Kläger, der Beklagten zu verbieten, entsprechende Einverständniserklärungen in Gewinnspielvereinbarungen mit Verbrauchern einzubeziehen oder sich darauf zu berufen. Dabei betrifft der Antrag hinsichtlich des zweiten Textes zur Einverständniserklärung auch die Voreinstellung im Ankreuzfeld. Der Kläger verlangt außerdem Ersatz der Abmahnkosten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte hinsichtlich beider Einverständniserklärungen zur Unterlassung sowie zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte hinsichtlich des Antrags auf Unterlassung der Verwendung der voreingestellten Einwilligungserklärung in die Nutzung von Cookies Erfolg. Das Oberlandesgericht hat angenommen, allein der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Werbung durch Dritte bestehe nach § 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 BGB. Die von der Beklagten vorformulierte und im Zusammenhang mit der Teilnahme an dem von ihr veranstalteten Gewinnspiel verwendete Erklärung zur Einwilligung in Werbung stelle eine gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Die Ausgestaltung der Klausel trage den Vorgaben des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht hinreichend Rechnung. Demgegenüber halte die vorformulierte Erklärung über die Einwilligung in die Nutzung von Cookies einer Inhaltskontrolle stand. Die verlangte Erklärung werde den Anforderungen an eine Einwilligung in die Cookie-Nutzung nach den insoweit maßgeblichen Vorschriften (§ 4a, § 28 Abs. 3a Satz 2 BDSG aF sowie § 13 Abs. 2, § 15 Abs. 3 TMG aF) gerecht.

Beide Parteien haben die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision eingelegt. Der Kläger will auch die Stattgabe seines Antrags bezogen auf die Einwilligungserklärung in die Setzung und Nutzung von Cookies erreichen. Die Beklagte verfolgt ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Auslegung des Unionsrechts hinsichtlich der Wirksamkeit einer Einwilligung in die Setzung von Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen vorgelegt. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft Art. 5 Abs. 3 und Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie) sowie Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).

Diese Fragen hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 1. Oktober 2019 (C-673/17, WRP 2019, 1455 - PLANET49) beantwortet. Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung in dem Rechtsstreit fortsetzen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 UKlaG:
Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.

§ 307 Abs. 1 BGB:
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UWG:
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
2. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung.

§ 4a Abs. 1 BDSG aF:
Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben.

§ 28 Abs. 3a BDSG aF:
Wird die Einwilligung nach § 4a Absatz 1 Satz 3 in anderer Form als der Schriftform erteilt, hat die verantwortliche Stelle dem Betroffenen den Inhalt der Einwilligung schriftlich zu bestätigen, es sei denn, dass die Einwilligung elektronisch erklärt wird und die verantwortliche Stelle sicherstellt, dass die Einwilligung protokolliert wird und der Betroffene deren Inhalt jederzeit abrufen und die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorzuheben.

§ 13 Abs. 2 TMG aF:
Die Einwilligung kann elektronisch erklärt werden, wenn der Diensteanbieter sicherstellt, dass
1. der Nutzer seine Einwilligung bewusst und eindeutig erteilt hat,
2. die Einwilligung protokolliert wird,
3. der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen kann und
4. der Nutzer die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann.

§ 15 Abs. 3 TMG aF:
Der Diensteanbieter darf für Zwecke der Werbung, der Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien Nutzungsprofile bei Verwendung von Pseudonymen erstellen, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht. Der Diensteanbieter hat den Nutzer auf sein Widerspruchsrecht im Rahmen der Unterrichtung nach § 13 Abs. 1 hinzuweisen. Diese Nutzungsprofile dürfen nicht mit Daten über den Träger des Pseudonyms zusammengeführt werden.

Art. 2 Satz 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/EG:
Weiterhin bezeichnet im Sinne dieser Richtlinie der Ausdruck
f) "Einwilligung" eines Nutzers oder Teilnehmers die Einwilligung der betroffenen Person im Sinne von Richtlinie 95/46/EG;

Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG:
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der Richtlinie 95/46/EG u.a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat. Dies steht einer technischen Speicherung oder dem Zugang nicht entgegen, wenn der alleinige Zweck die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz ist oder wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann.

Art. 2 Buchst. f und Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG:
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
f) "Dritter" die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder jede andere Stelle, außer der betroffenen Person, dem für die Verarbeitung Verantwortlichen, dem Auftragsverarbeiter und den Personen, die unter der unmittelbaren Verantwortung des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters befugt sind, die Daten zu verarbeiten;
h) "Einwilligung der betroffenen Person" jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, verarbeitet werden.

Art. 6 Abs. 1 Buchst a der Verordnung (EU) 2016/679:
Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 10. Dezember 2014 - 2/6 O 30/14
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 17. Dezember 2015 - 6 U 30/15

Karlsruhe, den 13. Januar 2020

Verkündungstermin am 25. Mai 2020, 11.00 Uhr in Sachen VW-Verfahren - VI ZR 252/19
Akkreditierung für Medienvertreter siehe Pressemitteilung 58/2020

Datum: 25.05.2020
Akkreditierungsschluss: 20.05.2020
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat über Schadensersatzansprüche eines Fahrzeugkäufers gegen den Hersteller des Fahrzeugs zu entscheiden, die mit der Begründung geltend gemacht werden, das Fahrzeug habe eine unzulässige Abschalteinrichtung aufgewiesen.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb am 10. Januar 2014 zu einem Preis von 31.490,- € brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDl match, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist die Herstellerin des Wagens. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 20.000 km. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typengenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungs-modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxid-Ausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typengenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand.

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrtbundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung, der auch das Fahrzeug des Klägers betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte gab mit Pressemitteilung vom 25. November 2015 bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen diese Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Nach der Installation sollen die betroffenen Fahrzeuge nur noch in einem adaptierten Modus 1 betrieben werden. Der Kläger hat das Software-Update im Februar 2017 durchführen lassen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen die Zahlung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises in Höhe von 31.490 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht, dessen Urteil unter anderem in der NJW 2019, 2237 ff. veröffentlicht ist, unter Zulassung der Revision die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 25.616,10 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zahlungsanspruchs hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Nach Anrechnung der vom Kläger gezogenen Nutzungen (Vorteilsausgleich) ergebe sich der ausgeurteilte Anspruch. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt.

Der Senat wird zeitnah weitere, auch Diesel-Kraftfahrzeuge anderer Hersteller betreffende, Revisionsverfahren terminieren.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Vorinstanzen:

Landgericht Bad Kreuznach – Urteil vom 5. Oktober 2018 – 2 O 250/17
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18

Mündliche Verhandlung am 14. Mai 2020 in Sachen VII ZR 205/19 (weiterer Verhandlungstermin zu den Folgen des EuGH-Urteils zur Unionsrechtswidrigkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI) um 9.00 Uhr in Saal E 101

Datum: 14.05.2020
Akkreditierungsschluss: 12.05.2020 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Akkreditierung für Medienvertreter: (siehe Pressemitteilung Nr. 51/2020)

Für die Teilnahme beachten Sie bitte die Hinweise für Bürgerinnen und Bürger (siehe Pressemitteilung Nr. 41/2020).

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt am 14. Mai 2020 über eine weitere - zweite - Honorarklage, bei der in der Folge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 4. Juli 2019 (C-377/17) die Anwendung der in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) festgeschriebenen Mindestsätze im Streit steht (vgl. hierzu bereits Pressemitteilung Nr. 159/2019 vom 12. Dezember 2019).

Aufgrund des vorgenannten, in einem von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland geführten Vertragsverletzungsverfahren ergangenen Urteils, wonach die Bundesrepublik durch die Beibehaltung verbindlicher Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) verstoßen hat, hat sich eine divergierende Instanzrechtsprechung zu der Frage entwickelt, ob die vom EuGH getroffene Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des zwingenden Preisrechts der HOAI in einem laufenden Zivilrechtsstreit zwischen einem Architekten bzw. Ingenieur und seinem Auftraggeber unmittelbar zu beachten ist.

Hierzu steht am 14. Mai 2020 vor dem VII. Zivilsenat bereits die mündliche Verhandlung über die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Juli 2019 - 21 U 24/18; Az. der Revision VII ZR 174/19 - an (Pressemitteilung Nr. 159/2019 vom 12. Dezember 2019). Das Oberlandesgericht Hamm hat die Auffassung vertreten, die maßgeblichen Bestimmungen der HOAI, auch zum Mindestpreischarakter, seien im Streitfall ungeachtet der Entscheidung des EuGH weiterhin anwendbar. Im Gegensatz hierzu hat das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 14. August 2019 - 14 U 198/18; Az. der Revision VII ZR 205/19) entschieden, dass die Parteien sich im laufenden Rechtsstreit infolge des EuGH-Urteils nicht mehr auf die Mindest- und Höchstsätze der HOAI berufen könnten. Über die Revision gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle soll gemeinsam mit derjenigen gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm mündlich verhandelt werden.

Der 7. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin hat sich mit Urteil vom 13. September 2019 - 7 U 87/18; Az. der Revision VII ZR 229/19 - der Auffassung des Oberlandesgerichts Celle angeschlossen. Über die Terminierung dieses (dritten) Revisionsverfahrens wird zu einem späteren Zeitpunkt, nach Eingang der zur Zeit noch ausstehenden Rechtsmittelbegründung, befunden werden.

Sachverhalt:

In dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 14. August 2019 zugrundeliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin, ein gemeinnütziges Unternehmen, gegen die Beklagten Honorarnachforderungen für die Erbringung von Architekten- und Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit Konzeption und Errichtung einer Biogasanlage geltend. Die Parteien hatten in den Jahren 2010 bis 2012 fünf Architekten- und Ingenieurverträge geschlossen, aus denen sich eine vereinbarte Pauschalvergütung der Klägerin in Höhe von 80.195,49 € netto ergab. Nach Abschluss des Bauvorhabens rechnete die Klägerin ihre Leistungen mit 75.550,04 € netto (89.104,55 € brutto) ab; dieser Betrag wurde von den Beklagten gezahlt. Ende 2016 machte die Klägerin eine von ihr zunächst mit insgesamt 638.160,01 € brutto bezifferte Nachforderung mit der Begründung geltend, die geschlossenen Verträge und deren ursprüngliche Abrechnung unterschritten in unzulässiger Weise die Mindestsätze der HOAI (Fassung 2009). Auf der Grundlage eines von ihr vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens hat die Klägerin schließlich unter Berücksichtigung von Nebenkosten, Umsatzsteuer und des von den Beklagten bereits gezahlten Betrages die ihres Erachtens noch offene Honorarforderung mit 441.004,89 € brutto errechnet und insoweit Zahlungsklage gegen die Beklagten erhoben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.

Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung unter anderem in BauR 2019, 1957 veröffentlicht ist, hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Pauschalhonorarvereinbarungen unwirksam seien und ihr eine Nachforderung in der geltend gemachten Höhe zustehe. Jedenfalls stehe der Honorarnachforderung der Einwand der Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) entgegen. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau aller Umstände, bei der der vom EuGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI besondere Bedeutung zukomme. Mit dem Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 sei die Verbindlichkeit des in der HOAI geregelten Preisrechts hinfällig geworden. Die Gerichte seien auch in laufenden Verfahren verpflichtet, ab sofort die für unionsrechtswidrig erklärten Regelungen der HOAI nicht mehr anzuwenden. Bei seiner unionsrechtskonformen Auslegung sehe sich das Oberlandesgericht Celle nicht den Schranken unterworfen, die das Oberlandesgericht Hamm in seiner gegenläufigen Rechtsprechung aufgeführt habe.

Vorinstanzen:

LG Hildesheim - Urteil vom 7. Dezember 2018 - 4 O 296/17
OLG Celle - Urteil vom 14. August 2019 - 14 U 198/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt die Berechnung der Entgelte für die Grundleistungen der Architekten und Architektinnen und der Ingenieure und Ingenieurinnen (Auftragnehmer oder Auftragnehmerinnen) mit Sitz im Inland, soweit die Grundleistungen durch diese Verordnung erfasst und vom Inland aus erbracht werden.

§ 7 Honorarvereinbarung

(1) Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.
(2) …
(3) Die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze können durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden.
(4) Die in dieser Verordnung festgesetzten Höchstsätze dürfen nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhnlich lange dauernden Grundleistungen durch schriftliche Vereinbarung überschritten werden. Dabei bleiben Umstände, soweit sie bereits für die Einordnung in die Honorarzonen oder für die Einordnung in den Rahmen der Mindest- und Höchstsätze mitbestimmend gewesen sind, außer Betracht.
(5) Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist, wird unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze gemäß Absatz 1 vereinbart sind.
(6) …

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 242 Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 14. Mai 2020 in Sachen VII ZR 174/19 (Folgen des EuGH-Urteils zur Unionsrechtswidrigkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI) um 9.00 Uhr

Datum: 14.05.2020
Akkreditierungsschluss: 12.05.2020 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Akkreditierung für Medienvertreter: (siehe Pressemitteilung Nr. 51/2020)

Für die Teilnahme beachten Sie bitte die Hinweise für Bürgerinnen und Bürger (siehe Pressemitteilung Nr. 41/2020).

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Honorarklage eines Ingenieurs, bei der die Anwendung der in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) festgeschriebenen Mindestsätze im Streit steht. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 4. Juli 2019 (C-377/17) in einem von der Europäischen Kommission betriebenen Vertragsverletzungsverfahren entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) verstoßen hat, indem sie in der HOAI verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat. Aufgrund dessen hat sich eine divergierende Instanzrechtsprechung zu der Frage entwickelt, ob die vom EuGH getroffene Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des zwingenden Preisrechts der HOAI in einem laufenden Zivilrechtsstreit zwischen einem Architekten bzw. Ingenieur und seinem Auftraggeber unmittelbar zu beachten ist.

Hierzu sind neben dem Streitfall, dem eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zu Grunde liegt, beim Bundesgerichtshof derzeit unter anderem zwei weitere Revisionsverfahren anhängig. Abweichend vom Oberlandesgericht Hamm haben das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 14. August 2019 - 14 U 198/18; Az. der Revision VII ZR 205/19) und der 7. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin (Urteil vom 13. September 2019 - 7 U 87/18; Az. der Revision VII ZR 229/19) entschieden, dass sich die Parteien im laufenden Rechtsstreit nicht mehr auf die Mindest- und Höchstsätze der HOAI berufen könnten. In den beiden letztgenannten Verfahren wird nach Eingang der - zurzeit noch ausstehenden - Rechtsmittelbegründungen über die Terminierung befunden werden.

Sachverhalt:

Der Kläger, der ein Ingenieurbüro betreibt, verlangt von der Beklagten die Zahlung restlicher Vergütung nach Abschluss eines Ingenieurvertrages im Jahre 2016, in dem die Parteien für die vom Kläger zu erbringenden Ingenieurleistungen bei einem Bauvorhaben der Beklagten ein Pauschalhonorar in Höhe von 55.025 € vereinbart hatten. Außerdem erstellte der Kläger drei Nachtragsangebote im Zusammenhang mit nach Übergabe der Planung eingetretenen Änderungen, die von der Beklagten mit dem Hinweis auf eine Pauschalierung des Honorars angenommen wurden.

Nach Kündigung der Vertragsbeziehung durch den Kläger rechnete dieser seine Leistungen in der Honorarschlussrechnung vom 30. Juli 2017 auf der Grundlage der Mindestsätze aus § 56 HOAI (2013) ab. Den nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlungen und eines Sicherheitseinbehalts aus der Schlussrechnung noch offenen Betrag von 102.934,59 € brutto hat der Kläger nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mit der Klage geltend gemacht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 100.108.34 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als der Kläger in der Berufungsinstanz auf die Honorarforderung aus dem dritten Nachtrag verzichtet hat. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Beklagte mit Teilverzichts- und Schlussurteil zur Zahlung von 96.768,03 € nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in BauR 2019, 1810 veröffentlicht ist, hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein restlicher vertraglicher Zahlungsanspruch nach den Mindestsätzen gemäß § 56 HOAI (2013) zu. Die im Ingenieurvertrag getroffene Pauschalpreisvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen den Mindestpreischarakter der HOAI als zwingendes Preisrecht unwirksam.

Die maßgeblichen Bestimmungen der HOAI, auch zum Mindestpreischarakter, seien im Streitfall anwendbar. Daran ändere die Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik, wonach diese durch Aufrechterhaltung der Bestimmungen zum zwingenden Preisrecht in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 g), Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie verstoßen habe, nichts. Das Urteil des EuGH binde nur den Mitgliedsstaat, der nach eigenem Ermessen die geeigneten Maßnahmen ergreifen müsse, um den europarechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Für den einzelnen Unionsbürger hingegen gehe von dem Urteil keine Rechtswirkung aus. Die Feststellung der Europarechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI im Vertragsverletzungsverfahren ändere nichts daran, dass zum Zeitpunkt des Verstoßes die HOAI zu beachten gewesen sei. Die Dienstleistungsrichtlinie könne nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich sei.

Eine richtlinienkonforme Auslegung des zwingenden Preisrechts gemäß § 7 HOAI (2013) sei ausgeschlossen, weil mit dem erkennbaren Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers unvereinbar. Da die Honorarvereinbarung der Parteien nicht in Einklang mit § 7 Abs. 3 HOAI getroffen worden sei, habe dies zur Folge, dass der Kläger die Mindestsätze nach § 7 Abs. 5 HOAI abrechnen könne. Die nach §§ 55, 56 HOAI auf Grundlage der Mindestsätze vorgenommene Abrechnung des Klägers entspreche den Vorgaben der Honorarordnung. Ein Ausnahmefall, bei der die Honorarvereinbarung den Mindestsatz unterschreiten dürfe, liege nicht vor.

Vorinstanzen:

LG Essen - Urteil vom 28. Dezember 2017 - 6 O 351/17
OLG Hamm - Teilverzichts- und Schlussurteil vom 23. Juli 2019 - 21 U 24/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt die Berechnung der Entgelte für die Grundleistungen der Architekten und Architektinnen und der Ingenieure und Ingenieurinnen (Auftragnehmer oder Auftragnehmerinnen) mit Sitz im Inland, soweit die Grundleistungen durch diese Verordnung erfasst und vom Inland aus erbracht werden.

§ 7 Honorarvereinbarung

(1) Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.
(2) …
(3) Die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze können durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden.
(4) Die in dieser Verordnung festgesetzten Höchstsätze dürfen nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhnlich lange dauernden Grundleistungen durch schriftliche Vereinbarung überschritten werden. Dabei bleiben Umstände, soweit sie bereits für die Einordnung in die Honorarzonen oder für die Einordnung in den Rahmen der Mindest- und Höchstsätze mitbestimmend gewesen sind, außer Betracht.
(5) Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist, wird unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze gemäß Absatz 1 vereinbart sind.
(6) …

§ 55 Leistungsbild Technische Ausrüstung

(1) Das Leistungsbild Technische Ausrüstung umfasst Grundleistungen für Neuanlagen, Wiederaufbauten, Erweiterungsbauten, Umbauten, Modernisierungen, Instandhaltungen und Instandsetzungen. Die Grundleistungen bei der Technischen Ausrüstung sind in neun Leistungsphasen zusammengefasst und werden wie folgt in Prozentsätzen der Honorare des § 56 bewertet: …

§ 56 Honorare für Grundleistungen der Technischen Ausrüstung
(1) Die Mindest- und Höchstsätze der Honorare für die in § 55 und der Anlage 15.1. aufgeführten Grundleistungen bei einzelnen Anlagen sind in der folgenden Honorartafel festgesetzt: …

Akkreditierungsbedingungen

Entscheidungsverkündungstermin in der Sache I ZR 115/16 (Zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings) am 30. April 2020, 9.30 Uhr

Datum: 30.04.2020
Akkreditierungsschluss: 29.04.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 30. April 2020 seine Entscheidung zur Frage der Verletzung der Rechte des Tonträgerherstellers durch Sampling verkünden. Die mündliche Verhandlung fand am 9. Januar 2020 statt (siehe Pressemitteilung Nr. 149/2019 vom 20. November 2019).

Sachverhalt:

Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern einspielte. Zur Herstellung des Titels hatten die Beklagten zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt.

Die Kläger sehen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung vom 20. November 2008). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen. Die erneute Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Er hat angenommen, die Beklagten hätten durch das Sampling in das Recht der Kläger als Tonträgerhersteller eingegriffen. Sie könnten sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG*) berufen, weil es ihnen möglich gewesen sei, die aus dem Musikstück "Metall auf Metall" entnommene Sequenz selbst einzuspielen. Aus der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit lasse sich kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen (vgl. Pressemitteilung vom 13. Dezember 2012). Das Bundesverfassungsgericht hat das Revisionsurteil und das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Es hat angenommen, die Entscheidungen verletzten die Beklagten in ihrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Freiheit der künstlerischen Betätigung. Die Annahme, die Übernahme selbst kleinster Tonsequenzen stelle einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger dar, soweit der übernommene Ausschnitt gleichwertig nachspielbar sei, trage der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung.

Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hatte das Verfahren mit Beschluss vom 1. Juni 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten, dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt (dazu Pressemitteilung vom 1. Juni 2017). Diese Fragen hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 29. Juli 2019 (C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156 - Pelham u.a.) beantwortet. Der Bundesgerichtshof wird nun, nachdem er die mündliche Verhandlung in dem Rechtsstreit am 9. Januar 2020 fortgesetzt hatte, am 30. April 2020 seien Entscheidung verkünden.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 24 Abs. 1 UrhG:

Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG:

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

Art. 2 Buchst. c Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten sehen für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 5 Abs. 3 Buchst. d Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten können für Zitate wie Kritik oder Rezensionen in Bezug auf das in Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk oder einen sonstigen Schutzgegenstand betreffen, das bzw. der der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern - außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/115/EG

Die Mitgliedstaaten sehen für Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die Tonträger und Kopien davon der Öffentlichkeit im Wege der Veräußerung oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 8. Oktober 2004 - 308 O 90/99
OLG Hamburg - Urteil vom 7. Juni 2006 - 5 U 48/05
BGH - Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 - Metall auf Metall I
OLG Hamburg - Urteil vom 17. August 2011 - 5 U 48/05
BGH - Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804 - Metall auf Metall II
BVerfG - Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13, BVerfGE 142, 74

Akkreditierungsbedingungen

Entscheidungsverkündungstermin in der Sache I ZR 139/15 (Urheberrechtlicher Schutz militärischer Lageberichte) am 30. April 2020, 9.30 Uhr

Datum: 30.04.2020
Akkreditierungsschluss: 29.04.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 30. April 2020 seine Entscheidung zu der Frage verkünden, ob die Bundesrepublik Deutschland die Veröffentlichung militärischer Lageberichte unter Berufung auf das Urheberrecht untersagen kann. Die mündliche Verhandlung fand am 9. Januar 2020 statt (siehe Pressemitteilung Nr. 3/2020 vom 3. Januar 2020).

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Bundesrepublik Deutschland, die im vorliegenden Verfahren durch das Bundesministerium der Verteidigung vertreten wird. Dieses lässt wöchentlich einen militärischen Lagebericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr und Entwicklungen im Einsatzgebiet erstellen. Die Berichte werden unter der Bezeichnung "Unterrichtung des Parlaments" (UdP) an ausgewählte Abgeordnete des deutschen Bundestages, Referate im Bundesministerium der Verteidigung und anderen Bundesministerien, sowie dem Bundesministerium der Verteidigung nachgeordneten Dienststellen versendet. Sie sind als Verschlusssache "VS - Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft. Daneben veröffentlicht die Klägerin gekürzte Fassungen der UdP als "Unterrichtung der Öffentlichkeit (UdÖ)".

Die Beklagte betreibt das Onlineportal der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Sie beantragte im Jahr 2012 unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die Einsichtnahme in sämtliche UdP aus der Zeit zwischen dem 1. September 2001 und dem 26. September 2012. Nach Ablehnung dieses Antrags gelangte die Beklagte auf unbekanntem Weg an einen Großteil der Berichte und veröffentlichte diese unter der Bezeichnung "Afghanistan-Papiere" als eingescannte Einzelseiten im Internet. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil die Veröffentlichung ihr Urheberrecht an den Berichten verletze.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Bundesgerichtshof hatte das Verfahren mit Beschluss vom 1. Juni 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 87/17 vom 1. Juni 2017). Der Bundesgerichtshof hatte hierzu ausgeführt, die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigten zwar nicht die Annahme, dass die UdP die Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Schriftwerken erfüllten. Eine Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, um diesem Gelegenheit zur Nachholung entsprechender Feststellungen zu geben, scheide jedoch aus, wenn ein Eingriff in das Urheberrecht von den in Betracht kommenden urheberrechtlichen Schrankenregelungen der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) oder des Zitatrechts (§ 51 UrhG) gedeckt oder unter Berücksichtigung der Grundrechte der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs.1 Satz 1 GG; Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundrechtecharta) oder der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundrechtecharta) gerechtfertigt sei. In diesem Fall sei die Klage durch den Bundesgerichtshof abzuweisen. Es stellten sich insoweit Fragen zur Auslegung von Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über diese Fragen durch Urteil vom 29. Juli 2019 (C-469/17, GRUR 2019, 934 - Funke Medien) entschieden. Der Bundesgerichtshof wird nun, nachdem er die mündliche Verhandlung in dem Rechtsstreit am 9. Januar 2020 fortgesetzt hatte, am 30. April 2020 seine Entscheidung verkünden.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 50 UrhG:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

§ 51 UrhG:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Art. 5 Abs. 1 GG:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Artikel 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta:

Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.

Art. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/29 EG:

Die Mitgliedstaaten sehen für die Urheber in Bezug auf ihre Werke das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

§ 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 5 Abs. 3 Buchst. c und Buchst. d Richtlinie 2001/29/EG:

Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen: …
c) für die Vervielfältigung durch die Presse, die öffentliche Wiedergabe oder die Zugänglichmachung von veröffentlichten Artikeln zu Tagesfragen wirtschaftlicher, politischer oder religiöser Natur oder von gesendeten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen dieser Art, sofern eine solche Nutzung nicht ausdrücklich vorbehalten ist und sofern die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird, oder die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird;
d) für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen, sofern sie ein Werk oder einen sonstigen Schutzgegenstand betreffen, das bzw. der der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 2. Oktober 2014 - 14 O 333/13
OLG Köln - Urteil vom 12. Juni 2015 - 6 U 5/15

Akkreditierung

Entscheidungsverkündungstermin in Sachen I ZR 228/15 (Presseveröffentlichung von Buchbeiträgen eines ehemaligen Bundestagsabgeordneten) am 30. April 2020, 9.30 Uhr

Datum: 30.04.2020
Akkreditierungsschluss: 29.04.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 30. April 2020 seine Entscheidung zur Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Buchbeiträgen des Klägers in der Presse verkünden. Die mündliche Verhandlung fand am 9. Januar 2020 statt (siehe Pressemitteilung Nr. 2/2020 vom 2. Januar 2020).

Sachverhalt:

Der Kläger war in den Jahren 1994 bis 2017 Mitglied des Bundestags. Er ist Verfasser eines Manuskripts, in dem er sich gegen die radikale Forderung einer vollständigen Abschaffung des Sexualstrafrechts wandte, aber für eine teilweise Entkriminalisierung gewaltfreier sexueller Handlungen Erwachsener mit Kindern eintrat. Der Text erschien im Jahr 1988 als Buchbeitrag. Im Mai 1988 beanstandete der Kläger gegenüber dem Herausgeber des Buchs, dieser habe ohne seine Zustimmung Änderungen am Text und an den Überschriften vorgenommen, und forderte ihn auf, dies bei der Auslieferung des Buchs kenntlich zu machen. In den Folgejahren erklärte der Kläger auf Kritik an den Aussagen des Buchbeitrags, der Herausgeber habe die zentrale Aussage seines Beitrags eigenmächtig wegredigiert und ihn dadurch im Sinn verfälscht.

Im Jahr 2013 wurde in einem Archiv das Originalmanuskript des Klägers aufgefunden und ihm wenige Tage vor der Bundestagswahl, für die er als Abgeordneter kandidierte, zur Verfügung gestellt. Der Kläger übermittelte das Manuskript an mehrere Zeitungsredaktionen als Beleg dafür, dass es seinerzeit für den Buchbeitrag verändert worden sei. Einer Veröffentlichung der Texte durch die Redaktionen stimmte er nicht zu. Stattdessen stellte er das Manuskript und den Buchbeitrag mit dem Hinweis auf seiner Internetseite ein, er distanziere sich von dem Beitrag. Mit einer Verlinkung seiner Internetseite durch die Presse war er einverstanden.

Vor der Bundestagswahl veröffentlichte die Beklagte in ihrem Internetportal einen Pressebericht, in dem die Autorin die Ansicht vertrat, der Kläger habe die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. Die Originaldokumente belegten, dass das Manuskript nahezu identisch mit dem Buchbeitrag und die zentrale Aussage des Klägers keineswegs im Sinn verfälscht worden sei. Die Internetnutzer konnten das Manuskript und den Buchbeitrag über einen elektronischen Verweis (Link) herunterladen. Die Internetseite des Klägers war nicht verlinkt.

Der Kläger sieht in der Veröffentlichung der Texte eine Verletzung seines Urheberrechts. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Kammergericht hat angenommen, die Veröffentlichung der urheberrechtlich geschützten Texte des Klägers ohne seine Zustimmung sei auch unter Berücksichtigung der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) noch durch das gesetzliche Zitatrecht (§ 51 UrhG) gerechtfertigt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hatte das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 124/2017 vom 27. Juli 2017). Diese Fragen hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 29. Juli 2019 - C-516/17 beantwortet. Der Bundesgerichtshof wird nun, nachdem er die mündliche Verhandlung in dem Rechtsstreit am 9. Januar 2020 fortgesetzt hatte, am 30. April 2020 seine Entscheidung verkünden.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 50 UrhG:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

§ 51 UrhG:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. […]

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 17. Juni 2014 - 15 O 546/13
Kammergericht - Urteil vom 7. Oktober 2015 - 24 U 124/14

Akkreditierung

Verkündungstermin am 23. April 2020, 14.00 Uhr in Sachen III ZR 250 und 251/17 (Fahrradunfall auf einem mit Stacheldraht gesperrten Feldweg) (Verhandlungstermin: 16.1.2020)

Datum: 23.04.2020
Akkreditierungsschluss: 22.04.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Amtshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat wird über einen Rechtsstreit verhandeln, dem ein Fahrradunfall mit äußerst schwerwiegenden Folgen auf einem mit Stacheldraht gesperrten Feldweg zugrunde liegt. Der Geschädigte, ein Bundeswehroffizier, und die Bundesrepublik Deutschland als sein Dienstherr machen unter dem Vorwurf einer Verkehrssicherungspflichtverletzung gegen die Beklagten, eine Gemeinde und zwei Jagdpächter, Schadensersatzansprüche wegen dieses Unfalls geltend.

Der im Jahr 1976 geborene Kläger unternahm am Nachmittag des 15. Juni 2012 mit seinem Mountainbike eine Radtour in der Umgebung von Hamburg. Über die ihm unbekannten Örtlichkeiten hatte er sich zuvor mittels einer Karten-App informiert. Gegen 17.30 Uhr bog er von einer für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrten Straße in einen zum Gebiet der beklagten Gemeinde gehörenden unbefestigten Feldweg ab, der als Sackgasse in einem Waldstück endete. Nach ungefähr 50 m befand sich auf dem Feldweg eine Absperrung. Diese bestand aus zwei in der Mitte des Weges befindlichen vertikalen bis zum Boden reichenden Holzlatten, an denen ein Sperrschild für Kraftfahrzeuge (Zeichen 260) befestigt war und die durch zwei waagerecht verlaufende verzinkte Stacheldrähte in der Höhe von 57 cm und 91 cm gehalten wurden. Diese waren ihrerseits seitlich des Feldweges an im Unterholz stehenden Holzpfosten befestigt. An dem - aus der Fahrtrichtung des Klägers - rechten Holzpfosten konnten die Stacheldrähte gelöst werden, um die Absperrung zu öffnen. Die Absperrung war Ende der 1980er-Jahre mit Zustimmung der beklagten Gemeinde durch den damaligen Jagdpächter errichtet worden. Der ehemalige Bürgermeister hatte circa zwei- bis dreimal pro Quartal nach der Absperrung gesehen. Die Beklagten zu 2 und 3 waren die am Unfalltag verantwortlichen Jagdpächter des Niederwildreviers und nutzten den Feldweg regelmäßig, um zu einer hinter der Absperrung gelegenen Wiese zu gelangen, wo sich ein mobiler Hochsitz/Jagdwagen befand.

Als der Kläger den über den Feldweg gespannten Stacheldraht bemerkte, führte er eine Vollbremsung durch; die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig. Es gelang ihm nicht, sein Mountainbike rechtzeitig vor der Absperrung zum Stehen zu bringen, sondern er stürzte - links des Verkehrszeichens - kopfüber in die Absperrung. Dort blieb er mit seiner Kleidung hängen und konnte sich nicht mehr bewegen. Gegen 19.20 Uhr bemerkte ihn der zufällig vorbeikommende Beklagte zu 2, der Polizei und Rettungsdienst alarmierte.

Durch den Sturz erlitt der Kläger einen Bruch des Halswirbels und als Folge eine komplette Querschnittslähmung unterhalb des vierten Halswirbels. Er ist seit dem Unfall dauerhaft hochgradig pflegebedürftig und bedarf lebenslang einer querschnittslähmungsspezifischen Weiterbehandlung mit kranken-, physio- und ergotherapeutischen Maßnahmen. Das Wehrdienstverhältnis endete zum 31. März 2014; seitdem ist der Kläger Versorgungsempfänger.

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld von mindestens 500.000 € sowie die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich aller materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind. Außerdem begehrt er die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Bundesrepublik Deutschland verlangt Ersatz der Ausgleichszahlungen und von an den Geschädigten gezahlten Versorgungsbezügen gemäß Soldatenversorgungsgesetz, stationärer Behandlungskosten, von Kostenerstattungen für Heil- und Hilfsmittel sowie von Behandlungs- und Pflegeleistungen in Höhe von 582.730,40 €. Außerdem verlangt sie die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich aller zukünftigen materiellen Schäden, soweit sie auf sie übergehen. Die Kläger machen geltend, die beklagte Gemeinde als Eigentümerin des Feldweges und die Beklagten zu 2 und 3 als Jagdpächter hätten ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Für den Geschädigten sei die Absperrung erst aus einer Entfernung von höchstens 8 m erkennbar gewesen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht nach Beweisaufnahme das Ersturteil teilweise abgeändert und den Klagen unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des geschädigten Klägers von 75 % stattgegeben.

Die Kläger wenden sich mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen gegen die Annahme eines Mitverschuldens. Die Beklagten begehren mit der Anschlussrevision die vollständige Zurückweisung der Berufung.

Vorinstanzen:

III ZR 250/17

LG Lübeck - Az. 2 O 116/15 – Entscheidung vom 05. Februar 2016
OLG Schleswig - 7 U 28/16 – Entscheidung vom 10. August 2017

und

III ZR 251/17

LG Lübeck - Az. 10 O 59/15 - Entscheidung vom 11. Februar 2016
OLG Schleswig - 7 U 29/16 – Entscheidung vom 10. August 2017

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin wurde aufgehoben in der Sache III ZR 136/18 (Auskunft über Vervielfältigungen der „Kohl-Tonbänder“ und sonstiger Unterlagen) (Verhandlung: 19.3.2020)

Datum: 19.03.2020
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Auftragsrecht zuständige III. Zivilsenat wird über die Auskunftsklage der Erbin des früheren Bundeskanzlers und vormaligen Klägers Dr. Helmut Kohl über Anzahl und Verbleib der Vervielfältigungen von Tonbandaufzeichnungen und sonstigen Unterlagen verhandeln.

Dr. Kohl und der Beklagte, ein bekannter Journalist, schlossen 1999 mit einem Verlag jeweils selbständige, inhaltlich aber aufeinander abgestimmte Verträge. Gegenstand dieser Verträge war die Erstellung der Memoiren des ehemaligen Bundeskanzlers; die schriftliche Abfassung des Werkes sollte durch den Beklagten erfolgen. Kohl und der Beklagte, die die Einzelheiten ihrer Zusammenarbeit unmittelbar miteinander besprechen sollten, trafen sich in den Jahren 2001 und 2002 an über 100 Tagen im Wohnhaus des früheren Bundeskanzlers zu Gesprächen, die insgesamt etwa 630 Stunden dauerten und mit einem vom Beklagten zur Verfügung gestellten Tonbandgerät aufgenommen wurden. Kohl sprach dabei auf Fragen und Stichworte des Beklagten ausführlich über sein gesamtes Leben, sowohl über die Zeit, in der er höchste politische Ämter innehatte, als auch über seinen vorherigen Werdegang. Die Tonbänder, die Kohl persönlich zu keinem Zeitpunkt in den Händen hatte, nahm der Beklagte zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Von den Aufnahmen fertigte er digitale Kopien an und ließ Abschriften anfertigen. Außerdem gewährte bzw. ermöglichte Kohl dem Beklagten Zugang zu zahlreichen Unterlagen.

Später überwarfen sich die Parteien. Kohl kündigte die Zusammenarbeit mit dem Beklagten. Dieser wurde von dem Verlag finanziell abgefunden. In einem früheren Verfahren machte Kohl erfolgreich die Herausgabe der Tonaufnahmen geltend (vgl. Pressemitteilung 118/2015 vom 10. Juli 2015). Im vorliegenden Verfahren, das nach seinem Tod von seiner Erbin fortgeführt worden ist, verlangt diese im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über Existenz und Verbleib schriftlicher, digitaler und sonstiger Vervielfältigungen der Tonbänder sowie über sonstige Unterlagen, die der Beklagte aus der Zusammenarbeit im Rahmen der Erstellung der Memoiren besitzt oder weitergegeben hat.

Das Landgericht hat der Klage bezüglich der schriftlichen, digitalen und sonstigen Vervielfältigungen der Tonbänder stattgegeben und sie hinsichtlich der sonstigen Unterlagen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage auch im Hinblick auf schriftliche Vervielfältigungsstücke des Tonbandinhalts mit der Begründung abgewiesen, diese Ansprüche seien verjährt. Die Verurteilung des Beklagten zur Auskunft über die digitalen und sonstigen Vervielfältigungen hat es bestätigt. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision die geltend gemachten Auskunftsansprüche in vollem Umfang weiter; der Beklagte begehrt mit der Anschlussrevision die vollständige Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:
LG Köln, Urteil vom 27. April 2017 - 14 O 286/14
OLG Köln, Urteil vom 29. Mai 2018 - 15 U 66/17

Akkreditierung

Verkündungstermin in Sachen I ZR 126/18 (Zulässigkeit der vom Deutschen Wetterdienst angebotenen DWD Warnwetter-App) am 12. März 2020, 9.00 Uhr (Verhandlung: 12.12.2019)

Datum: 12.03.2020
Akkreditierungsschluss: 11.03.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes-gerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine kostenlose und werbefreie App mit zahlreichen Informationen zum Wetter anbieten darf.

Sachverhalt:

Die Klägerin bietet meteorologische Dienstleistungen sowohl über das Internet als auch über eine App für mobile Endgeräte an. Die App der Klägerin ist in der Standard-Version kostenlos und werbefinanziert und in einer werbefreien Version gegen Entgelt erhältlich.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist der nationale meteorologische Dienst der beklagten Bundesrepublik Deutschland (§ 4 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst* [DWDG]). Seine Aufgaben sind in § 4 Abs. 1 DWDG geregelt. Zu ihnen gehört unter anderem die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 DWDG muss der DWD grundsätzlich Vergütungen für seine Dienstleistungen verlangen. Einzelne seiner Dienstleistungen sind nach § 6 Abs. 2a DWDG entgeltfrei. Der DWD ist so zu führen, dass die nicht durch Einnahmen gedeckten Ausgaben so gering wie möglich zu halten sind (§ 6 Abs. 1 DWDG).

Seit Juni 2015 bietet der DWD eine App für mobile Endgeräte an. Mit dieser "DWD WarnWetter-App" können nicht nur Wetterwarnungen, sondern zahlreiche Informationen zum Wetter einschließlich detaillierter Wetterberichte abgerufen werden. Diese App ist unentgeltlich und werbefrei.

Die Klägerin hält dies für wettbewerbswidrig und hat die Beklagte auf Unterlassung der unentgeltlichen Erbringung von meteorologischen Dienstleistungen in Form der DWD Warnwetter-App in Anspruch genommen, soweit diese Dienstleistungen über amtliche Wetterwarnungen hinausgehen. Den Unterlassungsanspruch hat sie in erster Linie auf wettbewerbsrechtliche Vorschriften, hilfsweise auf das öffentliche Recht gestützt. Die Beklagte hat hilfsweise Widerklage erhoben. Damit begehrt sie die Feststellung, dass sie unter im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen nicht verpflichtet ist, es zu unterlassen, die DWD Warnwetter-App kostenlos anzubieten oder zu verbreiten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Regelungen in § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a DWD als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG und in dem Anbieten der DWD Warnwetter-App einen Verstoß gegen diese Vorschriften gesehen. Es hat die Beklagte deshalb zur Unterlassung verurteilt. Über die Hilfswiderklage der Beklagten hat es nicht entschieden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die auf das Wettbewerbsrecht gestützte Klage durch Teilurteil abgewiesen. Es hat angenommen, es fehle an einem geschäftlichen Handeln des DWD gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Beklagte habe nicht mit dem Ziel gehandelt, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern. Sie werde vielmehr im Rahmen des ihr durch § 4 DWDG zugewiesenen Aufgabenbereichs tätig. Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs sei der Rechtsstreit nach einer rechtskräftigen Entscheidung über den Streit im Übrigen an das Verwaltungsgericht zu verweisen.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Bonn - Urteil vom 15. November 2017 - 16 O 21/16 (MMR 2018, 189)
OLG Köln - Urteil vom 13. Juli 2018 - 6 U 180/17 (GRUR-RR 2018, 461)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Abs. 1 und 3 DWDG lauten auszugsweise:

(1) Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes sind
1. die Erbringung meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer, insbesondere auf den Gebieten des Verkehrs, der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forst-wirtschaft, des Bauwesens, des Gesundheitswesens, der Wasserwirtschaft einschließlich des vorbeugenden Hochwasserschutzes, des Umwelt- und Naturschutzes und der Wissenschaft,
2. die meteorologische Sicherung der Luft- und Seefahrt, der Verkehrswege sowie wichtiger Infrastrukturen, insbesondere der Energieversorgung und der Kommunikationssysteme,
3. die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen,
a) die zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können oder
b) die in Bezug zu drohenden Wetter- und Witterungsereignissen mit hohem Schadenspotenzial stehen,
[…]
7. die Überwachung der Atmosphäre auf radioaktive Spurenstoffe und die Vor-hersage deren Verfrachtung,
8. der Betrieb der erforderlichen Mess- und Beobachtungssysteme zur Erfüllung der in den Nummern 1 bis 7 genannten Aufgaben als Teil der Geodateninfrastruktur und
9. die Bereithaltung, Archivierung, Dokumentierung und Abgabe meteorologischer und klimatologischer Geodaten und Dienstleistungen. […]
(3) Der Deutsche Wetterdienst ist der nationale meteorologische Dienst der Bundes-republik Deutschland. Er nimmt an der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Meteorologie und Klimatologie teil und erfüllt die sich daraus ergebenden Verpflichtungen.

§ 6 DWDG lautet auszugsweise:

(1) Der Deutsche Wetterdienst ist so zu führen, daß die nicht durch Einnahmen gedeckten Ausgaben so gering wie möglich zu halten sind.
(2) Der Deutsche Wetterdienst verlangt für die Erbringung seiner Dienstleistungen eine Vergütung. Die Höhe der Vergütung wird vom Vorstand auf Basis betriebswirtschaftlicher Kalkulationsverfahren, gegebenenfalls erhöht auf Grund des wirtschaftlichen Wertes oder ermäßigt auf Grund eines besonderen öffentlichen Interesses, oder auf Grund internationaler Vereinbarungen in einer Preisliste festgesetzt. Sie enthält die Preise für Daten, Produkte und Spezialdienstleistungen.
(2a) Sofern nicht auf Grund anderer gesetzlicher Regelungen eine Pflicht zur Entrichtung von Gebühren besteht, sind folgende Dienstleistungen des Deutschen Wetterdienstes entgeltfrei: […]
2. jene an die Allgemeinheit nach § 4 Absatz 1 Nummer 3 und 7 zur öffentlichen Verbreitung, […].

§ 3a UWG lautet:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 2 Abs.1 Nr. 1 UWG lautet:

(1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet
1. "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäfts-abschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen […].

Akkreditierungsbedingungen

Vorverlegung der Uhrzeit auf 11.00 Uhr! Verkündungstermin in Sachen VII ZR 151/18 (Haftung der „Benannten Stelle“ im Zusammenhang mit dem Austausch von Silikonbrustimplantaten des französischen Herstellers PIP?) am 27. Februar 2020, 11.00 Uhr (vorher: 14.00 Uhr) (Verhandlungstermin: 19.9.2019)

Datum: 27.02.2020
Akkreditierungsschluss: 26.02.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Gutachten zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt im Anschluss an sein früheres Urteil vom 22. Juni 2017 (vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilungen Nrn. 94/2017, 44/2017 und 52/2015) erneut über eine Schadensersatzklage, die die Frage der Haftung der sogenannten Benannten Stelle im Sinne des europäisch harmonisierten Medizinprodukterechts für die Folgen der Verwendung von Silikonbrustimplantaten des französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) betrifft.

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Krankenkasse, macht geltend, sie habe die Kosten für Revisionsoperationen bei ihr gesetzlich versicherter Patientinnen getragen, denen Silikonbrustimplantate des Herstellers PIP eingesetzt worden seien. Sie nimmt aus übergegangenem Recht die Beklagte, die als Benannte Stelle im Auftrag von PIP bei dem vom Hersteller durchzuführenden EU-Konformitätsbewertungsverfahren nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG mitwirkte, auf Erstattung dieser Kosten in Anspruch.

Die Beklagte führte von 1997 bis 2010 die Bewertung des Qualitätssicherungssystems und die Prüfung der Auslegungsdokumentation der PIP durch. Die Durchführung dieses Konformitätsbewertungsverfahrens berechtigte die PIP als Herstellerin von Medizinprodukten, auf von ihr richtlinienkonform gefertigten Brustimplantaten ein CE-Kennzeichen anzubringen und ist nach § 6 Abs. 1 Medizinproduktegesetz Voraussetzung dafür, dass Medizinprodukte in Deutschland in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Die für PIP zuständige französische Aufsichtsbehörde stellte im März 2010 fest, dass dort nicht das eigentlich vorgesehene Rohmaterial für die Implantate verwendet wurde, sondern nicht für den menschlichen Körper zugelassenes Industriesilikon. Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass PIP vor Kontrollen der französischen Behörden und Überprüfungen durch die Beklagte den Herstellungsprozess auf den zertifizierten Ablauf mit der Verwendung des zugelassenen Silikons umgestellt und sämtliche Hinweise auf die Verwendung von Industriesilikon versteckt hatte. PIP meldete im Jahr 2011 Insolvenz an und wurde liquidiert. Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfahl Anfang 2012 die Entfernung der betroffenen Silikonbrustimplantate als Vorsichtsmaßnahme.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 50.287,15 € nebst Zinsen sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, einen darüber hinaus gehenden künftigen Regressschaden zu ersetzen. Nach ihrem Vortrag hat sie in 26 Fällen die Operationskosten für bei ihr versicherte Frauen erstattet, denen in den Jahren 2003 bis 2010 von PIP hergestellte Silikonbrustimplantate eingesetzt worden seien und die aufgrund der Empfehlung des BfArM diese Implantate hätten entfernen lassen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Das Oberlandesgericht hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte komme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Da eine Haftung der Beklagten bereits aus Rechtsgründen ausscheide, sei es unerheblich, ob der Beklagten im Zusammenhang mit der Überprüfung und Zertifizierung des Qualitätssicherungssystems und der Auslegungsdokumentation Pflichtverletzungen vorgeworfen werden könnten, denn etwaige Pflichten hätten jedenfalls nicht gegenüber den Versicherten der Klägerin bestanden.

Unmittelbare vertragliche Ansprüche zwischen den versicherten Frauen und der Beklagten - die dann nach § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen wären - bestünden mangels einer direkten rechtsgeschäftlichen Beziehung nicht. Ein Schadensersatzanspruch folge auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Der zwischen PIP und der Beklagten zur Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens nach § 6 Medizinproduktegesetz und der Richtlinie 93/42/EWG geschlossene Zertifizierungsvertrag entfalte keine Schutzwirkung zugunsten der versicherten Frauen, die als Patientinnen von den Brustimplantaten der PIP betroffen gewesen seien.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergebe sich ferner nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Beklagten habe bei ihrer Zertifizierungs- und Überwachungstätigkeit hinsichtlich der PIP keine besondere Garantenstellung gegenüber den Patientinnen oblegen. Ein Anspruch folge schließlich ebenso wenig aus § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz. § 6 Abs. 2 Medizinproduktegesetz sei kein Schutzgesetz in diesem Sinne. Es sei nicht erkennbar, dass der deutsche Gesetzgeber einen etwaigen Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Medizinproduktegesetz mit einer deliktsrechtlichen Haftung habe verknüpfen wollen.

Der VII. Zivilsenat hat bereits mit Urteil vom 22. Juni 2017 (VII ZR 36/14) über einen Sachverhalt entschieden, der die Haftung der Beklagten als Benannter Stelle gegenüber einer Patientin betraf, die sich auf ärztlichen Rat von PIP gefertigte Brustimplantate hatte entfernen lassen. Der Senat hat in dieser Entscheidung auf der Grundlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union und dessen daraufhin ergangenen Urteils vom 16. Februar 2017 (C-219/15; vgl. dazu auch die Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union Nr. 14/17 vom 16. Februar 2017) dahinstehen lassen, ob grundsätzlich eine vertragliche oder deliktische Haftung Anwendung findet. Nach den in dem betreffenden Fall revisionsrechtlich maßgeblichen Feststellungen schied eine Verantwortung der Beklagten jedenfalls mangels Pflichtverletzung aus. In der nunmehr zur Verhandlung anstehenden Sache wird wiederum inmitten stehen, ob eine - und gegebenenfalls welche - Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren in Betracht kommt und - sofern dies der Fall ist - ob die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Vorinstanzen:

LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 20. März 2014 - 11 O 7069/13 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Juli 2014
OLG Nürnberg - Urteil vom 27. Juni 2018 - 4 U 979/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 6 Medizinproduktegesetz

(1) Medizinprodukte, mit Ausnahme von Sonderanfertigungen, Medizinprodukten aus Eigenherstellung, Medizinprodukten gemäß § 11 Abs. 1 sowie Medizinprodukten, die zur klinischen Prüfung oder In-vitro-Diagnostika, die für Leistungsbewertungszwecke bestimmt sind, dürfen in Deutschland nur in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes 3 Satz 1 versehen sind. Über die Beschaffenheitsanforderungen hinausgehende Bestimmungen, die das Betreiben oder das Anwenden von Medizinprodukten betreffen, bleiben unberührt.
(2) Mit der CE-Kennzeichnung dürfen Medizinprodukte nur versehen werden, wenn die Grundlegenden Anforderungen nach § 7, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind, erfüllt sind und ein für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 37 Abs. 1 durchgeführt worden ist. Zwischenprodukte, die vom Hersteller spezifisch als Bestandteil für Sonderanfertigungen bestimmt sind, dürfen mit der CE-Kennzeichnung versehen werden, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt sind. …

§ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. …

§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 116 SGB X Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige

(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. …

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Februar 2020, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 193/18 (Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon) (Verhandlung 14.11.2019)

Datum: 20.02.2020
Akkreditierungsschluss: 19.02.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts für Bewertungen des Produkts durch Kunden eine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein eingetragener Wettbewerbsverein. Die Beklagte vertreibt sogenannte "Kinesiologie Tapes". Sie hat diese Produkte in der Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat deshalb am 4. November 2013 gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Beklagte bietet ihre Produkte auch bei der Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käufer können auf der Online-Handelsplattform die Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem - unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen - Produkt abgegeben wurden.

Am 17. Januar 2017 bot die Beklagte bei Amazon "Kinesiologie Tapes" an. Bei diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise "schmerzlinderndes Tape!", "This product is perfect for pain…", "Schnell lässt der Schmerz nach", "Linderung der Schmerzen ist spürbar", "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg" und "Schmerzen lindern" enthielten. Der Kläger forderte daraufhin von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Löschung der Kundenrezensionen lehnte Amazon auf Anfrage der Beklagten ab.

Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der Beklagten nicht zuzurechnen. Die Verantwortlichkeit der Beklagten ergebe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:
LG Essen - Urteil vom 30. August 2017 - 42 O 20/17
OLG Hamm - Urteil vom 11. September 2018 - 4 U 134/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 2 UWG
Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Februar 2020, 9.00 Uhr in Sachen I ZR 176/18 (Vergütung des Chefkameramanns des Filmwerks „Das Boot“)

Datum: 20.02.2020
Akkreditierungsschluss: 19.02.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über eine weitere angemessene Beteiligung des Chefkameramanns des Filmwerks „Das Boot“ an den von den ARD-Rundfunkanstalten erzielten Vorteilen aus der Ausstrahlung des Films zu entscheiden.

Sachverhalt:

Der Kläger war Chefkameramann des in den Jahren 1980/1981 hergestellten Filmwerks "Das Boot". Für seine Mitwirkung an der Produktion des Films erhielt er von der Produktionsgesellschaft eine Pauschalvergütung in Höhe von 204.000 DM (104.303,54 €). Der Film wurde national und international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und DVD ausgewertet.

Die Beklagten sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die zusammen mit dem in einem gesonderten Rechtsstreit in Anspruch genommenen Westdeutschen Rundfunk (WDR) in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossen sind. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten wegen der Ausstrahlungen des Films im Programm "Das Erste" der ARD, in von den Beklagten verantworteten Dritten Programmen und Digitalsendern und dem Sender 3Sat auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG in Anspruch. Für Ausstrahlungen des Films in der Zeit vom 29. März 2002 bis zum 12. März 2016 beansprucht er eine Nachvergütung in Höhe von mindestens 521.446,96 €. Für Ausstrahlungen ab dem 13. März 2016 verlangt er die Feststellung der Zahlungsverpflichtung der Beklagten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 77.333,79 € und dem Feststellungsantrag teilweise stattgegeben. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht dem Kläger für den Zeitraum vom 29. März 2002 bis zum 12. März 2016 eine weitere angemessene Beteiligung in Höhe von 315.018,29 € zugesprochen und festgestellt, dass ihm auch ab dem 13. März 2016 eine weitere angemessene Beteiligung zusteht. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger sein weitergehendes Klagebegehren weiter und erstreben die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 28. November 2017 - 17 O 127/11
OLG Stuttgart - Urteil vom 26. September 2018 - 4 U 2/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 32 UrhG Angemessene Vergütung

(1) Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene Vergütung gewährt wird.
(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist. ...

§ 32a UrhG Weitere Beteiligung des Urhebers

(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.
(2) Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich das auffällige Missverhältnis aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette. Die Haftung des anderen entfällt. ...

§ 287 ZPO Schadensermittlung; Höhe der Forderung

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin in Sachen III ZR 55/19 (Züchtereigenschaft für ein Fohlen, das genetisch von einer „hochklassigen“ Dressurstute abstammt, jedoch von einer anderen Stute ausgetragen wurde) am 20. Februar 2020 um 10.00 Uhr, Saal N004

Datum: 20.02.2020
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für Ansprüche aus Dienstverträgen zuständige III. Zivilsenat wird über die Frage zu entscheiden haben, wer in den Lebenspapieren eines Fohlens als Züchter einzutragen ist, wenn der genetischen Mutterstute die befruchtete Eizelle entnommen und einer anderen, in abweichendem Eigentum stehenden Stute eingepflanzt wurde, die sodann das Fohlen ausgetragen hat.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Eigentümerin des höchst erfolgreichen Dressurpferds „Weihegold“. Sie brachte die Stute 2011 auf den Hof des Beklagten zu 3 und vereinbarte mit ihm, dass das Pferd von ihm zur Grand-Prix-Reife ausgebildet werden solle. Der Beklagte zu 3 übernahm die Kosten für Pflege, Unterbringung und Beritt. Im Gegenzug räumte die Klägerin ihm das Recht ein, alle ein bis zwei Jahre einen Embryo aus „Weihegold“ zu entnehmen, um hierdurch Fohlen zu gewinnen.

2012 ließ der Beklagte zu 3 „Weihegold“ durch den Hengst „Apache“ besamen, nach zwölf Tagen die befruchtete Eizelle entnehmen und einer in seinem Eigentum stehenden Austragungsstute einsetzen. 2013 gebar diese Stute das Fohlen. Auf Veranlassung des Beklagten zu 3 stellte der Beklagte zu 2, ein vereinsrechtlich organisierter Verband von Pferdezüchtern, dessen Geschäftsführer der Beklagte zu 1 ist, für das Fohlen einen Equidenpass (§ 44a ViehVerkV*) und eine Eigentumsurkunde aus. In beiden Papieren ist der Beklagte zu 3 als Züchter eingetragen.

Die Klägerin macht geltend, nicht der Beklagte zu 3, sondern sie sei als Eigentümerin der genetischen Mutterstute die Züchterin des Fohlens. Sie verlangt von den Beklagten zu 1 und 2, den ausgestellten Equidenpass und die Eigentumsurkunde einzuziehen und unbrauchbar zu machen. Vom Beklagten zu 3 verlangt sie die Herausgabe dieser Papiere an den Beklagten zu 2.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die Klägerin verfolgt die von ihr erhobenen Ansprüche mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision weiter.

Vorinstanzen:

LG Münster – Urteil vom 9. Mai 2018 – 010 O 197/16
OLG Hamm – Urteil vom 11. April 2019 – I-5 U 56/18

§ 44a ViehVerkV

(1) 1Die Ausstellung eines Dokumentes zur Identifizierung von Einhufern (Equidenpass) nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 ist auf Antrag des Tierhalters für Einhufer,
1. die in ein Zuchtbuch eingetragen sind oder dort vermerkt sind und eingetragen werden können oder
2. die an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen,
von einer tierzuchtrechtlich anerkannten Züchtervereinigung oder, soweit die Einhufer nicht in einem Zuchtbuch eingetragen oder dort vermerkt sind, von einer internationalen Wettkampforganisation vorzunehmen. 2Für andere als in Satz 1 genannte Einhufer gilt Satz 1 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Equidenpass von der zuständigen Behörde oder einer von dieser beauftragten Stelle ausgestellt wird und lediglich die Angaben nach Abschnitt I, ausgenommen Teil A Nummer 3 Buchstabe b bis h, Nummer 4 und Teil B Nummer 12 bis 18, Abschnitt III, IV und VI bis IX des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 enthalten muss.
(2) 1Mit dem Antrag auf einen Equidenpass hat der Tierhalter
1. seine Registriernummer nach § 26 Absatz 2 und
2. den Eigentümer
mitzuteilen. 2Änderungen bei der nach Satz 1 Nummer 2 gemachten Angabe sind der Stelle, die das Dokument nach Absatz 1 ausgestellt hat, unverzüglich mitzuteilen.
(3) Soweit die zuständige Behörde nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 von der Ausstellung eines Equidenpasses absehen will, übermittelt sie die für die Unterrichtung der Europäischen Union erforderlichen Angaben dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

(4) 1Nach dem Tod, der Schlachtung oder dem Verlust eines Einhufers hat der jeweilige Tierhalter den Equidenpass unter Angabe des Todes- oder Verlustdatums unverzüglich an die Stelle, die das Dokument nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 ausgestellt hat, zurückzusenden. 2Dies ersetzt die Bescheinigung nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 504/2008.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen V ZR 155/18 (Gewohnheitsrechtliches Wegerecht auf Nachbargrundstücken) am 24. Januar 2020, 9.00 Uhr (Verhandlung: 27.9.2019)

Datum: 24.01.2020
Akkreditierungsschluss: 23.01.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem sich Grundstücksnachbarn darüber streiten, ob zugunsten der Kläger ein gewohnheitsrechtliches Wegerecht an den Grundstücken der Beklagten besteht.

Sachverhalt:

Die Kläger sind Eigentümer dreier nebeneinander an einer öffentlichen Straße liegender Grundstücke. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich u. a. Garagen. Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg befindet, über den die Kläger die rückwärtigen Bereiche und die Garagen ihrer Grundstücke erreichen. Eine entsprechende Nutzung des Weges wurde durch frühere Eigentümer der Grundstücke seit Jahren und nach dem Eigentumsübergang auf die Beklagte durch diese selbst geduldet. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2016 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die „Kündigung des Leihvertrages über das zu Ihren Gunsten vor über 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht“. Sie kündigte an, den Weg mit Wirkung zum 1. Januar 2017 zu sperren und begann im Dezember 2016 mit dem Bau einer Toranlage. In einem von den Klägern eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren erklärte sich die Beklagte bereit, bis zum Abschluss eines erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens die Zufahrt offen zu halten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, die Kläger nicht an der Nutzung des Weges zu hindern. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind die Kläger in entsprechender Anwendung von §§ 1027, 1004 BGB aufgrund von Gewohnheitsrecht zur Nutzung des Weges zum Erreichen ihrer Garagen, zum Transport von Mülltonnen sowie zur Ausübung eines Gewerbebetriebes berechtigt. Unter der Voraussetzung einer lang andauernden tatsächlichen Übung und der Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung dieser Übung bestehendes Recht zu befolgen, sei Gewohnheitsrecht auch im privaten und öffentlichen Wegerecht anzuerkennen. Soweit Gewohnheitsrecht nur als Rechtsquelle allgemeiner Art verstanden und deshalb als Rechtsgrund einer Verpflichtung zwischen Privatpersonen nicht anerkannt werde, sei dem nicht zu folgen. Im vorliegenden Fall bestehe eine langjährige tatsächliche Übung dahingehend, dass der rückwärtige Teil der klägerischen Grundstücke über die auf dem Grundstück der Beklagten befindliche Zufahrt erreicht werde. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die jeweiligen Grundstückseigentümer oder Nutzer oder die heutigen Parteien nicht von einem Wegerecht ausgegangen seien.

Mit der von dem V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Vorinstanzen:

LG Aachen – Urteil vom 11. Oktober 2017 – 11 O 157/17
OLG Köln – Beschluss vom 1. Juni 2018 – 16 U 149/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1027 BGB

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

§ 1004 BGB

(1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

§ 293 ZPO

1Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. 2Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin Sachen VI ZR 495/18 am 14. Januar 2020, 9.30 Uhr (Internetbewertungsportal) (Verhandlung: 19.11.2019)

Datum: 14.01.2020
Akkreditierungsschluss: 13.01.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt wegen ihrer Bewertungsdarstellung auf einem Internetportal dessen Betreiber auf Unterlassung, Feststellung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte betreibt im Internet ein Bewertungsportal, in dem angemeldete Nutzer Unternehmen durch die Vergabe von einem bis zu fünf Sternen und einen Textbeitrag bewerten können. Das Internetportal übernimmt alle Bewertungen (Beiträge) und stuft sie ohne manuelle Kontrolle durch eine Software automatisiert und tagesaktuell entweder als „empfohlen“ oder als „(momentan) nicht empfohlen“ ein.

Bei Aufruf eines Unternehmens werden mit dessen Bezeichnung und Darstellung bis zu fünf Sterne angezeigt, die dem Durchschnitt der Vergabe in den „empfohlenen“ Beiträgen entsprechen. Unmittelbar daneben steht die Angabe „[Anzahl] Beiträge“. Eine entsprechende Anzahl von Bewertungen ist – überschrieben mit „Empfohlene Beiträge für [Unternehmen]“ – jeweils mit vergebenen Sternen und dem Textbeitrag wiedergegeben. Am Ende dieser Wiedergabe steht „[Anzahl] andere Beiträge, die momentan nicht empfohlen werden“. Nach Anklicken der daneben befindlichen Schaltfläche wird folgender Text angezeigt:

„Was sind empfohlene Beiträge?

Unsere User veröffentlichen auf […] Millionen von Beiträgen. Aus diesem Grund benutzen wir eine automatisierte Software, um die hilfreichsten Beiträge hervorzuheben. Diese Software zieht mehrere Faktoren in Betracht, wie z.B. die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Users auf […]. Dieser Vorgang ist gleich für alle Geschäftsauflistungen und hat nichts damit zu tun, ob ein Unternehmen ein Anzeigenkunde bei uns ist oder nicht. Die Beiträge die nicht direkt in die Gesamtbewertung einberechnet werden sind aber unten aufgeführt. Hier mehr darüber erfahren.“

Darunter befindet sich die Überschrift „[Anzahl] Beiträge für [Unternehmen] werden momentan nicht empfohlen“ mit dem nachfolgenden „Hinweis: Die Beiträge unten werden nicht in der gesamten Sternchen-Bewertung für das Geschäft berücksichtigt.“ Danach folgt die Wiedergabe der nicht empfohlenen Beiträge.

Die Klägerin betreibt zwei Fitness-Studios. Sie ist der Auffassung, dass sich die Beklagte Meinungsäußerungen in den Beiträgen der Nutzer zu Eigen mache. Die Unterscheidung zwischen empfohlenen und momentan nicht empfohlenen Beiträgen erfolge willkürlich und nicht anhand nachvollziehbarer Kriterien, wodurch ein verzerrtes und unrichtiges Gesamtbild entstehe.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik auf ihrer Internetseite für die Fitness-Studios eine Gesamtbewertung oder eine Gesamtzahl der Bewertungen auszuweisen, in die Beiträge (Bewertungen), die von Nutzern der vorgenannten Internetseite abgegeben worden waren und welche die Beklagte als „momentan nicht empfohlen“ wertet, nicht einbezogen werden. Außerdem hat das Oberlandesgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz entstandenen sowie noch entstehenden Schadens festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht München – Urteil vom 12. Februar 2016 – 25 O 24644/14

Oberlandesgericht München – Urteil vom 13. November 2018 – 18 U 1280/16

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 14. Januar 2020 in Sachen X ZR 110/18 (Verkehrssicherungspflichten im Hoteleingangsbereich), 9.00 Uhr

Datum: 14.01.2020
Akkreditierungsschluss: 13.01.2020 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger macht gegen das beklagte Reiseunternehmen Ansprüche u.a. auf Rückzahlung des Reisepreises, Schadensersatz sowie Schmerzensgeld aufgrund eines Unfalls geltend, der sich im Rahmen einer bei der Beklagten gebuchten Pauschalreise ereignet hat.

Der Kläger buchte für seine Lebensgefährtin und sich eine Flugpauschalreise nach Lanzarote. Am Tag nach der Anreise kam es zu einem Unfall des Klägers, als dieser die Rollstuhlrampe vor dem Hoteleingang zu Fuß passierte. Aufgrund durch Regen gebildeter Feuchtigkeit geriet der Kläger zu Fall und erlitt infolge des Sturzes eine Handgelenksfraktur.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Wie bereits das Landgericht hat auch das Oberlandesgericht einen Reisemangel nach § 651c Abs. 1 BGB aF wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verneint. Ein Reisender müsse in bestimmten Fällen damit rechnen, dass Bereiche von Gehwegen nass seien und daher Vorsicht geboten sei. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne unter der Voraussetzung angenommen werden, dass der Reisende vor einer nässebedingten Rutschgefahr nicht ausreichend gewarnt werde und zudem die Bodenbeschaffenheit nicht den örtlichen Unfallverhütungsvorschriften entspreche. Dem Kläger sei hingegen schon nicht der Beweis gelungen, dass keine dementsprechenden Warnschilder aufgestellt gewesen seien. Diese Unsicherheit gehe zu Lasten des Klägers, der für die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte beweispflichtig sei. Daher könne im Streitfall offenbleiben, ob das spanische Recht bestimmte Anforderungen vorgebe, denen Rollstuhlrampen entsprechen müssten, und dass die Rollstuhlrampe zum Unfallzeitpunkt solchen Anforderungen genügt habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision.

Vorinstanzen:

LG Hannover - Urteil vom 7. September 2017 - 8 O 19/17
OLG Celle - Urteil vom 11. April 2018 - 11 U 147/17

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 651c BGB Abhilfe [in der bis zum 30.6.2018 geltenden Fassung]

(1) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
(…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 18. Dezember 2019, 9.00 Uhr in Sachen XII ZR 13/19 (Erhöhtes Parkentgelt bei Parken auf Privatgrundstück unter Verstoß gegen die Parkbedingungen) (Verhandlung: 27.11.2019)

Datum: 18.12.2019
Akkreditierungsschluss: 17.12.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob der Betreiber eines privaten Parkplatzes vom Halter eines unter Verstoß gegen die Parkbedingungen abgestellten Pkws ein sog. erhöhtes Parkentgelt verlangen kann.

Die Klägerin, ein mit der Bewirtschaftung privaten Parkraums befasstes Unternehmen, betreibt in Vollmacht der jeweiligen Grundstückseigentümer zwei Krankenhausparkplätze. Diese sind durch Hinweisschilder als Privatparkplätze ausgewiesen. Die Benutzung ist für eine Höchstparkdauer mit Parkscheibe kostenlos; außerdem gibt es gesondert beschilderte, den Krankenhausmitarbeitern mit Parkausweis vorbehaltene Stellflächen. Durch Schilder ist darauf hingewiesen, dass bei widerrechtlich abgestellten Fahrzeugen ein erhöhtes Parkentgelt von mindestens 30 € erhoben wird. Die Beklagte ist Halterin eines Pkws, der im Oktober 2015 auf dem Parkplatz des einen Krankenhauses unter Überschreitung der Höchstparkdauer sowie im Mai und im Dezember 2017 unberechtigt auf einem Mitarbeiterparkplatz des anderen Krankenhauses abgestellt war. Die drei am Pkw hinterlassenen Aufforderungen zur Zahlung eines erhöhten Parkentgelts blieben erfolglos. Daraufhin ermittelte die Klägerin durch Halteranfragen die Beklagte als die Fahrzeughalterin. Diese bestritt, an den betreffenden Tagen Fahrerin des Pkws gewesen zu sein, und verweigerte eine Zahlung.

Das Amtsgericht hat die u.a. auf Zahlung der erhöhten Parkentgelte sowie der Kosten der Halteranfragen und von Inkassokosten in einer Gesamthöhe von 214,50 € gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Da die Beklagte bestritten habe, den Pkw an den fraglichen Tagen gefahren zu haben, sei das Zustandekommen eines Mietvertrags über den jeweiligen Parkplatz zwischen ihr und der Klägerin als Voraussetzung des Anspruchs auf ein erhöhtes Parkentgelt (also auf eine Vertragsstrafe) nicht bewiesen. Vertragspartner des Parkplatzbetreibers könne nur der Pkw-Fahrer sein. Dafür, dass der Halter auch der Fahrer sei, spreche kein Anscheinsbeweis. Die Beklagte treffe auch keine Pflicht zur Angabe, wer Fahrer des Pkws gewesen sei. Denn die Klägerin könne sich die notwendigen Erkenntnisse durch Personal oder technische Einrichtungen wie eine Videoüberwachung zumutbar selbst verschaffen.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Sie hält das Bestreiten der Fahrereigenschaft durch die Beklagte für nicht ausreichend substantiiert, weil sie nicht vorgetragen habe, wer an ihrer Stelle ihr Fahrzeug geführt habe.

Vorinstanzen:

LG Arnsberg - Urteil vom 16. Januar 2019 - I-3 S 110/18
AG Arnsberg - Urteil vom 1. August 2018 - 12 C 75/18

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen V ZR 203/18 (Eltern-Kind-Zentrum in einer Wohnungseigentumsanlage) am 13. Dezember 2019, 9.00 Uhr (Verhandlung: 20.9.2019)

Datum: 13.12.2019
Akkreditierungsschluss: 12.12.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem zwei Wohnungseigentümer von einem Verein verlangen, eine Teileigentumseinheit nicht weiter zum Betrieb eines Eltern-Kind-Zentrums zu nutzen.

Sachverhalt:

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Ihre Wohnung befindet sich im ersten Obergeschoss. Der Beklagte – ein eingetragener Verein – ist Mieter einer unmittelbar darunter im Erdgeschoss belegenen Teileigentumseinheit, die in der Teilungserklärung als „Laden mit Lager“ bezeichnet ist. Dort betreibt er ein sog. Eltern-Kind-Zentrum. Dessen Ziel ist es laut Satzung des Beklagten unter anderem, der zunehmenden Isolation von Eltern entgegenzuwirken, die sich aus der Situation der Familien in der Großstadt ergibt. Geöffnet ist das Zentrum werktags zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr. Vormittags findet ein „Mini-Kindergarten“ für Kinder im Alter zwischen 18 und 36 Monaten statt, montags und freitags des Weiteren der Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ für Eltern. Nachmittags veranstaltet der Beklagte ein „offenes Spielzimmer“ für Kinder und Familienangehörige mit Kaffee und Kuchen sowie Spielecke, ferner weitere Kinderkurse (Zeichenkurse, Musikkurse, Zumba Kids). Überwiegend nachmittags finden sog. offene Spielgruppen in verschiedenen Sprachen für Kinder und Eltern statt. Samstags treffen sich von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr die „Scuola Italiana“ für Kinder von 4 bis 6 Jahren und einmal pro Monat von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr die „Girl Scouts“ (Pfadfinderinnen von der zweiten bis zur achten Jahrgangsstufe). Unregelmäßig finden Kinderfeiern, z.B. Faschingsfeiern, Flohmärkte und Vorträge statt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten vor dem Oberlandesgericht ist erfolglos geblieben.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht den Klägern ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu. Bei der in der Teilungserklärung enthaltenen Angabe „Laden mit Lager“ handele es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter i.S.d. § 15 Abs. 1 WEG. Die hiervon abweichende tatsächliche Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum sei unzulässig, da sie bei typisierender Betrachtungsweise mehr störe als die vorgesehene Nutzung. In einem Laden halte man sich nicht in Gruppen über einen längeren Zeitraum auf; ebensowenig fänden dort gemeinsame Aktivitäten (wie etwa Spielen, Singen, Tanzen) mit festen Anfangs- und Endzeiten oder ein Austausch bzw. geselliges Beisammensein mit Kaffee und Kuchen wie bei dem Betrieb eines Cafés statt. Solche Aktivitäten ließen bereits nach der Lebenserfahrung eine deutlich störendere und konzentriertere Geräusch-entwicklung als bei einer Verkaufsstätte zum Betrieb von Waren erwarten. Die Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG bzw. dessen Ausstrahlungswirkung komme dem Beklagten nicht zugute. Angesichts der nicht nur unwesentlichen Ausrichtung der Veranstaltungen des Eltern-Kind-Zentrums auf die Familie insgesamt unter Einbeziehung von Eltern, Großeltern, etc. handele es sich weder um eine Kindertageseinrichtung noch um eine ähnliche Einrichtung im Sinne der Vorschrift. Auf Grund der einheitlichen Zielsetzung des Eltern-Kind-Zentrums als Begegnungsstätte ließen sich dessen Angebote auch nicht in solche, die nur an Kinder gerichtet seien, und sonstige Aktivitäten aufteilen.

Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision möchte der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Vorinstanzen:

LG München I – Urteil vom 31. März 2017 – 20 O 21847/10
OLG München – Beschluss vom 17. Juli 2018 – 18 U 1148/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

§ 15 WEG Gebrauchsregelung

(1) Die Wohnungseigentümer können den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln.

(…)

§ 22 BImSchG Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen

(1) (…)

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen I ZR 173/16, I ZR 174/16 und I ZR 117/17, (Bundesgerichtshof zur Werbung mit dem markenrechtlich geschützten "ÖKO-TEST-Siegel") am
12. Dezember 2019, 9.00 Uhr (Verhandlung: 19.9.2019)

Datum: 12.12.2019
Akkreditierungsschluss: 11.12.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Benutzung von Testsiegel-Marken die Rechte des Markeninhabers verletzt.

Sachverhalt:

Die Klägerin gibt seit 1985 das Magazin "ÖKO-TEST" heraus, in dem Waren- und Dienstleistungstests veröffentlicht werden. Sie ist Inhaberin einer im Jahr 2012 eingetragenen Unionsmarke, die das ÖKO-TEST-Siegel wiedergibt und markenrechtlichen Schutz für die Dienstleistungen "Verbraucherberatung und Verbraucherinformation bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen" gewährt. Die Klägerin gestattet den Herstellern und Vertreibern der von ihr getesteten Produkte die Werbung mit dem ÖKO-TEST-Siegel, wenn diese mit ihr einen entgeltlichen Lizenzvertrag schließen.

Die Beklagten sind Versandhändler und haben in ihren Online-Shops mit dem ÖKO-TEST-Siegel geworben, ohne zuvor einen Lizenzvertrag mit der Klägerin geschlossen zu haben.

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 173/16 bot in ihrem Internetportal eine blaue Baby-Trinkflasche und einen grünen Baby-Beißring an, die von der Klägerin in einer anderen Farbgestaltung getestet worden waren. Neben den Produktpräsentationen fand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Siegels, das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "sehr gut" und der Fundstelle des Tests versehen war.

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 174/16 bot in ihrem Internetportal einen Lattenrost in verschiedenen Größen und Ausführungsformen sowie einen in Schwarz, Weiß und Rot gehaltenen Fahrradhelm an. Neben den Angeboten war das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "gut" bzw. "sehr gut" und der Fundstelle des Tests versehene ÖKO-TEST-Siegel abgebildet. Die Klägerin hatte den Lattenrost in einer bestimmten Größe mit verstellbarem Kopf- und Fußteil getestet. Den Fahrradhelm hatte sie in einer anderen Farbgestaltung als den von der Beklagten angebotenen Helm getestet.

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 117/17 bot in ihrem Internetportal einen Lattenrahmen und ein Kopfkissen in verschiedenen Größen an. Neben den Angeboten befand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Siegels mit dem Zusatz "Richtig gut leben" sowie mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "gut" bzw. "sehr gut" sowie der Fundstelle des Tests. Der Lattenrahmen und das Kopfkissen waren von der Klägerin jeweils nur in einer der angebotenen Größen getestet worden. Erst nach der Veröffentlichung des Angebots durch die Beklagte schlossen die Parteien einen Lizenzvertrag zur Nutzung des ÖKO-TEST-Siegels für das Kopfkissen in der getesteten Größe.

Die Klägerin sieht in der Werbung mit dem ÖKO-TEST-Siegel jeweils eine Verletzung ihrer Rechte an der Unionsmarke. Sie hat die Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage in dem Verfahren I ZR 173/16 stattgegeben und die Klage in dem Verfahren I ZR 174/16 abgewiesen. In der Berufung waren beide Klagen erfolgreich. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der Klagemarke handele es sich um eine bekannte Marke. Die Beklagten hätten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. c GMV und Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. c UMV die Wertschätzung der Klagemarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt, indem sie ein ähnliches Zeichen in der Werbung benutzt hätten. Der Klägerin müsse aus Gründen des Markenrechts die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, ob im konkreten Fall die beworbenen Produkte als von ihr getestet dargestellt werden dürfen.
Im Verfahren I ZR 117/17 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen der Klagemarke und dem von der Beklagten verwendeten Zeichen bestehe trotz des Zusatzes "Richtig gut Leben" Identität im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV. Die Beklagte habe auch die Dienstleistung erbracht, für welche die Klagemarke eingetragen ist, und damit die Werbefunktion der Marke beeinträchtigt. Der später abgeschlossene Lizenzvertrag entfalte keine Rückwirkung. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ergebe sich außerdem aus Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV, weil das ÖKO-TEST-Siegel eine bekannte Marke sei, deren Wertschätzung die Klägerin in unlauterer Weise ausgenutzt habe.

Mit ihren vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Verfahren I ZR 173/16 und I ZR 174/16 mit Beschlüssen vom 18. Januar 2018 (dazu Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs 14/2018 vom 18. Januar 2018) und das Verfahren I ZR 117/17 mit Beschluss vom 20. November 2018 jeweils bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im dortigen Verfahren C-690/17 ausgesetzt. In jenem Verfahren hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 30. November 2017 (20 U 152/16, GRUR 2018, 617) Rechtsfragen zur rechtsverletzenden Benutzung derselben Marke vorgelegt, die auch für die Entscheidung der Streitfälle erheblich sind. Diese Fragen hat der EuGH mit Urteil vom 11. April 2019 (GRUR 2019, 621 – ÖKO-Test Verlag/Dr. Liebe) beantwortet.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 9 GMV (VO [EG] 207/2009) lautet auszugsweise:

(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
a) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist; […]
c) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Art. 9 UMV (VO [EU] 2017/1001) lautet auszugsweise:

(1) Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.
(2) Der Inhaber einer Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn
a) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist; […]
c) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.


Vorinstanzen:

im Verfahren I ZR 173/16
LG Berlin - Urteil vom 8. September 2015 - 102 O 13/15
KG Berlin - Urteil vom 21. Juni 2016 - 5 U 136/15

im Verfahren I ZR 174/16
LG Berlin - Urteil vom 28. Juli 2015 - 103 O 5/15
KG Berlin - Urteil vom 21. Juni 2016 - 5 U 108/16

Im Verfahren I ZR 117/17
LG Koblenz - Urteil vom 25. Januar 2017 - I HK O 21/15
OLG Koblenz - Beschluss vom 22. Juni 2017 - 6 U 198/17

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen VIII ZR 285/18 (Abtretung von Ansprüchen aus einem Mietverhältnis an den Inkassodienstleister "Mietright") am 27. November 2019, 12.00 Uhr (Verhandlung: 16.10.2019)

Datum: 27.11.2019
Akkreditierungsschluss: 26.11.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin (Mietright GmbH) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Berlin, die damit wirbt, softwarebasiert – namentlich über die von ihr betriebene Internetseite und einen dort für Besucher nutzbaren "Online-Rechner" – sowie "ohne Kostenrisiko" Rechte von Wohnraummietern unter anderem im Zusammenhang mit den Vorschriften zur sogenannten Mietpreisbremse, Schönheitsreparaturen und mangelbedingter Mietminderung geltend zu machen und durchzusetzen. Sie ist beim Kammergericht Berlin als Rechtsdienstleister (Inkasso) registriert.

Im vorliegenden Fall war die Klägerin entsprechend ihrem Geschäftsmodell von einem Wohnungsmieter aus Berlin mit der Geltendmachung und Durchsetzung seiner Forderungen und etwaiger Feststellungsbegehren im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse (§ 556d BGB) beauftragt worden. Die Klägerin vereinbarte mit dem Mieter die Abtretung seiner diesbezüglichen Forderungen und machte – nach vorherigem Auskunftsverlangen und Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB gegen die beklagte Wohnungsgesellschaft Ansprüche auf Rückzahlung von nach Maßgabe des § 556d BGB überhöhter Miete (24,76 €) sowie auf Zahlung damit im Zusammenhang stehender Rechtsverfolgungskosten (166,90 €) geltend.

Das Amtsgericht hat der Klage (nur) bezüglich der Rückzahlung überhöhter Mietzinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht (LG Berlin, 63. Zivilkammer, Grundeigentum 2018, 1231) hat die Klage vollständig abgewiesen.

Der Klägerin fehle, so das Berufungsgericht, bereits die Befugnis, die streitigen Ansprüche geltend zu machen (sogenannte Aktivlegitimation), da die zwischen ihr und dem Wohnungsmieter vereinbarte Forderungsabtretung wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot zur Erbringung unerlaubter Rechtsdienstleistungen gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 3 und weiteren Bestimmungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) nichtig sei. Nach dem Geschäftsmodell der Klägerin liege der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gerade nicht auf der Erbringung von Inkassodienstleistungen, für die sie registriert sei (§ 10 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 RDG), sondern vielmehr im Bereich der Rechtsberatung (§ 2 Abs. 1 RDG) mit lediglich angeschlossener Inkassodienstleistung. Denn die Klägerin werde bereits vor Abschluss der Abtretungsvereinbarung rechtberatend tätig, indem sie mittels ihrer Onlineplattform die ortsübliche Vergleichsmiete ermittle und die jeweiligen Merkmale prüfe. Über eine bloße Inkassodienstleistung gehe es auch hinaus, dass die Klägerin eine Tatbestandvoraussetzung des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs durch die von ihr erhobene Rüge nach § 556g Abs. 2 BGG selbst geschaffen habe.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Sie vertritt die Auffassung, dass die von ihr erbrachten Tätigkeiten von ihrer Registrierung als Inkasso-Dienstleisterin umfasst seien. Insbesondere handele es sich bei der Zurverfügungstellung des Mietpreisrechners auf ihrer Internetseite nicht um eine rechtsberatende Tätigkeit, sondern um eine rein schematische Dienstleistung, die sich darin erschöpfe, die mithilfe des Mitspiegels ermittelte ortübliche Vergleichsmiete um 10 % zu erhöhen und diesen Betrag sodann von der vereinbarten Miete abzuziehen.

Viele der im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen werden bislang –bezogen sowohl auf das Geschäftsmodell der Klägerin als auch auf ähnlich tätige Unternehmen – von den Instanzgerichten und im Schrifttum teilweise sehr unterschiedlich beantwortet. Bezüglich der Tätigkeit der Klägerin hat die 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin (NJW 2018, 2901) ebenso wie das Berufungsgericht (63. Zivilkammer) im vorliegenden Verfahren einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz bejaht und aus diesem Grund die Aktivlegitimation der Klägerin bezüglich der an sie abgetretenen Ansprüche verneint. Demgegenüber haben die 65. Zivilkammer (NJW 2018, 2898) sowie die 66. Zivilkammer des Landgerichts Berlin (WuM 2018, 575, Revision anhängig unter Az. VIII ZR 275/18) einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verneint und jeweils die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 556d BGB Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung

(1) Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete […] höchstens um 10 Prozent übersteigen.
(2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. […]

§ 556g BGB Rechtsfolgen, Auskunft über die Miete

[…]
(2) 1Der Mieter kann von dem Vermieter eine nach den §§ 556d […] nicht geschuldete Miete nur zurückverlangen, wenn er einen Verstoß gegen die Vorschriften dieses Unterkapitels gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zugang der Rüge fällig geworden ist. […]

§ 134 BGB Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 1 RDG Anwendungsbereich

(1) 1Dieses Gesetz regelt die Befugnis, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. 2Es dient dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen.
[…]

§ 2 RDG Begriff der Rechtsdienstleistung

(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
(2) 1Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). […]

§ 3 RDG Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

§ 10 RDG Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde

(1) 1Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:
1.Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1),
[…]

Vorinstanzen:
Amtsgericht Lichtenberg – Urteil vom 7. November 2017 – 6 C 194/17
Landgericht Berlin – Urteil vom 28. August 2018 – 63 S 1/18

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin im Verfahren 2 StR 557/18 (Verurteilung von zwei Strafvollzugsbediensteten wegen fahrlässiger Tötung nach Gewährung von Vollzugslockerungen) am 26. November 2019, 12.00 Uhr (Verhandlung 25.9.2019)

Datum: 26.11.2019
Akkreditierungsschluss: 25.11.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Limburg hat zwei Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von jeweils neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die beiden Strafvollzugsbediensteten entschieden, einen bereits mehrfach wegen Verkehrsdelikten vorbestraften Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm dort weitere Lockerungen zu gewähren. Der Strafgefangene hatte sodann während eines Ausgangs ein Fahrzeug geführt, ohne im Besitz der notwendigen Fahrerlaubnis zu sein, war in eine Polizeikontrolle geraten und geflüchtet; bei seiner Flucht stieß er mit dem Fahrzeug einer 21jährigen Frau zusammen, die ihren tödlichen Verletzungen erlag. Der Strafgefangene ist wegen dieser Tat bereits u. a. wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Das Landgericht hat in den Entscheidungen der Angeklagten, den Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm Vollzugslockerungen zu gewähren, ein pflichtwidriges Handeln der Angeklagten gesehen, durch welches sie den Tod der Geschädigten fahrlässig mitverursacht hätten.

Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die beiden Angeklagten mit ihren auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen.

Vorinstanz:

Landgericht Limburg – Urteil vom 7. Juni 2018 - 5 KLs 3 Js 11612/16

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen 3 StR 561/18 (Verurteilung wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge) am 14. November 2019, 14.30 Uhr (Hauptverhandlung: 17.10.19)

Datum: 14.11.2019
Akkreditierungsschluss: 14.11.2019 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Wichtiger Hinweis:
Der Termin findet in der Außenstelle des Bundesgerichtshofs statt – Rintheimer Querallee 11, Sitzungssaal E 004, Karlsruhe!

Das Landgericht Osnabrück hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen war der Angeklagte mit Hilfe von Schleusern von Afghanistan in die Türkei ausgereist, um von dort nach Griechenland weiter geschleust zu werden. Gegenüber seinem Schleuser sagte er zu, als männlicher Begleiter, Ansprechpartner und Kontaktperson von zwei ebenfalls nach Griechenland zu schleusenden afghanischen Frauen und deren vier Kindern zu dienen.

Bei der Überfahrt nach Griechenland war das Boot überladen und kenterte nach stundenlanger Irrfahrt in griechischen Hoheitsgewässern. Die zwei Frauen und ihre vier Kinder sowie weitere Passagiere des Boots ertranken, der Angeklagte wurde hingegen von der griechischen Küstenwache gerettet und reiste später nach Deutschland weiter.

Das Landgericht hat in der später umgesetzten Zusage, für die Frauen als Begleiter zu fungieren, eine Unterstützung des Schleusers der Frauen gesehen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

Vorinstanz:

Landgericht Osnabrück - Urteil vom 31. Juli 2018 - 6 Ks/730 Js 44390/16 - 4/18

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermine in Sachen XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19 (Zum Widerruf von mit Kfz-Kaufverträgen verbundenen Verbraucherdarlehensverträgen) am 5. November 2019, 9.00 Uhr (XI ZR 650/18) und 10.00 Uhr (XI ZR 11/19)

Datum: 05.11.2019
Akkreditierungsschluss: 04.11.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Parteien streiten jeweils um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Die Kläger beider Verfahren erwarben jeweils ein Kraftfahrzeug. Zugleich schlossen sie zur Finanzierung des über die vereinbarten Anzahlungen hinausgehenden Kaufpreisteils im Mai 2016 (XI ZR 650/18) bzw. Juli 2013 (XI ZR 11/19) mit den jeweils beklagten Banken Darlehensverträge zu einem gebundenen Sollzinssatz von 3,92% p.a. und einer festen Laufzeit. Die Darlehensvertragsunterlagen enthielten eine Widerrufsinformation, in der u.a. für den Fall des Widerrufs über dessen Folgen informiert wird. Dort heißt es (nachfolgend die Formulierung in der Sache XI ZR 650/18; die in der Sache XI ZR 11/19 ist inhaltsgleich):

„Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, haben Sie es spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wird.“

Die Vertragsunterlagen enthalten jeweils keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Darlehensvertrag außerordentlich unter den in § 314 BGB genannten Voraussetzungen gekündigt werden kann.

Hinsichtlich einer der Bank zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens heißt es den Vertragsunterlagen, dass sich diese nach den vom Bundesgerichtshof „vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen“ berechne, wobei einzelne bei der Berechnung zu berücksichtigende Parameter aufgeführt werden. Dargestellt sind ferner die gesetzlichen Höchstgrenzen der Vorfälligkeitsentschädigung (vgl. § 502 Abs. 3 BGB).
Nach Erbringung von Zins- und Tilgungsleistungen erklärten die jeweiligen Kläger im Jahr 2017 den Widerruf ihrer auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Sie meinen, die Vertragsunterlagen enthielten nicht alle für das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist vorgeschriebenen Angaben, weil nicht bzw. nicht hinreichend klar und verständlich über die Widerrufsfolgen, die Methode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB informiert worden sei. Aufgrund des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags seien sie auch an den Kaufvertrag über das Kraftfahrzeug nicht mehr gebunden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die u.a. auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen gerichteten Klagen haben die Landgerichte abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Kläger hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es jeweils ausgeführt:

Das Widerrufsrecht sei verfristet, weil die Angaben in den Darlehensverträgen jeweils nicht zu beanstanden gewesen seien. Die Angabe eines zu zahlenden Zinsbetrags von 0 € in der Information über die Widerrufsfolgen sei klar und verständlich. Dies könne vom Verbraucher nur dahin verstanden werden, dass im Falle des Widerrufs keine Zinsen erhoben würden.

Über das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB habe nicht belehrt werden müssen. Soweit unter Berufung auf die Gesetzesbegründung Gegenteiliges vertreten werde, stehe dies mit der Verbraucherkreditrichtlinie nicht in Einklang, die eine solche Belehrungspflicht nicht vorsehe. Dementsprechend sei auch das nationale Recht auszulegen.

Auch die Informationen betreffend den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung seien ordnungsgemäß. Selbst wenn die Informationen nicht hinreichend verständlich wären, folge hieraus kein Widerrufsrecht. Da der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung bei fehlerhaften oder fehlenden Angaben von Gesetzes wegen ausgeschlossen sei (vgl. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB), hänge der Beginn der Widerrufsfrist von der Erteilung hinreichender Informationen nicht ab.

Vorinstanzen:

In der Sache XI ZR 650/18:

LG Bonn - Urteil vom 7. März 2018 – 19 O 364/17
OLG Köln- Urteil vom 29. November 2018 - 24 U 56/18

In der Sache XI ZR 11/19:

LG Köln - Urteil vom 12. Juli 2018 – 22 O 110/18
OLG Köln - Urteil vom 6. Dezember 2018 - 24 U 112/18


Die maßgeblichen Vorschriften lauten (nach dem in der Sache XI ZR 650/18 maßgeblichen geltenden Rechtsstand):

§ 358 Abs. 2 BGB

(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.

§ 492 Abs. 2 BGB

(2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.

Art. 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB

(1) Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten:
[…]
5. das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags,
[…]
(2) Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben. […]

Art. 247 § 7 Abs. 1 EGBGB

(1) Der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag muss folgende klar und verständlich formulierte weitere Angaben enthalten, soweit sie für den Vertrag bedeutsam sind:
[…]
3. die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt,
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin im Verfahren 1 StR 219/17 (Freispruch ehemaliger Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank AG vom Vorwurf des versuchten Prozessbetruges) am 31. Oktober 2019, 9.30 Uhr (Verhandlung: 22.10.2019)

Datum: 31.10.2019
Akkreditierungsschluss: 29.10.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Wichtiger Hinweis:
Der Termin findet in der Hauptstelle des Bundesgerichtshofs statt – Herrenstraße 45 a, Sitzungssaal E 101, Karlsruhe!

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, in einem Zivilprozess gegen einen der Angeklagten und die vormals von ihnen vertretene Deutsche Bank AG bewusst falschen Sachvortrag in Anwaltsschriftsätzen veranlasst bzw. nicht unterbunden sowie auf Befragen durch das Oberlandesgericht München unwahre Angaben gemacht zu haben. Aufgrund eines gemeinsamen Tatplans hätten sie hierdurch – im Ergebnis erfolglos – erreichen wollen, dass die an die Insolvenz von Gesellschaften eines Medienkonzerns anknüpfende Schadensersatzklage abgewiesen wird.

Das Landgericht München I hat die Angeklagten von dem gegen sie erhobenen Vorwurf des versuchten Betruges aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat sich insbesondere nicht davon überzeugen können, dass die Angeklagten in dem Zivilverfahren wahrheitswidrig vortragen lassen oder falsche Angaben machen wollten. Zugleich hat das Landgericht die Nebenbeteiligte Deutsche Bank AG freigesprochen, also gegen sie keine Geldbuße verhängt.

Mit ihren Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche von drei der ursprünglich fünf Angeklagten und gegen den Freispruch der Nebenbeteiligten.

Vorinstanz:
Landgericht München I – Urteil vom 25. April 2016 – 5 KLs 401 Js 160239/11

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 17. Oktober 2019 in Sachen I ZR 44/19 (Zulässigkeit des Verkaufs von Backwaren in Bäckereifilialen an Sonn- und Feiertagen) um 9.00 Uhr

Datum: 17.10.2019
Akkreditierungsschluss: 16.10.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob der Verkauf von Backwaren in Bäckereifilialen an Sonn- und Feiertagen zulässig ist.

Sachverhalt:

Die Beklagte stellt Brot-, Back- und Konditoreiwaren her und vertreibt diese in ihren Filialen in München. Sie veräußerte in zwei Filialen an Sonntagen über einen Zeitraum von jeweils mehr als drei Stunden Brote und unbelegte Brötchen. In einer anderen Bäckerei-Verkaufsstelle wurden an einem Pfingstmontag eine Brezel, unbelegte Brötchen sowie ein Laib Brot verkauft.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, meint, die Beklagte habe damit gemäß § 3a UWG unlauter gehandelt, weil sie gegen § 3 Satz 1 Nr. 1 des Ladenschlussgesetzes sowie § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Verordnung über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen verstoßen habe. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Hinsichtlich des Verkaufs in der Bäckerei-Verkaufsstelle am Pfingstmontag hat das Berufungsgericht angenommen, die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin habe schon nicht dargetan, dass die Beklagte die Verkaufsstelle selbst betreibe oder zwischen der Beklagten und dem Betreiber vertragliche Beziehungen bestünden, die über ein gewöhnliches Abnehmerverhältnis hinausgingen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht angenommen, die Verkäufe seien gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes erlaubt gewesen. Die Beklagte betreibe in den jeweiligen Filialen ein Gaststättengewerbe, weil Sitzgelegenheiten zum Verzehr von Speisen und Getränken vor Ort vorhanden seien. Dem stehe nicht entgegen, dass Ladenlokale wie die der Beklagten vom Verbraucher üblicherweise in erster Linie zum Einkauf von Bäcker- und Konditorwaren benützt würden. Der Umstand, dass es sich bei den hier in Rede stehenden Betrieben jeweils um Mischbetriebe aus einem Ladengeschäft und einem Cafébetrieb handele, sei ohne Einfluss auf die Anwendbarkeit der Regelungen des Gaststättengesetzes. Bei den von der Beklagten hergestellten Broten und Brötchen handele es sich um zubereitete Speisen, auch wenn sie nicht belegt seien.

Vorinstanzen:

LG München II - Urteil vom 20. April 2018 - 12 O 4218/17
OLG München - Urteil vom 14. Februar 2019 - 6 U 2188/18 (GRUR-RR 2019, 227)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 3 Satz 1 Nr. 1 LadSchIG

Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein:
1. an Sonn- und Feiertagen,
(…)

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SonntVerkV

(1) Abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Ladenschluß dürfen an Sonn- und Feiertagen geöffnet sein für die Abgabe
(…)
2. von Bäcker- oder Konditorwaren:
Verkaufsstellen von Betrieben, die Bäcker- oder Konditorwaren herstellen, für die Dauer von drei Stunden,
(…)
(2) Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gilt nicht für die Abgabe am 2. Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertag.

§ 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG

(2) Der Schank- oder Speisewirt darf außerhalb der Sperrzeit zum alsbaldigen Verzehr oder Verbrauch
1. Getränke und zubereitete Speisen, die er in seinem Betrieb verabreicht,
(…)
an jedermann über die Straße abgeben.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin im Verfahren 1 StR 39/19 (Verurteilung des ehemaligen Präsidenten einer Musikhochschule wegen sexueller Nötigung in drei Fällen; Freispruch in einem weiteren Fall)
am 9. Oktober 2019, 10.10 Uhr im Saal E 101

Datum: 09.10.2019
Akkreditierungsschluss: 09.10.2019 09:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht München I hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in drei Fällen zum Nachteil der Nebenklägerin A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hinsichtlich eines weiteren Falles zum Nachteil der Nebenklägerin S. hat es ihn freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte in den Jahren 2007, 2009 und 2013 die sich um eine Stelle an der Hochschule bewerbende Sängerin A. in drei Fällen – jeweils nach Vereinbarung eines Termins in seinem Büro in der Musikhochschule auf das Sofa gestoßen und sich auf sie gelegt bzw. sie mit seinem Griff festgehalten und jeweils trotz verbalen Protests und Gegenwehr verschiedene sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen.

Zu dem Freispruchsfall hat das Landgericht festgestellt: Die Nebenklägerin S. hatte sich auf eine vakante Stelle als Assistentin der Referentin des Angeklagten beworben. Im Juli 2004 begab sie sich nach Vereinbarung eines Termins in dessen Büro, um mit ihm darüber zu sprechen. Der Angeklagte stellte zunächst die Assistententätigkeit dar, gab ihr dann einen Zungenkuss, drückte sie bäuchlings auf das Sofa, zog ihr unter dem Kleid die Unterhose herunter und führte den Analverkehr bis zum Samenerguss durch. Das Landgericht konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte die Gewalt angewendet hat, um einen aus seiner Sicht zu erwartenden Widerstand auszuschließen.

Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision gegen seine Verurteilung. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin S. richten sich gegen den Freispruch des Angeklagten.

Vorinstanz:
Landgericht München I – Urteil vom 16. Mai 2018 – 10 KLs 454 Js 160018/16

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen VIII ZR 21/19 (Härteeinwand bei Modernisierungsmieterhöhung) am 9. Oktober 2019, 15.00 Uhr (Verhandlung: 9.10.19)

Datum: 09.10.2019
Akkreditierungsschluss: 09.10.2019 14:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger ist Mieter einer knapp 86 qm großen Wohnung der Beklagten in Berlin, in der er seit seinem fünften Lebensjahr wohnt und die er inzwischen allein bewohnt. Die Wohnung liegt in einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1929. Der Mietvertrag über die Wohnung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld II und erhält zur Deckung der Wohnungsmiete monatlich einen Betrag von ca. 463,10 €. Seit Juni 2016 betrug die Kaltmiete für die Wohnung 574,34 € pro Monat zuzüglich eines Heizkostenvorschusses in Höhe von 90,- €.

Die beklagte Vermieterin ließ im Haus verschiedene Baumaßnahmen durchführen. Unter anderem wurden Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchgeführt, die bisherigen Balkone durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils ca. 5 qm ersetzt und ein seit den 1970er Jahren stillgelegter Fahrstuhl wieder in Betrieb genommen.

Ende März 2016 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete ab dem 1. Januar 2017 um 240,- € monatlich. Hiervon entfielen nach ihren Erläuterungen 70,- € auf die Dämmungsarbeiten (davon 4,16 € auf die Dämmung der obersten Geschossdecke), 100,- € auf den Anbau der neuen Balkone und weitere 70,- € auf die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls. Hiergegen wandte der Kläger ein, die Mieterhöhung bedeute für ihn eine finanzielle Härte.

Er erhob Klage auf Feststellung, dass er nicht zur Zahlung der verlangten Mieterhöhung von 240 € monatlich verpflichtet sei. Das Amtsgericht hat daraufhin jedoch nur festgestellt, dass er nicht zur Zahlung der Mieterhöhung von 70 € für die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls verpflichtet sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass der Kläger aufgrund seines Härteeinwands ab dem 1. Januar 2017 zur Zahlung einer Mieterhöhung von mehr als 4,16 € monatlich nicht verpflichtet sei. Denn er schulde weder für den Anbau eines größeren Balkons noch für die Fassadendämmung eine Mieterhöhung. Zu zahlen habe er nur den auf die Dämmung der obersten Geschossdecke entfallenden Betrag von zusätzlich 4,16 € monatlich. Die weiteren Mieterhöhungen (100,- € für den Balkonanbau und 65,84 € für die Dämmung der Außenfassade) seien unwirksam, weil sie für den Kläger jeweils eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Beklagten nicht zu rechtfertigen sei.

Angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers würden beide Mieterhöhungen für sich betrachtet jeweils mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass er die Wohnung aufgeben müsse. Die Frage, ob die Wohnung mit knapp 86 qm für den Kläger als Einzelperson unangemessen groß sei, spiele hierbei keine Rolle. Denn die Angemessenheit der Wohnungsgröße für die Anzahl der darin wohnenden Personen stelle aus Sicht des Berufungsgerichts kein Kriterium dar, das bei der Abwägung nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB zu berücksichtigen sei. Der Sinn und Zweck des Härteeinwands aus § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB bestehe gerade darin, dass Wohnungen trotz der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen auch für Mieter mit geringem Einkommen finanzierbar blieben und so eine Gentrifizierung verhindert werde. Außerdem wohne der Kläger schon seit seinem fünften Lebensjahr in der Wohnung, sodass ihm jedenfalls nicht vorgeworfen werden könne, schon seit Beginn des Mietverhältnisses über seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben.

Dem Kläger sei die Berufung auf den Einwand der finanziellen Härte auch nicht gemäß § 559 Abs. 4 Satz 2 BGB verwehrt. Insbesondere werde eine Wohnung durch den Anbau eines 5 qm großen Balkons nicht nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt. Denn der Berliner Mietspiegel werte Balkone mit über 4 qm Fläche als wohnwerterhöhend. Die Fassadendämmung stelle eine energetische Maßnahme nach § 555b Nr. 1 BGB dar, die nicht gemäß § 555b Nr. 6 BGB aufgrund von Umständen durchgeführt worden sei, die die Beklagte als Vermieterin nicht zu vertreten habe. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, dass der Instandsetzungsbedarf mehr als 10 Prozent der Fassadenfläche betragen habe und sie daher im Rahmen der Erneuerung des Außenputzes aufgrund der Vorschriften der Energieeinsparverordnung zur Vornahme einer Wärmedämmung verpflichtet gewesen sei.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 555b Modernisierungsmaßnahmen

Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen,
1. durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung),
[…]
4. durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird,
[…]

§ 559 Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen

(1) Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
[…]
(4) 1 Die Mieterhöhung ist ausgeschlossen, soweit sie auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen künftigen Betriebskosten für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. 2 Eine Abwägung nach Satz 1 findet nicht statt, wenn
1. die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt wurde, der allgemein üblich ist,
oder
2. die Modernisierungsmaßnahme auf Grund von Umständen durchgeführt wurde, die der Vermieter nicht zu vertreten hatte.

Vorinstanzen:

AG Berlin-Charlottenburg - 234 C 257/16 – Entscheidung vom 16. August 2017
LG Berlin - 64 S 197/17 – Entscheidung vom 14. November 2018

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen V ZR 218/18 (Birken auf dem Nachbargrundstück) am 20. September 2019, 9 Uhr (mündliche Verhandlung 05.07.2019)

Datum: 20.09.2019
Akkreditierungsschluss: 19.09.2019 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem sich zwei Grundstücksnachbarn darüber streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, die sich auf seinem Grundstück befindlichen drei Birken zu beseitigen.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die in Baden-Württemberg belegen und mit Wohnhäusern bebaut sind. Auf dem Grundstück des Beklagten stehen in einem Abstand von mindestens 2 m von der Grenze drei ca. 18 m hohe, gesunde Birken. Wegen der von den Birken ausgehenden Immissionen verlangt der Kläger mit dem Hauptantrag deren Entfernung und hilfsweise eine monatliche Zahlung von jeweils 230 € in den Monaten Juni bis November eines jeden Jahres.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht den Beklagten zur Beseitigung der Birken verurteilt.

Nach Ansicht des Landgerichts ergibt sich der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die durch die Birken verursachten Immissionen stellten eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, die nur durch die Entfernung der Bäume wirksam unterbunden werden könne. Die Einwirkungen seien dem Beklagten als Störer zuzurechnen. Er habe die bewusste Entscheidung getroffen, sich die Birken in ihrem Bestand zu eigen zu machen und als Lebensraum und Nahrungsquelle für Vögel und Insekten zu erhalten. Den Kläger treffe keine Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB. Durch den Pollenflug zwischen März und Juni, das Herausfallen der Samen und Früchte aus den Zapfen der Birken in dem Zeitraum von August bis September, das Herabfallen der leeren Zapfen (sog. „Würstchen“) sowie der Blätter und Birkenreiser und den hierdurch zusätzlich erforderlichen Reinigungsaufwand werde das Grundstück des Klägers wesentlich beeinträchtigt. Dass die landesrechtlich für Birken vorgeschriebenen Grenzabstände, die gemäß der hier noch anwendbaren Bestimmung des § 16 Abs. 1 Nr. 4a i.V.m. Abs. 2 Satz 1 NRG-BW a.F. aufgrund der Innerortslage 2 m betragen, eingehalten seien, lasse weder die Störereigenschaft des Beklagten noch die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung entfallen. Dies folge aus Art. 124 EGBGB. Die Vorschrift lasse nämlich ausdrücklich nur weitere Beschränkungen des Eigentums durch landesrechtliche Vorschriften zu, erlaube es jedoch nicht, dem Nachbarn Rechte zu nehmen, die sich für ihn aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergäben. Eine Duldungspflicht des Klägers gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB scheide aus, weil der Birkenbewuchs nicht ortsüblich sei.

Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Vorinstanzen:

AG Maulbronn – Urteil vom 13. November 2015 – 2 C 425/14
LG Karlsruhe – Urteil vom 1. August 2018 – 19 S 3/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. (…)

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) (…)

§ 16 NRG-BW in der bis zum 11. Februar 2014 geltenden Fassung

Sonstige Gehölze

(1) Bei der Anpflanzung von Bäumen, Sträuchern und anderen Gehölzen sind unbeschadet der §§ 12 bis 15 folgende Grenzabstände einzuhalten:

(…)

4. a) mit artgemäß mittelgroßen oder schmalen Bäumen wie Birken, (…) 4 m

b) (…)

(2) Die Abstände nach Absatz 1 Nr. 2 bis 4 Buchst. a ermäßigen sich gegenüber Grundstücken in Innerortslage auf die Hälfte. (…)

Art. 124 EGBGB

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen. Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften, nach welchen Anlagen sowie Bäume und Sträucher nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden dürfen.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin in Sachen XI ZR 7/19 (Bearbeitungsentgelt für Treuhandauftrag bei Darlehensablösung) am 10. September 2019, 11.00 Uhr

Datum: 10.09.2019
Akkreditierungsschluss: 09.09.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahr. Er begehrt von der beklagten Sparkasse, es zu unterlassen, in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis folgende Klausel gegenüber Verbrauchern zu verwenden:
„4. Sonstige Kredite
4.8 Sonstige Entgelte

Bearbeitungsentgelt für Treuhandaufträge Ablösung Kundendarlehen 100,00 €“.

Der Kläger hält die Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB für unwirksam.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Verwendung der angegriffenen Klausel sei unzulässig. Sie verstoße gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Klausel stelle eine Preisnebenabrede dar, die keine echte (Gegen-)Leistung der Beklagten zum Gegenstand habe, sondern mit der die Beklagte Aufwand für die Erfüllung einer nebenvertraglich begründeten eigenen Pflicht auf den Kunden abwälze. Preisnebenabreden in diesem Sinne seien der Inhaltskontrolle unterworfen. Nach dem Vortrag der Beklagten unterfielen der Klausel insbesondere Fallgestaltungen, in denen Darlehen ihrer Kunden in deren Auftrag von Fremdinstituten abgelöst und in diesem Zusammenhang Sicherheiten unter Erteilung von Treuhandauflagen übertragen würden. Für ihre Mitwirkung an einem solchen Treuhandverhältnis lasse sie sich mit der Klausel das dort genannte Entgelt versprechen. Ein Verständnis der Klausel in diesem Sinne liege angesichts des Wortlautes nicht fern. Damit lasse sich die Beklagte jedoch ein Entgelt für eine Leistung versprechen, zu der sie ihren Kunden im Einzelfall ohne gesonderte Vereinbarung verpflichtet sein könne. Aufgrund dessen halte die Klausel auch der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie den jeweiligen Verwendungsgegner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige, indem sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweiche, nicht zu vereinbaren sei. Ob die angegriffene Klausel auch gegen das Transparenzgebot verstoße, bedürfe daher keiner Entscheidung.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Dortmund - Urteil vom 23. Januar 2018 - 25 O 311/17
OLG Hamm - Urteil vom 4. Dezember 2018 - 19 U 27/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 und 2 BGB:

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin in Sachen III ZR 113/18 (Schutzpflichten in Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung) am 22. August 2019, 10.00 Uhr, Saal N 004

Datum: 22.08.2019
Akkreditierungsschluss: 21.08.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird über einen Fall verhandeln, in dem die Parteien über Schutzpflichten in einem Wohnheim streiten.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Trägerin eines Wohnheims für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Die 1969 geborene, rechtlich von ihrer Mutter vertretene Klägerin lebte dort seit März 2012. Sie ist geistig behindert und hat eine deutliche Intelligenzminderung. Sie nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verbrühungen in Anspruch, die sie in der Einrichtung erlitt.

Im April 2013 beabsichtigte die Klägerin, ein Bad zu nehmen, und bat eine der Betreuerinnen des Heimes um eine entsprechende Erlaubnis. Diese wurde ihr – wie auch schon in der Vergangenheit – erteilt. Die Klägerin ließ daraufhin heißes Wasser in eine mobile, in der Dusche bereit gestellte Sitzbadewanne ein, wobei die Temperaturregelung über einen Einhebelmischer ohne Begrenzung der Heißwassertemperatur erfolgte. Anders als in früheren – problemlos verlaufenen – Fällen war das ausströmende Wasser so heiß, dass die Klägerin schwerste Verbrühungen an beiden Füßen und Unterschenkeln erlitt. Sie schrie lautstark, konnte sich aber auf Grund ihrer geistigen Behinderung nicht selbst aus der Situation befreien. Dies gelang erst, als ein anderer Heimbewohner ihr zur Hilfe eilte, das Wasser abließ und eine Pflegekraft herbeirief.

Bei der nachfolgenden Heilbehandlung im Krankenhaus wurden mehrere Hauttransplantationen durchgeführt. Es kam zu erheblichen Komplikationen. Unter anderem wurde die Klägerin mit einem multiresistenten Keim infiziert. Sie ist inzwischen nicht mehr gehfähig und auf einen Rollstuhl angewiesen, weil sich so genannte Spitzfüße gebildet haben. Außerdem verschlechterte sich ihr psychischer Zustand, was sich zum Beispiel in häufigen und anhaltenden Schreianfällen äußert.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das austretende Wasser müsse annähernd 100 °C heiß gewesen sein. Aber selbst eine konstante Einstellung der Wassertemperatur auf „nur“ 60 °C sei zu hoch. Zur Abtötung etwaiger Keime genüge es, das Wasser einmal am Tag auf 60 °C aufzuheizen. In der DIN EN 806-2* für die Planung von Trinkwasserinstallationen werde für bestimmte Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Seniorenheime eine Höchsttemperatur von 43 °C, in Kindergärten und Pflegeheimen sogar von nur 38 °C empfohlen. Es sei pflichtwidrig gewesen, sie ohne Aufsicht und insbesondere ohne Kontrolle der Wassertemperatur ein Bad nehmen zu lassen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 50.000 € und einer monatlichen Rente von 300 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann aus der DIN EN 806-2 keine Pflicht der Beklagten hergeleitet werden, die Wasserentnahmestelle mit einer Temperaturbegrenzung auszustatten. Es handele sich um eine technische Regel, die die Planung von Trinkwasseranlagen betreffe und überdies erst 2005 und damit erst Jahrzehnte nach Errichtung des Wohnheimgebäudes in Kraft getreten sei. Es könne den Mitarbeitern der Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, die Klägerin beim Baden nicht beaufsichtigt und die Wassertemperatur nicht kontrolliert zu haben. Die Klägerin habe stets problemlos allein geduscht und gebadet. Sie sei vor dem Unfall in eine Hilfsbedarfsgruppe eingestuft gewesen. Dies spreche für einen relativ hohen Grad an Selbständigkeit. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten nicht ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass die Klägerin sich beim Umgang mit der Mischbatterie verbrühen könnte.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

*DIN EN 806-2: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 2: Planung
„9.3.2 Vermeidung von Verbrühungen
Anlagen für erwärmtes Trinkwasser sind so zu gestalten, dass das Risiko von Verbrühungen gering ist.

An Entnahmestellen mit besonderer Beachtung der Auslauftemperaturen wie in Krankenhäusern, Schulen, Seniorenheimen usw. sollten zur Verminderung des Risikos von Verbrühungen thermostatische Mischventile oder –batterien mit Begrenzung der oberen Temperatur eingesetzt werden. Empfohlen wird eine höchste Temperatur von 43° C.

Bei Duschanlagen usw. in Kindergärten und in speziellen Bereichen von Pflegeheimen sollte sichergestellt werden, dass die Temperatur 38° C nicht übersteigen kann.“

Vorinstanzen:

LG Bremen - 6 O 2099/13 - Entscheidung vom 21. September.2017

OLG Bremen - 2 U 106/17 - Entscheidung vom 13. April .2018

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin in Sachen X ZR 128/18 und X ZR 165/18 (Anrechnung von Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung auf Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht) am 6. August 2019, 9.00 Uhr

Datum: 06.08.2019
Akkreditierungsschluss: 05.08.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Kläger des Verfahrens X ZR 128/18 buchten bei der beklagten Reiseveranstalterin für die Zeit vom 17. Juli bis 7. August 2016 eine Urlaubsreise, die Flüge von Frankfurt am Main nach Las Vegas und zurück sowie verschiedene Hotelaufenthalte umfasste. Da das ausführende Luftverkehrsunternehmen den Klägern die Beförderung auf dem für sie gebuchten Hinflug verweigerte, flogen sie am folgenden Tag über Vancouver nach Las Vegas, wo sie mehr als 30 Stunden später als geplant eintrafen. Sie verlangen von der Beklagten die Erstattung der für die beiden ersten Tage der Urlaubsreise angefallen Mietwagen- und Hotelkosten, der Kosten für eine Übernachtung in einem anderen als dem gebuchten Hotel sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger des Verfahrens X ZR 165/18 und seine beiden Mitreisenden buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen für den 15. September 2016 einen Flug von Frankfurt am Main nach Windhoek, wo sie eine Rundreise durch Namibia antreten wollten. Der Abflug verzögerte sich, so dass die Fluggäste ihr Reiseziel einen Tag später als vorgesehen erreichten. Der Kläger macht geltend, er und seine Mitreisenden hätten die für die erste Nacht gebuchte Unterkunft in einer Safari Lodge wegen der verspäteten Ankunft nicht mehr erreichen können und stattdessen in Windhoek übernachten müssen. Er verlangt von dem beklagten Luftverkehrsunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Mitreisenden, Erstattung der Kosten für die nicht in Anspruch genommene, aber in Rechnung gestellte Unterkunft in der Safari Lodge sowie der Kosten für die Übernachtung in Windhoek.

Die ausführenden Luftverkehrsunternehmen leisteten wegen der Beförderungsverweigerung bzw. der Flugverspätung Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung in Höhe von 600 Euro je Reisendem. In beiden Fällen streiten die Parteien darüber, ob diese Zahlungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung auf die geltend gemachten Ersatzansprüche anzurechnen sind.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Ausgleichsleistungen angerechnet und die Klagen abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Kläger hatten keinen Erfolg. Der Fluggast könne bei einer Beförderungsverweigerung oder einer erheblichen Flugverspätung wählen zwischen der Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung, die zum Ausgleich entstandener Unannehmlichkeiten einen pauschalierten Ersatz für materielle und immaterielle Schäden biete, und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach nationalem Recht, für die Schadenseintritt und –höhe konkret darzulegen seien. Beanspruche der Fluggast eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung, sei diese nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung auf wegen desselben Ereignisses geltend gemachte Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht anzurechnen, unabhängig davon, ob diese auf den Ersatz materieller oder immaterieller Schäden gerichtet seien.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Fluggastrechteverordnung

Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
[…]
c) 600 € bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Art. 12 Abs. 1 Fluggastrechteverordnung

Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden.

Vorinstanzen:

AG Frankfurt am Main – Urteil vom 22. September 2017 – 32 C 3620/16 (22)
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 24. Mai 2018 – 2–24 S 271/17

Und

AG Frankfurt am Main – Urteil vom 10. November 2017 – 32 C 1397/17 (18)
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 26. September 2018 – 2–24 S 338/17

Karlsruhe, den 29. Mai 2019

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen I ZR 29/18 (Zur markenrechtlichen Haftung für auch auf Produkte von Drittanbietern verlinkte Google-Anzeigen) am 25. Juli 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin 04.07.2019)

Datum: 25.07.2019
Akkreditierungsschluss: 24.07.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob eine Internethandelsplattform in Anzeigen im Rahmen einer Google-Suche eine Marke verwenden darf, wenn die mit der Anzeige verlinkte Angebotsliste nicht nur Produkte dieser Marke, sondern auch Produkte von Drittanbietern enthält.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Herstellerin wasserdichter Taschen und Transportbehälter, die sie unter der Bezeichnung Ortlieb vermarktet. Sie beruft sich auf eine exklusive Lizenz an der deutschen Wortmarke "ORTLIEB", die u.a. Schutz für Taschen für Sport und Freizeit beansprucht.

Die Beklagten sind Gesellschaften des Amazon-Konzerns. Die Beklagte zu 1 ist für den technischen Betrieb der Internetseite www.amazon.de verantwortlich. Die Beklagte zu 2 ist Verkäuferin auf dieser Internetseite und tritt unter dem Verkäufernamen "Amazon" auf.

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass bei Eingabe der Suchbegriffe "Ortlieb Fahrradtasche", "Ortlieb Gepäcktasche" und "Ortlieb Outlet" in die Google-Suchfunktion Anzeigen unter Verwendung des Zeichens "Ortlieb" erscheinen, die mit Angebotslisten auf www.amazon.de verlinkt sind, in denen neben Ortlieb-Produkten auch Produkte anderer Hersteller erscheinen. Die Klägerin selbst bietet ihre Produkte nicht über die Plattform "amazon.de" an. Sie sieht in den mit gemischten Angebotslisten verlinkten Anzeigen eine Verletzung des Rechts an der Marke "ORTLIEB" und nimmt die Beklagten auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist überwiegend erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die Beklagten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG* ein Unterlassungsanspruch zu. Die Beklagten hätten das Zeichen "ORTLIEB" benutzt. Erschöpfung gemäß § 24 Abs. 1 MarkenG** sei nur insoweit eingetreten, als die Anzeigen sich auf Ortlieb-Produkte bezögen. Die herkunftshinweisende Funktion der Marke werde durch die Präsentation von Produkten anderer Hersteller als "Treffer" zu den erwarteten Angeboten von Ortlieb-Produkten beeinträchtigt. Aufgrund der konkreten Gestaltung der Anzeigen erwarte der angesprochene Verkehr, dass ihm beim Anklicken ausschließlich zur Anzeige passende Angebote der dort beworbenen Ortlieb-Produkte gezeigt würden. Mit der Verlinkung auch auf Angebote von Produkten anderer Hersteller nutzten die Beklagten die Lotsenfunktion der Marke aus.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG München - Urteil vom 12. Januar 2017 - 17 HK O 22589/15
OLG München - Urteil vom 11. Januar 2018 - 29 U 486/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

*§ 14 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.
(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr
1. ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, (…)
(…)
(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

**§ 24 MarkenG

(1) Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn sich der Inhaber der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung der Benutzung der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.

Akkreditierungsbedingungen

Fortsetzung der Verhandlung in Sachen V ZR 175/17 und V ZR 177/17 (Baumschäden durch ausgewilderte Wisente im Rothaargebirge) am 19. Juli 2019, 10.00 Uhr (Verhandlung am 16.11.2018)

Datum: 19.07.2019
Akkreditierungsschluss: 18.07.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Klage eines Waldeigentümers, der verhindern will, dass die von dem beklagten Verein ausgewilderten Wisente und deren Nachkommen in sein Waldgrundstück eindringen und den Baumbestand schädigen.

Sachverhalt:

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der sich die Wiederansiedlung von Wisenten im Rothaargebirge zum Ziel gesetzt hat. Im April 2013 schloss er mit dem örtlichen Landkreis, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz sowie dem Eigentümer des für die Wiederansiedlung ausgewählten Projektgebiets einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Freisetzung von Wisenten, mit dem sämtliche erforderlichen Genehmigungen für die Aussetzung von Wild mit Ausnahme der (als entbehrlich angesehenen) jagdrechtlichen Genehmigung ersetzt worden sind; das nordrhein-westfälische Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat den Vertrag genehmigt. Im Anschluss entließ der Verein eine achtköpfige Gruppe von Wisenten in das rund 4.300ha große Projektgebiet, um sie dort auszuwildern. Der Vertrag sieht vor, dass der Verein zunächst Eigentümer der Tiere bleibt. Diese sollen erst nach der auf mehrere Jahre angelegten Freisetzungsphase und nach Abschluss eines weiteren öffentlich-rechtlichen Vertrages herrenlos werden. Die zuletzt auf 19 Tiere angewachsene Herde verließ im Zuge ihrer Wanderungen das Projektgebiet und drang unter anderem in den Grundbesitz des Klägers ein. Hierbei handelt es sich um ein umfangreiches Waldgebiet in einem Natura-2000-Gebiet, das überwiegend mit Rotbuchen nach dem Prinzip der Naturverjüngung bewirtschaftet wird. Wegen der Schäden an den Buchen, die dadurch entstehen, dass die Wisente die Rinde abfressen („Schälen“), hat der Verein Zahlungen an den Kläger geleistet. Zudem wurde aus öffentlichen Mitteln ein Entschädigungsfonds eingerichtet.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der Klage will der Kläger - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - erreichen, dass der Verein geeignete Maßnahmen ergreifen muss, um ein Betreten seiner Grundstücke durch die Wisente zu verhindern. Ferner soll festgestellt werden, dass der Verein alle zukünftig durch die Wisente verursachten Schäden zu ersetzen hat. Das Landgericht hat dem ersten Antrag stattgegeben und den zweiten abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht die Verurteilung insoweit geändert, als der Verein die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um eine Beschädigung der auf dem Grundstück des Klägers wachsenden Bäume zu verhindern, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass dem Verein die für das Einfangen und Umsetzen der Tiere erforderliche Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG erteilt wird. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass der Verein für die Dauer der Freisetzungsphase verpflichtet ist, die von den Wisenten verursachten Schäden zu ersetzen. Gegen das Berufungsurteil wenden sich beide Parteien mit ihren von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen. Der Kläger will erreichen, dass der auf die Ausnahmegenehmigung bezogene Vorbehalt entfällt, während der beklagte Verein weiterhin Abweisung der Klage beantragt.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen für einen Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB erfüllt. Das Eigentum des Klägers werde durch das Eindringen der Wisente und die von diesen verursachten Baumschäden beeinträchtigt. Verantwortlich hierfür sei der Verein. Zwar müssten der Inanspruchnahme Grenzen gezogen werden, damit die Bereitschaft zur Durchführung solcher grundsätzlich wünschenswerter Auswilderungsprojekte nicht geschmälert werde. Aber in wertender Betrachtung sei der Verein jedenfalls während der Freisetzungsphase als mittelbarer Handlungsstörer anzusehen, und zwar auch im Hinblick auf die in Freiheit geborenen Tiere. Denn er habe die Gefahrenlage geschaffen, indem er die Wisente als seinerzeitiger Eigentümer und Halter freigelassen und in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag die Verantwortung für die Zeit der Freisetzungsphase übernommen habe. Er hafte zudem als Zustandsstörer.

Im Grundsatz stehe dem Beseitigungsanspruch aber entgegen, dass das Naturschutzrecht eine Duldungspflicht des Klägers im Sinne von § 1004 Abs. 2 BGB begründe. Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sei es nämlich verboten, wildlebenden Tiere der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Auf dieses Zugriffsverbot könne sich der Verein berufen, weil sich die Eigentumsbeeinträchtigung nur durch das Fangen oder Töten der Tiere sicher beseitigen lasse; andere Maßnahmen - wie ein Zaun um das Projektgebiet, der Erwerb weiterer Flächen und Lockfütterung, eine Induktionsschleife um das Gebiet, Schälschutzmatten an den Bäumen oder der Einsatz von Wisent-Hirten – eigneten sich allesamt nicht dazu, die Wisente sicher fernzuhalten und die Baumschäden zu verhindern. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sei auch anwendbar. Insbesondere werde die Vorschrift nicht durch das Landesjagdrecht verdrängt. Aus dem Fehlen einer jagdrechtlichen Genehmigung (§ 31 Abs. 2 LJG-NRW) könne der Kläger nicht ableiten, dass die Wisente erlegt werden müssten (§ 31 Abs. 6 LJG-NRW), weil das Bundesnaturschutzrecht dem Landesjagdrecht als Bundesgesetz und als speziellere Norm (§ 37 Abs. 2 BNatSchG) vorgehe. Außerdem sei das Auswilderungsprojekt jagdrechtlich genehmigungsfähig, so dass es an einem verbotswidrigen Aussetzen der Tiere im Sinne von § 31 Abs. 6 LJG-NRW fehle. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des Zugriffsverbots gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vor, weil es sich bei den Wisenten um wildlebende Tiere handele. Die ursprünglich ausgesetzten Zuchttiere seien inzwischen gemäß § 960 Abs. 2 BGB herrenlos geworden und damit ebenso wie die in Freiheit geborenen Tiere als wildlebend anzusehen. Die Vereinbarung in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, wonach die Tiere während der Freisetzungsphase nicht herrenlos werden, ändere daran nichts, weil es nicht auf die Rechtsvorstellungen der Vertragsparteien, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse ankomme.

Die aus § 44 Abs. 1 BNatSchG abgeleitete Duldungspflicht des Klägers entfalle aber dann, wenn die zuständige Naturschutzbehörde dem Verein die für das Einfangen und Umsetzen der Tiere erforderliche Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG erteile. Damit sich der Störer nicht hinter dem Verbot des § 44 BNatSchG „verschanzen“ könne, wenn er mit Aussicht auf Erfolg eine öffentlich-rechtliche Ausnahme beantragen könne, erfolge in solchen Fällen die Verurteilung des Störers zur Unterlassung unter dem Vorbehalt der Ausnahmegenehmigung (Verweis auf BGH, Urteil vom 20. November 1992 – V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 ff.). So lägen die Dinge hier. Nach summarischer Prüfung könne die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG zur Abwehr erheblicher Land-, Forst-, Fischerei-, Wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden auch unter Berücksichtigung des EU-Artenschutzrechts nicht ausgeschlossen werden. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen, dass nämlich die forstwirtschaftliche Nutzung der klägerischen Grundstücke infolge des Artenschutzes schwer und unerträglich getroffen sei, obwohl der Kläger als Betriebsinhaber alle Anstrengungen unternommen habe, dem entgegenzuwirken, lägen möglicherweise vor. Denn auf 30 Jahre gesehen müsse damit gerechnet werden, dass bis zu 70% des klägerischen Baumbestandes beschädigt werden könnten. Eine Verschlechterung der Wisentpopulation im Sinne von § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG sei nicht zu erwarten, obwohl der hier vorgesehene Siedlungsraum verloren gehe; denn die Tiere könnten etwa in den Nationalpark Bialowieza an der polnisch-weißrussischen Grenze umgesiedelt werden.

Die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz zukünftiger Schäden folge aus § 833 Satz 1 BGB, weil der Beklagte weiterhin Halter der Tiere sei; das ergebe sich auch aus § 9 des öffentlich-rechtlichen Vertrages.

Vorinstanzen:

V ZR 177/17
LG Arnsberg – Urteil vom 16. Oktober 2015 – 2 O 323/14
OLG Hamm – Urteil vom 29. Mai 2017 – 5 U 156/15

Parallelverfahren: V ZR 175/17
LG Arnsberg – Urteil vom 16. Oktober 2015 – 2 O 329/14
OLG Hamm – Urteil vom 29. Mai 2017 – 5 U 153/15 (AuR 2017, 336 ff.)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1004 BGB:

Abs. 1: „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. „

Abs. 2: „Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.“

§ 833 BGB Haftung des Tierhalters:

Satz 1: „Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“

§ 960 Wilde Tiere

Abs. 2: Erlangt ein gefangenes wildes Tier die Freiheit wieder, so wird es herrenlos, wenn nicht der Eigentümer das Tier unverzüglich verfolgt oder wenn er die Verfolgung aufgibt.

§ 37 BNatSchG:

Abs. 2: „Die Vorschriften des Pflanzenschutzrechts, des Tierschutzrechts, des Seuchenrechts sowie des Forst-, Jagd- und Fischereirechts bleiben von den Vorschriften dieses Kapitels und den auf Grund dieses Kapitels erlassenen Rechtsvorschriften unberührt. Soweit in jagd- oder fischereirechtlichen Vorschriften keine besonderen Bestimmungen zum Schutz und zur Pflege der betreffenden Arten bestehen oder erlassen werden, sind vorbehaltlich der Rechte der Jagdausübungs- oder Fischereiberechtigten die Vorschriften dieses Kapitels und die auf Grund dieses Kapitels erlassenen Rechtsvorschriften anzuwenden.“

§ 44 BNatSchG:

Abs. 1: „Es ist verboten,

1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,[…]“

§ 45 BNatSchG:

Abs. 7: „Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1. zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden […] Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert[…]

§ 31 LJG-NRW:

Abs. 2: „Das Aussetzen fremder Tierarten und von Schalenwild in der freien Wildbahn ist nur mit schriftlicher Genehmigung der obersten Jagdbehörde zulässig. […].“

Abs. 3: „Das Aussetzen weiterer Tierarten in der freien Wildbahn zum Zwecke der Einbürgerung in Jagdbezirken ist nur mit schriftlicher Genehmigung der unteren Jagdbehörde zulässig. […].“

Abs. 6: „Die oder der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, verbotswidrig ausgesetztes Schalenwild unabhängig von den Schonzeiten unter Beachtung des § 22 Absatz 4 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes unverzüglich zu erlegen. […]“

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 19. Juli 2019, 14.00 Uhr in Sachen V ZR 255/17 (Ersitzung gestohlener Kunstwerke) (Verhandlung: 17.5.2019)

Datum: 19.07.2019
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem die Parteien mit Klage und Widerklage über die Freigabe zweier bei dem Amtsgericht hinterlegter Gemälde streiten.

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Enkel des 1966 verstorbenen Malers Hans Purrmann, von dem die Gemälde stammen sollen. Der Beklagte ist Autoteile-Großhändler und hat keine besonderen Kunstkenntnisse. Im Juni 2009 wandte sich die Tochter des Beklagten an ein Auktionshaus in Luzern, um die Gemälde zu veräußern bzw. versteigern zu lassen. Ein Mitarbeiter des Auktionshauses besichtigte die Gemälde im Betrieb des Beklagten und wandte sich anschließend an die Polizei. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen Verdachts der Hehlerei ein, in dessen Rahmen die Bilder beschlagnahmt wurden. Nachdem das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, hinterlegte die Staatsanwaltschaft die Gemälde Anfang 2010 bei dem Amtsgericht.

Der Kläger behauptet, es handle sich um die Originalgemälde „Frau im Sessel“ aus dem Jahr 1924 und „Blumenstrauß“ aus dem Jahr 1939 des Malers Hans Purrmann, die dieser seiner Tochter, der Mutter des Klägers, geschenkt habe und die im Wege der Erbfolge in das Eigentum des Klägers und seiner Schwester, die dem Kläger ihre Ansprüche abgetreten habe, übergegangen seien; diese Gemälde seien neben weiteren Bildern im Jahre 1986 bei einem Einbruch in das Anwesen der Eltern des Klägers entwendet worden. Der Beklagte behauptet, er habe die Gemälde mutmaßlich 1986 oder 1987 von seinem Stiefvater geschenkt bekommen, der diese nach eigenem Bekunden von einem Antiquitätenhändler oder -sammler in Dinkelsbühl erworben habe. Die Gemälde waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zunächst im Privathaus des Beklagten und anschließend in dessen Betrieb aufgehängt. Später wurden sie in einem Schrank im oberen Stockwerk des Betriebsgebäudes verwahrt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der von dem V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen auf Bewilligung der Freigabe der hinterlegten Gemälde an ihn und auf Abweisung der Widerklage gerichteten Klageantrag weiter.

Das Oberlandesgericht meint, der Kläger habe weder bewiesen, dass es sich bei den Gemälden um von dem Maler Hans Purrmann gefertigte Originale handle, noch dass dieser die Gemälde seiner Tochter geschenkt habe. Unabhängig davon habe der Beklagte an den Gemälden jedenfalls infolge Ersitzung gemäß § 937 BGB Eigentum erlangt, da er sie zehn Jahre lang im Eigenbesitz gehabt habe. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis des mangelnden guten Glaubens des Beklagten bei Besitzerwerb bzw. von dessen späterer Bösgläubigkeit nicht geführt. Der Umstand, dass der Beklagte die Gemälde von seinem Stiefvater geschenkt erhalten habe, rechtfertige noch nicht den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Es stehe nicht fest, dass dem Stiefvater der Wert der Gemälde bekannt gewesen sei. Es könne auch nicht gesagt werden, dass der Beklagte den Wert der ihm geschenkten Bilder selbst hätte erkennen müssen und insoweit grob fahrlässig gehandelt habe. Allein die erkennbare Signierung mit dem Namenszug "H. Purrmann" habe keine Nachforschung geboten, zumal der Bekanntheitsgrad des Künstlers nicht derart groß sei, dass der Namenszug und der Wert eines Gemäldes dieses Malers jedermann bekannt sein müssten. Der fehlende Kunstverstand des Beklagten spreche vielmehr gegen eine solche Annahme, ebenso der Umstand, dass der Beklagte die Bilder zeitweise in den der Öffentlichkeit zugänglichen Geschäftsräumen aufgehängt habe. Auch der Versuch im Jahre 2009, eines der Bilder aus finanziellen Gründen zu veräußern, belege nicht die Kenntnis seines potenziell hohen Wertes, dieser könnte auch erstmals bei einer Recherche zwecks Vorbereitung der Veräußerung bekannt geworden sein.

Vorinstanzen:

LG Ansbach – Urteil vom 11. September 2015 – 2 O 891/14
OLG Nürnberg – Urteil vom 6. September 2017 – 12 U 2086/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 937 BGB

(1) Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum (Ersitzung).
(2) Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.

§ 1006 BGB

(1) 1Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. 2Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, dass es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt.
(2) Zugunsten eines früheren Besitzers wird vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei.
(3) Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermutung für den mittelbaren Besitzer.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin aufgehoben wegen Rücknahme der Revision in Sachen XI ZR 474/18 (Kündigung von Bausparverträgen) am 16. Juli 2019, 10.00 Uhr

Datum: 16.07.2019
Kameraöffentlichkeit: Nein

Sachverhalt:

Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt nach seiner Satzung Verbraucherinteressen war. Er begehrt von der beklagten Landesbausparkasse, es zu unterlassen, in ihren "Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB)" folgende Kündigungsklausel gegenüber Verbrauchern zu verwenden:

„§ 14 Kündigung des Bausparvertrages, Rückzahlung des Bausparguthabens
(1) ... Die Bausparkasse ist berechtigt, einen Bausparvertrag vor Auszahlung des Bauspardarlehens zu kündigen, wenn
a) ....
b) seit dem 1. des Monats, in dem der Bausparvertrag abgeschlossen wurde, mindestens 15 Jahre vergangen sind und die Bausparkasse dem Bausparer mindestens 6 Monate vor Ausspruch der Kündigung ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hat ...“

Der Kläger hält diese Kündigungsklausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 4 BGB und § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB für unwirksam.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, WM 2018, 1838 ff.) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Verwendung der angegriffenen Klausel sei unzulässig. Entgegen der Auffassung des Klägers verstoße die Klausel allerdings weder gegen § 309 Nr. 4 BGB noch widerspreche sie dem Grundgedanken des § 314 Abs. 2 BGB. Nicht jede Kündigung erfordere eine vorherige Abmahnung oder eine Abhilfefrist. Dies gelte vielmehr nur in Fällen, in denen ein Teil seine Vertragspflichten nicht erfülle und der andere Teil daraufhin anlassbezogen kündige. Das Kündigungsrecht aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b ABB stelle dagegen ein ordentliches Kündigungsrecht dar.

Die Klausel verstoße aber gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB, indem sie die Überlegungs- und Entscheidungsfrist des Bausparers darüber, ob er das Bauspardarlehen in Anspruch nehme, bezogen auf das gesetzliche Leitbild des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verkürze und den Bausparer dadurch auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Bausparkasse unangemessen benachteilige. Zwar sei § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Schutznorm zugunsten des Darlehensnehmers. Die darin statuierte Zehnjahresfrist für die Kündigung eines Darlehens stelle auch keine Mindestfrist dar, so dass Abweichungen zugunsten des Darlehensschuldners möglich seien. Jedoch enthalte diese Vorschrift eine Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, die bei der Beurteilung der Frage, ob eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte kürzere Frist den Bausparer unangemessen benachteilige, zu berücksichtigen sei.

Da die Klausel in zeitlicher Hinsicht nicht an die Zuteilungsreife, sondern an den Vertragsschluss anknüpfe, komme eine Kündigung vor Eintritt der Zuteilungsreife in Betracht und ermögliche damit der Beklagten, die Darlehensanwartschaft des Bausparers einseitig zu beseitigen und damit seine Vorleistung während der Ansparphase zweckfremd zu entwerten. Dabei handele es sich allerdings um Ausnahmefälle. Soweit eine Vertragspflichtverletzung des Bausparers die Zuteilungsreife bis 15 Jahre nach Vertragsschluss verhindert habe, sei er nicht schutzwürdig. Anders verhalte es sich aber, wenn die Parteien eine Abrede dahin getroffen hätten, Regelsparbeiträge auszusetzen und sich dadurch die Zuteilungsreife verschiebe. Ob diese atypischen Fallkonstellationen ausreichten, um die angegriffene Klausel zu Fall zu bringen, könne indes dahinstehen.

Allein die Möglichkeit der Beklagten mit Hilfe der Klausel die Überlegungs- und Entscheidungsfrist des Bausparers in der längsten Tarifvariante auf ca. viereinhalb Jahre ab der bei regulärem Verlauf eintretenden Zuteilungsreife zu verkürzen, stelle eine unangemessene Benachteiligung des Bausparers gegenüber der aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB erkennbaren Wertungsentscheidung des Gesetzgebers dar. Insoweit sei zu bedenken, dass der Bausparer bei Vertragsschluss häufig noch keine festen Pläne für den Einsatz des Darlehens habe, weil er nicht sicher vorhersehen könne, wann ihm der Vertrag zugeteilt werde. Ungeachtet dessen erstrecke sich die Ansparphase regelmäßig über etliche Jahre. Über einen solchen Zeitraum sei keine feste Lebensplanung möglich. Zwar könne sich der Bausparer bei Vertragsschluss einen Plan zurechtlegen, wofür er das Bauspardarlehen verwenden möchte. Ob diese Zielsetzung noch Jahre später fortbestehe und die vorgesehene Maßnahme noch möglich und sinnvoll sei, sei ungewiss. Unvorhergesehene Veränderungen der Lebensumstände des Bausparers, das Fehlen geeigneter Objekte, stark gestiegene Preise am Immobilienmarkt oder ein grundlegend verändertes Zinsniveau für die Restfinanzierung könnten Gründe sein, wohnungswirtschaftliche Maßnahmen über Jahre hinaus zu verschieben.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 16. November 2017 - 11 O 218/16
OLG Stuttgart - Urteil vom 2. August 2018 - 2 U 188/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 und 2 BGB:

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

§ 309 Nr. 4 BGB:

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
[…]
4. eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen;
...

§ 489 Abs. 1 BGB:

Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
1. ...
2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 5. Juli 2019, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 96/18 und V ZR 108/18 (Verhandlungstermin am 24. Mai 2019, 9.00 Uhr) (Haftung eines Recyclingunternehmers bei Detonation einer Weltkriegsbombe?)

Datum: 05.07.2019
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Klagen zweier Gebäudeversicherer, die gegen den Betreiber eines Recyclingunternehmens und die Miteigentümerin des Betriebsgrundstücks Ersatz- bzw. Auskunftsansprüche geltend machen, nachdem bei der Zerkleinerung eines Betonteils ein darin einbetonierter Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg detoniert ist und u. a. an auf den angrenzenden Grundstücken stehenden, bei den Klägerinnen versicherten Gebäuden größere Schäden angerichtet hat.

Sachverhalt:

Der Erstbeklagte betreibt auf einem Gewerbegrundstück, dessen Miteigentümerin die Zweitbeklagte ist, ein Recyclingunternehmen für Bauschutt. Der angelieferte Bauschutt wird dort zunächst sortiert. Große Betonteile, die nicht in den vorhandenen Schredder zur Zerkleinerung des Bauschutts passen, werden mit einem Zangenbagger zuvor in schredderfähige Stücke zerlegt. Im Januar 2014 führte ein Mitarbeiter des Beklagten mit dem Bagger solche Zerkleinerungsarbeiten aus. Dabei detonierte eine Sprengbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die in einem Betonteil einbetoniert war. Bei der Explosion kam der Baggerfahrer ums Leben; zwei weitere Mitarbeiter des Erstbeklagten wurden schwer verletzt. An den auf den angrenzenden Grundstücken stehenden Gebäuden entstanden größere Schäden, welche die Klägerinnen als Gebäudeversicherer reguliert haben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerinnen machen aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer gemäß § 86 Abs. 1 VVG gegen den Betreiber des Recyclingunternehmens nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, die ein Verschulden nicht voraussetzen, sowie verschuldensabhängige Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend. Von der Miteigentümerin des Grundstücks verlangt eine Klägerin zudem im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses mit dem Betreiber des Recyclingunternehmens und - ebenfalls aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer - auf Grundlage nachbarrechtlicher Ausgleichsansprüche eine noch zu beziffernde Entschädigung.

Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichteten Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit den von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen die Voraussetzungen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht vor. Der beeinträchtigenden Handlung fehle der Grundstücksbezug. Für die auf dem Grundstück typischerweise vorgenommenen Arbeiten sei die Explosion nicht risikospezifisch, da Zerkleinerungsarbeiten in der Regel risikolos seien. Die Handlung, die zum Schadenseintritt geführt habe, hätte genauso gut an anderer Stelle vorgenommen werden können. Dass die Explosion bei dem Erstbeklagten erfolgt sei, beruhe auf Zufall. Der Erstbeklagte sei auch nicht als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB anzusehen. Ihn habe keine Sicherungspflicht getroffen, mögliche Beeinträchtigungen zu verhindern, denn erfahrungsgemäß enthalte Bauschutt keine Bomben. Mangels Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht bestünden auch keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Der gegen die Zweitbeklagte erhobene Auskunftsanspruch bestehe bereits mangels Haftung entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht.

Die Klägerinnen machen mit ihren Revisionen unter anderem geltend, der Erstbeklagte habe mit der Bombe rechnen müssen, da Bombenblindgänger im Zweiten Weltkrieg und in der ersten Zeit nach dem Ende des Kriegs häufig in Beton eingegossen wurden, um sie so zu „entschärfen“ bzw. unschädlich zu machen. Der Grundstücksbezug sei gegeben, denn bei den Zerkleinerungsarbeiten handle es sich um Tätigkeiten, die typischerweise im Betrieb des Erstbeklagten durchgeführt würden. Dieser sei auch als Störer zu qualifizieren, weil nur er auf die Explosionsgefahr habe Einfluss nehmen können.

Vorinstanzen:

LG Bonn - Urteile vom 16. September 2016 - 1 O 235/15 und vom 31. März 2017 1 O 390/16

OLG Köln - Urteile vom 10. April 2018 - 25 U 30/16 und 25 U 15/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 86 VVG Übergang von Ersatzansprüchen

(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. (…)
(2)

§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. (…)
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen I ZR 149/18 (Bundesgerichtshofs zum Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber der Deutschen Umwelthilfe) am 4. Juli 2019, 9.00 Uhr (Verhandlung: 25.4.2019)

Datum: 04.07.2019
Akkreditierungsschluss: 03.07.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin ist die Deutsche Umwelthilfe e.V., ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG* eingetragener Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt ein Autohaus und bewarb in ihrem Internetauftritt ein Neufahrzeug. Für Informationen zu Kraftstoffverbrauch und CO²-Emissionen verwies sie auf einen im Autohaus ausliegenden Leitfaden. Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen die Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen (Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung) und hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Beklagte hält die Klage für rechtsmissbräuchlich und in der Sache für unbegründet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 4 Abs. 4 UKlaG abgelehnt. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 Abs. 2 UKlaG nicht erfülle, seien nicht gegeben. Der Klage stehe auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 8 Abs. 4 UWG entgegen. Die vorhandenen Auffälligkeiten in Struktur und Verhalten der Klägerin könnten insgesamt nicht die Feststellung begründen, ihr gehe es vorrangig um andere Ziele als darum, ein zukünftiges normgerechtes Verhalten der Beklagten gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erreichen. So ließen unter anderem die von der Klägerin mit ihrer Marktüberwachung erzielten Überschüsse und deren Verwendung sowie die Höhe der an ihre Geschäftsführer gezahlten Vergütung auch in der Gesamtschau nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten schließen.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zur Frage des Rechtsmissbrauchs zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 13. Dezember 2016 - 41 O 31/16 KfH
OLG Stuttgart - Urteil vom 2. August 2018 - 2 U 165/16

§ 4 UKlaG lautet auszugsweise:

(1) 1Das Bundesamt für Justiz führt die Liste der qualifizierten Einrichtungen, die es auf seiner Internetseite in der jeweils aktuellen Fassung veröffentlicht und mit Stand 1. Januar eines jeden Jahres im Bundesanzeiger bekannt macht. 2(…)
(2) 1In die Liste werden auf Antrag rechtsfähige Vereine eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wenn
1. (…),
2. (…),
3. auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit gesichert erscheint, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden.
(…)
(4) Ergeben sich in einem Rechtsstreit begründete Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 bei einer eingetragenen Einrichtung, so kann das Gericht das Bundesamt für Justiz zur Überprüfung der Eintragung auffordern und die Verhandlung bis zu dessen Entscheidung aussetzen.

§ 8 UWG lautet auszugsweise:

(1) 1Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. (…)
(…)
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
1. (…);
2. (…);
3. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind;
4. (…).
(4) 1Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen VIII ZR 194/16 (Widerruf eines Matratzen-Kaufs nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB* ausgeschlossen?) (Verhandlung: 23.8.2017) am 3. Juli 2019, 9.30 Uhr

Datum: 03.07.2019
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der Kläger bestellte im Jahr 2014 über die Internetseite der Beklagten, einer Onlinehändlerin, eine "Dormiente Natural Basic" Matratze zum Preis vom 1.094,52 €. Die Matratze war bei Auslieferung an den Kläger mit einer Schutzfolie versehen, die dieser nach Erhalt entfernte. Einige Tage später teilte er der Beklagten per Email mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und dass sie den Rücktransport durch eine Spedition veranlassen solle. Als die Beklagte dieser Aufforderung in der Folgezeit nicht nachkam, beauftragte der Kläger selbst eine Speditionsfirma.

Seine auf Rückzahlung der ihm hierdurch entstandenen Kosten in Höhe 95,59 € gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Nach Auffassung des Landgerichts habe der Kläger wirksam von seinem Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB* Gebrauch gemacht. Entgegen der Ansicht der Beklagten handele es sich vorliegend um keinen Fall des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, wonach kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren besteht, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Trotz des missverständlichen Wortlauts dieser Vorschrift sei nicht entscheidend, ob hygienische Gründe die Rückgabe ausschlössen, sondern ob diese Gründe einer Wiederveräußerung der Ware durch den Unternehmer entgegenstünden. Eine Matratze aber könne der Verkäufer, wenn auch mit einigem Aufwand, reinigen und in einen hygienisch einwandfreien Zustand versetzen lassen, so dass die Entfernung einer Schutzfolie durch den Käufer dessen Widerrufsrecht nicht entfallen lasse.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

* § 312g BGB Widerrufsrecht

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht […] zu.
(2) 1Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
[…]
3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde […]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Mainz - Urteil vom 26. November 2015 - 86 C 234/15
Landgericht Mainz - Urteil vom 10. August 2016 3 S 191/15

Akkreditierungsbedingungen

Gemeinsame Hauptverhandlung in Sachen 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18 am 3. Juli 2019, 9.30 Uhr in Leipzig (Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts) (Unterstützung bei Selbsttötungen)

Datum: 03.07.2019
Akkreditierungsschluss: 03.07.2019 09:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Landgericht Hamburg und das Landgericht Berlin haben jeweils einen angeklagten Arzt von dem Vorwurf freigesprochen, sich durch Unterstützung von Selbsttötungen sowie das Unterlassen von Maßnahmen zur Rettung der bewusstlosen Suizidentinnen wegen Tötungsdelikten strafbar gemacht zu haben.

Nach den Feststellungen im Urteil des Landgerichts Hamburg litten die beiden miteinander befreundeten, 85 und 81 Jahre alten suizidwilligen Frauen an mehreren nicht lebensbedrohlichen, aber ihre Lebensqualität und persönlichen Handlungsmöglichkeiten zunehmend einschränkenden Krankheiten. Sie wandten sich an einen Sterbehilfeverein, der seine Unterstützung bei ihrer Selbsttötung von der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit abhängig machte. Dieses erstellte der Angeklagte, ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, der an der Festigkeit und Wohlerwogenheit der Suizid-Wünsche keine Zweifel hatte. Auf Verlangen der beiden Frauen wohnte der Angeklagte ihrer Einnahme der tödlich wirkenden Medikamente bei und unterließ es auf ihren ausdrücklichen Wunsch nach Eintritt ihrer Bewusstlosigkeit Rettungsmaßnahmen einzuleiten.

Gemäß den Urteilsfeststellungen im Fall des Landgerichts Berlin hatte der Angeklagte als Hausarzt einer Patientin Zugang zu einem Medikament verschafft, nach dessen Einnahme sie verstarb. Die 44-jährige Frau litt seit ihrem sechzehnten Lebensjahr an einer nicht lebensbedrohlichen, aber starke krampfartige Schmerzen verursachenden Erkrankung und hatte den Angeklagten um Hilfe beim Sterben gebeten. Nachdem sie die Medikamente eingenommen hatte, betreute der Angeklagte die Bewusstlose – wie von ihr zuvor gewünscht – während des zweieinhalb Tage dauernden Sterbens. Auf Rettung ihres Lebens gerichtete Hilfe leistete er nicht.

Gegen die Freisprüche richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaften. Über beide wird der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 3. Juli 2019 um 9.30 Uhr im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts (Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, Großer Sitzungssaal) gemeinsam verhandeln.

Vorinstanz:

5 StR 132/18

Landgericht Hamburg - Urteil vom 8. November 2017 – 619 KLs 7/16

und

5 StR 393/18

Landgericht Berlin - Urteil vom 8. März 2018 – (502 KLs) 234 Js 339/13 (1/17)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen III ZR 93/18 (Trinkwasserversorgungs-Anschlussbeiträge in Brandenburg) am 27. Juni 2019, 10.00 Uhr (Verhandlung: 9. Mai 2019)

Datum: 27.06.2019
Akkreditierungsschluss: 26.06.2019 09:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Kläger verlangen - unter anderem gestützt auf § 1 Abs. 1 des in brandenburgisches Landesrecht überführten Staatshaftungsgesetzes der DDR (= StHG) - Schadensersatz in Form der Rückerstattung von im Jahre 2011 erhobenen Beiträgen für einen Trinkwasseranschluss.

Sachverhalt:

Die Kläger sind Eigentümer eines in Brandenburg belegenen Grundstücks, das vor dem 1. Januar 2000 an das kommunale Trinkwassernetz des beklagten Zweckverbandes angeschlossen wurde. Auf der Grundlage von § 8 Abs. 7 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes Brandenburg in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 2004 (= KAG Bbg. n.F.) und seiner Beitragssatzung setzte der Beklagte mit Bescheid vom 15. November 2011 einen Anschlussbeitrag von 1.321,96 € gegen die Kläger fest. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Kläger blieb erfolglos. Von einer Klageerhebung sahen die Kläger ab. Auf der Grundlage der Vorgängerregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 (= KAG Bbg. a.F.) in der durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte geprägten damaligen Auslegung wäre die Beitragspflicht hingegen verjährt gewesen. Im Jahr 2015 hob das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und des Verwaltungsgerichts Cottbus, mit denen gegen andere Betroffene in vergleichbaren Konstellationen (sog. "Altanschließer") festgesetzte Beiträge für rechtmäßig befunden worden waren, mit der Begründung auf, die Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg. n.F. auf diese Fallgestaltungen führe zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung. Nach einem erfolglos gebliebenen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens nach § 51 VwVfG begehren die Kläger nunmehr Schadensersatz in Höhe des geleisteten Beitrags nebst Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufungen des Beklagten und des auf seiner Seite dem Verfahren als Streithelfer beigetretenen Landes hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat einen Anspruch der Kläger sowohl auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 StHG als auch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG verneint. Das Staatshaftungsgesetz sei nicht anwendbar, weil es nicht um einen Einzelfall rechtswidrigen Verwaltungshandelns gehe, sondern um legislatives Unrecht. Der Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere am fehlenden Verschulden der Amtsträger. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist unter anderem die Abgrenzung von administrativem und legislativem Unrecht im Zusammenhang mit der Prüfung des verschuldensunabhängigen Anspruchs aus § 1 Abs. 1 StHG. Ferner geht es darum, ob der geltend gemachte Anspruch der Kläger vom Schutzzweck des § 1 Abs. 1 StHG erfasst ist oder ihm die (analog anzuwendende) Vorschrift des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entgegenstehen könnte.

Das Verfahren hat Pilot-Charakter für zahlreiche noch anhängige Verfahren in Brandenburg.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt (Oder) - 11 O 312/16 - Urteil vom 5. Mai 2017 und Versäumnisurteil vom 30. Dezember 2016
OLG Brandenburg - 2 U 21/17 - Urteil vom 17. April 2018

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 StHG:

Abs. 1: "Für Schäden, die einer natürlichen oder einer juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt werden, haftet das jeweilige staatliche oder kommunale Organ."

§ 8 KAG Bbg. n.F.

Abs. 7: „Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage, in den Fällen des Absatzes 3 mit der Beendigung der Teilmaßnahme und in den Fällen des Absatzes 5 mit der endgültigen Herstellung des Abschnitts. Wird ein Anschlussbeitrag nach Absatz 4 erhoben, so entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen. Im Falle der Erhebung eines Beitrages für die Erneuerung oder Verbesserung einer leitungsgebundenen Einrichtung oder Anlage gilt, soweit die Satzung keinen späteren Zeitpunkt bestimmt, Satz 1 entsprechend.“

§ 8 KAG Bbg. a.F.

Abs. 7: „Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage, in den Fällen des Absatzes 3 mit der Beendigung der Teilmaßnahme und in den Fällen des Absatzes 5 mit der endgültigen Herstellung des Abschnitts. Wird ein Anschlussbeitrag nach Absatz 4 erhoben, so entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen.“

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 25. Juni 2019, 9.00 Uhr,
in Sachen X ZR 166/18 (Darlegungslast zu Unfallverhütungsvorschriften im Reiseland)

Datum: 25.06.2019
Akkreditierungsschluss: 24.06.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger macht aus eigenem und abgetretenem Recht gegen das beklagte Reiseunternehmen Ansprüche u.a. auf Rückzahlung des Reisepreises, Schadensersatz, Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit sowie Schmerzensgeld aufgrund eines Unfalls geltend, der sich im Rahmen einer bei der Beklagten gebuchten Pauschalreise ereignet hat.

Sachverhalt:
Der Kläger buchte u.a. für seine Lebensgefährtin, deren 7 Jahre alten Sohn und sich eine Flugpauschalreise nach Gran Canaria. Am Ankunftstag kam es zu einem Unfall des Sohnes der Lebensgefährtin des Klägers, als dieser vom Hotelzimmer auf den Balkon laufen wollte. Das Kind übersah, dass die Balkonglastür noch geschlossen war, und lief gegen diese. Dabei zerbrach die Glasscheibe und das Kind erlitt Schnittverletzungen.

Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Wie bereits das Landgericht hat auch das Oberlandesgericht einen Reisemangel nach § 651c Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verneint. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne nicht darin gesehen werden, dass die Balkonglastüre nicht hinreichend markiert gewesen sei. Die Glastür sei aufgrund einer kleinen Krone und eines dunkelblauen Punktes, die sich im oberen Teil der unteren Hälfte und etwa in der Mitte der Glasscheibe befunden hätten, für einen durchschnittlich aufmerksamen Hotelgast hinreichend erkennbar gewesen. Wenngleich sich der untere Punkt nicht in Augenhöhe eines 7-jährigen Kindes befunden habe, sei die Kombination der beiden „Warnaufkleber“ doch geeignet gewesen, auch ein Kind in diesem Alter dafür zu sensibilisieren, dass die Balkontür aus Glas bestehe.

Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass das spanische Recht bestimmte Anforderungen vorgebe, denen Glastüren in Hotelzimmern entsprechen müssten, und dass die Glastür zum Unfallzeitpunkt solchen Anforderungen nicht genügt habe. Das Gericht sei nicht gehalten, von Amts wegen zu prüfen, ob es derartige spanische Rechtsvorschriften gebe. § 293 ZPO finde im Streitfall keine Anwendung, weil dieser allein nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Die Frage, ob die Glastür den örtlichen Bauvorschriften entsprochen habe, sei eine vorgelagerte Tatsachenfrage. Im Übrigen stelle der pauschale, unter Sachverständigenbeweis gestellte Vortrag, die Glasscheibe habe nicht den örtlichen Sicherheitsvorschriften entsprochen, eine Behauptung „ins Blaue hinein“ und damit einen unbeachtlichen Ausforschungsbeweis dar.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Vorinstanzen:
LG Hannover - Urteil vom 8. Februar 2018 - 8 O 49/17
OLG Celle - Urteil vom 6. September 2018 ­ 11 U 42/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 651c BGB Abhilfe [in der bis zum 30.6.2018 geltenden Fassung]
(1) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

§ 293 ZPO
Das in einem anderen Staate geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.

Karlsruhe, den 23. April 2019

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 18. Juni 2019, 10.00 Uhr in Sachen XI ZR 768/17 (Entgelte für Bareinzahlungen und Barauszahlungen am Bankschalter) (Verhandlungstermin: 14.5.2019)

Datum: 18.06.2019
Akkreditierungsschluss: 17.06.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Der Kläger, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., begehrt von der beklagten Sparkasse, es zu unterlassen, in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis für Bareinzahlungen und Barabhebungen am Bankschalter ein Entgelt vorzusehen.
Die beklagte Sparkasse bietet entgeltliche Giroverträge in unterschiedlichen Gestaltungen an. Bei dem Vertragsmodell „S-Giro Basis“ verlangt sie - bei einem monatlichen Grundpreis von 3,90 € - in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis für die Leistung

„Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service, je Buchung“

ein Entgelt von 2 €. Bei dem Vertragsmodell „S-Giro Komfort“ mit höherem monatlichen Grundpreis beträgt das Entgelt für dieselbe Leistung 1 €.

Hierauf gestützt berechnet die Beklagte bei beiden Vertragsmodellen für jede Ein- oder Auszahlung von Bargeld auf bzw. von einem bei ihr unterhaltenen Girokonto ein Entgelt von 2 € bzw. 1 €. Bareinzahlungen sowie Barabhebungen am Geldautomaten, letztere täglich bis zu einem Betrag von 1.500 €, sind bei jedem Vertragsmodell im Grundpreis inklusive.

Der Kläger hält solche Entgeltklauseln für Bareinzahlungen und Barauszahlungen am Bankschalter für unwirksam, wenn nicht durch eine sog. Freipostenregelung monatlich mindestens fünf Bareinzahlungen oder Barauszahlungen am Bankschalter „und/oder“ am Geldautomaten entgeltfrei gestellt würden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die in der Hauptsache auf Unterlassung gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht (OLG München, WM 2018, 519 f.) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Unterlassungsklage sei schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte nicht nur fünf, sondern beliebig viele Ein- und Auszahlungsvorgänge am Geldautomaten ohne gesondertes Entgelt abwickle, so dass bereits nach dem klägerischen Unterlassungsantrag eine ausreichende Freipostenregelung vorliege.

Davon abgesehen rechtfertige das Verhalten der beklagten Sparkasse keinen Unterlassungsanspruch. Insbesondere seien die Klauseln „Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service … €“ nicht wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Klauseln unterlägen keiner AGB-Kontrolle, weil mit ihnen unmittelbar der Preis für eine vertragliche Hauptleistung bestimmt werde.

Da die Parteien die Klauseln übereinstimmend so verstünden, dass sie Ein- und Auszahlungen von Bargeld an der Kasse erfassten, sei es ausgeschlossen, dass das Entgelt auch für Korrekturbuchungen erhoben werde, für die nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats kein Entgelt verlangt werden dürfe (siehe BGH, Urteile vom 27. Januar 2015 - XI ZR 174/13, WM 2015, 519 ff. und vom 28. Juli 2015 - XI ZR 434/14, BGHZ 206, 305 ff).

Nach dem Inkrafttreten des Zahlungsdiensterechts im Jahr 2009 stelle die Durchführung von Ein- und Auszahlungen von Bargeld auf ein bzw. von einem Girokonto einen Zahlungsdienst dar, für den nach dem Gesetz (§ 675f Abs. 4 Satz 1 BGB aF; nunmehr § 675f Abs. 5 Satz 1 BGB) ein Entgelt als Gegenleistung vereinbart und verlangt werden könne. Die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung des XI. Zivilsenats, nach der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Ein- und Auszahlungen von Bargeld am Bankschalter ohne angemessene Freipostenregelung kein Entgelt verlangt werden dürfe (siehe BGH, Urteile vom 30. November 1993 - XI ZR 80/93, BGHZ 124, 254 ff. und vom 7. Mai 1996 - XI ZR 217/95, BGHZ 133, 10 ff.), sei nach dieser neuen Rechtslage nicht mehr maßgebend.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter

Vorinstanzen:

LG Memmingen - Urteil vom 16. November 2016 - 1 HK O 893/16
OLG München - Urteil vom 12. Oktober 2017 - 29 U 4903/16

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen X ZR 107/16 in Sachen X ZR 107/16 (Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage nach einer Schenkung zugunsten einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft) am 18. Juni 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin am 19. März 2019)

Datum: 18.06.2019
Akkreditierungsschluss: 17.06.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin verlangt aus eigenem und dem abgetretenen Recht ihres Ehemanns vom Beklagten die Rückzahlung von Finanzierungsbeiträgen für eine Wohnimmobilie, die der Beklagte gemeinsam mit der Tochter der Klägerin erworben.

Sachverhalt:

Die Klägerin und Ehemann sind die Eltern der ehemaligen Lebensgefährtin des Beklagten; die nichteheliche Lebensgemeinschaft der Tochter mit dem Beklagten bestand seit 2002. Im Jahr 2011 kauften die Tochter der Klägerin und der Beklagte eine Immobilie zum gemeinsamen Wohnen. Die Klägerin und ihr Ehemann wandten ihnen zur Finanzierung Beträge von insgesamt 104.109,10 € zu. Ende Februar 2013 trennten sich die Tochter der Klägerin und der Beklagte. Im Januar 2014 begehrten die Klägerin und ihr Ehemann die zugewandten Beträge zurück. Mit der Klage verlangen sie von dem Beklagten die Hälfte der Beträge. Die Klägerin stützt dies in erster Linie auf eine Darlehensabrede; hilfsweise macht sie sich den Vortrag des Beklagten zu eigen, die Zuwendungen seien unentgeltlich erfolgt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung des Beklagten ist in Höhe von 47.040,77 € erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat in dieser Höhe auf der Grundlage des Vortrags des Beklagten einen Anspruch wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage für begründet erachtet. Mit der Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hätten sich Umstände schwerwiegend verändert, von deren Vorhandensein die Vertragsparteien der Schenkung gemeinsam ausgegangen seien. Den Zuwendungen habe die gemeinsame Vorstellung zugrunde gelegen, die Beziehung zwischen der Tochter der Klägerin und dem Beklagten werde lebenslangen Bestand haben. Mit der Trennung, die kurze Zeit nach der Zuwendung erfolgt sei, sei diese Geschäftsgrundlage weggefallen und der Klägerin ein Festhalten an der Schenkung nicht zuzumuten. Da die Tochter der Klägerin jedoch mindestens vier Jahre in der gemeinsamen Wohnimmobilie gewohnt habe, habe sich der mit der Schenkung verfolgte Zweck teilweise verwirklicht. Diese Zweckerreichung sei in Relation zur erwarteten Gesamtdauer der Lebensgemeinschaft zu setzen. Demnach habe der Beklagte 93,6 % seines hälftigen Anteils an den geschenkten Zuwendungen, mithin 47.040,77 € zurück zu zahlen.

Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Vorinstanzen:

LG Potsdam - Urteil vom 20. August 2015 - 2 O 166/14
OLG Brandenburg - Urteil vom 26. Oktober 2016 - 4 U 159/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 313 BGB - Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

§ 516 BGB - Begriff der Schenkung

(1) Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
(…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen V ZR 254/17 (Kostenersatz für irrtümliche Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums durch einen Wohnungseigentümer?) am 14. Juni 2019, um 9.00 Uhr (Verhandlung am 5.4.2019)

Datum: 14.06.2019
Akkreditierungsschluss: 13.06.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem ein Wohnungseigentümer, der die Fenster seiner Wohnung erneuert hat, von der Wohnungseigentümergemeinschaft Erstattung der Kosten verlangt.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Er ließ 2005 in seiner Wohnung die einfach verglasten Holzfenster aus dem Jahr 1972 durch Kunststoffrahmenfenster mit Dreifachisolierglas ersetzen. Zum damaligen Zeitpunkt legten die Wohnungseigentümer die Teilungserklärung übereinstimmend dahingehend aus, dass die Erneuerung der Fenster von dem jeweiligen Wohnungseigentümer auf eigene Kosten vorzunehmen sei. Diese Auslegung stellte sich im Jahr 2012 als falsch heraus. Die Erneuerung der Fenster ist tatsächlich Sache der Gemeinschaft.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Wertersatz in Höhe von 5.500 gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Nach Ansicht des Landgerichts kommt zwar grundsätzlich ein Bereicherungsanspruch des Wohnungseigentümers (§ 812 Abs. 1 BGB) für eine eigenmächtige Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums in Betracht, wenn die Maßnahme ohnehin hätte beschlossen oder vorgenommen werden müssen. Das gelte auch bei einer irrtümlichen Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 1 BGB. Um einen solchen Fall handele es sich hier, weil der Kläger aufgrund einer von allen Wohnungseigentümern übereinstimmend fehlerhaften Auslegung der Teilungserklärung irrtümlich davon ausgegangen sei, zur Erneuerung der Fenster im Bereich seiner Wohnung verpflichtet gewesen zu sein. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft sei aber nicht passiv legitimiert. Schuldner eines Bereicherungsanspruchs könnten nur die (übrigen) Wohnungseigentümer sein.

Vorinstanzen:

AG Hamburg-Barmbeck – Urteil vom 14. Oktober 2016 – 883 C 28/15
LG Hamburg – Urteil vom 13. September 2017 – 318 S 23/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 21 WEG:

Abs. 1: "Soweit nicht in diesem Gesetz oder durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer etwas anderes bestimmt ist, steht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu."
Abs. 3: "Soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen."
Abs. 5: "Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere:
1. (…)
2. die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums"
(…)

§ 687 BGB

Abs. 1: „Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei.“

§ 683 BGB

Satz 1: „Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.“

§ 812 BGB

Abs. 1 Satz 1: „Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.“

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen I ZR 206/17 und I ZR 60/18 (Zur Gewährung von Werbegaben durch Apotheken) am 6. Juni 2019, 9.00 Uhr (Verhandlung am 28.3.2019)

Datum: 06.06.2019
Akkreditierungsschluss: 05.06.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen Brötchen-Gutschein oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren dürfen.

Verfahren I ZR 206/18

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt in Darmstadt eine Apotheke. Sie händigte einem Kunden im September 2014 anlässlich des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Brötchen-Gutschein über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" aus. Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe der Apotheke gelegenen Bäckerei eingelöst werden. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, den Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-gutscheins zu verknüpfen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels verstoße gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG). Bei diesen Vorschriften handele es sich um Marktverhaltensregelungen, so dass ein solcher Verstoß zugleich wettbewerbswidrig sei (§ 3a UWG). Die Rechtsprechung habe zwar im Blick darauf, dass die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten beim Erwerb von Arzneimitteln nach dem Heilmittelwerbegesetz zulässig gewesen sei, die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht verneint. Daran könne aber nicht mehr festgehalten werden, nachdem der Gesetzgeber die entsprechende Bestimmung des Heilmittelwerbegesetzes mit Wirkung vom 13. August 2013 ausdrücklich um die Regelung ergänzt habe, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG). Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Apotheken keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale), stehe einer Anwendung dieser Vorschriften auf in Deutschland ansässige Apotheken weder aus Gründen des Unionsrechts noch aus Gründen des Verfassungsrechts entgegen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Darmstadt - Urteil vom 10. Juni 2016 - 14 O 186/15
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. November 2017 - 6 U 164/16, GRUR 2018, 208 = WRP 2018, 105

Verfahren I ZR 60/18

Sachverhalt:

Der Beklagte betreibt in Berlin eine Apotheke. Er gewährte seinen Kunden im Jahr 2014 zeitweise eine Vergünstigung in Form eines Ein-Euro-Gutscheins. Die Kunden konnten den Gutschein bei einem weiteren Einkauf in der Apotheke des Beklagten einlösen. Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, Kunden, die ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel einlösen, einen Einkaufsgutschein über einen Euro zu gewähren.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Gewährung eines Ein-Euro-Gutscheins durch den Beklagten bei Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an Verbraucher verstoße zwar gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG). Diese Preisbindungsvorschriften seien mit der Berufsausübungsfreiheit und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auf in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Apotheken keine Anwendung fänden (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, C-148/15, GRUR 2016, 1312 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale), stehe ihrer Anwendung auf den innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln nicht entgegen und führe nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung in Deutschland ansässiger Apotheken. Der hier in Rede stehende Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften durch Zuwendung einer geringwertigen Kleinigkeit sei aber nicht wettbewerbswidrig. Er sei nicht geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG). Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass nach der geltenden Fassung des Heilmittelwerbegesetzes auch die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften unzulässig sei (§ 7 Abs. 1 Satz Nr. 1 HWG).

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 13. Mai 2015 - 97 O 12/15, PharmR 2015, 414
KG Berlin - Urteil vom 13. März 2018 - 5 U 97/15, GRUR 2018, 839

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG

Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 HWG

(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass
1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten;
2. die Zuwendungen oder Werbegaben in
a) einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag oder
b) einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden;
Zuwendungen oder Werbegaben nach Buchstabe a sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten; Buchstabe b gilt nicht für Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist;
3. die Zuwendungen oder Werbegaben nur in handelsüblichem Zubehör zur Ware oder in handelsüblichen Nebenleistungen bestehen; als handelsüblich gilt insbesondere eine im Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung aufgewendet werden darf;
4. die Zuwendungen oder Werbegaben in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen bestehen oder
5. es sich um unentgeltlich an Verbraucherinnen und Verbraucher abzugebende Zeitschriften handelt, die nach ihrer Aufmachung und Ausgestaltung der Kundenwerbung und den Interessen der verteilenden Person dienen, durch einen entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite diesen Zweck erkennbar machen und in ihren Herstellungskosten geringwertig sind (Kundenzeitschriften).

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin in Sachen X ZB 2/19 am 4. Juni 2019, 10.00 Uhr (Antrag auf vorläufige Benutzungsgestattung für cholesterinsenkendes Medikament)

Datum: 04.06.2019
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Sachverhalt:

Die Antragstellerinnen vertreiben in Deutschland das Arzneimittel Praluent, das den Wirkstoff Alirocumab enthält. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der gegen das Proprotein Convertase-Subtilisin-Kexin Typ 9 (PCSK9) gerichtet ist. Dieses Protein beeinträchtigt den Abbau zu hoher Spiegel von Lipoproteinen niedriger Dichte (LDL-Cholesterinspiegeln); Alirocumab hemmt das PCSK9-Protein und bewirkt damit eine Verringerung des LDL-Cholesterinwerts im Blut.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 2 215 124, das antigenbindende Proteine gegen das Protein PCSK9 betrifft. Das Europäische Patentamt hat das Patent nach Einspruch in geänderter Fassung aufrechterhalten; über die gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerden ist noch nicht entschieden worden. Die Antragsgegnerin vertreibt unter der Bezeichnung Repatha ein Arzneimittel, das den ebenfalls gegen das Protein PCSK9 gerichteten Antikörper Evolocumab enthält.
Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerinnen wegen Verletzung ihres Patents vor dem Landgericht Düsseldorf u.a. auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Im Juli 2018 haben die Antragstellerinnen vor dem Bundespatentgericht Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 PatG erhoben und zugleich beantragt, ihnen die Benutzung der Erfindung durch das Arzneimittel Praluent in vier näher bezeichneten Abgabeformen im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 85 PatG vorläufig zu gestatten.

Das Patentgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da die Antragstellerinnen sich nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolglos bemüht hätten, von der Antragsgegnerin eine vertragliche Lizenz für Praluent zu erhalten, und auch nicht glaubhaft gemacht hätten, dass das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz wegen dem Arzneimittel Repatha überlegener therapeutischer Eigenschaften von Praluent, insbesondere wegen einer Senkung des Mortalitätsrisikos, gebiete (Urteil veröffentlicht in Mitteilungen der Deutschen Patentanwälte 2019, 117). Mit der Beschwerde verfolgen die Antragstellerinnen den Antrag auf vorläufige Gestattung der Benutzung der patentgeschützten Erfindung weiter.

Vorinstanz:

Bundespatentgericht – Urteil vom 6. September 2018 – 3 LiQ 1/18 (EP)

Angewendete Vorschriften:

§ 24 Abs. 1 Patentgesetz (PatG)
Die nicht ausschließliche Befugnis zur gewerblichen Benutzung einer Erfindung wird durch das Patentgericht im Einzelfall nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften erteilt (Zwangslizenz), sofern

1. der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen, und
2. das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet.

§ 85 Abs. 1 PatG
In dem Verfahren wegen Erteilung der Zwangslizenz kann dem Kläger auf seinen Antrag die Benutzung der Erfindung durch einstweilige Verfügung gestattet werden, wenn er glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 bis 6 vorliegen und dass die alsbaldige Erteilung der Erlaubnis im öffentlichen Interesse dringend geboten ist.

Karlsruhe, den 27. Mai 2019

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermine am 22.5.2019 in Sachen VIII ZR 180/18 um 14.30 Uhr und VIII ZR 167/17 (Widerspruch gegen Eigenbedarfskündigung; sogenannte Sozialklausel in §§ 574 ff. BGB) (Verhandlung am 17.4.2019)

Datum: 22.05.2019
Akkreditierungsschluss: 21.05.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich in zwei Verfahren näher mit den Voraussetzungen der sogenannten Sozialklausel in §§ 574 ff. BGB befassen.

VIII ZR 180/18

In diesem Verfahren ist die inzwischen über 80 Jahre alte Beklagte zu 1 seit 1974 Mieterin einer etwa 73 qm großen Dreizimmerwohnung in Berlin, die sie gemeinsam mit ihren erwachsenen Söhnen (Beklagte zu 2 und 3) bewohnt. Im Jahr 2015 erwarb der Kläger, der bislang mit seiner Ehefrau und seinen Kindern (inzwischen zwei und vier Jahre alt) ebenfalls zur Miete in einer 57 qm großen Zweizimmerwohnung lebt, die streitgegenständliche Wohnung und erklärte kurze Zeit später gegenüber der Beklagten zu 1 die Kündigung des Mietverhältnisses, da er diese Wohnung nunmehr mit seiner Familie selbst nutzen wolle. Langfristig sei geplant, diese Wohnung mit der benachbarten Wohnung (circa 65 qm) zu verbinden, die der Kläger ebenfalls erworben und bei der er das dort bestehende Mietverhältnis auch bereits gekündigt hat.

Die Vorinstanzen haben die Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) des Klägers für wirksam erachtet. Das Berufungsgericht hat aber - anders als noch das Amtsgericht - die auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage gleichwohl abgewiesen. Es ist auf einen entsprechenden Widerspruch der Beklagten zu 1 vom Vorliegen eines Härtefalls im Sinne von § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgegangen und hat bestimmt, dass das Mietverhältnis der Parteien auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werde (§ 574a Abs. 2 Satz 2 BGB). Dabei seien auf Seiten der Beklagten zu 1 unter anderem deren hohes Alter, eine attestierte Demenzerkrankung, ihre mit der langen Mietdauer einhergehende Verwurzelung sowie die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von bezahlbarem Ersatzwohnraum in Berlin zu berücksichtigen. Demgegenüber komme dem (Rück-)Erlangungsinteresse des Klägers als Eigentümer der Wohnung zwar ebenfalls erhebliches Gewicht zu. Vorliegend sei im Rahmen der Härtefallprüfung aber zu seinen Lasten maßgeblich darauf abzustellen, dass der Eigenbedarf bereits bei Erwerb der Wohnung absehbar gewesen sei und der Kläger zudem von vornherein mit dem Einwand von Härtegründen bei einer Kündigung habe rechnen müssen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.

VIII ZR 167/17

In dem anderen Verfahren sind die Beklagten zu 1 und 2 seit 2006 Mieter einer Doppelhaushälfte der Kläger in Kabelsketal (Sachsen-Anhalt), die sie gemeinsam mit dem volljährigen Sohn der Beklagten zu 1 sowie dem Bruder des Beklagten zu 2 (Beklagte zu 3 und 4) bewohnen. Die Kläger kündigten das Mietverhältnis mit der Begründung, die Klägerin zu 1 wolle mit ihrem Lebensgefährten in die Doppelhaushälfte einziehen, um ihre pflegebedürftige Großmutter, die in der Nähe des Anwesens wohne, besser unterstützen zu können. Die Beklagten widersprachen der Kündigung. Zum einen hätten die Kläger den Eigenbedarf nur vorgeschoben; Grund der Kündigung seien vielmehr Streitigkeiten über von den Beklagten gerügte Mängel der Wohnung. Zum anderen sei ihnen ein Umzug aufgrund der schweren Erkrankungen der Beklagten zu 1 (Parkinson, Depression, chronische Wirbelsäulenbeschwerden, Grad der Behinderung 50%) und des Beklagten zu 4 (Pflegestufe II, alkoholkrank) nicht zumutbar.

Auch in diesem Verfahren haben die Vorinstanzen die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) für gegeben erachtet. Das zwischenzeitliche Versterben der Großmutter der Klägerin zu 1 sei insoweit unbeachtlich, da ein nachträglicher Wegfall des Kündigungsgrunds nur dann zu berücksichtigen sei, wenn - was hier nicht der Fall gewesen sei - dies vor Ablauf der Kündigungsfrist geschehe. Weiterhin könnten die Beklagten auch nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, da sich aus den von ihnen zur Begründung herangezogenen ärztlichen Attesten bezüglich der Beklagten zu 1 und 4 nicht ergebe, dass der Umzug für diese aus medizinischer oder psychologischer Sicht unzumutbar sei und insbesondere zu einer drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigung oder Lebensgefahr führe. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. […]
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
[…]
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt […]

§ 574 Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung

(1) 1Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. 2Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.
[…]

§ 574a BGB Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Widerspruch

(1) 1Im Falle des § 574 kann der Mieter verlangen, dass das Mietverhältnis so lange fortgesetzt wird, wie dies unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. 2Ist dem Vermieter nicht zuzumuten, das Mietverhältnis zu den bisherigen Vertragsbedingungen fortzusetzen, so kann der Mieter nur verlangen, dass es unter einer angemessenen Änderung der Bedingungen fortgesetzt wird.
(2) 1Kommt keine Einigung zustande, so werden die Fortsetzung des Mietverhältnisses, deren Dauer sowie die Bedingungen, zu denen es fortgesetzt wird, durch Urteil bestimmt. 2Ist ungewiss, wann voraussichtlich die Umstände wegfallen, auf Grund derer die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeutet, so kann bestimmt werden, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird.
[…]

Vorinstanzen:

VIII ZR 180/18
Amtsgericht Charlottenburg – Urteil vom 17. Juli 2017 – 231 C 565/16
Landgericht Berlin – Urteil vom 9. Mai 2018 – 64 S 176/17

und

VIII ZR 167/17
Amtsgericht Halle – Urteil vom 11. Oktober 2016 – 95 C 1281/16
Landgericht Halle –Urteil vom 5. Juli 2017 – 1 S 245/16

Akkreditierungsbedingungen

Revisionsrücknahme in Sachen V ZR 97/17 („Stehengebliebene“ Sicherungsgrundschuld in der Teilungsversteigerung) (Terminaufhebung Verhandlung: 17.5.2019)

Datum: 17.05.2019
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für dingliche Rechte an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem ein früherer Grundstückseigentümer von der beklagten Bank Schadensersatz wegen der Löschung einer „stehengebliebenen“ Sicherungsgrundschuld verlangt.

Sachverhalt:

Der Kläger und seine damalige Ehefrau waren hälftige Eigentümer eines Grundstücks, auf dem eine zugunsten der beklagten Bank bestellte Grundschuld mit einem Nennwert von 270.000 DM lastete. Die durch die Grundschuld gesicherten Kredite waren vollständig zurückgezahlt worden. Auf Aufforderung des Klägers und gegen Zahlung einer Gebühr von 140,51 € erteilte die Beklagte im Jahr 2005 die Löschungsbewilligung. Von dieser machten die Eheleute jedoch nicht Gebrauch. Deshalb blieb die nicht mehr valutierende Grundschuld weiterhin im Grundbuch eingetragen („stehengebliebene“ Sicherungsgrundschuld).

Im Zuge der Trennung der Eheleute betrieb der Kläger im Jahr 2014 die Teilungsversteigerung. Der Verkehrswert des Grundbesitzes wurde auf 85.000 € festgesetzt. Auf Anfrage des Amtsgerichts teilte die beklagte Bank mit, dass sie aus der Grundschuld keine Rechte mehr geltend mache und auf alle Nebenansprüche verzichte. Sie verwies auf die bereits erteilte Löschungsbewilligung und erklärte ihre Bereitschaft, die Löschung auch gegenüber dem neuen Eigentümer zu bewilligen. Die Grundschuld wurde in das geringste Gebot aufgenommen, sollte also im Falle des Zuschlags bestehen bleiben. Am 9. April 2014 erfolgte der Zuschlag auf das Bargebot des Erstehers in Höhe von 3.300 €. Die Bank erteilte dem Ersteher ohne weitere Gegenleistung eine Löschungsbewilligung. Daraufhin wurde die Grundschuld am 17. September 2014 gelöscht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger verlangt – soweit von Interesse – von der Beklagten die Hinterlegung von 69.024,40 € zu seinen und seiner früheren Ehefrau Gunsten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem V. Senat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgt der Alleinerbe des zwischenzeitlich verstorbenen Klägers den Zahlungsantrag weiter.

Das Oberlandesgericht meint, den früheren Eheleuten stünde der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil die Bank ihre Pflichten nicht verletzt habe. Zwar hätten die früheren Eheleute nach der Tilgung der Kredite zunächst das Recht gehabt, zwischen der Löschung und der Rückübertragung der Grundschuld zu wählen. Sie hätten sich aber bereits im Jahr 2005 für die Löschung entschieden und sogar eine Gebühr für die Löschungsbewilligung gezahlt. Damit hätten sie ihr Wahlrecht bindend ausgeübt; ein Anspruch auf Rückübertragung der Grundschuld habe ihnen fortan nicht mehr zugestanden.

Dagegen wendet die Revision ein, dass der Nennbetrag der Grundschuld nach Tilgung der gesicherten Kredite wirtschaftlich gesehen den früheren Eheleuten als den Sicherungsgebern zugestanden habe. Diese hätten das Eigentum an dem Grundstück durch den Zuschlag in der Teilungsversteigerung an den Ersteher verloren, so dass sich die Löschung der Grundschuld nicht mehr zu ihren Gunsten auswirken konnte. Deshalb sei die Bank verpflichtet gewesen, ihnen die Grundschuld durch Abtretung zu übertragen. Das habe sie unterlassen und stattdessen dem Ersteher als unberechtigtem Dritten die Löschung bewilligt. Die früheren Eheleute seien nicht ihrerseits dazu verpflichtet gewesen, vor Einleitung der Teilungsversteigerung die Löschung der Grundschuld herbeizuführen; sie hätten darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte die Grundschuld nach Erteilung des Zuschlags an sie übertragen werde.

Vorinstanzen:

LG Chemnitz – Urteil vom 30. September 2016 – 6 O 818/15
OLG Dresden – Beschluss vom 23. März 2017 – 9 U 1558/16

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin in Sachen XI ZR 345/18 (Kündigung von Sparverträgen „S-Prämiensparen flexibel“) am 14. Mai 2019, 10.00 Uhr

Datum: 14.05.2019
Akkreditierungsschluss: 13.05.2019 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Kläger begehren in der Hauptsache die Feststellung des Fortbestandes dreier Sparverträge.

Im Jahr 1996 warb die Beklagte für das „S-Prämiensparen flexibel“ mit einer Werbebroschüre, in der unter anderem eine Musterrechnung enthalten ist, mit der die Entwicklung eines Sparguthabens über einen Zeitraum von 25 Jahren bei einer monatlichen Sparrate von 150 DM einschließlich der jährlichen Prämienzahlungen dargestellt wird.

In den Jahren 1996 und 2004 schlossen die Kläger mit der beklagten Sparkasse insgesamt drei Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“. Neben einer variablen Verzinsung des Sparguthabens sahen die Verträge erstmals nach Ablauf des dritten Sparjahres die Zahlung einer Prämie in Höhe von 3% der im abgelaufenen Sparjahr erbrachten Sparbeiträge vor. Vertragsgemäß stieg diese Prämie bis zum Ablauf des 15. Jahres auf 50% der geleisteten Sparbeiträge an.

Für alle Sparverträge galten zuletzt die AGB-Sparkassen der Beklagten (Stand: 21. März 2016). Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen enthielt folgende Regelung:
„(1) Ordentliche Kündigung
Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen.“
Unter Hinweis auf das niedrige Zinsumfeld erklärte die Beklagte am 5. Dezember 2016 die Kündigung des Sparvertrages aus dem Jahr 1996 mit Wirkung zum 1. April 2017 sowie die Kündigung der Sparverträge aus dem Jahr 2004 mit Wirkung zum 13. November 2019. Die Kläger sind der Ansicht, dass die von der Beklagten erklärten Kündigungen unwirksam seien.

Bisheriger Prozessverlauf:

Ihre unter anderem auf die Feststellung des Fortbestandes der Sparverträge gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass die Beklagte die Sparverträge gemäß Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen habe kündigen können.

Zwar könne der im Jahr 1996 abgeschlossene Vertrag dahin auszulegen sein, dass die Parteien das Recht der Beklagten zur Kündigung für 15 Jahre stillschweigend abbedungen hätten, wenn die Werbebroschüre der Beklagten im Rahmen der dem Vertragsschluss vorangegangenen Beratung erörtert worden sei. Für die im Jahr 2004 abgeschlossenen Verträge komme dies dagegen nicht in Betracht, weil bereits nach dem Vortrag der Kläger keine Beratung unter Verwendung der Werbebroschüre stattgefunden habe. Ein Ausschluss des Kündigungsrechts für mehr als 15 Jahr liege ohnehin für alle Verträge fern.

Der Umstand, dass die Prämien auf 50% der im abgelaufenen Sparjahr erbrachten Sparbeiträge ansteigen, lasse nicht den Schluss darauf zu, dass die Beklagte sich für zumindest 15 Jahre habe binden wollen. Auch der weitere Umstand, dass die Verträge der Ansparung von Vermögen dienten, führe nicht dazu, dass die Beklagte die Verträge erst nach Ablauf von 15 Jahren kündigen könne. Denn der Vertragszweck werde auch dann erreicht, wenn keine 15 Jahre gespart werde. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Verträge sich erst lohnten, wenn der höchste Prämiensatz erreicht werde.

Mit den Kündigungen setze sich die Beklagte nicht in Widerspruch zu den in der Werbebroschüre genannten Vertragsbedingungen, da diese sich nicht dazu verhalte, wann die Beklagte kündigen könne.

Die Parteien hätten auch keine Laufzeit von 25 Jahren vereinbart. Die Musterrechnung hätten die Kläger nicht dahin verstehen können, dass die Beklagte sich für 25 Jahre an den Vertrag habe binden wollen. Sie solle dem Kunden nur die Entwicklung einer Spareinlage über eine Laufzeit von 25 Jahren verdeutlichen.

Der sachliche Grund für die Kündigung der Sparverträge liege in den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Beklagte bewege sich seit Jahren in einem Niedrig- und Negativzinsumfeld, das eine Fortführung der hochverzinslichen Anlageprodukte wegen der fehlenden Refinanzierungsmöglichkeiten nicht mehr rechtfertige.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof - mit Ausnahme eines Hilfsantrags - zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Stendal - Urteil vom 29. Januar 2018 - 21 O 39/17
OLG Naumburg - Urteil vom 16. Mai 2018 - 5 U 29/18

Akkreditierungsbedingungen

Hauptverhandlungen am 9. Mai 2019 in den Verfahren 4 StR 578/18 um 9.15 Uhr und 4 StR 511/18 um 10.00 Uhr („Staufener Missbrauchsfall“)

Datum: 09.05.2019
Kameraöffentlichkeit: Nein

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird am 9. Mai 2019 in zwei weiteren Verfahren (vgl. Pressemitteilung Nr. 44/2019), die zum Komplex „Staufener Missbrauchsfall“ gehören, über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und in einer Sache auch über die Revision eines Angeklagten mündlich verhandeln. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren Revisionen insbesondere, dass das Landgericht Sicherungsverwahrung nicht angeordnet hat.

Vorinstanz:

4 StR 511/18
Landgericht Freiburg im Breisgau - Urteil vom 16. Mai 2018 – 1/18 6 KLs 160 Js 33561/17

und

4 StR 578/18
Landgericht Freiburg im Breisgau - Urteil vom 6. August 2018 – 5/18 – 6 KLs 160 Js 32949/17

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 25. April 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 21. Februar 2019) in Sachen I ZR 113/18 (Schutz einer digitalen Bibliothek gegen Framing)

Datum: 25.04.2019
Akkreditierungsschluss: 23.04.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob eine Verwertungsgesellschaft den Abschluss eines Vertrages über die Nutzung von Digitalisaten urheberrechtlich geschützter Werke im Internet davon abhängig machen darf, dass der Nutzer wirksame technische Maßnahmen gegen sogenanntes "Framing" ergreift, also gegen das Einbetten von digitalen Inhalten, die auf einem anderen Server als dem des Nutzers gespeichert sind.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Trägerin einer digitalen Bibliothek. In dieser Bibliothek sind auf einer Homepage über Links digitalisierte Inhalte abrufbar, nämlich hochauflösend gespeicherte Digitalisate. Einige der digitalisierten Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Die Bibliothek selbst speichert nur Vorschaubilder und Zugangsdaten der jeweiligen Digitalisate. Über eine Eingabemaske der Datenbank der Bibliothek kann der Nutzer Objekte und Informationen aus Kultur und Wissenschaft gezielt suchen. Ferner kann eine über die Bibliothek eingeblendete Objektabbildung durch Anklicken oder mittels einer Lupenfunktion in vergrößerter Form mit einer Auflösung von 800 x 600 Pixeln angezeigt werden.

Die Beklagte nimmt als Verwertungsgesellschaft die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Fotografien, Bildwerken und Grafiken aller Art wahr. Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Abschluss eines Nutzungsvertrages. Die Beklagte macht den Abschluss des Nutzungsvertrages von der Aufnahme folgender Klausel abhängig:

"Die Lizenznehmerin verpflichtet sich, bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame technische Maßnahmen zum Schutz dieser Werke oder Schutzgegenstände gegen Framing anzuwenden."
Die Klägerin lehnt diese Klausel ab und hat Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel der Feststellung, dass die Beklagte zum Abschluss eines Nutzungsvertrages ohne diese Klausel verpflichtet sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Nutzungsvertrags ohne diese Klausel festgestellt. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Framing, also ein Einbetten der digitalen Medien, die auf anderen Servern gespeichert sind, sei nicht als öffentliche Wiedergabe des digitalisierten Werks gemäß § 15 Abs. 2 und 3 UrhG und damit nicht als urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung zu beurteilen. Weil durch die verlangten Schutzmaßnahmen gegen ein Framing nur verhindert würde, dass die geschützten Inhalte im Wege des Framing auf fremden Drittseiten genutzt werden können, die Seiten der Bibliothek aber auch bei Anwendung solcher Schutzmaßnahmen frei und umfassend erreichbar blieben, würden die Werke durch Framing nicht unter Verwendung eines bislang nicht verwendeten technischen Verfahrens oder für ein neues Publikum wiedergegeben. Von der Klägerin einen hohen Aufwand für die Schutzmaßnahmen zu verlangen, um ein Framing zu unterbinden, wäre deshalb entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG keine Einräumung von Nutzungsrechten zu angemessenen Bedingungen mehr.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 25. Juli 2017 - 15 O 251/16
Kammergericht - Urteil vom 18. Juni 2018 - 24 U 146/17 (GRUR 2018, 1055)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 15 Abs. 2 und 3 UrhG lautet:

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere
1. das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3. das Senderecht (§ 20),
4. das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).
(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

§ 34 Abs. 1 VGG lautet:

(1) Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Die Bedingungen müssen insbesondere objektiv und nichtdiskriminierend sein und eine angemessene Vergütung vorsehen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 25. April 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 21. Februar 2019), in Sachen I ZR 23/18 (Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der unaufgeforderten Aufschaltung eines separaten Wifi-Hotspots bei WLAN-Kunden)

Datum: 25.04.2019
Akkreditierungsschluss: 23.04.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Beklagte ist Telekommunikationsanbieterin. Sie stellt den Kunden ihrer Internetanschlussleistungen einen WLAN-Router zur Verfügung, der gegen unberechtigten Zugang Dritter durch eine nur mit Passwort zu öffnende Verschlüsselung gesichert ist. Der Router verbleibt im Eigentum der Beklagten.

Anfang 2016 teilte die Beklagte in Kundenschreiben mit, sie werde zur Erstellung eines flächendeckenden WLAN-Netzes die Konfiguration der WLAN-Router dahin ändern, dass ein separates WLAN-Signal aktiviert werde, das Dritten einen Zugang zum Internet eröffne.

Die Klägerin, eine qualifizierte Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, sieht in dieser unaufgeforderten Einrichtung eines Wifi-Spots bei Verbrauchern eine unzumutbare Belästigung und aggressive Geschäftspraktik. Sie verlangt von der Beklagten Unterlassung der Aktivierung des separaten WLAN-Signals, wenn dies mit den Verbrauchern nicht vertraglich vereinbart wurde und diese kein Einverständnis erklärt haben.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Unterlassungsanspruch sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Die Aufschaltung eines zusätzlichen Signals beeinträchtige die geschuldete Vertragsleistung nicht. Zwar könne die einseitige Aufschaltung eines zusätzlichen WLAN-Signals eine Belästigung der Kunden darstellen. Diese Belästigung sei aber nicht unzumutbar im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG, weil die Kunden dem jederzeit - auch nachträglich - widersprechen könnten. Die Interessenabwägung führe auch mit Blick auf die Art und Weise der Ansprache nicht zu einer unzumutbaren Belästigung. Ein Eingriff in die Privatsphäre oder das Eigentum der Kunden liege nicht vor. Da den Kunden ein Widerspruchsrecht zustehe, stelle die Aufschaltung auch keine aggressive Geschäftspraktik im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG dar.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 9. Mai 2017 - 31 O 227/16
OLG Köln - Urteil vom 2. Februar 2018 - 6 U 85/17, GRUR-RR 2018, 200

§ 8 Abs. 1 und 3 UWG lauten:

(1) 1Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. 2Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
(2) …
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
1. …
2. ...
3. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind;
4. …

§ 7 Abs. 1 UWG lautet:

(1) 1Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. 2Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

§ 4a Abs. 1 UWG lautet:

(1) 1Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. 2Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch
1.Belästigung,
2.Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder
3.unzulässige Beeinflussung.
3Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen III ZR 67/18 (Entschädigung wegen Abschiebehaft) am 18. April 2019, 9.45 Uhr (Verhandlung am 4.4.2019)

Datum: 18.04.2019
Akkreditierungsschluss: 17.04.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger macht gegen die Beklagten, den Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland, einen Anspruch auf immaterielle Entschädigung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK geltend.

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste zusammen mit seiner Frau und seiner damals 1½ jährigen Tochter mit dem Zug aus Österreich kommend am 2. Oktober 2013 in das Bundesgebiet ein. Bei der Grenzkontrolle in Passau konnte er keine aufenthaltslegitimierenden Ausweispapiere vorlegen. Er gab an, bereits in der Slowakei einen Asylantrag gestellt zu haben. Er wolle aber in Deutschland bleiben. Eine Abfrage im EURODAC-System ergab, dass der Kläger und seine Ehefrau in der Slowakischen Republik am 25. August 2013 einen Asylantrag gestellt hatten. Die Bundespolizei verfügte daher die Zurückschiebung des Klägers nach der Dublin II-Verordnung (EG-Verordnung Nr. 343/2003, ABl. EG Nr. L 50/01). Ferner beantragte sie Haft zur Sicherung der Zurückschiebung. Mit Beschluss vom 3. Oktober 2013 ordnete das Amtsgericht Passau die vorläufige Freiheitsentziehung an. Der Kläger wurde daraufhin in die gesonderte Abteilung für Abschiebegefangene der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim gebracht. Die Ehefrau des Klägers sowie seine Tochter wurden in einer Gemeinschaftsunterkunft in Passau untergebracht. In der Folgezeit wurde über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Wiederaufnahme des Klägers durch die Slowakische Republik betrieben. Am 8. Oktober 2013 beantragte die Bundespolizei Zurückschiebungshaft bis längstens zum 15. November 2013. Mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 ordnete das Amtsgericht München unter Aufhebung der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Passau Abschiebehaft von 44 Tagen an (beginnend rückwirkend am 3. Oktober 2013, längstens bis zum 15. November 2013). Auf die Beschwerde des Klägers setzte das Landgericht München I am 30. Oktober 2013 die Vollziehung unter Auflagen - Aufenthaltnahme bei Ehefrau und Tochter in der Gemeinschaftsunterkunft in Passau; tägliche Erreichbarkeit dort um 10.00 Uhr und um 20.00 Uhr - aus und hob mit weiterem Beschluss vom 7. November 2013 die Haftentscheidung des Amtsgerichts München vom 16. Oktober 2013 auf. Gleichzeitig stellte das Landgericht fest, dass die Freiheitsentziehung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Eine Entziehungsabsicht sei nicht erkennbar, jedenfalls reichten die gemachten Auflagen aus. Zwischenzeitlich hatte die Slowakische Republik der Rücknahme des Klägers und seiner Familie zugestimmt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügte daraufhin die Abschiebung. Nachdem der Kläger erfolglos versucht hatte, dagegen verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, entzog er sich der Zurückschiebung, in dem er mit seiner Familie die Zeit bis zum Ablauf der Zurückschiebefrist nach der Dublin II-Verordnung im sogenannten Kirchenasyl verbrachte. Im Rahmen des deshalb in Deutschland durchgeführten nationalen Asylverfahrens wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Der Kläger hat die Beklagten auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die Zeit seiner Abschiebehaft ab 3. Oktober 2013 in Höhe von 100 je Hafttag insgesamt 2.700 - in Anspruch genommen. Das Landgericht hat das beklagte Land unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von 810 (27 Tage à 30 ) verurteilt und die Klage gegen die beklagte Bundesrepublik insgesamt abgewiesen. Die Berufungen des Klägers und des beklagten Landes haben keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen des Klägers und des beklagten Landes.

Vorinstanzen:

LG München I - 15 O 21372/16 - Entscheidung vom 20. September 2017
OLG München - 1 U 3473/17 – Entscheidung vom 15. März 2018

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

Artikel 5 EMRK

Recht auf Freiheit und Sicherheit

(1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.

(5) Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, hat Anspruch auf Schadensersatz

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 12. April 2019, 9.15 Uhr (Verhandlungstermin: 15.2.2019) in Sachen V ZR 112/18 (Verbot der kurzzeitigen Vermietung von Eigentumswohnungen durch Mehrheitsbeschluss?)

Datum: 12.04.2019
Akkreditierungsschluss: 10.04.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem die Wohnungseigentümer darüber streiten, ob die kurzzeitige Vermietung von Eigentumswohnungen (z.B. an Feriengäste) auf der Grundlage einer sogenannten Öffnungsklausel durch Mehrheitsbeschluss verboten werden kann.

Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Wohnungen. Die Klägerin ist Eigentümerin einer der Wohnungen, die Beklagten sind die übrigen Wohnungseigentümer. Die Teilungserklärung enthält eine Regelung, wonach den Wohnungseigentümern auch die kurzzeitige Vermietung ihrer Wohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet ist. Eine sogenannte Öffnungsklausel sieht vor, dass die Teilungserklärung mit einer Mehrheit von 75 % aller Miteigentumsanteile geändert werden kann. Mit einer solchen Mehrheit beschlossen die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 29. März 2017, die Teilungserklärung dahingehend zu ändern, dass die Überlassung einer Wohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste, vor Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unterkunftsbedürfnissen von kurzer Dauer nicht mehr zulässig ist.

Bisheriger Prozessverlauf:
Auf die Beschlussmängelklage der Klägerin hat das Amtsgericht die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt. Nachdem die Berufung der übrigen Wohnungseigentümer erfolglos geblieben ist, wollen sie mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Das Landgericht hält den Beschluss für nichtig. Die Vermietung einer Eigentumswohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste sei Teil der gemäß § 13 Abs. 1 WEG zulässigen Wohnungsnutzung (Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Januar 2010 – V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 ff.). Auf der Grundlage einer in der Teilungserklärung enthaltenen Öffnungsklausel dürfe nicht in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen werden. Einen solchermaßen unzulässigen Eingriff enthalte der Beschluss. Denn durch den umfassenden Ausschluss der Kurzzeitvermietung werde das grundrechtlich geschützte Recht der Klägerin, ihr Wohnungseigentum zu vermieten, in gravierender Weise eingeschränkt. Zudem fehle es an der erforderlichen Bestimmtheit, weil jedenfalls unklar sei, welcher Zeitraum bei einer Vermietung an „vor Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unterkunftsbedürfnissen von kurzer Dauer“ unzulässig sein solle.

Die Beklagten sehen den Beschluss dagegen als wirksam an. Es sei zulässig, eine bestimmte Art des Gebrauchs des Sondereigentums auf der Grundlage einer Öffnungsklausel zu regeln. Das Landgericht habe die Interessen der Klägerin einseitig in den Vordergrund gestellt und nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Eigentumsrecht der Wohnungseigentümer, die sich an Kurzzeitvermietungen störten, ebenfalls beeinträchtigt werde. Die Anforderungen an die Bestimmtheit seien überzogen. Dem Beschluss lasse sich entnehmen, dass eine Vermietung für nur wenige Tage oder Wochen unzulässig sein solle.

Vorinstanzen:
AG Papenburg – Urteil vom 26. Oktober 2017 – 20 C 216/17
LG Aurich – Urteil vom 6. April 2018 – 4 S 201/17

§ 13 WEG:
Abs. 1: "Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen."

Verkündungstermin am 11. April 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin 13.12.2018), in Sachen I ZR 186/17 (Zulässigkeit der Datenübermittlung von Facebook an Betreiber kostenloser Computerspiele)

Datum: 11.04.2019
Akkreditierungsschluss: 09.04.2019 09:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes-gerichtshofs hat darüber zu entscheiden, unter welchen Umständen die gegenüber dem Betreiber eines sozialen Netzwerks abgegebene Einverständniserklärung zur Übermittlung von Daten der Mitglieder an einen Betreiber kostenloser Computerspiele wirksam und die Datenübermittlung damit rechtmäßig ist.

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt unter anderem in Deutschland das soziale Netzwerk "Facebook". Über einen Link auf der Internetplattform dieses Netzwerks können dessen Nutzer ein "App-Zentrum" aufrufen, in dem die Beklagte unter anderem kostenlos Online-Spiele zugänglich macht, die von Dritten betrieben werden. Der Kläger, der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer, beanstandet, dass im November 2012 in diesem App-Zentrum mehrere Spiele abrufbar waren, bei denen auf den entsprechenden Seiten unter dem Button "Sofort spielen" Informationen über die Weiterleitung von Daten durch die Beklagte an den Betreiber der Spiele angezeigt wurden sowie der Hinweis, dass der Nutzer, indem er fortfahre, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzrichtlinien des jeweiligen Betreibers zustimme, die in diesem Hinweis verlinkt waren.

Der Kläger macht geltend, die Einverständniserklärung der Nutzer sei unwirksam, weil die hierzu gegebenen Hinweise zur notwendigen Information der Nutzer ebenso unzureichend seien wie der Link auf die Allgemeinen Geschäfts- und Datenschutzbestimmungen des jeweiligen Spiele-Betreibers. Auch sei der bei einem der Spiele gegebene Hinweis auf die Übermittlung von Daten eine den Verbraucher unangemessen benachteiligende und intransparente Geschäftsbedingung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im App-Zentrum kostenlose Spiele so zu präsentieren, dass die Benutzer des Netzwerks beim Betätigen des Buttons eine Erklärung zur Übermittlung der bei der Beklagten hinterlegten personenbezogenen Daten an den Betreiber des Spiels und zur Ermächtigung des Betreibers abgeben, im Namen des Verbrauchers Informationen zu posten. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Kammergericht hat angenommen, auf den Streitfall sei deutsches Recht anwendbar. Hiernach habe die Beklagte durch die Weitergabe der Daten der Benutzer gegen § 4 Abs. 1 BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung (im Weiteren: BDSG aF) verstoßen, weil sie nach § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG aF Daten verarbeitet habe, die Einwilligung der Benutzer nach § 4a Abs. 1 Satz 1 und 2 BDSG aF aber unwirksam sei. Auf Grundlage der von der Beklagten gegebenen Hinweise bleibe offen, welche Daten freigegeben würden. Die Datenverarbeitung sei auch nicht nach § 28 Abs. 1 BDSG aF erlaubt, denn die Datenübermittlung diene keinem eigenen Zweck, sondern der Erreichung eines Geschäftszwecks. § 4 Abs. 1 BDSG sei eine Marktverhaltensregelung, so dass der Verstoß dagegen zugleich gemäß § 4 Nr. 11 UWG alter Fassung bzw. § 3a UWG neuer Fassung wettbewerbswidrig sei. Ferner hat das Kammergericht angenommen, dass der bei einem der Spiele gegebene Hinweis eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von 305 Abs. 1 BGB sei, welche die Nutzer gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteilige.

Das Kammergericht hat die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 28. Oktober 2014 - 16 O 60/13
Kammergericht - Urteil vom 22. September 2017 - 5 U 155/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Abs. 1 BDSG aF lautet:

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.

§ 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG aF lautet auszugsweise:

Verarbeiten ist das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten. Im Einzelnen ist, ungeachtet der dabei angewendeten Verfahren: […]
3. Übermitteln das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener personenbezogener Daten an einen Dritten in der Weise, dass
a) die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder
b) der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft, […].

§ 4a Abs. 1 BDSG aF lautet:

Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben.

§ 28 BDSG Abs. 1 aF lautet:

Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig
1. wenn es für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist,
2. soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, oder
3. wenn die Daten allgemein zugänglich sind oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle offensichtlich überwiegt.
Bei der Erhebung personenbezogener Daten sind die Zwecke, für die die Daten verarbeitet oder genutzt werden sollen, konkret festzulegen.

§ 4 Nr. 11 UWG aF lautet:

Unlauter handelt insbesondere, wer
11. einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

§ 3a UWG nF lautet:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 305 Abs. 1 BGB lautet:

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

§ 307 Abs. 1 BGB lautet:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin in Sachen III ZR 35/18 (Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Zusammenbruch im Sportunterricht) am 4. April 2019, 9.45 Uhr (Verhandlungstermin am 21. März 2019)

Datum: 04.04.2019
Akkreditierungsschluss: 03.04.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger macht Amtshaftungsansprüche wegen behauptet unzureichender Erste-Hilfe-Maßnahmen durch das Lehrpersonal des beklagten Landes anlässlich eines im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruchs geltend.

Der seinerzeit 18 Jahre alte Kläger war Schüler der Jahrgangsstufe 13 und nahm im Januar 2013 am Sportunterricht teil. Etwa fünf Minuten nach Beginn des Aufwärmtrainings hörte er auf zu laufen, stellte sich an die Seitenwand der Sporthalle, rutschte dort in eine Sitzposition und reagierte auf Ansprache nicht mehr. Um 15.27 Uhr ging der von der Sportlehrerin ausgelöste Notruf bei der Rettungsleitstelle ein. Die Lehrerin wurde gefragt, ob der Kläger noch atme. Sie befragte dazu ihre Schüler; die Antwort ist streitig. Sie erhielt sodann von der Leitstelle die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen. Der Rettungswagen traf um 15.32 Uhr, der Notarzt um 15.35 Uhr ein. Die Sanitäter und der Notarzt begannen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ungefähr 45 Minuten dauerten. Sodann wurde der intubierte und beatmete Kläger in eine Klinik verbracht. Im dortigen Bericht ist unter anderem vermerkt: „Beim Eintreffen des Notarztes bereits 8 minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation“. Es wurde ein hypoxischer Hirnschaden nach Kammerflimmern diagnostiziert, wobei die Genese unklar war. Während der stationären Behandlung ergaben sich weitere - teils lebensgefährliche - Erkrankungen. Seit Oktober 2013 ist der Kläger zu 100% als Schwerbehinderter anerkannt.

Er verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 500.000 €), die Erstattung materieller Schäden (102.999,68 €), eine monatliche Mehrbedarfsrente von 3.078 € sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des beklagten Landes für künftige Schäden. Er behauptet, sein gesundheitlicher Zustand sei unmittelbare Folge des erlittenen hypoxischen Hirnschadens wegen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns infolge unterlassener Reanimationsmaßnahmen durch seine Sportlehrerin und eine weitere Lehrkraft. Hätten diese im Rahmen der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung eine Atemkontrolle und - angesichts des dabei festgestellten Atemstillstands - anschließend eine Reanimation durch Herzdruckmassage und Atemspende durchgeführt, wäre es nicht zu dem Hirnschaden gekommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Die Verletzung der Amtspflicht, erforderliche Erste-Hilfe rechtzeitig und ordnungsgemäß zu leisten, stehe nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Es könne aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass die Atmung des Klägers bereits vor dem Erscheinen der Rettungskräfte ausgesetzt habe, sodass für die Lehrkräfte ein Anlass zu Wiederbelebungsmaßnahmen gegeben gewesen sei, beziehungsweise ob und wann die Atmung vor Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassene Revision des Klägers. Gegenstand des Revisionsverfahrens werden unter anderem Verfahrensrügen des Klägers, Beweislastfragen sowie der Pflichten- und Haftungsumfang von Lehrern bei Erste-Hilfe-Maßnahmen im Sportunterricht sein.

Vorinstanzen:

LG Wiesbaden - 5 O 201/15 – Entscheidung vom 30. November 2016
OLG Frankfurt am Main - 1 U 7/17 – Entscheidung vom 25. Januar 2018

Akkreditierungsbedingungen

Urteilsverkündung in Sachen VI ZR 13/18 (Haftung wegen Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung) am 2. April 2019, 10.00 Uhr (Verhandlung: 12..3.2019)

Datum: 02.04.2019
Akkreditierungsschluss: 01.04.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der 1929 geborene Vater des Klägers (Patient) litt an fortgeschrittener Demenz. Er war bewegungs- und kommunikationsunfähig. In den letzten beiden Jahren seines Lebens kamen Lungenentzündungen und eine Gallenblasenentzündung hinzu. Im Oktober 2011 verstarb er. Der Patient wurde von September 2006 bis zu seinem Tod mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt. Er stand unter Betreuung eines Rechtsanwalts. Der Beklagte, ein niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin, betreute den Patienten hausärztlich. Der Patient hatte weder eine Patientenverfügung errichtet noch ließ sich sein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen anderweitig feststellen.

Der Kläger macht geltend, die künstliche Ernährung habe spätestens seit Anfang 2010 nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens des Patienten geführt. Der Beklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, das Therapieziel dahingehend zu ändern, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebensverlängernden Maßnahmen zugelassen werde. Er macht aus ererbtem Recht seines Vaters einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend. Ferner verlangt er Ersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht diesem ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € wegen Verletzung der Aufklärungspflicht zugesprochen. Der Beklagte sei aus dem Behandlungsvertrag mit dem Patienten in Verbindung mit § 1901b BGB verpflichtet gewesen, die Frage der Beendigung oder Fortsetzung der medizinisch sehr zweifelhaft gewordenen Sondenernährung mit dem Betreuer des Patienten eingehend zu erörtern. Aus Beweislastgründen sei zu unterstellen, dass sich der Betreuer bei gehöriger Aufklärung gegen eine Fortsetzung der Sondenernährung entschieden hätte. Die Lebens- und gleichzeitig Leidensverlängerung des Patienten stelle einen ersatzfähigen Schaden dar.

Beide Parteien haben Revision eingelegt. Der Beklagte begehrt Klageabweisung, der Kläger die Zuerkennung auch des materiellen Schadensersatzes.

Vorinstanzen:
LG München I – Entscheidung vom 18. Januar 2017 – 9 O 5246/14
OLG München – Entscheidung vom 21. Dezember 2017 – 1 U 454/17

§ 1901b Abs. 1 BGB lautet:

Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901a zu treffende Entscheidung.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 7. März 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 29.11.2018) in Sachen I ZR 225/17 (Zur Zulässigkeit der Werbung für Sportbekleidung als "olympiaverdächtig")

Datum: 07.03.2019
Akkreditierungsschluss: 05.03.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger ist der Deutsche Olympische Sportbund. Die Beklagte betreibt einen Textilgroßhandel. Während der olympischen Spiele 2016 warb sie auf ihrer Internetseite für Sportbekleidung mit den Attributen "olympiaverdächtig" und "olympiareif".

Der Kläger sieht darin einen Verstoß gegen das Olympia-Schutzgesetz, das die olympischen Bezeichnungen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 3 OlympSchG) gegen bestimmte Verwendungen durch Dritte schützt. Nach Abmahnung durch den Kläger gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, die der Kläger annahm. Mit der vorliegenden Klage verlangt er von der Beklagten die Erstattung der Abmahnkosten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat angenommen, die angegriffene Werbung verstoße nicht gegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 OlympSchG, weil die Werbung mit "olympiaverdächtiger" oder "olympiareifer" Sportbekleidung nicht geeignet sei, die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen mit den vom Kläger oder dem Internationalen Olympischen Komitee erbrachten Dienstleistungen oder vertriebenen Produkten hervorzurufen. Die Werbung stelle auch kein unlauteres Ausnutzen der Wertschätzung der Olympischen Spiele dar. Die Beklagte habe die angegriffenen Bezeichnungen als Synonyme für eine außergewöhnlich gute Leistung oder ein besonders hochwertiges Produkt verwendet. Dies begründe keinen verbotenen Imagetransfer. Ferner lasse § 4 Nr. 2 OlympSchG das Benutzen der olympischen Bezeichnungen als beschreibende Qualitätsangabe für eine Ware ausdrücklich zu. Auch eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der Olympischen Spiele oder der Olympischen Bewegung liege nicht vor. Dem Kläger habe daher kein Unterlassungsanspruch nach § 5 Abs. 1 OlympSchG zugestanden, so dass er auch keine Erstattung von Abmahnkosten verlangen könne.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Rostock - Urteil vom 21. Juli 2017 - 3 O 911/16
OLG Rostock - Urteil vom 13. Dezember 2017 - 2 U 21/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 Abs. 1 und 3 OlympSchG:

(1) Gegenstand dieses Gesetzes ist der Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen.
(..)
(3) Die olympischen Bezeichnungen sind die Wörter „Olympiade”, „Olympia”, „olympisch”, alle diese Wörter allein oder in Zusammensetzung sowie die entsprechenden Wörter oder Wortgruppen in einer anderen Sprache.

§ 3 Abs. 2 OlympSchG:

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung der Inhaber des Schutzrechts im geschäftlichen Verkehr die olympischen Bezeichnungen
1. zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen,
2. in der Werbung für Waren oder Dienstleistungen oder
3. als Firma, Geschäftsbezeichnung oder zur Bezeichnung einer gewerbsmäßigen Veranstaltung
zu verwenden, wenn hierdurch die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Bezeichnung mit den Olympischen Spielen oder der Olympischen Bewegung gedanklich in Verbindung gebracht wird oder wenn hierdurch die Wertschätzung der Olympischen Spiele oder der Olympischen Bewegung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird. Satz 1 findet entsprechende Anwendung für Bezeichnungen, die den in § 1 Abs. 3 genannten ähnlich sind.

§ 4 OlympSchG:

Die Inhaber des Schutzrechts haben nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr
1.dessen Namen oder Anschrift zu benutzen oder
2.die olympischen Bezeichnungen oder ähnliche Bezeichnungen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren, Dienstleistungen oder Personen zu benutzen,
sofern die Benutzung nicht unlauter ist.

§ 5 Abs. 1 OlympSchG:

(1) Wer das olympische Emblem oder die olympischen Bezeichnungen entgegen § 3 benutzt, kann von dem Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland oder dem Internationalen Olympischen Komitee auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 7. März 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 29.11.2018) in Sachen I ZR 225/17, 11.00 Uhr (Zur Zulässigkeit der Werbung für Sportbekleidung als "olympiaverdächtig")

Datum: 07.03.2019
Akkreditierungsschluss: 05.03.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger ist der Deutsche Olympische Sportbund. Die Beklagte betreibt einen Textilgroßhandel. Während der olympischen Spiele 2016 warb sie auf ihrer Internetseite für Sportbekleidung mit den Attributen "olympiaverdächtig" und "olympiareif".

Der Kläger sieht darin einen Verstoß gegen das Olympia-Schutzgesetz, das die olympischen Bezeichnungen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 3 OlympSchG) gegen bestimmte Verwendungen durch Dritte schützt. Nach Abmahnung durch den Kläger gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, die der Kläger annahm. Mit der vorliegenden Klage verlangt er von der Beklagten die Erstattung der Abmahnkosten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat angenommen, die angegriffene Werbung verstoße nicht gegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 OlympSchG, weil die Werbung mit "olympiaverdächtiger" oder "olympiareifer" Sportbekleidung nicht geeignet sei, die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen mit den vom Kläger oder dem Internationalen Olympischen Komitee erbrachten Dienstleistungen oder vertriebenen Produkten hervorzurufen. Die Werbung stelle auch kein unlauteres Ausnutzen der Wertschätzung der Olympischen Spiele dar. Die Beklagte habe die angegriffenen Bezeichnungen als Synonyme für eine außergewöhnlich gute Leistung oder ein besonders hochwertiges Produkt verwendet. Dies begründe keinen verbotenen Imagetransfer. Ferner lasse § 4 Nr. 2 OlympSchG das Benutzen der olympischen Bezeichnungen als beschreibende Qualitätsangabe für eine Ware ausdrücklich zu. Auch eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der Olympischen Spiele oder der Olympischen Bewegung liege nicht vor. Dem Kläger habe daher kein Unterlassungsanspruch nach § 5 Abs. 1 OlympSchG zugestanden, so dass er auch keine Erstattung von Abmahnkosten verlangen könne.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Rostock - Urteil vom 21. Juli 2017 - 3 O 911/16
OLG Rostock - Urteil vom 13. Dezember 2017 - 2 U 21/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 Abs. 1 und 3 OlympSchG:

(1) Gegenstand dieses Gesetzes ist der Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen.
(..)
(3) Die olympischen Bezeichnungen sind die Wörter „Olympiade”, „Olympia”, „olympisch”, alle diese Wörter allein oder in Zusammensetzung sowie die entsprechenden Wörter oder Wortgruppen in einer anderen Sprache.

§ 3 Abs. 2 OlympSchG:

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung der Inhaber des Schutzrechts im geschäftlichen Verkehr die olympischen Bezeichnungen
1. zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen,
2. in der Werbung für Waren oder Dienstleistungen oder
3. als Firma, Geschäftsbezeichnung oder zur Bezeichnung einer gewerbsmäßigen Veranstaltung
zu verwenden, wenn hierdurch die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Bezeichnung mit den Olympischen Spielen oder der Olympischen Bewegung gedanklich in Verbindung gebracht wird oder wenn hierdurch die Wertschätzung der Olympischen Spiele oder der Olympischen Bewegung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird. Satz 1 findet entsprechende Anwendung für Bezeichnungen, die den in § 1 Abs. 3 genannten ähnlich sind.

§ 4 OlympSchG:

Die Inhaber des Schutzrechts haben nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr
1.dessen Namen oder Anschrift zu benutzen oder
2.die olympischen Bezeichnungen oder ähnliche Bezeichnungen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren, Dienstleistungen oder Personen zu benutzen,
sofern die Benutzung nicht unlauter ist.

§ 5 Abs. 1 OlympSchG:

(1) Wer das olympische Emblem oder die olympischen Bezeichnungen entgegen § 3 benutzt, kann von dem Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland oder dem Internationalen Olympischen Komitee auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Akkreditierungsbedingungen

Aufhebung des Verhandlungstermins am 27. Februar 2019 – VIII ZR 225/17 (Anspruch auf Ersatzlieferung auch bei Modellwechsel eines Neufahrzeugs?)

Datum: 27.02.2019
Kameraöffentlichkeit: Nein

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen im Juli 2015 an ihn ausgelieferten Neuwagen VW Tiguan 2.0 TDI der ersten Generation, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet war. Das Fahrzeug ist mit einer Software versehen, die erkennt, ob es sich in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet und in diesem Fall (anders als im normalen Fahrbetrieb) verstärkt Abgase in den Motor zurückleitet, um eine Verringerung der am Auspuff gemessenen Stickoxide (NOx-Werte) zu erreichen.

Wegen dieser Software, die nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamts eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, verlangte der Kläger von der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20. November 2015 erfolglos die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs (§ 434 Abs. 1, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB).

Mit der Klage begehrt der Kläger in erster Linie die Ersatzlieferung eines Neufahrzeugs mit identischer Ausstattung und hilfsweise die Nachbesserung des von ihm erworbenen Fahrzeugs. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts produziert der Fahrzeughersteller seit 2016 allerdings nur noch die zweite Generation des entsprechenden Fahrzeugtyps, die mehrere Änderungen gegenüber der ersten Generation aufweist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen mit Ausnahme des hilfsweise geltend gemachten Nachbesserungsverlangens keinen Erfolg gehabt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die vom Kläger begehrte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Kläger habe ein Fahrzeug der ersten Generation des VW Tiguan erworben, das nicht mehr hergestellt werde. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Ersatzlieferung eines VW Tiguan der zweiten Generation zustehe, bedürfe schon deshalb keiner Entscheidung, weil es an einem dahingehenden Antrag fehle. Ohnehin stehe einem solchen Anspruch entgegen, dass die Fahrzeuge der zweiten Modellgeneration im Vergleich zu dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug der ersten Generation nicht gleichartig und gleichwertig seien. Die seit 2016 produzierten Fahrzeuge der zweiten Generation seien anders motorisiert, nämlich mit 110 KW (150 PS) statt 103 KW (140 PS). Die Höchstgeschwindigkeit betrage nunmehr 202-204 km/h anstelle von 182-193 km/h; außerdem seien die Fahrzeuge der zweiten Modellgeneration um 6 cm länger und der Radstand um 8 cm breiter. Daher handele es sich um eine „komplett andere“ Motorisierung.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein auf Nachlieferung gerichtetes Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen […]

§ 439 BGB Nacherfüllung

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
[…]

§ 275 BGB Ausschluss der Leistungspflicht

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
[…]

Vorinstanzen:

Landgericht Bayreuth - Urteil vom 20. Dezember 2016 - 21 O 34/16
Oberlandesgericht Bamberg - Beschluss vom 20. September 2017 - 6 U 5/17

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 21. Februar 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 29.11.2018)), in Sachen I ZR 15/18 (Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Vernichtung einer Kunstinstallation durch den Gebäudeinhaber)

Datum: 21.02.2019
Akkreditierungsschluss: 19.02.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Kläger sind bildende Künstler. Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 war, betrieb in von ihr gepachteten Räumen im Keller eines Hauses eine Minigolf-Anlage. Die Kläger gestalteten diese Räume mit Farben, die unter Schwarzlicht leuchteten, einer Brunneninstallation im Eingangsbereich sowie einer Sterninstallation.

Die Minigolfanlage wurde im Juli 2010 eröffnet und Ende 2011/Anfang 2012 umgestaltet, wobei die Installationen entfernt und zerstört wurden.

Das Landgericht hat die von den Klägern erhobene Klage auf Schmerzensgeld wegen der Entfernung und Zerstörung der Installationen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Installationen seien zwar als Werke der angewandten bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützte Werke. Aus der gesetzlichen Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB folge jedoch, dass die Beklagte zu 1 als Eigentümerin der Installationen anzusehen sei, da sie als Pächterin der Räumlichkeiten Besitz an den Installationen gehabt habe. Als Eigentümerin sei die Beklagte zu 1 zur vollständigen Vernichtung der Werke berechtigt gewesen. Die vollständige Vernichtung eines Werkes stelle auch keine Entstellung des Werkes dar, die der Urheber nach § 14 UrhG verbieten könne.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes weiter.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 3. November 2015 - 16 O 689/13
KG Berlin - Urteil vom 9. August 2017 - 24 U 173/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG:

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
(..)
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
(..)
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB:

(1) Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei.

§ 14 UrhG:

Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 21. Februar 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 29.11.2018), in Sachen I ZR 98/17 und I ZR 99/17 (Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Entfernung von Kunstinstallationen in einem Museum)

Datum: 21.02.2019
Akkreditierungsschluss: 19.02.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin ist Künstlerin, die Beklagte betreibt die Kunsthalle Mannheim. Gegenstand des Verfahrens I ZR 98/17 ist die von der Klägerin im Auftrag der Beklagten ab dem Jahr 2006 für den Athene-Trakt der Kunsthalle erschaffene multimediale und multidimensionale Rauminstallation „HHole (for Mannheim)“. Die Installation umfasst verschiedene Teile auf allen sieben Gebäudeebenen des Trakts, die durch Öffnungen in den Geschossdecken miteinander verbunden sind. Im Jahr 2012 beschloss die Beklagte, den Athene-Trakt im Zuge der Neuerrichtung eines anderen Gebäudeteils weitgehend zu entkernen sowie einige Geschossdecken und das bisherige Dach abzubauen. Die Beklagte plant, das Werk im Zuge der Umbaumaßnahmen zu beseitigen. Inzwischen sind unter anderem die Geschossdecken in dem Trakt entfernt worden.

Gegenstand des Verfahrens I ZR 99/17 ist eine von der Klägerin im Auftrag der Beklagten für den Dach- und Kuppelbereich des Billing-Baus der Kunsthalle Mannheim ab dem Jahr 2006 erschaffene Lichtinstallation „PHaradies“. Ab dem Jahr 2010 ließ die Beklagte das Dach des Billing-Baus sanieren und im Zuge dieser Maßnahmen wurden spätestens 2013 sämtliche Bestandteile der Lichtinstallation entfernt und nicht wieder aufgebaut.

Die Klägerin sieht in der Entfernung der Installationen eine Verletzung ihres Urheberrechts. Sie verlangt in der Berufungsinstanz im Verfahren I ZR 98/17 die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen der Installation „HHole (for Mannheim)“ durch die Baumaßnahmen, Wiederherstellung des ursprünglich geplanten Zustands des Werks, Zugang zum Werk und Zahlung einer angemessenen Vergütung von mindestens 70.000 €. Hilfsweise verlangt sie u.a. die Duldung der Reinstallation der Grundstruktur des Kunstwerks nach erfolgtem Gebäudeumbau auf Kosten der Beklagten sowie Zahlung einer angemessenen Vergütung hierfür. Für den Fall einer dauerhaften Beseitigung des Werks verlangt die Klägerin weiter hilfsweise Schadensersatz von nicht unter 220.000 €. Im Verfahren I ZR 99/17 begehrt die Klägerin Wiedererrichtung der Lichtinstallation „PHaradies“. Für den Fall der dauerhaften Vernichtung des Werks verlangt sie hilfsweise Schadenersatz von mindestens 90.000 €.

Das Landgericht hat die Beklagte im Verfahren I ZR 98/17 zur Zahlung einer Vergütung von 66.000 € unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Im Verfahren I ZR 99/17 hat das Landgericht die Klage vollständig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage im Verfahren I ZR 98/17 auch hinsichtlich des vom Landgericht zugesprochenen Vergütungsanspruchs abgewiesen. Zwar handele es sich bei den Installationen jeweils um Werke der angewandten bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG. Die Klägerin habe jedoch keine Ansprüche auf Erhalt oder Wiedererrichtung der Kunstwerke aus § 14 UrhG oder aus einer Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG). Das Interesse der Klägerin an der Fortexistenz ihrer jeweils mit den Gebäuden unlösbar verbundenen Installationen trete hinter die Interessen der Eigentümerin zurück, die Gebäude in anderer Weise zu nutzen und umzugestalten. Wegen der rechtmäßigen Entfernung der Werke bestünden auch keine Schadensersatzansprüche und Vergütungsansprüche der Klägerin seien jedenfalls verjährt.

Mit der vom Bundesgerichtshof in beiden Verfahren zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre in der Berufungsinstanz gestellten Klageanträge jeweils weiter.

Vorinstanzen:

I ZR 98/17

LG Mannheim - 7 O 18/14 – Entscheidung vom 24. April 2015
OLG Karlsruhe - 6 U 92/15 - Entscheidung vom 26. April 2017

I ZR 99/17

LG Mannheim - 7 O 70/15 - Entscheidung vom 23. April 2015
OLG Karlsruhe - 6 U 207/15 – Entscheidung vom 26. April 2017

§ 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG lautet:

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
(..)
4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
(..)
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

§ 14 UrhG lautet:

Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.

§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG lautet:

Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 21. Februar 2019, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 8.11.2018), in Sachen I ZR 153/17 (Umfang der von "YouTube" geschuldeten Auskünfte über Benutzer)

Datum: 21.02.2019
Akkreditierungsschluss: 19.02.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Urheberrechtssachen zuständige I. Zivilsenat des Bundes-gerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, welche Daten Betreiber einer Videoplattform über diejenigen Nutzer herausgeben müssen, die urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich auf die Plattform hochgeladen haben.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Filmverwerterin. Die Beklagte zu 1, deren Muttergesellschaft die Beklagte zu 2 ist, betreibt die Internetplattform "YouTube". Beim Hochladen von Videos auf "YouTube" müssen sich Benutzerinnen und Benutzer registrieren und dabei zwingend ihren Namen, eine E-Mail-Adresse und ein Geburtsdatum angeben. Für die Veröffentlichung eines Videos von mehr als 15 Minuten Länge muss außerdem eine Telefonnummer angegeben werden. Ferner müssen die Nutzer in die Speicherung von IP-Adressen einwilligen.

Die Beklagte behauptet, Inhaberin exklusiver Nutzungsrechte an den Filmwerken "Parker" und "Scary Movie 5" zu sein. Diese Filme wurden in den Jahren 2013 und 2014 von drei verschiedenen Nutzern auf "YouTube" hochgeladen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin hat die Beklagten auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Nachdem die Beklagte zu 1 erstinstanzlich erklärt hat, Klarnamen und postalische Anschriften der drei Nutzer nicht zu kennen, streiten die Parteien noch darüber ob die Klägerin Ansprüche auf Auskunft über die E-Mail-Adressen, die Telefonnummern und diejenigen IP-Adressen hat, die für das Hochladen der beiden Filme und für den letzten Zugriff auf die Konten der Benutzer genutzt wurden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zur Auskunft über die E-Mail-Adressen der Benutzer verurteilt, die die Filme hochgeladen haben, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerin sei zur Geltendmachung der Auskunftsansprüche berechtigt. Es liege eine offensichtliche Rechtsverletzung vor, so dass die Beklagten nach § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG Auskunft über Namen und Anschrift der Benutzer schuldeten. Unter den Begriff der Anschrift in dieser Vorschrift falle auch die E-Mail-Adresse. Hingegen seien Telefonnummern und IP-Adressen von der Reichweite des Auskunftsanspruchs nicht umfasst. Ein solcher Auskunftsanspruch lasse sich auch nicht aus § 242 BGB und § 259 BGB herleiten.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerin ihre Klaganträge und die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt a.M. - Urteil vom 3. Mai 2016 - 2-03 O 476/13
OLG Frankfurt a.M. - Urteil vom 22. August 2017 - 11 U 71/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 101 UrhG lautet auszugsweise:
Abs. 1: Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. […]
Abs. 2: In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß […]
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte […].
Abs. 3: Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
1. Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren […].

§ 242 BGB lautet:

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 259 Abs. 1 BGB lautet:

Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.

Akkreditierungsbedingungen

Revisionsrücknahme: Verhandlungstermin: 21. Februar 2019, 11.00 Uhr, in Sachen I ZR 209/15 (Zulässigkeit der Angabe von Flugpreisen in ausländischer, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geltenden Landeswährung) aufgehoben.

Datum: 21.02.2019
Kameraöffentlichkeit: Nein

Der unter anderem für Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein in Deutschland zugelassenes Luftverkehrsunternehmen im Internet seine Preise für Flüge mit Abflugort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union statt in Euro in der am Abflugort geltenden Landeswährung angeben darf.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist eine deutsche Fluggesellschaft. Auf ihrer Internetseite war bei der Buchung eines Flugs von London-Stansted nach Stuttgart am 1. September 2014 eine Flugverbindung angezeigt, deren Entgelt in britischen Pfund (GBP) angegeben war. Die im Anschluss an die Buchung erstellte Rechnung wies den Flugpreis und weitere Kosten ebenfalls in GBP aus.

Die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, beanstandet die Angabe des Flugpreises in GBP als wettbewerbswidrig. Sie meint, die Beklagte hätte den Flugpreis in Euro ausweisen müssen. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Streit sei nach der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft zu entscheiden. Deren Artikel 23 Abs. 1 Satz 2* schreibe nicht vor, in welcher Währung der Endpreis eines Fluges auszuweisen sei. Die Begriffsbestimmung des Art. 2 Nr. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008** verpflichte Luftfahrtunternehmen nicht dazu, den Flugpreis in der Währung des Landes ihres Sitzes auszuweisen. Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. April 2017 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage gestellt, ob die nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 auszuweisenden Flugpreise, soweit sie nicht in Euro ausgedrückt werden, in einer bestimmten Währung angegeben werden müssen, und wenn ja, in welcher Währung der Preis angegeben werden muss.

Mit Urteil vom 15. November 2018 hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Vorlagefrage in der Weise beantwortet, dass nach Art. 23 Abs. 1 i.V. mit Art. 2 Nr. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 Luftfahrtunternehmen, die ihre Flugpreise für innergemeinschaftliche Flugdienste nicht in Euro ausdrücken, verpflichtet seien, für die Angabe des Flugpreises eine mit dem angebotenen Dienst objektiv in Verbindung stehende Landeswährung zu wählen. Dies sei insbesondere bei einer Währung der Fall, die in einem Mitgliedstaat des Abflug- oder Ankunftsorts des betreffenden Flugs als gesetzliches Zahlungsmittels gilt. Ein Luftfahrtunternehmen, das in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist und im Internet einen Flugdienst mit Abflugort in einem anderen Mitgliedstaat anbietet, in dem eine andere Währung als der Euro gesetzliches Zahlungsmittel ist, könne die nicht in Euro ausgedrückten Flugpreise in der Währung ausweisen, die in diesem anderen Mitgliedstaat gesetzliches Zahlungsmittel ist.

Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 22. April 2015 - 84 O 2/15

OLG Köln - Urteil vom 4. September 2015 - 6 U 61/15 (GRUR-RR 2016, 156 = WRP 2016, 88)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

*Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 lautet:
Die für die Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreise und Luftfrachtraten, die in jedweder Form - auch im Internet - für Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, auf das der Vertrag Anwendung findet, angeboten oder veröffentlicht werden, schließen die anwendbaren Tarifbedingungen ein. Der zu zahlende Endpreis ist stets auszuweisen und muss den anwendbaren Flugpreis beziehungsweise die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen. Neben dem Endpreis ist mindestens Folgendes auszuweisen:

a) der Flugpreis bzw. die Luftfrachtrate,
b) die Steuern,
c) die Flughafengebühren und
d) die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte, wie etwa diejenigen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen,

soweit die unter den Buchstaben a, b und d genannten Posten dem Flugpreis bzw.
der Luftfrachtrate hinzugerechnet wurden.

**Art. 2 Nr. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 lautet:

"Flugpreise" sind die in Euro oder in Landeswährung ausgedrückten Preise, die für die Beförderung von Fluggästen im Flugverkehr an Luftfahrtunternehmen oder deren Bevollmächtigte oder an andere Flugscheinverkäufer zu zahlen sind, sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgeltes und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 20. Februar 2019, 10.00 Uhr, 10.30 Uhr und 11.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 115/18, VIII ZR 66/18, VIII ZR 7/18 (Rückforderung von Umsatzsteueranteil auf Zytostatika)

Datum: 20.02.2019
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Sachverhalte:

Der unter anderem für das Kaufvertragsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei gleichgelagerten Verfahren Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, denen jeweils folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Beklagten sind Krankenhausträger und stellen in jeweils durch sie betriebenen Krankenhausapotheken patientenindividuell sogenannte Zytostatika (Krebsmedikamente zur Anwendung in der Chemotherapie) her. Bei der Abgabe der Medikamente an ambulant behandelte Patienten in den Jahren 2012 und 2013 stellten die Beklagten Rechnungen aus, die eine Umsatzsteuer in Höhe von 19 % auf den Abgabepreis auswiesen. Alle beteiligten Verkehrskreise gingen zum damaligen Zeitpunkt von einer entsprechenden Umsatzsteuerpflicht aus. Den als Umsatzsteuer ausgewiesenen Anteil der von den Patienten beglichenen Rechnungen führten die Beklagten an die zuständigen Finanzämter ab. Die Steuerbescheide der Beklagten aus der betreffenden Zeit sind bislang nicht bestandskräftig geworden.

Die Klägerinnen, private Krankenversicherer der Patienten, erstatteten ihren Versicherten die Rechnungsbeträge nach Maßgabe der jeweils geschlossenen Versicherungsverträge vollständig oder anteilig.

Im Jahr 2014 erging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (im Folgenden: BFH) zum Aktenzeichen V R 19/11, wonach die Verabreichung individuell für den einzelnen Patienten in einer Krankenhausapotheke hergestellter Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten Heilbehandlung als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 16b UStG steuerfrei ist. Im Jahr 2016 folgte ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (III C 3 - S 7170/11/10004), das auf die Entscheidung des BFH sowie unter anderem auf die Möglichkeit einer Berichtigung der wegen unrichtigen Ausweises der Steuer geschuldeten Beträge nach dem Umsatzsteuergesetz hinwies. Die Klägerinnen fordern von den Beklagten aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten die Rückzahlung des von den Beklagten jeweils als Umsatzsteuer vereinnahmten Rechnungsanteils.

Bisherige Prozessverläufe:

Die Berufungsgerichte sind mit verschiedenen Begründungsansätzen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt, wobei sie sich im Schwerpunkt mit den entscheidungserheblichen Fragen zu befassen hatten, welchen Inhalt die jeweiligen vertraglichen Preisabreden zwischen den Beklagten und den Versicherten der Klägerinnen haben und welche rückwirkenden Auswirkungen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2014 auf diese Vereinbarungen hat.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, der anteilige Rechnungsbetrag, welcher der jeweils angesetzten Umsatzsteuer entspreche, sei nach der durch den Bundesfinanzhof auch für die Vergangenheit klargestellten Rechtslage zu keiner Zeit geschuldet gewesen, weshalb ihnen insoweit ein Anspruch aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten (§ 194 Abs. 2 iVm § 86 Abs. 1 VVG) gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagten zustehe. Diese sind dagegen der Ansicht, die vertraglichen Vereinbarungen seien unverändert jeweils als Rechtsgrund für die Zahlung des gesamten Rechnungsbetrages zu betrachten. Sollte dies nicht der Fall sein, wären sie jedenfalls mit der Folge des Wegfalls der klägerischen Forderungen gemäß § 818 Abs. 3 BGB um die streitgegenständlichen Beträge entreichert, da diese bereits an die jeweiligen Finanzämter abgeführt sind und die Rückforderung einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand verursachen würde.

Bislang sind insgesamt sieben gleichgelagerte Revisionsverfahren beim Senat anhängig, in denen teils die Klägerinnen und teils die Beklagten Revisionsführerinnen sind. Eine Vielzahl weiterer gleichgelagerter Verfahren ist vor den Instanzgerichten anhängig.

Vorinstanzen:

VIII ZR 115/18
AG Gelsenkirchen - 405 C 269/17 – Entscheidung vom 4. Juli 2017
LG Essen - 15 S 162/17 - Entscheidung vom 27. Februar 2018

VIII ZR 7/18
LG Kiel - 8 O 95/17 - Entscheidung vom 16. Juni 2017
OLG Schleswig - 4 U 69/17 vom 20. Dezember 2017

VIII ZR 66/18
AG Aachen - 107 C 540/16 – Entscheidung vom 14. September 2017
LG Aachen - 6 S 118/17 – Entscheidung vom 9. Februar 2018

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 812 BGB Herausgabeanspruch

(1) 1Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.
[…]

§ 818 BGB Umfang des Bereicherungsanspruchs

[…]
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
[…]

§ 86 VVG Übergang von Ersatzansprüchen

(1) 1Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt.
[…]

§ 194 VVG Anzuwendende Vorschriften

[…]
(2) Steht dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rückzahlung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zu, für die der Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht hat, ist § 86 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden.
[…]

§ 4 Nr. 16b UstG Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
[…]
16. 1die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von
[…]
b) Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
[…]
erbracht werden. 2Leistungen im Sinne des Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchstaben b bis l erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht;
[…]

§ 15 UStG Vorsteuerabzug

[…]
Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:
1. steuerfreie Umsätze;
[…]

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin wurde aufgehoben (Verhandlungstermin:14. Februar 2019), zur Schutzfähigkeit einer dreidimensionalen Formmarke für Kaffeekapseln nach Ablauf des Patentschutzes in Sachen I ZB 114/17

Datum: 14.02.2019
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Sachverhalt:

Für die Markeninhaberin ist eine dreidimensionale Formmarke international registriert, die Schutz als Zeichen für "Kaffee, Kaffeeextrakte und kaffeebasierte Zubereitungen, Kaffeeersatz und künstliche Kaffeeextrakte" beansprucht. Sie zeigt eine Verpackungsgestaltung in Form einer Kapsel zur Verwendung in einer Kaffeekapselmaschine zum Aufbrühen von Kaffee. Die Markeninhaberin war zudem Inhaberin eines zwischenzeitlich durch Zeitablauf erloschenen Patents über eine "gemahlenen Kaffee enthaltende Patrone für eine Getränkemaschine".

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt am 7. Oktober 2011 die Schutzentziehung in Bezug auf die vorgenannten Waren mit der Begründung beantragt, ihre Form sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG* zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat der internationalen Marke den Schutz im beantragten Umfang für die Bundesrepublik Deutschland entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die angegriffene Gestaltung bestehe ausschließlich aus einer Form, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG solle verhindern, dass der Inhaber des Markenrechts technische Lösungen für sich monopolisiere. Die wesentlichen Merkmale der in der angegriffenen Marke gezeigten Warenform seien zwei aufeinander platzierte Kegelstümpfe und ein den größeren Kegelstumpf umgebender Ring. Aus der Beschreibung des erloschenen Patents gehe hervor, dass die aufeinander gesetzten Kegelstümpfe dem technischen Zweck dienten, eine verbesserte Widerstandsfähigkeit gegen ein Verbeulen der Kapsel, insbesondere bei ihrem Perforieren bei der Kaffeezubereitung, zu erreichen und ihr Entfernen aus der Maschine zu erleichtern. Der nach außen verlaufende Ring diene ausweislich der Patentschrift der Festigkeit und Stabilität des Kapselkorpus selbst und helfe bei ihrer Verwendung in einer Getränkemaschine. Selbst der für den Gesamteindruck nicht entscheidende deckelförmige Abschluss am oberen Ende stelle nach der Patentschrift ein Merkmal dar, das technische Funktion aufweise. Schließlich sei auch die kaum wahrnehmbare Außenwölbung am unteren Ende der Kapsel technisch bedingt, da sie dem in der Kapsel herrschenden Innendruck geschuldet sei. Nicht-funktionale Merkmale der dreidimensionalen Gestaltung, die für den Gesamteindruck der Form wesentlich sein könnten, seien demgegenüber nicht ersichtlich.
Mit der vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Markeninhaberin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Schutzentziehungsantrags.

Vorinstanz:
Bundespatentgericht - Beschluss vom 17. November 2017 - 25 W (pat) 112/14

Die maßgebliche Vorschrift lautet:
*§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lautet:
Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 8. Februar 2019, 9.00 Uhr in Sachen V ZR 176/17 (Verhandlungstermin am 11. Januar 2019, 9.00 Uhr), Unbefristete Sozialbindung einer Wohnungsgenossenschaft?

Datum: 08.02.2019
Akkreditierungsschluss: 06.02.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus Verträgen über Grundstücke zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Klage einer Wohnungsgenossenschaft, die feststellen lassen will, dass die an ihren Wohnungen bestellten städtischen Belegungsrechte entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht unbefristet bestehen, sondern nach Ablauf von 20 Jahren seit Bezugsfertigkeit enden.

Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom 30. Januar 1995 kaufte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, eine Wohnungsbaugesellschaft, von der beklagten Stadt Grundstücke, die im Rahmen des sogenannten 3. Förderweges (§ 88d des Zweiten Wohnungsbaugesetzes) mit 52 Sozialwohnungen bebaut werden sollten. Zu deren Teilfinanzierung gewährte die Beklagte der Wohnungsbaugesellschaft ein zinsgünstiges Darlehen. Die Wohnungsbaugesellschaft verpflichtete sich im Gegenzug, der Beklagten unbefristete Belegungsrechte an den Wohnungen einzuräumen sowie diese verbilligt und nur an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen zu vermieten. Zur Sicherung dieser Verpflichtung wurde im Grundbuch zu Gunsten der Beklagten eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 27. Oktober 1995 kaufte die Klägerin, eine Wohnungsgenossenschaft, die Grundstücke unter Übernahme der auf die Belegungsrechte bezogenen Verpflichtung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit ihrer Klage will die Klägerin feststellen lassen, dass sie die Wohnungen nach Ablauf von 20 Jahren seit Bezugsfertigkeit frei und ohne Beachtung von Belegungsrechten vermieten kann. Ferner soll die Stadt die Löschung der Dienstbarkeit bewilligen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin wirksam dazu verpflichtet, der Beklagten unbefristete Belegungsrechte einzuräumen. Diese - von der Klägerin übernommene - Verpflichtung verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Beklagte der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht nur ein Darlehen gewährt, sondern ihr auch Grund und Boden zur Verfügung gestellt habe. Die Unwirksamkeit dieser Verpflichtung folge auch nicht aus § 6 Abs. 3 Satz 4 BauGB-MaßnahmenG, wonach die vereinbarten Leistungen bei einem städtebaulichen Vertrag den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen. Berücksichtige man die der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte Subvention, überwögen die Interessen der Klägerin das Interesse der Beklagten, sozial schwachen Personen eine Unterkunft bieten zu können, nicht derart, dass von einer unangemessenen Verpflichtung auszugehen wäre.

Die Klägerin meint, unbefristete Belegungsrechte seien mit § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG unvereinbar; hiernach solle die Dauer der Zweckbindung 15 Jahre grundsätzlich nicht übersteigen. Die Abrede verstoße zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die unbefristete Zweckbestimmung führe dazu, dass dauerhaft keine marktgerechte Miete erzielt werden könne, während die gewährten Fördermittel ab einem bestimmten Zeitpunkt aufgebraucht seien. Die sozialstaatliche Verpflichtung, sozial schwachen Personen Wohnraum zu verschaffen, treffe die Stadt; sie dürfe ihre staatliche Aufgabe nicht mehr auf den Geförderten abwälzen, wenn dieser keine staatliche Gegenleistung mehr erhalte. Die Beklagte wendet dagegen ein, dass ein unbefristetes Belegungsrecht jedenfalls dann gerechtfertigt sei, wenn die öffentliche Hand dem privaten Investor - wie hier - nicht nur ein zinsgünstiges Darlehen gewährt, sondern mit dem Verkauf von Grund und Boden einen dauerhaften Vorteil verschafft habe.

Vorinstanzen:

LG Hannover – Urteil vom 16. September 2016 - 16 O 120/16
OLG Celle – Urteil vom 20. Juni 2017 - 4 U 128/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1090 BGB

Abs. 1: "Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkte persönliche Dienstbarkeit)."

§ 88d II. WoBauG

Abs. 1: "Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues können auch abweichend von den §§ 88 bis 88c vergeben werden. In der zwischen Darlehns- oder Zuschußgeber und dem Bauherrn abzuschließenden Vereinbarung können insbesondere Bestimmungen über Höhe und Einsatzart der Mittel, die Zweckbestimmung, Belegungsrechte, die Beachtung von Einkommensgrenzen, die Höhe des Mietzinses und etwaige Änderungen während der Dauer der Zweckbestimmung sowie die Folgen von Vertragsverletzungen getroffen werden. … "
Abs. 2: "Für Bestimmungen nach Absatz 1 gilt folgendes:
1. (…)
2. Die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und der vereinbarten Mietzinsregelung soll 15 Jahre nicht überschreiten, wenn nicht auf Grund der Zielsetzung und der Art der Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von Bauland oder wegen der Förderung zugunsten bestimmter Personengruppen, ein längerer Zeitraum geboten ist."

§ 6 BauGB-MaßnahmenG

Abs. 3 Satz 4: "Die vertraglich vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein …"

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 29. Januar 2019, 10.00 Uhr (vorher: 18.12.2018) (Verhandlungstermin: 13.11.2018), in Sachen VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17 (Arzthaftung nach Lebendorganspende)

Datum: 29.01.2019
Akkreditierungsschluss: 28.01.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Verfahren VI ZR 495/16:

Die Klägerin spendete ihrem an einer chronischen Niereninsuffizienz auf dem Boden einer Leichtkettenerkrankung leidenden Vater im Februar 2009 eine Niere. Im Mai 2014 kam es zum Transplantatverlust beim Vater. Die Klägerin behauptet, infolge der Organspende an einem chronischen Fatigue-Syndrom und an Niereninsuffizienz zu leiden und macht eine formal wie inhaltlich ungenügende Aufklärung geltend.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwar hätten die Beklagten, ein Universitätsklinikum und dort tätige Ärzte, gegen verfahrensrechtliche Vorgaben aus § 8 Abs. 2 TPG (2007) verstoßen, weil weder eine ordnungsgemäße Niederschrift über das Aufklärungsgespräch gefertigt noch das Aufklärungsgespräch in Anwesenheit eines neutralen Arztes durchgeführt worden sei. Doch führe dieser formale Verstoß nicht automatisch zu einer Unwirksamkeit der Einwilligung der Klägerin in die Organentnahme. Eine Haftung der Beklagten folge auch nicht aus der inhaltlich unzureichenden Risikoaufklärung. Denn es greife der von den Beklagten erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung, da die Klägerin nicht plausibel dargelegt habe, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung von einer Organspende abgesehen hätte.

Verfahren VI ZR 318/17:

Der Kläger spendete seiner an Niereninsuffizienz leidenden und dialysepflichtigen Ehefrau im August 2010 ebenfalls eine Niere. Der Kläger behauptet, die Organentnahme sei wegen eigener Vorerkrankung kontraindiziert gewesen. Seit der Organentnahme leide er an einem chronischen Fatigue-Syndrom. Die Risikoaufklärung sei formal wie inhaltlich unzureichend gewesen.

Das Landgericht hat die auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Behandlungsfehler lägen nicht vor. Etwaige formale Verstöße gegen § 8 Abs. 2 TPG (2007) begründeten keine Haftung. Eine solche folge auch nicht aus der inhaltlich fehlerhaften Risikoaufklärung, da der Kläger selbst bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Organentnahme eingewilligt hätte.

Mit den vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre Schadensersatzansprüche weiter.

Vorinstanzen:

VI ZR 495/16:
Oberlandesgericht Hamm – Urteil vom 7. September 2016 – I-3 U 6/16
Landgericht Essen – Urteil vom 2. November 2015 – 1 O 279/13

und

VI ZR 318/17:

Oberlandesgericht Hamm – Urteil vom 5. Juli 2017 – I-3 U 172/16
Landgericht Essen – Urteil vom 5. September 2016 – 1 O 262/13

Die maßgeblichen Vorschriften des Transplantationsgesetzes in der Fassung von 2007 (TPG 2007) lauten:

Abschnitt 3. Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Spendern
§ 8 Entnahme von Organen und Geweben

(1) Die Entnahme von Organen oder Geweben zum Zwecke der Übertragung auf andere ist bei einer lebenden Person (…) nur zulässig, wenn
1.die Person (…)
b) nach Absatz 2 Satz 1 und 2 aufgeklärt worden ist und in die Entnahme eingewilligt hat,
c) nach ärztlicher Beurteilung als Spender geeignet ist und voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt wird,
2. die Übertragung des Organs oder Gewebes auf den vorgesehenen Empfänger nach ärztlicher Beurteilung geeignet ist, das Leben dieses Menschen zu erhalten oder bei ihm eine schwerwiegende Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern, (…)
Die Entnahme einer Niere, des Teils einer Leber oder anderer nicht regenerierungsfähiger Organe ist darüber hinaus nur zulässig zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen.
(2) Der Spender ist durch einen Arzt in verständlicher Form aufzuklären über (…)
3. die Maßnahmen, die dem Schutz des Spenders dienen, sowie den Umfang und mögliche, auch mittelbare Folgen und Spätfolgen der beabsichtigten Organ- oder Gewebeentnahme für seine Gesundheit, (…)
5. die zu erwartende Erfolgsaussicht der Organ- oder Gewebeübertragung und sonstige Umstände, denen er erkennbar eine Bedeutung für die Spende beimisst (…),
Der Spender ist darüber zu informieren, dass seine Einwilligung Voraussetzung für die Organ- oder Gewebeentnahme ist. Die Aufklärung hat in Anwesenheit eines weiteren Arztes, für den § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 entsprechend gilt, und, soweit erforderlich, anderer sachverständiger Personen zu erfolgen. Der Inhalt der Aufklärung und die Einwilligungserklärung des Spenders sind in einer Niederschrift aufzuzeichnen, die von den aufklärenden Personen, dem weiteren Arzt und dem Spender zu unterschreiben ist. (…)

Abschnitt 2. Entnahme von Organen und Geweben bei toten Spendern
§ 5 Nachweisverfahren

(…)
(2) Die an den Untersuchungen nach Absatz 1 beteiligten Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe oder Gewebe des Spenders beteiligt sein. Sie dürfen auch nicht Weisungen eines Arztes unterstehen, der an diesen Maßnahmen beteiligt ist. (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 15. Januar 2019, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 15/18 und X ZR 85/18 (Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung aufgrund eines mehrstündigen Systemausfalls an sämtlichen Abfertigungsschaltern eines Terminals)

Datum: 15.01.2019
Akkreditierungsschluss: 14.01.2019 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

In beiden Fällen beanspruchen die Klägerinnen Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 600 € wegen verspäteter Flüge nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004).

Sachverhalt:

Die Klägerinnen buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von New York nach London mit Anschlussflügen nach Stuttgart. Die Flüge von New York nach London starteten verspätet und landeten mehr als zwei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit. Infolgedessen erreichten die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in London nicht und kamen mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden in Stuttgart an. Die Beklagte beruft sich auf außergewöhnliche Umstände. Die Verspätung der Flüge sei durch einen Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern des Terminals 7 am John-F.-Kennedy-Flughafen New York verursacht worden, der aufgrund eines Streiks bei dem für die Telekommunikationsleitungen gegenüber dem Flughafenbetreiber verantwortlichen Unternehmen erst nach 13 Stunden habe behoben werden können.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat im Verfahren X ZR 15/18 die Klage abgewiesen und im Verfahren X ZR 85/18 durch einen anderen Richter die Ausgleichszahlungen zugesprochen. Das Berufungsgericht hat im ersten Fall auf die Berufung der Klägerinnen die Klageabweisung bestätigt und im zweiten Fall auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage ebenfalls abgewiesen. Es hat angenommen, der mehrstündige Ausfall sämtlicher Computersysteme in einem Terminal stelle einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung dar, da er als außerhalb der gewöhnlichen Betriebstätigkeit eines Luftverkehrsunternehmens liegendes Ereignis von diesem nicht beherrscht werden könne. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, Fachkräfte zur Aufrechterhaltung des vom Flughafenbetreiber zur Verfügung gestellten Computersystems vorzuhalten. Auch habe die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Verspätung zu vermeiden. Sie sei der Anforderung gerecht geworden, bei mehreren betroffenen Flügen die Beeinträchtigung möglichst für die Gesamtheit der Fluggäste gering zu halten, weil sie mit der manuellen Abfertigung der Fluggäste durch zusätzliches Personal die Annullierung einzelner Flüge habe vermeiden können. In Anbetracht dessen sei sie zu weiteren Maßnahmen wie der Umbuchung der Fluggäste auf andere Verbindungen nicht verpflichtet gewesen.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Fluggastrechteverordnung

Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
[…]
c) 600 € bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung

Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Vorinstanzen:

AG Nürtingen – Urteil vom 27. April 2017 – 12 C 2028/16
LG Stuttgart – Urteil vom 21. Dezember 2017 – 5 S 142/17

und

AG Nürtingen – Urteil vom 25. April 2017 – 12 C 2592/16
LG Stuttgart – Urteil vom 28. Februar 2018 – 5 S 125/17

Akkreditierungsbedingungen

Urteilsverkündung im Verfahren 1 StR 347/18

Datum: 10.01.2019
Akkreditierungsschluss: 10.01.2019 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Im Revisionsverfahren (1 StR 347/18) gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 5. Oktober 2017 - 365 Js 335/12 2 KLs 8/16 verkündet der 1. Strafsenat am 10. Januar 2019 um 10.00 Uhr das Urteil.

Akkreditierungsbedingungen

Terminsaufhebung: Verhandlungstermin am 8. Januar 2019, 11.00 Uhr wurde wegen Rücknahme der Revision aufgehoben (vorher: 9. Januar 2019, 10.00 Uhr) - VIII ZR 78/18 (Kaufpreisminderung bei einem vom sogenannten "Abgasskandal" betroffenen Kraftfahrzeug)

Datum: 08.01.2019
Kameraöffentlichkeit: Nein

In dem vorliegenden Verfahren wird sich der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erstmals mit gewährleistungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem sogenannten "Abgasskandal" auseinanderzusetzen haben.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Juni 2013 von der Beklagten, einer Škoda -Vertragshändlerin, einen im März 2013 erstzugelassenen Pkw Škoda Octavia Kombi II Scout mit einer Laufleistung von 11 km zum Kaufpreis von 26.770 Euro. Das Fahrzeug ist mit einem 2-Liter-Dieselmotor Typ EA 189 der Volkswagen AG ausgestattet. Außerdem war es mit einer Software versehen, die erkannte, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befand und in diesem Fall anders als im normalen Fahrbetrieb verstärkt Abgase in den Motor zurückleitete, um eine Verringerung der am Auspuff gemessenen Stickoxide (NOx-Werte) zu erreichen.

Wegen dieser häufig als "Abschaltvorrichtung" bezeichneten Software, deren Verwendung (unter anderem) bei der Motorenreihe VW EA 189 öffentlich erst im Rahmen des sog. Abgasskandals bekannt geworden war, erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten Anfang des Jahres 2016 die Minderung des von ihm gezahlten Kaufpreises in Höhe von 5.500 Euro und verlangte von dieser vergeblich Rückzahlung dieses Betrags (§ 437 Nr. 2, § 441 BGB).

Noch im Laufe des vom Kläger angestrengten Rechtsstreits wurde bei dem Kraftfahrzeug durch einen anderen Škoda-Vertragshändler ein vom Hersteller zur Verfügung gestelltes Software-Update durchgeführt, durch welches die vorbezeichneten Funktionen zur Verringerung der Stickoxide im Prüfbetrieb deaktiviert wurden. Der Kläger vertritt die Auffassung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass wofür er die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat mit der Änderung durch das Software-Update andere Nachteile verbunden seien, wie zum Beispiel überhöhte Abgaswerte, Leistungsverlust, höherer Kraftstoffverbrauch oder erhöhter Verschleiß. Unter Sachverständigenbeweis hat er außerdem gestellt, dass das Fahrzeug allein deshalb, weil es von dem sog. Abgasskandal betroffen sei, mit einem Makel behaftet sei, welcher zu einem geringeren Wiederverkaufswert (merkantiler Minderwert) führe.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat die Auffassung vertreten, der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger habe bereits nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass das erworbene Fahrzeug nach Durchführung des Software-Updates überhaupt noch einen Sachmangel aufweise, und hat dementsprechend den vom Kläger hierzu angebotenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben. Vage Befürchtungen und die hypothetische Möglichkeit, dass das durchgeführte Software-Update zu nachteiligen technischen Abweichungen von der Sollbeschaffenheit führen könne, seien für die Darlegung eines Sachmangels nicht ausreichend. Da das Update im Laufe des Verfahrens bereits aufgespielt worden sei, hätte der Kläger vielmehr etwaige Auswirkungen auf sein Fahrzeug beobachten können und anschließend konkret darlegen müssen. Auch die aufgestellte allgemeine Behauptung, das Fahrzeug weise aufgrund des verbleibenden Makels, von dem sogenannten Abgasskandal betroffen zu sein, einen merkantilen Minderwert auf, reiche für die Darlegung eines Sachmangels nicht aus, weshalb es auch insoweit nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft habe. Grund für den vom Kläger angeführten allgemeinen Preisverfall von Dieselfahrzeugen aller Marken sei insbesondere die Befürchtung von Fahrverboten in den Innenstädten und die daraus folgende eingeschränkte Nutzbarkeit entsprechender Fahrzeuge. Diese Bedenken beruhten jedoch nicht auf den Manipulationen der Fahrzeughersteller Volkswagen und Škoda, sondern auf der Verpflichtung der Städte, die europarechtlich vorgegebene Grenze der Feinstaubbelastung einzuhalten.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. […]
2. […] von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern […]

§ 441 BGB Minderung

(1) 1Statt zurückzutreten, kann der Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern. […]
[…]
(3) 1Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. 2Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(4) 1Hat der Käufer mehr als den geminderten Kaufpreis gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Verkäufer zu erstatten. […]

Vorinstanzen:

Landgericht Zwickau - Urteil vom 16. Oktober 2017 - 1 O 297/16
Oberlandesgericht Dresden - Urteil vom 1. März 2018 - 10 U 1561/17

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Dezember 2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 13.9.2018), in Sachen I ZR 112/17 (Anspruch auf Unterlassung der kostenlosen Verteilung eines "Stadtblatts")

Datum: 20.12.2018
Akkreditierungsschluss: 18.12.2018 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob eine Kommune berechtigt ist, ein "erweitertes" Amtsblatt kostenlos im gesamten Stadtgebiet zu verteilen, das neben amtlichen Mitteilungen auch redaktionelle Beiträge sowie Anzeigen enthält.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein privates Verlagsunternehmen. Sie gibt unter anderem eine kostenpflichtige Tageszeitung und ein kostenloses Anzeigenblatt heraus. Beide Publikationen erscheinen auch im Stadtgebiet der Beklagten.

Die Beklagte ist eine städtische Gebietskörperschaft. Sie veröffentlichte bereits seit dem Jahr 1968 unter dem Titel "Stadtblatt" ein kommunales Amtsblatt. Seit dem Jahr 2003 erschien das "Stadtblatt" unter Einschaltung eines privaten Verlagsunternehmens in seiner jetzigen Form. Der wöchentliche Vertrieb erfolgte zunächst kostenpflichtig im Abonnement sowie im Einzelhandel. Ab dem 1. Januar 2016 ließ die Beklagte das "Stadtblatt" kostenlos an etwa 17.000 Haushalte im Stadtgebiet verteilen. Das "Stadtblatt" besteht aus einem amtlichen, einem redaktionellen sowie einem Anzeigenteil. Der redaktionelle Teil wird von der Beklagten selbst verantwortet.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, zumindest die kostenlose und vollflächige Verteilung des "Stadtblatts" sei nach § 3a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse wettbewerbswidrig.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Beklagten untersagt, das "Stadtblatt" in seiner konkreten Gestaltung wöchentlich gratis an alle Haushalte der Gebietskörperschaft der Beklagten zu verteilen oder verteilen zu lassen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, im Hinblick auf das Gebot der Staatsferne der Presse dürfe in einem kommunalen Amtsblatt ausschließlich über das eigene (hoheitliche) Verwaltungshandeln der betreffenden Gemeinde berichtet werden.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Sie hält die Ansicht des Oberlandesgerichts für zu restriktiv und meint, sie verstoße gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete kommunale Selbstverwaltungsgarantie.

Vorinstanzen:

LG Ellwangen - Urteil vom 28. Juli 2016 - 10 O 17/16
OLG Stuttgart - Urteil vom 3. Mai 2017 - 4 U 160/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG lautet:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Art. 5 Abs. 1 GG lautet:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Art. 28 Abs. 2 GG lautet auszugsweise:

Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Dezember 2018, 9.15 Uhr (Verhandlungstermin: 31.10.2018), in Sachen I ZR 104/17 (Bundesgerichtshof zur Veröffentlichung von Abbildungen gemeinfreier Kunstwerke)

Datum: 20.12.2018
Akkreditierungsschluss: 18.12.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin betreibt das Reiss-Engelhorn Museum in Mannheim. Sie hat im Jahr 1992 durch einen Mitarbeiter dort ausgestellte Kunstwerke fotografieren lassen und diese Reproduktionsfotografien in einer Publikation veröffentlicht.

Der Beklagte ist ehrenamtlich für die deutschsprachige Ausgabe des Internet Lexikons Wikipedia mit dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons tätig. Das Medienarchiv ist mit Wikipedia verknüpft, so dass die Dateien unmittelbar in die dort verfügbaren Artikel eingebunden werden können. Der Beklagte hat Fotografien in die Mediendatenbank Wikimedia Commons hochgeladen und zum öffentlichen Abruf bereitgestellt, auf denen Werke - Gemälde und andere Objekte - aus der im Eigentum der Klägerin stehenden Sammlung zu sehen sind. Diese Werke sind alle gemeinfrei im Sinne von § 64 UrhG. Es handelt sich bei den Fotografien teilweise um Aufnahmen aus der Publikation der Klägerin, die der Beklagte zuvor eingescannt hatte. Die übrigen Fotos fertigte der Beklagte bei einem Museumsbesuch im Jahr 2007 selbst an und stellte sie Wikimedia Commons unter Verzicht auf sein Urheberrecht zur Verfügung.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben.

Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch hinsichtlich der vom Beklagten eingescannten Fotografien auf Urheber- und Leistungsschutzrechte (§ 97 Absatz 1 Satz 1 UrhG). Das Berufungsgericht hat angenommen, dass es sich bei diesen in der Publikation veröffentlichten Fotografien jedenfalls um Lichtbilder gem. § 72 Abs. 1 Satz 1 UrhG handele und dahinstehen könne, ob sie als Lichtbildwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG geschützt seien. Diese würden eigenständigen Schutz genießen, weil sie eine Fixierung des Werkes in einer anderen Werkform seien.

Hinsichtlich der vom Beklagten selbst erstellten Fotografien ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus dem Eigentums- und Hausrecht (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 903 S. 1 BGB) der Klägerin. Das Eigentum an beweglichen Sachen wie den vorliegenden Kunstwerken werde bereits dann verletzt, wenn sie fotografiert würden. Außerdem bestehe ein vertraglicher Unterlassungsanspruch. Denn die Parteien hätten einen Besichtigungsvertrag geschlossen, der die Anfertigung von Fotografien untersage.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 27. September 2016 - 17 O 690/15
OLG Stuttgart - Urteil vom 31. Mai 2017 - 4 U 204/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 64 UrhG:

Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.

§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG:

Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 72 Abs. 1 Satz 1 UrhG:

Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG:

Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
(…)
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;

§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB:

Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.

§ 903 Satz. 1 BGB:

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 20. Dezember 2018, 11.30 Uhr (Hauptverhandlung 31.10.2018), in der Strafsache 3 StR 236/17 (Verurteilung wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu Kriegsverbrechen)

Datum: 20.12.2018
Akkreditierungsschluss: 19.12.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat den Angeklagten Dr. M. wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen gegen Personen zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren, den Angeklagten M. wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen waren die in Deutschland lebenden Angeklagten Dr. M. und M. bis zu ihrer Inhaftierung im November 2009 in führender Position - als Präsident und 1. Vizepräsident - für die terroristische Vereinigung FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) tätig. Deren armeeähnlich organisierte Miliz FOCA (Streitkräfte der Befreier), die aus einer vierstelligen Anzahl von Kämpfern bestand, hatte sich bereits seit vielen Jahren an bewaffneten Auseinandersetzungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo beteiligt. In den Jahren 2008 und 2009 nahm die Miliz gewaltsame Übergriffe auf die kongolesische Zivilbevölkerung vor, zum einen in der Form organisierter Plünderungen, zum anderen - nach Militäroperationen der ruandischen und kongolesischen Armee - durch gezielte Vergeltungsangriffe auf Siedlungen. Vier dieser Vergeltungsangriffe, bei denen zahlreiche Zivilisten getötet und eine Vielzahl von Häusern niedergebrannt wurden, förderte der Angeklagte Dr. M., indem er der FOCA Telefoneinheiten für die militärische Kommunikation mittels Satellitentelefonen zuwendete und für die FDLR Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit betrieb.

Gegen das Urteil haben sowohl die Angeklagten als auch - zu deren Ungunsten - der Generalbundesanwalt Revision eingelegt. Die Angeklagten wenden sich mit ihren auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsmitteln gegen ihre Verurteilung. Der Generalbundesanwalt erhebt allein die Sachrüge; er erstrebt die Verurteilung des Angeklagten Dr. M. wegen täterschaftlicher Beteiligung an den Vergeltungsangriffen als Vorgesetzter oder Führungskraft, bewertet diese Angriffe auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und beanstandet die Zumessung der gegen den Angeklagten M. verhängten Strafe.

Vorinstanz:

OLG Stuttgart - 5 - 3 StE 6/10 - Urteil vom 28. September 2015

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 19. Dezember 2018, 9.00 Uhr, in Sachen IV ZR 255/17 (Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung)

Datum: 19.12.2018
Akkreditierungsschluss: 17.12.2018
Kameraöffentlichkeit: Ja

In dem zur Verhandlung anstehenden Verfahren wird sich der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Fragen der formellen Wirksamkeit von Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung zu befassen haben.

In dem Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen Beitragserhöhungen für die Kalenderjahre 2012 und 2013, die sein privater Krankenversicherer auf der Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen hat. Zur Begründung hat der Kläger u.a. eine fehlende Unabhängigkeit des vom beklagten Versicherer nach den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes (hier noch § 12b VAG a.F.) bestellten Treuhänders, der gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG der Prämienerhöhung zugestimmt hatte, und eine nicht ausreichende Mitteilung der Gründe über die Beitragsanpassung durch den Versicherer geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben die Unwirksamkeit der Anpassungen festgestellt und den beklagten Versicherer u.a. auch zur Rückzahlung der in den Jahren 2012 bis 2015 vom Kläger zunächst gezahlten Erhöhungsbeträge verurteilt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war der tätig gewordene Treuhänder nicht von der Beklagten unabhängig. Das ergebe sich aus dem Umfang seiner von ihr bezogenen Vergütung, dem Umstand, dass er für die Beklagte über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren tätig gewesen sei und hierbei alle Prämienanpassungen der Beklagten geprüft sowie von einem mit ihr verbundenen Unternehmen ein Ruhegehalt bezogen habe. Bei der Unabhängigkeit des Treuhänders handele es sich um eine im Zivilprozess über die Beitragsanpassung in vollem Umfang überprüfbare Wirksamkeitsvoraussetzung.

Zur Problematik der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Prämienanpassung nach § 203 VVG ist derzeit eine Vielzahl von Verfahren bei den Instanzgerichten anhängig. Dabei haben insbesondere zahlreiche Amts- und Landgerichte ähnlich wie die Vorinstanzen im Streitfall eine Unabhängigkeit der jeweils tätig gewordenen Treuhänder verneint oder aber die Mitteilung der Gründe für die Beitragsanpassung für unzureichend erachtet. Dagegen hat das Oberlandesgericht Celle in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 20. August 2018 - 8 U 57/18) angenommen, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders im Zivilprozess nicht zu überprüfen sei. Diese sei lediglich Bestellungsvoraussetzung im Verfahren nach dem VAG.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Potsdam - Urteil vom 18. Oktober 2016 - 29 C 122/16
Landgericht Potsdam - Urteil vom 27. September 2017 – 6 S 80/16

§ 203 VVG

(1) …
(2) Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhält-nisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungs-grundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. … Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 155 in Verbindung mit einer auf Grund des § 160 des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung.
(3) …
(4) …
(5) Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

§ 203 Abs. 2 Satz 4 VVG in der bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung:

Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 12b Abs. 1 bis 2a in Verbindung mit einer auf Grund des § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung.

§ 155 VAG

(1) Bei der nach Art der Lebensversicherung betriebenen Krankenversicherung dürfen Prämienänderungen erst in Kraft gesetzt werden, nachdem ein unabhängiger Treuhänder der Prämienänderung zugestimmt hat. Der Treuhänder hat zu prüfen, ob die Berechnung der Prämien mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang steht. … Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt sind.
(2) …
(3) Das Versicherungsunternehmen hat für jeden nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Tarif zumindest jährlich die erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen zu vergleichen. Ergibt die der Aufsichtsbehörde und dem Treuhänder vorzulegende Gegenüberstellung für einen Tarif eine Abweichung von mehr als 10 Prozent, sofern nicht in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Prozentsatz vorgesehen ist, hat das Unternehmen alle Prämien dieses Tarifs zu überprüfen und, wenn die Abweichung als nicht nur vorübergehend anzusehen ist, mit Zustimmung des Treuhänders anzupassen. …
(4) …

§ 157 VAG

(1) Zum Treuhänder darf nur bestellt werden, wer zuverlässig, fachlich geeignet und von dem Versicherungsunternehmen unabhängig ist, insbesondere keinen Anstellungsvertrag oder sonstigen Dienstvertrag mit dem Versicherungsunternehmen oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen abgeschlossen hat oder aus einem solchen Vertrag noch Ansprüche gegen das Unternehmen besitzt. Die fachliche Eignung setzt ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Prämienkalkulation in der Krankenversicherung voraus. Zum Treuhänder kann grundsätzlich nicht bestellt werden, wer bereits bei zehn Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds als Treuhänder oder Verantwortlicher Aktuar tätig ist. Die Aufsichtsbehörde kann eine höhere Zahl von Mandaten zulassen.
(2) Der in Aussicht genommene Treuhänder muss vor seiner Bestellung der Aufsichtsbehörde unter Angabe der Tatsachen, die für die Beurteilung der Anforderungen gemäß Absatz 1 wesentlich sind, benannt werden. Wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der in Aussicht genommene Treuhänder die Anforderungen nach Absatz 1 nicht erfüllt, kann die Aufsichtsbehörde verlangen, dass eine andere Person benannt wird. Werden nach der Bestellung Umstände bekannt, die nach Absatz 1 einer Bestellung entgegenstehen würden oder erfüllt der Treuhänder die ihm nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben nicht ordnungs-gemäß, insbesondere bei Zustimmung zu einer den Rechtsvorschriften nicht entspre-chenden Prämienänderung, kann die Aufsichtsbehörde verlangen, dass ein anderer Treuhänder bestellt wird. Erfüllt in den Fällen der Sätze 2 und 3 der in Aussicht genommene oder der neue Treuhänder die Voraussetzungen nicht oder unterbleibt eine Bestellung, so kann die Aufsichtsbehörde den Treuhänder selbst bestellen. Das Ausscheiden des Treuhänders ist der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen.
(3) …

§ 12b VAG in der bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung:

(1) Bei der nach Art der Lebensversicherung betriebenen Krankenversicherung dürfen Prämienänderungen erst in Kraft gesetzt werden, nachdem ein unabhängiger Treuhänder der Prämienänderung zugestimmt hat. Der Treuhänder hat zu prüfen, ob die Berechnung der Prämien mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang steht. … Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt sind.
(1a) …
(2) Das Versicherungsunternehmen hat für jeden nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Tarif zumindest jährlich die erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen zu vergleichen. Ergibt die der Aufsichtsbehörde und dem Treuhänder vorzulegende Gegenüberstellung für einen Tarif eine Abweichung von mehr als 10 vom Hundert, sofern nicht in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Vomhundertsatz vorgesehen ist, hat das Unternehmen alle Prämien dieses Tarifs zu überprüfen und, wenn die Abweichung als nicht nur vorübergehend anzusehen ist, mit Zustimmung des Treuhänders anzupassen. …
(2a) …
(3) Zum Treuhänder darf nur bestellt werden, wer zuverlässig, fachlich geeignet und von dem Versicherungsunternehmen unabhängig ist, insbesondere keinen Anstellungsvertrag oder sonstigen Dienstvertrag mit dem Versicherungsunternehmen oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen abgeschlossen hat oder aus einem solchen Vertrag noch Ansprüche gegen das Unternehmen besitzt. Die fachliche Eignung setzt ausreichend Kenntnisse auf dem Gebiet der Prämienkalkulation in der Krankenversicherung voraus. Zum Treuhänder kann grundsätzlich nicht bestellt werden, wer bereits bei zehn Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds als Treuhänder oder Verantwortlicher Aktuar tätig ist. Die Aufsichtsbehörde kann eine höhere Zahl von Mandaten zulassen.
(4) Der in Aussicht genommene Treuhänder muss vor Bestellung der Aufsichts-behörde unter Angabe der Tatsachen, die für die Beurteilung der Anforderungen gemäß Absatz 3 wesentlich sind, benannt werden. Wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der in Aussicht genommene Treuhänder die Anforderungen nach Absatz 3 nicht erfüllt, kann die Aufsichtsbehörde verlangen, dass eine andere Person benannt wird. Werden nach der Bestellung Umstände bekannt, die nach Absatz 3 einer Bestellung entgegenstehen würden, oder erfüllt der Treuhänder die ihm nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben nicht ordnungsgemäß, insbesondere bei Zustimmung zu einer den Rechtsvorschriften nicht entsprechenden Prämien-änderung, kann die Aufsichtsbehörde verlangen, dass ein anderer Treuhänder bestellt wird. Erfüllt in den Fällen der Sätze 2 und 3 auch der in Aussicht genommene oder der neue Treuhänder die Voraussetzungen nicht oder unterbleibt eine Bestellung, kann sie den Treuhänder selbst bestellen. Das Ausscheiden des Treuhänders ist der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen.
(5) …

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin: 14. Dezember 2018 (Verhandlungstermin: 28.9.2018), in Sachen V ZR 309/17 (Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft)

Datum: 14.12.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem sich das klagende Land, das als Fiskus zum Erben eines Wohnungseigentümers berufen ist, gegen die Haftung wegen Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft wendet.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land (im Folgenden: Kläger) ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers (§ 1936 BGB). Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Auf Antrag des Klägers eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert.

Unterdessen erwirkte die Beklagte gegen den Kläger drei Anerkenntnisurteile betreffend das Wohngeld für einen Zeitraum ab September 2009. Aus diesen Urteilen, in denen dem Kläger jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung. Mit der Klage (Vollstreckungsgegenklage) möchte der Kläger erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat dieser Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Nach Ansicht des Landgerichts ist die Vollstreckungsgegenklage unbegründet, da die Haftung des Klägers nicht auf den Nachlass beschränkt sei. Dem stehe der in den Anerkenntnisurteilen erfolgte Ausspruch einer solchen Beschränkung mangels Rechtskrafterstreckung nicht entgegen. Die von dem Kläger nach § 1990 Abs. 1 BGB erhobene Dürftigkeitseinrede sei nicht zu berücksichtigen, da es sich bei den titulierten Wohngeldverbindlichkeiten um Eigenverbindlichkeiten des Klägers handele. Ein Fiskalerbe könne anders als ein natürlicher Erbe die Erbschaft nicht ausschlagen (§ 1942 Abs. 2 BGB), so dass für die erforderliche Abgrenzung zu den Nachlassverbindlichkeiten nicht an den Erwerb oder Nichterwerb des Nachlasses angeknüpft werden könne. Entscheidend sei vielmehr, ob sich der Fiskus passiv verhalte oder durch „eigenhändige“ Verwaltung des Nachlasses aktiv Nutzungen ziehe. Letzteres sei hier der Fall, weil der Kläger Mieteinnahmen eingezogen und laufendes Wohngeld gezahlt habe. Durch Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sei der Kläger zwar grundsätzlich von der Haftung frei geworden. Der Insolvenzverwalter habe aber die Wohnung aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, so dass die Haftungsbeschränkung nicht mehr zu berücksichtigen sei und der Kläger die Zahlung des Wohngeldes schulde.

Der Senat wird voraussichtlich über die in dem Verfahren V ZR 147/16 (NJW-RR 2017, 1040 Rn. 13) noch offen gelassenen Frage zu entscheiden haben, unter welchen Voraussetzungen nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss begründete Wohngeldschulden (jedenfalls auch) als Eigenverbindlichkeiten des Fiskus als Erben anzusehen sind.

Vorinstanzen:

AG Chemnitz - Urteil vom 10. Januar 2017 – 20 C 2065/16 WEG
LG Dresden – Urteil vom 3. November 2017 – 2 S 92/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1936 BGB Gesetzliches Erbrecht des Staates

Ist zur Zeit des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden, erbt das Land, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz oder, wenn ein solcher nicht feststellbar ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Übrigen erbt der Bund.

§ 1990 BGB Dürftigkeitseinrede des Erben

(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.

(2) […]

§ 1942 BGB Anfall und Ausschlagung der Erbschaft

(1) […]

(2) Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichen Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 13. Dezember 2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin:11.10.2018), in Sachen I ZR 3/16 (Bundesgerichtshof zur Vermittlung von Mietwagen mit Fahrer über eine "App")

Datum: 13.12.2018
Akkreditierungsschluss: 11.12.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Berlin. Die in den Niederlanden geschäftsansässi¬ge Beklagte bot Nutzern von Smartphones die Applikation „UBER Black“ an, mit der Fahrgäste einen Mietwagen mit Fahrer bestellen konnten. Die Bestellung wurde über den Server der Beklagten sowohl an dasjenige der mit der Beklagten kooperierenden Mietwagenunternehmen weitergeleitet, dessen Fahrer die nächstgelegene Position zum Standort des Bestellers innehatte, als auch an den Fahrer selbst.

Der Kläger hält das Angebot der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 49 Absatz 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) für wettbewerbswidrig. Er hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Es hat angenommen, die mit der Beklagten kooperierenden Mietwagenunternehmen und die bei diesen Unternehmen beschäftigten Mietwagenfahrer verstießen gegen § 49 Abs. 4 PBefG*. Mit Mietwagen dürften nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz des Unter¬nehmers eingegangen sind und von den Fahrern dort oder auf dem Hin- oder Rück¬weg zu dem Betriebssitz angenommen werden. Diese Vorgaben seien nicht erfüllt, wenn der konkrete Auftrag nicht durch den Mietwagenunternehmer selbst an den Fahrer weitergeleitet werde und der Auftrag vom Mietwagenfahrer auch an jedem Ort angenommen werden könne. Die Beklagte habe solche Verstöße gefördert. Der An¬wendung der Vorschrift des § 49 Abs. 4 PBefG stehe weder das Grundrecht der Berufsfreiheit noch die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union entgegen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren An¬trag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

*§ 49 Absatz 4 PBefG lautet:

1Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen […] sind. 2Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge aus¬geführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers ein¬gegangen sind. 3Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. […] 5Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. […]

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 9. Februar 2015 - 101 O 125/14, GRUR-RR 2015, 350
KG - Urteil vom 11. Dezember 2015 - 5 U 31/15, GRUR-RR 2016, 84

Verkündungstermin 13.12.2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 11.10.2018), in Sachen I ZR 3/16 (App "UBER Black")

Datum: 13.12.2018
Akkreditierungsschluss: 11.12.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes-gerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob die Vermittlung von Dienstleistungen der Personenbeförderung über eine Smartphone-Applikation ("UBER Black") zulässig ist, wenn die Personenbeförderung durch Mietwagen mit Fahrern ausgeführt werden soll.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Berlin. Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden. Sie bot eine Applikation für Smartphones unter der Bezeichnung „UBER Black“ an. Fahrgäste konnten damit über den Server der Beklagten in den Niederlanden einen Mietwagen bestellen. Von dort erhielt der Fahrer des freien Mietfahrzeugs, das sich zum Zeitpunkt des Auftrags am nächsten zum Fahrgast befand, den Fahrauftrag, den er zu bestätigen hatte. Zeitgleich erfolgte per E-Mail eine Benachrichtigung an das Mietwagenunternehmen, das das ausgewählte Fahrzeug betrieb. Die Fahrzeuge der Mietwagenunternehmen wurden in der Werbung der Beklagten als "UBER" bezeichnet. Die Preisgestaltung, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Werbung für Rabattaktionen erfolgten durch die Beklagte. Für die Fahraufträge galten von ihr gestellte Bedingungen.

Das Land Berlin hat der Beklagten mit Bescheid vom 13. August 2014 untersagt, Beförderungen mittels „UBER Black“ oder vergleichbarer Applikationen zu vermitteln, deren Funktionsweise gegen § 49 PBefG verstößt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat die Beklagte nach § 3a UWG (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG aF) wegen eines Verstoßes gegen § 49 PBefG auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Kammergericht hat die hiergegen gerichtete Berufung überwiegend zurückgewiesen. Es hat angenommen, die mit der Beklagten kooperierenden Mietwagenunternehmen und die dort arbeitenden Mietwagenfahrer hätten regelmäßig gegen § 49 Abs. 4 PBefG verstoßen. Mit Mietwagen dürften danach nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Die Beklagte habe für diese Verstöße als Teilnehmerin an einer fremden Haupttat einzustehen. Die Vorschrift des § 49 PBefG und ihre Anwendung auf die Beklagte seien sowohl mit Art. 12 Abs. 1 GG als auch mit Unionsrecht vereinbar.

Mit ihrer vom Kammergericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 18. Mai 2017 ein Vorabentscheidungsgesuch an den Gerichtshof der europäischen Union gerichtet zur Auslegung des Art. 58 Abs. 1 AEUV und der Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Dieses Vorabentscheidungsersuchen hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 29. März 2018 zurückgenommen im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Dezember 2017 in der Rechtssache C-434/15 (Elite Taxi/Uber Systems Spain).

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 9. Februar 2015 - 101 O 125/14
Kammergericht - Urteil vom 11. Dezember 2015 - 5 U 31/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 49 Abs. 4 PBefG lautet auszugsweise:

Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 sind. Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. […]

§ 3a UWG lautet:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Art. 12 Abs. 1 GG lautet:

Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

Art. 58 Abs. 1 AEUV lautet:

Für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs gelten die Bestimmungen des Titels über den Verkehr.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG lauten auszugsweise:

Art. 2 Abs. 2: Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:
[…]
d) Verkehrsdienstleistungen einschließlich Hafendienste, die in den Anwendungsbereich von Titel V des Vertrags fallen; […].
Art. 16: Abs. 1: Die Mitgliedstaaten achten das Recht der Dienstleistungserbringer, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen.
Der Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht wird, gewährleistet die freie Aufnahme und freie Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten innerhalb seines Hoheitsgebiets.
Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von Anforderungen abhängig machen, die gegen folgende Grundsätze verstoßen:
a) Nicht-Diskriminierung: die Anforderung darf weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei juristischen Personen – aufgrund des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen sind, darstellen;
b) Erforderlichkeit: die Anforderung muss aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt sein;
c) Verhältnismäßigkeit: die Anforderung muss zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 7. Dezember 2018, 10.00 Uhr (Verhandlungstermin: 26.10.2018), in Sachen V ZR 273/17 (Installation und Wartung von Rauchwarnmeldern in einer Wohnungseigentumsanlage durch die Gemeinschaft)

Datum: 07.12.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem die Wohnungseigentümer darüber streiten, ob sie den zwingenden Einbau und die Wartung von Rauchwarnmeldern durch die Gemeinschaft in allen Wohnungen ohne Rücksicht auf bereits angebrachte Rauchwarnmelder wirksam beschließen können.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 17. Dezember 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer, die Installation und die Wartung von Rauchwarnmeldern für sämtliche Wohnungen einer Fachfirma zu übertragen. Die Anschaffungskosten sollen aus der Instandhaltungsrücklage finanziert und die laufenden Kosten für die Wartung und Prüfung über die Jahresabrechnung nach Miteigentumsanteilen umgelegt werden. Die Kläger, die ihre Wohnungen zuvor bereits mit eigenen Rauchwarnmeldern ausgestattet hatten, möchten von der getroffenen Regelung ausgenommen werden. Sie machen u.a. geltend, dass eine gemeinschaftliche Erfüllung der Rauchwarnmelderpflicht nicht zu einem erhöhten Schutz vor Gefahren führe und auch nicht wirtschaftlich sei. Hinsichtlich der beschlossenen gemeinschaftlichen Wartung fehle es den Wohnungseigentümern an der Beschlusskompetenz.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Kläger erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.

Nach Auffassung des Landgerichts ist der Beschluss über die Ausstattung der Wohnungen mit Rauchwarnmeldern von der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer gedeckt. Das nordrhein-westfälische Landesrecht sehe in § 49 Abs. 7 S. 3 BauO NRW eine entsprechende Pflicht des Eigentümers vor. Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasse auch die Entscheidung über eine regelmäßige Kontrolle und Wartung der Rauchwarnmelder. Nach § 49 Abs. 7 S. 4 BauO NRW habe zwar der unmittelbare Besitzer und nicht der Eigentümer die Betriebsbereitschaft sicherzustellen. Rauchwarnmelder, die aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer angeschafft würden, stünden aber im Gemeinschaftseigentum und seien deshalb von der Gemeinschaft instand zu halten. Der Beschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, auch wenn Wohnungen, in denen bereits Rauchwarnmelder angebracht seien, nicht ausgenommen worden seien. Die einheitliche Übertragung von Installation und Wartung auf eine Fachfirma stelle sicher, dass der Einbau ordnungsgemäß erfolge und die regelmäßige jährliche Wartung nicht vergessen werde. Eine solche Regelung "aus einer Hand" sei vor dem Hintergrund versicherungsrechtlicher Haftungsrisiken nachvollziehbar. Die finanzielle Mehrbelastung für die Kläger sei gering.

Vorinstanzen:

AG Mettmann – Urteil vom 14. Februar 2017 – 26 C 3/16
LG Düsseldorf – Urteil vom 20. September 2017 – 25 S 32/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 21 WEG:

Abs. 1: "Soweit nicht in diesem Gesetz oder durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer etwas anderes bestimmt ist, steht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu."
Abs. 3: "Soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen."
Abs. 5: "Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere:
1. (…)
2. die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums"
(…)

§ 49 BauO NRW:

Abs. 7: "In Wohnungen müssen Schlafräume und Kinderzimmer sowie Flure, über die Rettungswege von Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens einen Rauchwarnmelder haben. Dieser muss so eingebaut oder angebracht und betrieben werden, dass Brandrauch frühzeitig erkannt und gemeldet wird. Wohnungen, die bis zum 31. März 2013 errichtet oder genehmigt sind, haben die Eigentümer spätestens bis zum 31. Dezember 2016 entsprechend den Anforderungen nach den Sätzen 1 und 2 auszustatten. Die Betriebsbereitschaft der Rauchwarnmelder hat der unmittelbare Besitzer sicherzustellen, es sei denn, der Eigentümer hat diese Verpflichtung bis zum 31. März 2013 selbst übernommen."

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 5. Dezember 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18 (Mietminderung wegen "Schimmelpilzgefahr")

Datum: 05.12.2018
Akkreditierungsschluss: 03.12.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Kläger in beiden Verfahren sind jeweils Mieter von preisgebundenen Wohnungen der Beklagten in Glinde, die in den Jahren 1968 und 1971 erbaut wurden und Wohnflächen von rund 61 qm beziehungsweise rund 73 qm aufweisen. Die Mieten belaufen sich auf monatlich 489,41 € beziehungsweise 620 €, jeweils einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen.

Die Kläger machen unter Berufung auf Mängel der Wohnung Gewährleistungsansprüche geltend. Sie begehren - unter anderem - wegen der „Gefahr von Schimmelbildung“ in den gemieteten Räumen die Feststellung einer jeweils näher bezifferten Minderung der von ihnen geschuldeten Monatsmiete (§ 536 BGB) sowie die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung.

In beiden Verfahren hat das Landgericht eine Minderung der jeweiligen Bruttomiete festgestellt und dies jeweils (unter anderem) maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass aufgrund geometrischer Wärmebrücken insbesondere an den Außenwänden in den streitgegenständlichen Wohnungen in den Monaten Oktober bis März eines jeden Jahres eine "Gefahr der Schimmelpilzbildung" bestehe.

Zwar hätten die betreffenden Wohnungen zur Zeit ihrer Errichtung den geltenden Bauvorschriften sowie DIN-Vorgaben und den damaligen Regeln der Baukunst entsprochen. Nach der Verkehrsanschauung dürfe ein Mieter allerdings ohne besondere Absprache stets einen "Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens" erwarten, der heutigen Maßstäben gerecht werde. Auf Grundlage der derzeit gültigen DIN-Vorschriften ergebe sich angesichts der geometrischen Wärmebrücken in beiden Wohnungen jedoch ein konkretes Risiko der Schimmelpilzbildung, welche die Mieter allein mit "alltagsüblichem Lüftungs- und Heizverhalten" nicht verhindern könnten. Von einem Mieter könne nicht verlangt werden, dass er ein Schlafzimmer auf mehr als 16 Grad und die übrigen Zimmer auf mehr als 20 Grad beheize oder darauf verzichte, seine Möbel ohne Abstand an den Außenwänden aufzustellen. Auch ein sogenanntes Querlüften („Durchzug“) könne dem Mieter nicht abverlangt werden, vielmehr sei lediglich ein zweimaliges Stoßlüften von bis zu zehn Minuten pro Tag zumutbar. Bei alledem komme es auch nicht darauf an, wieviel Feuchtigkeit durch das konkrete Nutzungsverhalten der jeweiligen Mieter entstehe, solange es sich im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs (Aufenthalt, Waschen, Kochen, Duschen etc.) bewege.

Sei unter den genannten Bedingungen nicht sichergestellt, dass es zu keiner Schimmelpilzbildung komme, liege bereits hierin ein bauseits bedingter und vom Vermieter zu vertretener Mangel, so dass es nicht darauf ankomme, ob Schimmel auch tatsächlich aufgetreten sei. Für die Annahme eines Mangels sei es bereits ausreichend, dass der Mietgegenstand aufgrund einer bestimmten Beschaffenheit jederzeit beeinträchtigt werden könne (sogenannte "Mangelgefahr").

In dem Verfahren VIII ZR 271/17 hat das Landgericht zudem die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung der Mängel und Anbringung einer Innendämmung in Höhe von 12.000 € bestätigt.

Mit ihren vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Beklagte in beiden Verfahren ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie macht geltend, dass die bloße Gefahr einer Schimmelpilzbildung schon grundsätzlich keinen Sachmangel der Wohnungen darstelle, wenn sie durch den bei ihrer Errichtung maßgeblichen technischen Standard bedingt sei. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen handele es sich bei den betreffenden Wärmebrücken auch keineswegs um eine Besonderheit der streitgegenständlichen Wohnungen, sondern um ein Phänomen, welches sämtliche Wohnungen in Deutschland aus der Bauzeit von 1947 bis 1978 betreffe, sofern sie nicht nachträglich wärmegedämmt worden seien. Dass die Wohnungen vorliegend insofern einen alters- und bauzeitgemäßen Zustand aufwiesen und deshalb nicht denselben Wohnkomfort böten wie eine moderne Neubauwohnung, schlage sich nicht zuletzt auch in den günstigen Mieten nieder. Überdies sei das dem Mieter zumutbare und erforderliche Lüftungsverhalten nicht anhand starrer Grenzen zu bestimmen, sondern habe sich an dem eigenen Nutzungsverhalten sowie dem bauzeitlichen Zustand der Wohnung auszurichten.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 536 BGB Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

(1) 1Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. 2Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. 3Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.
[…]

Vorinstanzen:

VIII ZR 271/17
Amtsgericht Reinbek – Urteil vom 7. April 2017 - 13 C 682/14
Landgericht Lübeck – Urteil vom 17. November 2017 - 14 S 107/17

und

VIII ZR 67/18
Amtsgericht Reinbek – Urteil vom 23. Dezember 2016 – 17 C 288/15
Landgericht Lübeck – Urteil vom 15. Februar 2018 – 14 S 14/17

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 14. November 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 109/18 (Kündigungsschutzklausel eines kommunalen Wohnungsträgers bei Immobilienveräußerung als Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB?)

Datum: 14.11.2018
Akkreditierungsschluss: 12.11.2018 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Beklagten sind seit 1981 Mieter einer Wohnung in Bochum. Im Jahr 2012 erwarben die Kläger das betreffende Hausgrundstück von der Stadt Bochum. Bezüglich der von den Beklagten gemieteten Wohnung enthielt der Kaufvertrag dabei die folgende Regelung, welche die Stadt nach Behauptung der Kläger bei einer Vielzahl weiterer Immobilienveräußerungen verwendet habe:

"Die Mieter haben ein lebenslanges Wohnrecht. Der Käufer übernimmt das bestehende Mietverhältnis. Er darf insbesondere keine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wegen Behinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung aussprechen. Möglich ist lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen […] Für den Fall, dass der Käufer ohne Zustimmung des Verkäufers oder ohne Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes das Mietverhältnis kündigt, ist der Verkäufer berechtigt, das Kaufgrundstück lasten- und schuldenfrei wiederzukaufen."

Als die durch den Erwerb als Vermieter in das Mietverhältnis eingetretenen Kläger gegenüber den Beklagten im Jahr 2015 die Kündigung nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB erklärten, beriefen sich die Beklagten darauf, dass zwischen der Stadt Bochum und den Klägern durch die vorbezeichnete Regelung zu ihren Gunsten ein lebenslanges Wohnrecht vereinbart und eine solche Kündigung ausgeschlossen worden sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

In den Vorinstanzen haben die Kläger mit ihrem auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Begehren keinen Erfolg gehabt. Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Beklagten insoweit unmittelbar auf den im Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und den Klägern vereinbarten Kündigungsausschluss berufen könnten, da es sich hierbei um einen Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB handele. Dies ergebe sich unzweifelhaft aus der Auslegung der getroffenen Regelung unter Berücksichtigung ihres Wortlauts ("lebenslanges Wohnrecht"), der hohen Schutzbedürftigkeit bei einem im Erwerbszeitpunkt über dreißig Jahre andauernden Wohnraummietverhältnis sowie der Stellung der Stadt als kommunalem Eigentümer und Veräußerer, der in besonderer Weise dem Gemeinwohl verpflichtet sei und bei dem die Mieter grundsätzlich nicht mit einer Kündigung zu rechnen bräuchten, sofern sie hierfür nicht selbst die Gründe (etwa durch Zahlungsrückstände) gesetzt hätten. Der nach seinem Wortlaut ("insbesondere") nicht abschließende Kündigungsausschluss umfasse dabei auch die vorliegend ausgesprochene erleichterte Kündigung des Vermieters nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie machen geltend, dass die im Kaufvertrag enthaltene Klausel über den Ausschluss einer Vermieterkündigung keine eigenen Rechte der Mieter begründe, sondern ein Verstoß allenfalls ein Recht der Verkäuferin zum Wiederkauf auslösen könne. Zudem handele es sich bei dem Kündigungsausschluss um eine wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Bochum – Urteil vom 13. September 2017 – 47 C 291/14
Landgericht Bochum – Urteil vom 3. April 2018 – I-9 S 80/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 328 BGB Vertrag zugunsten Dritter

(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern.
(2) In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.

§ 573a BGB Erleichterte Kündigung des Vermieters

(1) 1Ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kann der Vermieter auch kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 bedarf. 2Die Kündigungsfrist verlängert sich in diesem Fall um drei Monate.
[…]

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. […]

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Oktober 2018, 12.00 Uhr (Verhandlungstermin: 28.9.2018), in Sachen V ZR 143/17 (Trompetenspiel in einem Reihenhaus)

Datum: 26.10.2018
Akkreditierungsschluss: 24.10.2018 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem die klagenden Bewohner eines Reihenhauses erreichen wollen, dass sie das als Lärmbelästigung empfundene Trompetenspiel aus dem benachbarten Reihenhaus nicht mehr hören.

Sachverhalt:

Der Kläger und die Klägerin bewohnen als Nießbraucher ein Reihenhaus in einem Wohngebiet. Die Beklagten sind Eigentümer und Bewohner des benachbarten Reihenhauses. Der Beklagte ist Berufsmusiker (Trompeter). Er übt im Erdgeschoss und in einem Probenraum im Dachgeschoss Trompete, nach eigenen Angaben maximal 180 Minuten am Tag und regelmäßig nicht mehr als an zwei Tagen pro Woche unter Berücksichtigung der Mittags- und Nachtruhe. Zudem unterrichtet er zwei Stunden wöchentlich externe Schüler. Die Beklagte spielt nicht Trompete.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Kläger verlangen von beiden Beklagten das Ergreifen geeigneter Maßnahmen, damit das Spielen von Musikinstrumenten auf dem Anwesen der Kläger nicht wahrgenommen werden kann. Diesem Antrag hat das Amtsgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil geändert und die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt,

- die Erteilung von Musikunterricht an Dritte insgesamt zu unterlassen
- es zu unterlassen, in dem Anwesen der Beklagten Instrumentalmusik zu spielen; davon ausgenommen ist nur das Dachgeschoss. Dort darf für maximal zehn Stunden pro Woche werktags zwischen 10 und 12 Uhr und 15 und 19 Uhr musiziert werden, und der Beklagte darf an maximal acht Samstagen oder Sonntagen im Jahr zwischen 15 und 18 Uhr jeweils maximal eine Stunde Trompete üben.

Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision wollen die Beklagten erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird; die Kläger wollen im Wege der Anschlussrevision das Urteil des Amtsgerichts wiederherstellen lassen.

Das Landgericht stützt die Verurteilung der Beklagten auf §§ 1065, 1004 i.V.m. § 906 BGB. Ob die Kläger wesentlich in der Benutzung ihres Hauses beeinträchtigt würden und deshalb Unterlassung verlangen könnten, richte sich nach dem Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen. Ein richterlicher Ortstermin habe ergeben, dass die Trompete, sofern sie im Dachgeschoss der Beklagten gespielt werde, von einem Durchschnittsmenschen mit gutem Gehör im Wohnzimmer der Kläger nicht und in deren Dachgeschoss nur leise zu hören sei. Erfolge das Trompetenspiel dagegen im Wohnzimmer der Beklagten, höre man es im benachbarten klägerischen Wohnzimmer in schwacher Zimmerlautstärke. Das Musizieren mit der Trompete könne nicht generell verboten werden, da es eine ortsübliche Nutzung des Hauseigentums darstelle. Nachdem aber das Trompetenspiel im Schlafzimmer der Kläger – wenn auch leise - zu hören sei, müsse die Spieldauer im Dachgeschoss auf zehn Stunden wöchentlich beschränkt werden. Über diese Zeitspanne hinaus sei das Mithören nicht selbst gewählter Trompetenmusik nicht zumutbar. Die begrenzten Ausnahmen an Wochenenden trügen dem Umstand Rechnung, dass der Beklagte vor bestimmten schwierigen Konzerten an Sonn- oder Montagen zusätzlichen Übungsbedarf habe.

Die Beklagten verweisen mit ihrer Revision auf andere Gerichtsurteile, in denen das häusliche Musizieren in weitergehendem Umfang und zu ausgedehnteren Tageszeiten als zulässig angesehen worden ist. Keinesfalls sei es zulässig, „den Musiker in den Dachboden zu sperren“, indem ihm das Musizieren nur dort gestattet werde; dies sei mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unvereinbar.

Die Kläger machen mit der Anschlussrevision unter anderem geltend, zu einer Duldung des besonders geräuschintensiven Trompetenspiels nicht verpflichtet zu sein; der Kläger werde hierdurch auch deshalb besonders belastet, weil er einen Gehörsturz erlitten habe. Es gehe nicht um sozialadäquate Hausmusik, da der Beklagte als Berufsmusiker intensiv Trompete übe und zudem Unterricht erteile. Auch ein in Zimmerlautstärke zu vernehmendes Trompetenspiel stelle bei einer Dauer von durchschnittlich drei Stunden eine nicht hinzunehmende Belästigung dar.

Vorinstanzen:

AG Augsburg – Urteil vom 11. Dezember 2015 – 82 C 3280/15
LG Augsburg – Urteil vom 13. April 2017 – 72 S 4608/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1065 Beeinträchtigung des Nießbrauchsrechts

Wird das Recht des Nießbrauchers beeinträchtigt, so finden auf die Ansprüche des Nießbrauchers die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.

§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. (…)
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 24. Oktober 2018, 10.30 Uhr (Verhandlungstermin: 5.9.2018) – VIII ZR 66/17 (Anspruch des Käufers eines Neufahrzeugs auf (Ersatz-)Lieferung einer mangelfreien Sache, § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB)

Datum: 24.10.2018
Akkreditierungsschluss: 23.10.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte von der Beklagten zum Preis von 38.265 € einen von dieser hergestellten Neuwagen BMW X3 xDrive20, welcher im September 2012 an ihn geliefert wurde. Das dem damaligen Serienstandard entsprechende Fahrzeug ist mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung ausgibt. Ab Januar 2013 erschien im Textdisplay des Autoradios mehrfach eine Warnmeldung, welche die Aufforderung enthielt, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen.

Nachdem diese Warnmeldung auch nach mehreren Werkstattaufenthalten des Fahrzeugs in einer Niederlassung der Beklagten wiederholt aufgetreten war, verlangte der Kläger schließlich im Juli 2013 von der Beklagten Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeuges.

Die Beklagte hat einen Mangel in Abrede gestellt; sie habe dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne; es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine.

Während des anschließend geführten Rechtsstreits gab der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Oktober 2014 im Rahmen eines Kundendienstes in eine Werkstatt der Beklagten. Die Beklagte behauptet, dabei sei ein seit Juli 2013 zur Verfügung stehendes Software-Update aufgespielt worden, welches den Text der Warnmeldung dahingehend korrigiere, dass nunmehr auch auf die Möglichkeit hingewiesen werde, die Kupplung während der Fahrt abkühlen zu lassen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Berufungsgericht hat der auf Ersatzlieferung eines entsprechenden Neufahrzeugs (Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs) gerichteten Klage stattgegeben. Die ursprüngliche Fassung der Warnmeldung, in welcher der Fahrer nicht auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Kupplung während der Fahrt abkühlen zu lassen, stelle einen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) des streitgegenständlichen Fahrzeugs dar. Denn der durchschnittliche Fahrzeugkäufer werde bei Auftreten der Warnmeldung schon mit Blick auf den Erhalt seiner Gewährleistungs- und Garantieansprüche die Fahrt für längere Zeit unterbrechen, selbst wenn dieses zum Schutz der Kupplung tatsächlich nicht erforderlich sein sollte.

Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) könne auch nicht entgegengehalten werden, dass wie zumindest von der Beklagten behauptet der Mangel im Laufe des Rechtsstreits durch einen geänderten Text des Warnhinweises durch ein Software-Update behoben worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger damit einverstanden gewesen sei. Dem Verkäufer stehe es nicht frei, das dem Käufer gemäß § 439 Abs. 1 BGB gewährte Wahlrecht zwischen Beseitigung des Mangels und Lieferung einer mangelfreien Sache zu unterlaufen, indem die Nacherfüllung in einer vom Käufer nicht gewählten Art und Weise (hier Beseitigung des Mangels anstelle der beanspruchten Lieferung einer mangelfreien Sache) erbracht werde.

Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die vom Kläger beanspruchte Lieferung einer mangelfreien Sache nur mit unverhältnismäßigen Kosten (§ 439 Abs. 3 BGB alter Fassung; jetzt § 439 Abs. 4 BGB) möglich sei. Zwar seien die Kosten einer Neulieferung hier um ein Vielfaches höher als eine Nachbesserung. Dem stehe jedoch die Bedeutung des Mangels entgegen, der die Verwendungsmöglichkeiten des Fahrzeugs spürbar einschränke. Zudem könne auf eine Nachbesserung nicht ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden, denn der gerichtliche Sachverständige habe den - angeblich - korrigierten Warnhinweis bei seiner Prüfungsfahrt nicht auslösen können. Es stehe somit nicht fest, ob die Warnfunktion bei Überhitzen der Kupplung durch das Software-Update vom Oktober 2014 tatsächlich mit einem korrigierten Warnhinweis verknüpft worden sei oder ob nicht stattdessen die Kupplungsüberhitzungsanzeige komplett abgeschaltet worden sei.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
[…]
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen,
[…]

§ 439 BGB Nacherfüllung (in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung)

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
[…]
(3) 1Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung […] verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. 2Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. 3Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
(4) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.

Vorinstanzen:

Landgericht Nürnberg-Fürth - Urteil vom 30. Dezember 2015 - 9 O 8893/13
Oberlandesgericht Nürnberg - Urteil vom 20. Februar 2017 - 14 U 199/16 (veröffentlicht unter anderem in DAR 2017, 406)

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 17. Oktober 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 94/17 (Fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht des Mieters nach Zustimmung zu einer Mieterhöhung?)

Datum: 17.10.2018
Akkreditierungsschluss: 17.10.2018 13:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Im Juli 2015 forderte die Beklagte, eine Kommanditgesellschaft, vertreten durch die Hausverwaltung den Kläger unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel 2015 brieflich auf, einer Erhöhung der Netto-Kaltmiete von 807,87 € auf 929,15 € zuzustimmen. Dem kam der Kläger zwar zunächst nach, erklärte jedoch kurz darauf den Widerruf seiner Zustimmung. Anschließend entrichtete er von Oktober 2015 bis Juli 2016 die monatlich um 121,18 € erhöhte Miete lediglich unter Vorbehalt. Mit seiner Klage verlangt er die Rückzahlung der für diese zehn Monate entrichteten Erhöhungsbeträge von insgesamt 1.211,80 € sowie die Feststellung, dass sich die Netto-Kaltmiete der von ihm gemieteten Wohnung nicht erhöht habe.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Grundsatz auch bei Zustimmungserklärungen zu Mieterhöhungsverlangen wegen § 312 Abs. 4 Satz 1, § 312 Abs. 3 Nr. 7 BGB ein Widerrufsrecht des Verbrauchers gemäß § 312g BGB bestehe, sofern es sich dabei um einen im Fernabsatz geschlossenen Verbrauchervertrag (§ 312c, § 312 Abs. 1 BGB) handele. Die Vorschriften über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) enthielten insoweit keine vorrangigen Sonderregelungen.

Im vorliegenden Fall handele es sich aber nicht um einen Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312c BGB. Denn der Vertragsschluss zwischen dem Kläger als Verbraucher und der Beklagten, die gewerblich Wohnungen vermiete, sei zwar unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (Brief), nicht jedoch im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt (§ 312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB). Davon könne nur ausgegangen werden, wenn der Unternehmer in seinem Betrieb die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen habe, die notwendig seien, um regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen. Dies komme etwa bei gewerblichen Großvermietern in Betracht, die eine auf die Versendung von Mieterhöhungsverlangen ausgerichtete Software verwendeten, bei der sich lediglich der Name des Mieters, die Wohnungsbezeichnung, die Fläche der Wohnung und die Angaben zur Miete einfügen ließen. Vorliegend sprächen allerdings bereits der äußere Anschein, das Schriftbild und der auf den konkreten Fall zugeschnittene Fließtext des von der Hausverwaltung verfassten Erhöhungsschreibens gegen die Verwendung einer derart automatisierten Software. Der vom Kläger erklärte Widerruf seiner Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung sei deshalb unwirksam.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 312 BGB Anwendungsbereich

[…]
(3) Auf Verträge über […] sind von den Vorschriften […] nur folgende anzuwenden:
1. die Definitionen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und der Fernabsatzverträge nach den §§ 312b und 312c,
[…]
7. § 312g über das Widerrufsrecht.
(4) 1Auf Verträge über die Vermietung von Wohnraum sind von den Vorschriften […] nur die in Absatz 3 Nummer 1 bis 7 genannten Bestimmungen anzuwenden. […]

§ 312c BGB Fernabsatzverträge

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
(2) Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.

§ 312g BGB Widerrufsrecht

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.
[…]

§ 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(1) 1Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn […]

§ 558a BGB Form und Begründung der Mieterhöhung

(1) Das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 ist dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen.
[…]

§ 558b BGB Zustimmung zur Mieterhöhung

(1) Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, schuldet er die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens.
[…]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Pankow-Weißensee - Urteil vom 5. August 2016 - 6 C 64/16
Landgericht Berlin - Urteil vom 10. März 2017 - 63 S 248/16

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 4. Oktober 2018, 10 Uhr, Saal N 004, in Sachen III ZR 292/17 (Entgeltanspruch eines Pflegeheimbetreibers bei vorzeitigem Heimwechsel des Bewohners)

Datum: 04.10.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für Ansprüche aus Heimverträgen zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird über die (Rück-)zahlungsklage eines Pflegeheimbewohners entscheiden, der seinen Pflegeplatz bei dem beklagten Heimbetreiber zum Ende eines Monats gekündigt, jedoch bereits in der Monatsmitte das Heim gewechselt hat.

Sachverhalt:

Der an Multiple Sklerose erkrankte Kläger ist auf die Unterbringung in einem Pflegeheim angewiesen und bezieht Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch. Der Beklagte betreibt ein Pflegeheim.

Von Dezember 2013 bis zum 14. Februar 2015 war der Kläger in dem Pflegeheim des Beklagten untergebracht. Nach dem Wohn- und Betreuungsvertrags konnte der Bewohner das Vertragsverhältnis spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf desselben Monats schriftlich kündigen.

Ende Januar 2015 fand der Kläger einen Pflegeplatz in einem anderen, auf die Pflege von Multiple-Sklerose-Patienten spezialisierten Heim. Daraufhin kündigte er mit Schreiben vom 28. Januar 2015 den Wohn- und Betreuungsvertrag mit dem Beklagten zum 28. Februar 2015. Da in dem anderen Pflegeheim kurzfristig schon früher ein Platz frei wurde, zog der Kläger bereits am 14. Februar 2015 aus dem Heim des Beklagten aus und bezog am darauf folgenden Tag den neuen Pflegeplatz.

Der Beklagte stellte dem Kläger – nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse für die erste Februarhälfte 2015 – Heimkosten für den gesamten Monat Februar 2015 in Höhe von 1.493,03 € in Rechnung, die der Kläger zunächst vollständig bezahlte. Da für die zweite Februarhälfte 2015 infolge des Auszugs aus dem Pflegeheim des Beklagten insoweit keine Sozialleistungen mehr erbracht wurden, verlangte der Kläger die Rückerstattung der bezahlten 1.493,03 €, was der Beklagte jedoch ablehnte.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Zahlung des Heimentgelts sei für die zweite Februarhälfte 2015 ohne Rechtsgrund erfolgt, da mit seinem Auszug am 14. Februar 2015 seine Zahlungspflicht entsprechend dem Grundsatz der taggenauen Abrechnung gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI erloschen sei. Die abweichende Regelung des Wohn- und Betreuungsvertrags sei nichtig. § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI sei auch bei einem Wechsel des Pflegeheims und auch im Verhältnis zwischen dem Pflegeheim und dem Bewohner anwendbar.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 1.493,03 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Vorinstanzen:

AG Öhringen - Urteil vom 15. April 2016 – 2 C 256/15
LG Heilbronn - Urteil vom 21. August 2017 – (II) 5 S 27/16

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014)
§ 87a Berechnung und Zahlung des Heimentgelts

(1) 1Die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert berechenbaren Investitionskosten (Gesamtheimentgelt) werden für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet (Berechnungstag). 2Die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger endet mit dem Tag, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt. 3Zieht ein Pflegebedürftiger in ein anderes Heim um, darf nur das aufnehmende Pflegeheim ein Gesamtheimentgelt für den Verlegungstag berechnen. 4Von den Sätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarungen zwischen dem Pflegeheim und dem Heimbewohner oder dessen Kostenträger sind nichtig. 5Der Pflegeplatz ist im Fall vorübergehender Abwesenheit vom Pflegeheim für einen Abwesenheitszeitraum von bis zu 42 Tagen im Kalenderjahr für den Pflegebedürftigen freizuhalten. 6Abweichend hiervon verlängert sich der Abwesenheitszeitraum bei Krankenhausaufenthalten und bei Aufenthalten in Rehabilitationseinrichtungen für die Dauer dieser Aufenthalte. 7In den Rahmenverträgen nach § 75 sind für die nach den Sätzen 5 und 6 bestimmten Abwesenheitszeiträume, soweit drei Kalendertage überschritten werden, Abschläge von mindestens 25 vom Hundert der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung und der Zuschläge nach § 92b vorzusehen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin: 19. September 2018, 15.00 Uhr (Verhandlungstermin: 12.9.2018) – VIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17 (Verbindung von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung wegen Mietrückständen; Wirkung einer Schonfristzahlung)

Datum: 19.09.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Sachverhalt:

Die Beklagten in beiden Verfahren waren Mieter von Wohnungen in Berlin, die jeweils die von ihnen geschuldeten Mieten in zwei aufeinander folgenden Monaten nicht entrichtet hatten, woraufhin die jeweiligen Kläger als Vermieter die fristlose und außerdem hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs erklärten. In beiden Fällen beglichen die Beklagten nach Zugang der Kündigungserklärung die bis dahin aufgelaufenen Mietrückstände.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die jeweils von den Klägern gegen die Beklagten erhobenen Räumungsklagen abgewiesen. Die Ansprüche der Vermieter auf Räumung und Herausgabe der betreffenden Mietwohnungen seien aufgrund der gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB wirksamen außerordentlichen fristlosen Kündigung zwar zunächst entstanden, jedoch noch vor Klageerhebung aufgrund der vollständigen Begleichung der Mietrückstände nach Maßgabe der Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nachträglich erloschen (sog. Schonfristzahlung).

Die daneben und von den Amtsgerichten in beiden Verfahren noch als wirksam erachteten jeweils hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 573c BGB) gingen demgegenüber "ins Leere", weil das jeweilige Mietverhältnis bereits durch den Zugang der wirksam ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung ein sofortiges Ende gefunden habe. Die rechtzeitig erfolgte Schonfristzahlung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB habe zwar dazu geführt, dass die Wirkungen der fristlosen Kündigung (also unter anderem der hierauf beruhende Herausgabe- und Räumungsanspruch des Vermieters) erloschen seien. Es bleibe aber gleichwohl dabei, dass in beiden Fällen im Zeitraum zwischen Zugang der Kündigungserklärung und Eingang der Schonfristzahlung ein Mietverhältnis, welches (nach Fristablauf) noch ordentlich gekündigt werden könnte, nicht mehr bestanden habe.

Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision verfolgen die Kläger ihre Räumungsklage weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) 1Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. […]
(2) 1Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
[…]
3. der Mieter
a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist […]

§ 569 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

[…]
(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:
[…]
2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete […] befriedigt wird […].

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.[…]
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat […].

§ 573c BGB Fristen der ordentlichen Kündigung

(1) 1Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. 2Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate.
[…]

Vorinstanzen:

VIII ZR 231/17
Amtsgericht Pankow-Weißensee - Urteil vom 30. März 2017 - 102 C 333/16
Landgericht Berlin - Urteil vom 13. Oktober 2017 - 66 S 90/17

und

VIII ZR 261/17
Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - Urteil vom 12. Juni 2017 - 7 C 9/17
Landgericht Berlin - Urteil vom 15. November 2017 - 66 S 192/17

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 19. September 2018, 15.00 Uhr (Verhandlungstermin: 12.9. 2018) – VIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17 (Verbindung von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung wegen Mietrückständen; Wirkung einer
Schonfristzahlung)

Datum: 19.09.2018
Akkreditierungsschluss: 17.09.2018 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Beklagten in beiden Verfahren waren Mieter von Wohnungen in Berlin, die jeweils die von ihnen geschuldeten Mieten in zwei aufeinander folgenden Monaten nicht entrichtet hatten, woraufhin die jeweiligen Kläger als Vermieter die fristlose und außerdem hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs erklärten. In beiden Fällen beglichen die Beklagten nach Zugang der Kündigungserklärung die bis dahin aufgelaufenen Mietrückstände.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die jeweils von den Klägern gegen die Beklagten erhobenen Räumungsklagen abgewiesen. Die Ansprüche der Vermieter auf Räumung und Herausgabe der betreffenden Mietwohnungen seien aufgrund der gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB wirksamen außerordentlichen fristlosen Kündigung zwar zunächst entstanden, jedoch noch vor Klageerhebung aufgrund der vollständigen Begleichung der Mietrückstände nach Maßgabe der Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nachträglich erloschen (sog. Schonfristzahlung).

Die daneben und von den Amtsgerichten in beiden Verfahren noch als wirksam erachteten jeweils hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 573c BGB) gingen demgegenüber "ins Leere", weil das jeweilige Mietverhältnis bereits durch den Zugang der wirksam ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung ein sofortiges Ende gefunden habe. Die rechtzeitig erfolgte Schonfristzahlung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB habe zwar dazu geführt, dass die Wirkungen der fristlosen Kündigung (also unter anderem der hierauf beruhende Herausgabe- und Räumungsanspruch des Vermieters) erloschen seien. Es bleibe aber gleichwohl dabei, dass in beiden Fällen im Zeitraum zwischen Zugang der Kündigungserklärung und Eingang der Schonfristzahlung ein Mietverhältnis, welches (nach Fristablauf) noch ordentlich gekündigt werden könnte, nicht mehr bestanden habe.

Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision verfolgen die Kläger ihre Räumungsklage weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) 1Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. […]
(2) 1Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
[…]
3. der Mieter
a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist […]

§ 569 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

[…]
(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:
[…]
2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete […] befriedigt wird […].

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.[…]
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat […].

§ 573c BGB Fristen der ordentlichen Kündigung

(1) 1Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. 2Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate.
[…]

Vorinstanzen:

VIII ZR 231/17
Amtsgericht Pankow-Weißensee - Urteil vom 30. März 2017 - 102 C 333/16
Landgericht Berlin - Urteil vom 13. Oktober 2017 - 66 S 90/17

und

VIII ZR 261/17
Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - Urteil vom 12. Juni 2017 - 7 C 9/17
Landgericht Berlin - Urteil vom 15. November 2017 - 66 S 192/17

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 14. September 2018, 9.00 Uhr, in Sachen V ZR 12/17 (Zahlungsanspruch bzw. Rückkaufsrecht der BVVG bei Überlassung von nach dem Ausgleichsleistungsgesetz verbilligt verkauften landwirtschaftlichen Flächen zum Aufstellen von Windkrafträdern an einen Windenergiebetreiber?)

Datum: 14.09.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte 2005 landwirtschaftliche Flächen in Mecklenburg-Vorpommern von der beklagten BVVG. Diese ist mit der Privatisierung des volkseigenen Vermögens im Beitrittsgebiet beauftragt. Den überwiegenden Teil der Flächen erwarb der Kläger verbilligt nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusgLG). Daher enthält der Kaufvertrag Regelungen über Rechte der BVVG für den Fall einer Änderung der Nutzung bzw. Nutzbarkeit der Flächen für andere als landwirtschaftliche Zwecke, darunter ein der Vorschrift des § 12 Abs. 4 der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) entsprechendes Wiederkaufsrecht (Rückkaufsrecht) der BVVG.

2014 teilte der Kläger der BVVG 2014 mit, dass er beabsichtige, einem Betreiber von Windkraftanlagen das Aufstellen von drei Windkrafträdern zur Erzeugung von Windenergie unter Inanspruchnahme von knapp einem Hektar der erworbenen Fläche – entsprechend 1,41 % der Gesamtfläche – zu gestatten. Die BVVG bestand auf Einhaltung der für diesen Fall im Kaufvertrag getroffenen Regelungen, insbesondere auf den vereinbarten Zahlungen (75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der Anlage kapitalisierten, von dem Betreiber der Anlage an den Kläger gezahlten Betrages, mindestens aber 75% des üblicherweise für die Errichtung vergleichbarer Anlagen an vergleichbaren Standorten gezahlten Betrages, jeweils abzüglich eines Bewirtschafter-/Pächterentschädigungsanteils von 15%).

Der Kläger will u.a. festgestellt wissen, dass er nicht verpflichtet ist, diesen Betrag an die BVVG auszukehren, und dass der BVVG wegen der Aufstellung der Windkrafträder auch kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag oder zum Wiederkauf der Flächen zusteht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Vorinstanzen haben der Feststellungsklage hinsichtlich der Entschädigungszahlungen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat ferner festgestellt, dass der BVVG wegen des Aufstellens der Windkrafträder kein Rücktrittsrecht zusteht. Bezüglich des Wiederkaufsrechts hat es die Klage dagegen abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Revision eingelegt.

Das Berufungsgericht meint, das Aufstellen von Windkrafträdern zur Energieerzeugung auf Flächen, die nach § 3 AusglLG verbilligt verkauft worden seien, führe entsprechend zu einem Wiederkaufsrecht der BVVG nach § 12 Abs. 4 iVm § 1 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 FlErwV. Die BVVG müsse sich aber zwischen dem Wiederkauf und der Genehmigung der Windkrafträder entscheiden; sie sei nicht berechtigt, die von dem Windkraftanlagenbetreiber an den Käufer gezahlte Entschädigung abzuschöpfen.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Rechtsmittel beider Parteien am 13. Juli 2018 verhandelt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 14. September 2018 bestimmt.

Wesentliche Fragestellung:

Der Bundesgerichtshof wird voraussichtlich entscheiden, ob die – von der BVVG in einer Vielzahl von Verträgen verwendeten - Regelung in dem Kaufvertrag über die Abschöpfung der Zahlungen bei Aufstellen von Windkrafträdern wirksam ist; dabei ist von Bedeutung, dass die BVVG bei der Privatisierung von landwirtschaftlichen Flächen nach § 3 AusglLG an die Vorgaben des Ausgleichsleistungsgesetzes gebunden ist. Ferner wird darüber zu befinden sein, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das Aufstellen von Windkrafträdern ein Wiederkaufsrecht der BVVG nach § 12 Abs. 4 FlErwV begründet. Die BVVG leitet ihre Berechtigung, einen wesentlichen Teil der für die Windräder an den Grundstückseigentümer (Käufer) gezahlten Beträge abzuschöpfen aus diesem Wiederkaufsrecht ab; sie sieht es als „milderes Mittel“ an, das es dem Käufer ermöglicht, die Ausübung des Wiederkaufsrechts abzuwenden.

Vorinstanzen:

Kammergericht – Urteile vom 21. Dezember 2016 – 28 U 7/15
LG Berlin – Urteil vom 24. Februar 2015 – 19 O 207/14

Vorschriften der Flächenerwerbsverordnung:

§ 1 Abs. 1 Sätze 4 bis 6 FlErwV:

„Flächen, die für andere als land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden oder die für eine andere Nutzung vorgesehen sind, stehen für den Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes nicht zur Verfügung. Flächen sind für eine andere Nutzung vorgesehen, wenn vor Abschluß des Kaufvertrages für sie nach dem Flächennutzungsplan eine andere als land- oder forstwirtschaftliche Nutzung dargestellt ist oder sie nach § 30, 33 oder 34 des Baugesetzbuchs oder nach § 7 des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch anders als land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden können; das gleiche gilt, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Bauleitplan, eine Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan oder eine sonstige städtebauliche Satzung aufzustellen und der künftige Bauleitplan, die Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan oder die künftige sonstige städtebauliche Satzung eine andere als land- oder forstwirtschaftliche Nutzung darstellt, festsetzt oder bezweckt. Ebenso stehen Flächen für einen Erwerb nicht zur Verfügung, die sonstigen außerland- oder außerforstwirtschaftlichen Zwecken dienen, soweit vor Abschluß des Kaufvertrages eine Umwidmung erfolgt ist oder ein Planungs- oder Zulassungsverfahren mit dem Ziel einer Umwidmung eingeleitet worden ist.“

§ 12 Abs. 4 FlErwV:

„(4) In dem Vertrag soll auch vereinbart werden, daß die Flächen zum Verkaufspreis vom Veräußerer zurückgekauft werden können, wenn die verkauften Flächen vor Ablauf von 15 Jahren nach Abschluß des Vertrages für einen der in § 1 Abs. 2 Satz 4 bis 6 genannten Zwecke nutzbar werden. Für den Rückkaufsfall ist dem Erwerber Gelegenheit zur Beschaffung anderer Flächen einzuräumen und ein Ausgleich für einen dabei entstehenden angemessenen Mehraufwand vorzusehen. Die Zweckbindung der erworbenen Flächen ist sicherzustellen.“

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 13. September 2018, 11.00 Uhr (Verhandlungstermin: 6.9.2018) in Sachen III ZR 294/16 (Honoraranspruch bei mangelhafter zahnärztlich-implantologischer Leistung - Wahl des Nachbehandlers zwischen "Pest und Cholera")

Datum: 13.09.2018
Akkreditierungsschluss: 12.09.2018 11:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht des Zahnarztes Dr. L. (Streithelfer) auf Honorarzahlung in Anspruch.

Die Beklagte wurde in dem Zeitraum vom 12. Januar 2010 bis zum 25. Februar 2010 von dem Streithelfer der Klägerin zahnärztlich behandelt. Dabei wurden am 3. Februar 2010 acht Implantate eingesetzt. Da die Beklagte die Behandlung vorzeitig abbrach, unterblieb die vorgesehene prothetische Versorgung der Implantate.

Auf Grund Factoringvertrags mit dem Streithelfer stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 9. März 2010 ein zahnärztliches Honorar in Höhe von 34.277,10 € in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung und leitete vor dem Landgericht ein selbständiges Beweisverfahren wegen angeblicher Behandlungsfehler gegen den Streithelfer ein. Gegenüber dem geltend gemachten Honoraranspruch hat sie sich darauf berufen, es sei bereits kein wirksamer Behandlungsvertrag zustande gekommen. Jedenfalls sei sie nicht über die medizinischen Risiken der Behandlung und eventuelle Behandlungsalternativen aufgeklärt worden. Zudem habe der Streithelfer ihre Einwilligung durch Täuschung erschlichen, weil die vereinbarte computernavigierte Implantation nicht durchgeführt worden sei. Dem Streithelfer seien grobe Behandlungsfehler unterlaufen. Ein Nachbehandler könne eine den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende Versorgung des Gebisses aufgrund der Fehler des Streithelfers nicht mehr bewirken. Bei den noch in Betracht kommenden Behandlungsvarianten bestehe nur noch die Wahl zwischen „Pest und Cholera“. Die abgerechneten Gebühren seien ungeachtet dessen überhöht.

Das Landgericht hat die Klage auf Honorarzahlung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Zahlung von 16.957,11 € nebst Zinsen, Mahnkosten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Verden – Urteil vom 24. Juli 2014 – 5 O 18/11
OLG Celle – Urteil vom 2. Mai 2016 – 1 U 78/14

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin: 13. September 2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin 22.2.2018) in Sachen I ZR 140/15 (Haftung von YouTube für Urheberrechtsverletzungen)

Datum: 13.09.2018

Sachverhalt:

Der Kläger ist Musikproduzent. Er behauptet, er habe mit der Sängerin Sarah Brightman im Jahr 1996 einen Künstlerexklusivvertrag geschlossen, der ihn zur Auswertung von Aufnahmen ihrer Darbietungen berechtige. Im November 2008 erschien das Studioalbum „A Winter Symphony“ mit von der Sängerin interpretierten Musikwerken. Zugleich begann die Künstlerin die Konzerttournee „Symphony Tour“, auf der sie die auf dem Album aufgenommenen Werke darbot. Der Kläger behauptet, er habe dieses Album produziert.

Die Beklagte zu 3, die YouTube LLC., betreibt die Internetplattform „YouTube“, auf die Nutzer kostenlos audiovisuelle Beiträge einstellen und anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1, die Google Inc., ist alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 3.

Anfang November 2008 waren bei „YouTube“ Videos mit Musikwerken aus dem Repertoire von Sarah Brightman eingestellt, darunter private Konzertmitschnitte und mit Stand- und Bewegbildern der Künstlerin verbundene Musikwerke aus ihren Alben. Der Kläger wandte sich mit anwaltlichem Schreiben an eine Schwestergesellschaft der Beklagten zu 3, mit dem er die Schwestergesellschaft und die Beklagte zu 1 aufforderte, strafbewehrte Erklärungen abzugeben, es zukünftig zu unterlassen, Tonaufnahmen oder Musikwerke aus seinem Repertoire zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen. Die Schwestergesellschaft leitete das Schreiben an die Beklagte zu 3 weiter. Diese sperrte jedenfalls einen Teil der Videos. Am 19. November 2008 waren bei „YouTube“ erneut Videos abrufbar, die mit Tonaufnahmen der Künstlerin verbunden waren.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Dagegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagten Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verbieten, zwölf näher bezeichnete Tonaufnahmen oder Darbietungen aus dem vom Kläger produzierten Studioalbum „A Winter Symphony“ der Künstlerin Sarah Brightman sowie zwölf gleichfalls näher bezeichnete Musikwerke des Klägers oder Darbietungen der Künstlerin aus Konzertauftritten der „Symphony Tour“ öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen. Hilfsweise hat er beantragt, den Beklagten zu verbieten, es Dritten zu ermöglichen, diese Tonaufnahmen oder Darbietungen aus dem Studioalbum sowie Musikwerke oder Darbietungen aus den Konzertauftritten öffentlich zugänglich zu machen. Außerdem hat er die Erteilung von Auskünften und die Feststellung verlangt, dass ihm die Beklagte zu 3 zur Zahlung von Schadensersatz und die Beklagte zu 1 zur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet sind. Ferner hat er Auskunft über die Nutzer der Internetplattform begehrt, die die fraglichen Musiktitel unter Pseudonymen auf das Internetportal „YouTube“ hochgeladen haben.

Das Berufungsgericht hat die Beklagten auf den Hilfsantrag verurteilt, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben näher bezeichnete Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin Sarah Brightman aus dem Studioalbum „A Winter Symphony“ öffentlich zugänglich zu machen. Ferner hat es die Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft über die Nutzer der Plattform verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 3 hafte wegen der Verletzung von Urheberrechten an dem Studioalbum „A Winter Symphony“ nicht als Täterin, Mittäterin oder Teilnehmerin. Sie habe die fraglichen Videos weder selbst auf der Plattform eingestellt noch in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit den Nutzern ihrer Plattform hochgeladen. Sie habe sich die fremden Inhalte auch nicht zu Eigen gemacht. Sie habe ferner keine Kenntnis von den konkret beanstandeten Urheberrechtsverletzungen gehabt.

Die Beklagte zu 3 hafte insoweit jedoch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG als Störer auf Unterlassung. Die Nutzer der Plattform hätten das ausschließliche Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen des vom Kläger hergestellten Tonträgers „A Winter Symphonie“ (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG) und der unter künstlerischer Mitwirkung des Klägers als Produzent und Chorsänger entstandenen Darbietung der in diesem Album enthaltenen Musikstücke durch die Künstlerin Sarah Brightman (§ 73 UrhG, § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) verletzt. Die Beklagte zu 3 habe hierzu durch das Bereitstellen ihrer Plattform einen Beitrag geleistet. Sie habe nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um diese Rechtsverletzungen zu verhindern. Soweit der Kläger die Beklagte zu 3 ausreichend auf konkrete Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer ihrer Plattform hingewiesen habe, hätte die Beklagte zu 3 nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch dafür sorgen müssen, dass es nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt. Das habe die Beklagte zu 3 jedoch in Bezug auf sieben Musiktitel nicht getan. Der Unterlassungsanspruch sei nach § 99 UrhG auch gegenüber der Beklagten zu 1 begründet.

Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die Beklagte zu 3 hafte wegen der auf der Plattform eingestellten Videos mit Aufnahmen der „Symphony Tour“ weder als Täter oder Teilnehmer noch als Störer. Soweit sie zur Sperrung dieser Videos verpflichtet gewesen sei, habe sie dieser Verpflichtung entsprochen.

Der Anspruch auf Auskunft über die Nutzer der Plattform, die die auf dem Studioalbum enthaltenen oder bei den Konzerten aufgeführten Musikstücke hochgeladen hätten, sei teilweise begründet.

Mit den vom Bundesgerichtshof teilweise zugelassenen Revisionen verfolgen der Kläger seine Klageanträge und die Beklagten zu 1 und 3 ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 3. September 2010 - 308 O 27/09
OLG Hamburg - Urteil vom 1. Juli 2015 - 5 U 175/10

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG

Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetzt geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG

Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

§ 73 UrhG

Ausübender Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt.

§ 77 Abs. 1 Nr. 1 UrhG

Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen

§ 99 UrhG

Ist in einem Unternehmen von einem Arbeitnehmer oder Beauftragten ein nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt worden, hat der Verletzte die Ansprüche aus § 97 Abs. 1 und § 98 auch gegen den Inhaber des Unternehmens.

Verkündungstermin am 6. September 2018, 14.00 Uhr (Hauptverhandlung am 30.8.2018) in der Strafsache 4 StR 87/18 (Tötungs- und Sexualdelikt zum Nachteil einer chinesischen Studentin in Dessau-Roßlau)

Datum: 06.09.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen


Das Landgericht Dessau-Roßlau hat die zum Tatzeitpunkt 20-jährige Angeklagte wegen sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und sie vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Gegen den gleichaltrigen Mitangeklagten hat es wegen Mordes und Vergewaltigung unter Anwendung des allgemeinen Strafrechts eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Gegenstand der Hauptverhandlung am 30. August 2018 vor dem 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs werden nur die Revisionen sein, welche die Angeklagte betreffen. Über das Rechtsmittel des Mitangeklagten wird der Senat gesondert befinden.
Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Mitangeklagte die Angeklagte, eine beliebige fremde Frau anzusprechen und sie unter einem Vorwand in die gemeinsame Wohnung zu locken, um gemeinsam, erforderlichenfalls gewaltsam, sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen. Der Aufforderung kam die Angeklagte nach, indem sie eine auf ihrer Joggingrunde befindliche chinesische Studentin wahrheitswidrig bat, ihr beim Transport von Kartons zu helfen. Als die Studentin der Angeklagten in das Haus folgte, bemächtigte sich der Mitangeklagte sogleich des Opfers und versuchte noch im Treppenhaus mit Unterstützung der Angeklagten sexuelle Handlungen an der sich wehrenden Frau vorzunehmen. Sodann zerrte der Mitangeklagte das Opfer in eine leerstehende Wohnung im 1. Obergeschoss des Hauses. Dort kam es im Beisein der Angeklagten unter fortwährender Anwendung von Gewalt durch den Mitangeklagten zu verschiedenen sexuellen Handlungen an der Studentin, in die teilweise auch die Angeklagte einbezogen war. Nach näherer Anweisung des Mitangeklagten befragte sie sodann die Studentin, die zu diesem Zeitpunkt noch keine äußerlichen Verletzungen aufwies, nach ihren persönlichen Verhältnissen, u.a. danach, ob ihre Freunde die Polizei rufen würden. Die Fragen beantwortete das Tatopfer mit Nicken oder Schütteln des Kopfes. Anschließend erklärte der Mitangeklagte, er werde seine Zigarette aufrauchen und das Opfer danach gehen lassen. Tatsächlich war er zu diesem Zeitpunkt entschlossen, die Studentin zu töten, um eine Entdeckung der sexuellen Handlungen zu verhindern. Ohne Kenntnis von diesem Entschluss begab sich die Angeklagte zu ihren Kindern in ihre im 2. Obergeschoss des Hauses gelegene Wohnung und verblieb dort. In Abwesenheit der Angeklagten brachte der Mitangeklagte das Tatopfer durch massive Gewalteinwirkung zu Tode. Im Anschluss setzte er die Angeklagte davon in Kenntnis, die auf Verlangen des Mitangeklagten diesen beim Verbergen der Leiche unterstützte.
Das Landgericht hat sich von einer Beteiligung der Angeklagten an dem Tötungsgeschehen nicht zu überzeugen vermocht und sie vom Vorwurf des Verdeckungsmordes freigesprochen.
Soweit es die Verurteilung der Angeklagten betrifft, haben sowohl die Angeklagte als auch - zu deren Ungunsten - die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Tatopfers als Nebenkläger Revision gegen das Urteil eingelegt. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger streben eine Verurteilung der Angeklagten (auch) wegen Mordes an.
Vorinstanz:
LG Dessau-Roßlau – 2 Ks (111 Js 11214/16) – Urteil vom 4. August 2017

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 4. September 2018, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 111/17 (Ansprüche eines Fluggasts nach Annullierung eines Fluges wegen Streiks der Mitarbeiter der Passagierkontrollen)

Datum: 04.09.2018
Akkreditierungsschluss: 31.08.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen für den 9. Februar 2015 einen Flug von Hamburg nach Lanzarote. Die Beklagte annullierte den Flug und führte ihn als Leerflug durch, weil an jenem Tag die Passagierkontrollen am Hamburger Flughafen bestreikt wurden. Der Kläger verlangt von der Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung und Ersatz für Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Ersatzflug.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Beklagte schulde keine Ausgleichszahlung, weil die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe. Von den Störungen durch den Streik seien auch zahlreiche Fluggäste der Beklagten betroffen gewesen. Infolge des Streiks habe zudem ein Sicherheitsrisiko bestanden. Der wachsende Druck auf die geöffneten Kontrollpunkte habe die ernsthafte Gefahr begründet, dass die Kontrollen nicht mit der gewöhnlichen Sorgfalt durchgeführt würden. Ein Anspruch auf Ersatz entstandener Mehrkosten bestehe jedenfalls mangels Verschuldens der Beklagten nicht. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Hamburg – Urteil vom 16. Oktober 2015 – 13 C 50/15
LG Hamburg – Urteil vom 13. September 2017 – 309 S 127/15

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin: 22. August 2018, 10.30 Uhr (Verhandlungstermin: 11.7.2018, 10.00 Uhr) in Sachen VIII ZR 277/16 (Auswirkungen einer "Renovierungsvereinbarung" zwischen
Mieter und Vormieter auf formularvertragliche Klausel zur Überwälzung von Schönheitsreparaturen)

Datum: 22.08.2018
Akkreditierungsschluss: 20.08.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Beklagte war von Januar 2009 bis Ende Februar 2014 Mieter einer Wohnung der Klägerin, die ihm bei Mietbeginn in nicht renoviertem Zustand und mit Gebrauchsspuren der Vormieterin übergeben worden war. Der von der Klägerin verwendete Formularmietvertrag sah vor, dass die Schönheitsreparaturen dem Mieter oblagen.

Am Ende der Mietzeit führte der Beklagte Schönheitsreparaturen durch, die die Klägerin als mangelhaft ansah und deshalb durch einen Malerbetrieb zu Kosten von 799,89 € nacharbeiten ließ. Wegen dieses Betrages begehrt die Klägerin – unter Verrechnung anderer zwischen den Parteien geltend gemachten Forderungen – Schadensersatz wegen nicht beziehungsweise mangelhaft durchgeführter Schönheitsreparaturen.

Der Beklagte hat sich auf die Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Senatsurteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 185/14; Pressemitteilung Nr. 39/2015) berufen, wonach eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

Die Klägerin meint, diese Rechtsprechung könne hier mit Rücksicht auf die zwischen dem Beklagten und der Vormieterin im Jahr 2008 getroffene „Renovierungsvereinbarung“ keine Anwendung finden. In dieser Vereinbarung hatte der Beklagte von der Vormieterin einige Gegenstände übernommen, an sie eine Zahlung von 390 € geleistet und sich zur Übernahme der erforderlichen Schönheitsreparaturen bereit erklärt.

Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht seine Entscheidung auf die Erwägung gestützt, angesichts der Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Vormieterin sei es interessengerecht, den Beklagten so zu behandeln, als habe ihm die Klägerin die Mietsache im renovierten Zustand übergeben. In diesem Fall sei die Übertragung der (nach dem gesetzlichen Leitbild in § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieter obliegenden) Schönheitsreparaturen auf den Mieter nicht unangemessen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte (unter anderem) sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. […]
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […]

§ 535 BGB

(1) […].Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]
Vorinstanzen:
Amtsgericht Celle – Urteil vom 20. April 2016 – 14 C 1146/14
Landgericht Lüneburg – Urteil vom 16. November 2016 – 6 S 58/16

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 2. August 2018, 10:00 Uhr, Saal N004 in Sachen III ZR 466/16 (Hinweispflichten des Sozialamts)

Datum: 02.08.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der Kläger, der schwerbehindert ist, nimmt den beklagten Landkreis als Sozialhilfeträger unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG) wegen fehlerhafter Beratung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der 1984 geborene Kläger, dessen Behinderungsgrad von 100 % seit 1992 anerkannt ist, besuchte vom 1. August 1991 bis zum 31. Juli 2002 eine Förderschule für geistig Behinderte. Anschließend nahm er vom 2. September 2002 bis zum 27. September 2004 in einer Werkstatt für behinderte Menschen an berufsbildenden Maßnahmen teil. Da es ihm in der Folgezeit nicht möglich war, ein seinen Lebensbedarf deckendes Erwerbseinkommen zu erzielen, beantragte seine zur Betreuerin bestellte Mutter im Dezember 2004 bei dem Landratsamt laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (gültig bis zum 31. Dezember 2004) beziehungsweise nach §§ 41 ff SGB XII (gültig ab dem 1. Januar 2005). In dem von ihr ausgefüllten Antragsformular verneinte sie die Frage nach dem Bestehen eines Rentenanspruchs. Der Beklagte gewährte dem Kläger die beantragten Leistungen für die Zeit vom 1. November 2004 bis zum 31. Juli 2011.

Nachdem die Mutter des Klägers im Jahr 2011 von einer (neuen) Sachbearbeiterin des Landratsamts des Beklagten erstmals darüber informiert worden war, dass der Kläger einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung habe, bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund auf entsprechenden Antrag des Klägers eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab 1. August 2011. In dem Rentenbescheid wurde unter anderem festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen bereits seit dem 10. November 2004 erfüllt seien. In einem weiteren Schreiben führte die Rentenversicherung ergänzend aus, dass seit dem 10. November 2004 eine volle Erwerbsminderung bestehe und die „allgemeine Wartezeit“ von grundsätzlich 60 Monaten vorzeitig erfüllt sei, da die Erwerbsminderung innerhalb von sechs Jahren nach einer Ausbildung eingetreten sei und in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden seien. Bei Antragstellung bis 28. Februar 2005 hätte sich der frühestmögliche Rentenbeginn zum 1. Dezember 2004 ergeben.

Der Kläger verlangt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen der vom 10. November 2004 bis 31. Juli 2011 gewährten Grundsicherung und der ihm in diesem Zeitraum bei rechtzeitiger Antragstellung zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er hat vorgetragen, der geltend gemachte Differenzschaden wäre nicht eingetreten, wenn die Bediensteten des Beklagten ihn beziehungsweise seine Betreuerin bereits im Jahr 2004 auf die Möglichkeit des Rentenbezugs hingewiesen hätte. Die Sachbearbeiterin des Landratsamts sei zwar nicht verpflichtet gewesen, eine Rentenberatung vorzunehmen, sie habe aber ihre Informationsmöglichkeiten – zum Beispiel durch eine Nachfrage bei der Rentenversicherung – nutzen müssen, um zu klären, ob ein Rentenanspruch bestehe.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 50.322,61 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Dresden - Az. 5 O 1028/14 – Entscheidung vom 4. Dezember 2015
OLG Dresden - 1 U 48/16 – Entscheidung vom 17. August 2016

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Juli 2018, 10.00 Uhr (Verhandlungstermin:12.7.2018), in Sachen III ZR 391/17 (Unentgeltliche Beförderung von Bundespolizisten)

Datum: 26.07.2018
Akkreditierungsschluss: 24.07.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin ist ein deutsches Luftfahrtunternehmen, das nationale und internationale Linienflüge durchführt. Gemäß §§ 4a, 62 Abs. 2 Nr. 2 des Bundespolizeigesetzes (BPolG) ist sie verpflichtet, auf bestimmten, von der Bundespolizei aufgrund einer umfassenden polizeilichen Lageauswertung ausgewählten und ihr im Voraus mitgeteilten Flügen Beamte der Bundespolizei als sogenannte Flugsicherheitsbegleiter („Sky Marshals“) unentgeltlich zu befördern. Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland die Erstattung passagierbezogener Zahlungen, die sie für die Beförderung von Bundespolizeibeamten als Flugsicherheitsbegleiter an Dritte (in- und ausländische Flughäfen und Behörden) entrichten muss. Hierzu gehören etwa Beförderungssteuern, Einreisegebühren und Benutzungsentgelte (z.B. Zollgebühren, Start- und Landeentgelte). Diese beziffert sie für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 17. September 2015 auf insgesamt 2.331.151,37 €, wovon 1.361.121,82 € im Inland und 970.029,55 € im Ausland angefallen sind. Weiterhin begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die ab dem 18. September 2015 entstehenden entsprechenden Aufwendungen zu erstatten.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die gesetzliche Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG nicht die Verpflichtung einschließe, passierbezogene Zahlungen an Dritte zu tragen. Darüber hinaus meint sie, dass die Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nur für das Inland gelte, weil den Flugsicherheitsbegleitern der Bundespolizei außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland keine Befugnisse nach § 4a BPolG zustünden. Sie stützt ihre Klageforderung auf einen Ausgleichsanspruch nach § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG beziehungsweise § 51 Abs. 2 Nr. 1 BPolG (für Auslandsflüge), hilfsweise auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Das Landgericht Potsdam hat die Klage abgewiesen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Potsdam – Urteil vom 17. Februar 2016 – 11 O 245/14
Brandenburgisches OLG – Urteil vom 14. März 2017 – 2 U 12/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4a Bundespolizeigesetz (BPolG):

1Die Bundespolizei kann zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Sicherheit oder Ordnung an Bord deutscher Luftfahrzeuge eingesetzt werden. 2§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Luftsicherheitsgesetzes bleibt unberührt. 3Maßnahmen nach Satz 1 müssen stets im Einklang mit den Anforderungen an die Sicherheit des Luftfahrzeugs und der Passagiere stehen und sind daher grundsätzlich in enger Abstimmung mit dem Luftfahrzeugführer zu treffen.

§ 62 Abs. 2 Satz 2 Bundespolizeigesetz (BPolG):

(2) Die im grenzüberschreitenden Reiseverkehr tätigen Verkehrsunternehmen sowie die Betreiber von Unternehmen, auf deren Betriebsgelände die Bundespolizei Aufgaben nach den §§ 2 bis 4a wahrzunehmen hat, sind verpflichtet,
1. …
2. sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben unentgeltlich zu befördern,
3. …

§ 51 Bundespolizeigesetz (BPolG):

(1) Erleidet jemand
1. infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 20 Abs. 1 oder
2. durch eine Maßnahme auf Grund des § 62 Abs. 1
einen Schaden, so ist ihm ein angemessener Ausgleich zu gewähren.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn jemand
1. infolge einer rechtswidrigen Maßnahme oder
2. als unbeteiligter Dritter
bei der Erfüllung von Aufgaben der Bundespolizei einen Schaden erleidet.
(3) …

§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB:

(1) 1Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. 2…

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 26. Juli 2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin 21.6.18), in Sachen I ZR 64/17 (Bundesgerichtshof zur Störerhaftung bei Bereitstellung eines Internetzugangs über WLAN und einen Tor-Exit-Node)

Datum: 26.07.2018
Akkreditierungsschluss: 24.07.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island". Der Beklagte unterhält einen Internetanschluss. Am 6. Januar 2013 wurde das Programm „Dead Island“ über den Internetanschluss des Beklagten in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Klägerin mahnte den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zuvor hatte sie ihn zweimal wegen im Jahr 2011 über seinen Internetanschluss begangener, auf andere Werke bezogener Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt.

Der Beklagte hat geltend gemacht, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und zwei eingehende Kanäle aus dem TOR-Netzwerk („Tor-Exit-Node“).

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel oder Teile davon der Öffentlichkeit mittels seines Internetanschlusses über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte hafte sowohl dann als Störer, wenn die Rechtsverletzung über einen vom Beklagten betriebenen offenen WLAN-Hotspot begangen worden sei, als auch dann, wenn die Rechtsverletzung über den ebenfalls vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node geschehen sei. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, seinen Internetanschluss gegen die missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu schützen.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 13. Januar 2016 - 12 O 101/15
OLG Düsseldorf - Urteil vom 16. März 2017 - 20 U 17/16, GRUR 2017, 811

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 19. Juli 2018, 10.00 Uhr, in Sachen VII ZR 251/17 ("Auffahrunfall in der Waschstraße")

Datum: 19.07.2018
Akkreditierungsschluss: 16.07.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 1.223,19 € wegen einer Beschädigung seines Fahrzeugs in einer Waschstraße, die von der Beklagten betrieben wird.

Der Kläger befand sich am 7. März 2015 mit seinem BMW in der von der Beklagten betriebenen Waschstraße. Bei dieser handelt es sich um eine vollautomatisierte Anlage, durch die die Fahrzeuge während des Waschvorgangs von einem Schleppband mit einer Geschwindigkeit von 4 km/h gezogen werden. Dabei befinden sich die linken Räder auf der Fördereinrichtung, während die rechten Räder frei über den Boden laufen. Vor dem BMW des Klägers befand sich ein Mercedes, hinter dem BMW befand sich ein Hyundai. Noch vor dem Ende der Waschstraße betätigte der Fahrer des Mercedes grundlos die Bremse, wodurch dieses Fahrzeug aus dem Schleppband geriet und stehenblieb, während der BMW sowie der dahinter befindliche Hyundai weitergezogen wurden. Hierbei wurde der BMW auf den Mercedes und der Hyundai auf den BMW geschoben.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Das Landgericht ist der Auffassung, eine der Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung liege nicht vor. Die Beschädigung des BMW sei allein durch das Fehlverhalten des Fahrers des Mercedes verursacht worden. Eine technische Fehlfunktion der Waschanlage, die zu dem Vorfall geführt hätte, habe nicht vorgelegen. Eine Pflichtverletzung der Beklagten in Form der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Waschanlage der Beklagten entspreche nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Sachverständigen den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Den Einbau weitergehender Sicherheitsvorkehrungen habe die Beklagte nicht geschuldet.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der vom Amtsgericht ausgesprochenen Verurteilung der Beklagten.

Vorinstanzen:

AG Wuppertal - Urteil vom 6. November 2015 - 98 C 188/15
LG Wuppertal - Urteil vom 17. Oktober 2017 - 16 S 107/15

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 18. Juli 2018, 14.15 Uhr (Hauptverhandlungstermin: 6.6.2018), in der Strafsache 2 StR 416/16 (Bankhaus Sal. Oppenheim, Angeklagter Esch)

Datum: 18.07.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Gegenstand der Hauptverhandlung ist die Revision des Angeklagten Esch gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Juli 2015 (116 KLs 2/12). Mit diesem wurde der Angeklagte wegen fahrlässigen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 KWG a.F.) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts gewährte eine Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Angeklagte war, in den Jahren 1999 bis 2005 durchgängig mit Gewinnerzielungsabsicht insgesamt 24 Darlehen in Höhe von 50.000 DM bis zu 380 Mio. €. Insbesondere das Darlehen über 380 Mio. € stand im Zusammenhang mit den Handlungen der mittlerweile rechtskräftig verurteilten Verantwortlichen des Bankhauses Sal. Oppenheim. Weder die Gesellschaft noch der Angeklagte persönlich verfügten über eine Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften nach § 32 Kreditwesengesetz (KWG) a.F. Der Angeklagte ging davon aus, keine Erlaubnis zu benötigen, hätte aber die Erlaubnispflichtigkeit seiner Darlehensgeschäfte erkennen können.

Der Angeklagte wendet sich mit verfahrens- und sachlichrechtlichen Beanstandungen gegen seine Verurteilung.

Vorinstanz:

Landgericht Köln – 116 KLs 2/12 – Urteil vom 9. Juli 2015

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 54 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 KWG in der Fassung vom 9. September 1998

(1) Wer ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG

Wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will, bedarf der schriftlichen Erlaubnis […].

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 12. Juli 2018, 11.00 Uhr (Verhandlungstermin: 21.6.2018 ) – III ZR 183/17 (Zugang von Erben auf das Konto eines verstorbenen Nutzers eines sozialen Netzwerks)

Datum: 12.07.2018
Akkreditierungsschluss: 10.07.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Mutter der im Alter von 15 Jahren verstorbenen L. W. und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Tochter. Die Beklagte betreibt ein soziales Netzwerk, über dessen Infrastruktur die Nutzer miteinander über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können.

2011 registrierte sich die Tochter der Klägerin im Alter von 14 Jahren im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto. 2012 verunglückte das Mädchen unter bisher ungeklärten Umständen tödlich.

Die Klägerin versuchte, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen, um etwaige Hinweise über mögliche Absichten oder Motive für den Fall zu erhalten, dass es sich bei dem Tod des Mädchens um einen Suizid gehandelt hat. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte das Konto inzwischen in den sog. Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage von der Beklagten den Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto, insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Sie macht geltend, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadensersatzansprüche abzuwehren. Die persönlichen Kommunikationsinhalte im Benutzerkonto des Mädchens seien an die Erbengemeinschaft vererbt worden. Dem stehe auch nicht der Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus § 88 TKG entgegen, weil diese Regelung auf die Beklagte weder in persönlicher noch in sachlicher Hinsicht anwendbar sei. Jedenfalls sei die Beseitigung der Zugangssperre durch den sog. Gedenkzustand gerechtfertigt. Der Datenschutz zugunsten der Kommunikationspartner der Erblasserin trete im Rahmen der praktischen Konkordanz der betroffenen Grundrechtspositionen hinter den Zugangsanspruch der Erben zurück. Schließlich seien die Bestimmungen der Beklagten zum sog. Gedenkzustand, soweit überhaupt wirksam in den Nutzungsvertrag einbezogen, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der Verstorbenen bei dem sozialen Netzwerk unter deren Nutzerkonto zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage insgesamt abgewiesen.

Mit der vom Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Berlin – Entscheidung vom 17.12.2015 - 20 O 172/15
KG Berlin – Entscheidung vom 31.5.2017 - 21 U 9/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 88 Fernmeldegeheimnis

(1) 1Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. 2Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche.

(2) 1Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist jeder Diensteanbieter verpflichtet. 2Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist.

(3)1Den nach Absatz 2 Verpflichteten ist es untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. 2Sie dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. 3Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht. 4Die Anzeigepflicht nach § 138 des Strafgesetzbuches hat Vorrang.

(4) Befindet sich die Telekommunikationsanlage an Bord eines Wasser- oder Luftfahrzeugs, so besteht die Pflicht zur Wahrung des Geheimnisses nicht gegenüber der Person, die das Fahrzeug führt oder gegenüber ihrer Stellvertretung.

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Akkreditierungsbedingungen

Hauptverhandlung am 4. Juli 2018 in Leipzig, 10.30 Uhr, in Sachen 5 StR 46/18 im Plauener Mordfall von 1987 in Leipzig

Datum: 04.07.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Das Landgericht Zwickau hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt.

Nach den Urteilsfeststellungen vergewaltigte der Angeklagte im April 1987 in einem Waldstück bei Plauen eine 18jährige junge Frau und tötete sie anschließend, um unerkannt zu bleiben. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten insbesondere auf eine DNA-Spur an dem als Drosselwerkzeug benutzen BH des Opfers gestützt, die fast 30 Jahre nach der Tat dem Angeklagten zugeordnet wurde. Rechtlich hat es die Tat als Mord nach § 112 Abs. 1 StGB-DDR gewertet. Zusätzlich hat es nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB festgestellt, dass die Schuld des inzwischen auch wegen eines Schlaganfalls gesundheitlich angeschlagenen Angeklagten insbesondere aufgrund der Art und Weise der Tatbegehung besonders schwer wiegt; dies steht regelmäßig einer Entlassung auf Bewährung nach Verbüßung von 15 Jahren Freiheitsstrafe entgegen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die mit der Sachrüge und Verfahrensbeanstandungen geführte Revision des Angeklagten, über die der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 4. Juli 2018 um 10.30 Uhr im Gebäude des Leipziger Landgerichts (Harkortstraße 9, 04107 Leipzig, Saal 115) verhandeln wird.

Vorinstanz:

Landgericht Zwickau - Urteil vom 30. August 2017 – 1 Ks 300 Js 5949/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 112 Abs. 1 StGB-DDR (Mord)

Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft.

§ 57a Abs. 1 Satz 1 StGB (Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe)

Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vorliegen.

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 4. Juli 2018, 14.00 Uhr (Revisionshauptverhandlung am 20.6.201) in der Strafsache 2 StR 245/17 (Verurteilung wegen Sich-Bereiterklärens zum Mord)

Datum: 04.07.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Das Landgericht Gießen hat dem Angeklagten wegen Sich-Bereiterklärens zu einem Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte aus sexuellem Sadismus eine Vorliebe für Scheinhinrichtungen gefesselter Frauen. Nachdem er dies vielfach mit Prostituierten praktiziert hatte, suchte er auch über ein Internet-Forum Kontakt zu emotional instabilen Frauen, die er zur Selbsttötung durch Erhängen zu überreden versuchte. In einem Fall erhängte sich eine Frau auf seine Aufforderung hin, worüber in der Presse berichtet wurde, ohne dass der Angeklagte als Verursacher bekannt war.

Im März 2016 kam der Angeklagte über ein Internet-Forum mit einer Frau in Kontakt, die an einer Persönlichkeitsstörung und einer posttraumatischen Belastungsstörung litt und suizidgefährdet war. Er bedrängte sie, um sie zu destabilisieren und suizidgeneigt zu machen. Er suggerierte ihr, sie könne schmerzlos sterben, wenn er sie erhänge. Zuvor werde er sie fesseln, damit sie sich nicht mehr anders entschließen könne und er die Bestimmungsgewalt über den Tötungsakt habe. Die Frau hatte nach Internetrecherchen und Zeitungslektüre den Verdacht, dass es sich bei dem Angeklagten um den in der Presse beschriebenen Verursacher der Selbsttötung einer Frau handelte. Nach weiterer Telekommunikation ging sie auf sein Erbieten ein, sie zu töten. Sie hoffte, dass der Angeklagte dadurch auch als Verursacher des Todes der anderen Frau überführt werden könne. Dadurch wollte sie ihrem Tod einen Sinn geben. Der Angeklagte wusste, dass sie sich zu dieser Zeit in stationärer psychiatrischer Behandlung befand und krankheitsbedingt nicht zu einer eigenveranwortlichen Entscheidung in der Lage war.

Die Geschädigte machte sich auf den Weg zum Angeklagten und informierte ihn unterwegs von ihrer Anreise nach Gießen. Nachdem sie dort eingetroffen war und vom Angeklagten in Empfang genommen wurde, nahm ihn die zwischenzeitlich informierte Polizei fest, so dass die Tatausführung unterblieb. Dazu hatte der Angeklagte Abschleppseile zum Erhängen und Kabelbinder zum Fesseln des Opfers in einem Fahrzeug bereitgelegt.

Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt. Im Revisionsverfahren ist unter anderem die Rechtsfrage zu prüfen, ob auch eine bloße Erklärung der Bereitschaft des Täters zur Verübung eines Verbrechens gegenüber dem Opfer im Vorfeld vor dem Beginn des Stadiums des Tatversuchs als Fall des § 30 Abs. 2 StGB zu bewerten ist.

Vorinstanz:

Landgericht Gießen - Urteil vom 3. Januar 2017- 5 Ks – 403 Js 16861/16

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 30 StGB

(1) 1Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. 2Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. 3§ 23 Abs. 3 gilt entsprechend.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 3. Juli 2018, 9.00 Uhr in Sachen X ZR 96/17(Zum Ersatz der Mehrkosten wegen eines an Stelle des gebuchten in Eigenregie durchgeführten Ersatzflugs)

Datum: 03.07.2018
Akkreditierungsschluss: 28.06.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin verlangt von der beklagten Reiseveranstalterin Ersatz der Mehrkosten für einen Ersatzflug, den sie nach der Verschiebung des ursprünglich vorgesehenen Flugs in Eigenregie gebucht hat.

Sachverhalt:

Die Klägerin buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin für sich, ihren Ehemann und die gemeinsamen zwei Kinder für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 7. Oktober 2014 eine Pauschalreise in die Türkei zu einem Gesamtreisepreis von 4.874 €.

Der Rückflug von Antalya nach Frankfurt war für den 7. Oktober 2014 um 20:05 Uhr vorgesehen. Am Abreisetag wurde der Klägerin am Flughafen mitgeteilt, dass sich der Rückflug aufgrund eines technischen Problems auf 22:40 Uhr verschiebt. Als neuer Zielort des Rückflugs wurde Köln angegeben; von dort wurde ein Bustransfer nach Frankfurt angeboten. Die Ankunftsverspätung betrug ca. 6,5 Stunden.

Die Klägerin buchte daraufhin in Eigenregie und ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Beklagten bei einer anderen Fluggesellschaft einen Ersatzflug für denselben Abend nach Frankfurt.

Am 18. März 2015 meldete die Klägerin ihre Ersatzansprüche bei der Beklagten an. Sie begehrt Zahlung der durch den Ersatzflug entstandenen Mehrkosten in Höhe von 1.235 €.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat es zwar als unschädlich angesehen, dass die Klägerin ihre Ansprüche erst nach Ablauf der einmonatigen Ausschlussfrist (§ 651g BGB) geltend gemacht habe, weil die Beklagte insoweit ihrer Hinweispflicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 der BGB-Informationsverordnung (im Folgenden BGB-InfoV) nicht Genüge getan habe. Ersatz der Aufwendungen könne die Klägerin gleichwohl nicht geltend machen, da sie die Beklagte weder zur Abhilfe aufgefordert noch eine Frist dafür gesetzt habe. Der Reiseveranstalter habe auf diese Obliegenheiten nicht gesondert hinzuweisen. Ein Abhilfeverlangen und eine Fristsetzung seien auch nicht entbehrlich gewesen. Die Klägerin habe die Beklagte vor der Selbstabhilfe telefonisch kontaktieren können und müssen. Besondere Umstände, die sie von dieser Verpflichtung befreiten, lägen im Streitfall nicht vor.

Vorinstanzen:

AG Köln – Urteil vom 14. März 2016 – 142 C 393/15
LG Köln – Urteil vom 1. August 2017 – 11 S 158/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 651c Abs. 1 BGB

(1) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
(2) Ist die Reise nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Reisende Abhilfe verlangen. Der Reiseveranstalter kann die Abhilfe verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.
(3) Leistet der Reiseveranstalter nicht innerhalb einer vom Reisenden bestimmten angemessenen Frist Abhilfe, so kann der Reisende selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Abhilfe von dem Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten wird.

§ 651g BGB

(1) Ansprüche nach den §§ 651c bis 651f hat der Reisende innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. § 174 ist nicht anzuwenden. Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist.
(…)

§ 6 BGB-InfoV

(1) Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) auszuhändigen.
(2) Die Reisebestätigung muss, sofern nach der Art der Reise von Bedeutung, außer den in § 4 Abs. 1 genannten Angaben über Reisepreis und Zahlungsmodalitäten sowie über die Merkmale der Reise nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4, 5 und 7 folgende Angaben enthalten:
(…)
7. über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, sowie darüber, dass vor der Kündigung des Reisevertrags (§ 651e des Bürgerlichen Gesetzbuchs) dem Reiseveranstalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist oder vom Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird,
(…)

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 14. Juni 2018, 10.00 Uhr, III ZR 54/17 - Amtshaftung aufgrund Feuerwehreinsatzes bei Großbrand

Datum: 14.06.2018
Akkreditierungsschluss: 12.06.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Verhandlungstermin am 14. Juni 2018, 10:00 Uhr,
III ZR 54/17 - Amtshaftung aufgrund
Feuerwehreinsatzes bei Großbrand

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich das Auslieferungslager und das Verwaltungsgebäude eines Reformwarenhandels befanden. Am Abend des 8. Februar 2010 brach dort ein Feuer aus, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr der beklagten Stadt stellten fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht zu löschen war. Sie bemühten sich, das Ausbreiten des Feuers auf eine benachbarte Lagerhalle zu vermeiden. In dem Bereich zwischen der brennenden Halle der Klägerin und dem benachbarten Lagergebäude setzte die Feuerwehr ein perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel ein, um ein Übergreifen des Feuers zu verhindern. Die Schaumbestandteile gelangten in das Erdreich und das Grundwasser. Mit Bescheid vom 2. Juni 2010 gab die beklagte Stadt der Klägerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung ihres Grundstücks auf.

Die Klägerin verlangt von der beklagten Stadt u.a. die Erstattung der bislang angefallenen und die Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung ihres Grundstücks infolge des Einsatzes des fluorhaltigen Schaums sowie den Ersatz des Wertverlustes, den ihr Grundstück trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe. Sie hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der beklagten Stadt verwendete Löschschaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe auch ohne den Einsatz des Schaums verhindert werden können.

Das Landgericht hat die Klage im Hinblick auf die bislang angefallenen Sanierungskosten und den Ersatz des Wertverlustes des Grundstücks dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Es hat weiter festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin von weiteren, auch künftigen Bodensanierungskosten aufgrund des Feuerwehreinsatzes freizustellen und ihr alle weitergehenden materiellen Schäden aus diesem Einsatz zu ersetzen habe. Das Oberlandesgericht hat - auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Gutachtens eines Sachverständigen für Brand- und Explosionsschutz - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es habe bei dem Brand keine Situation gegeben, die den Einsatz des fluorhaltigen Löschschaums gerechtfertigt habe. Dessen Verwendung sei daher ermessensfehlerhaft und amtspflichtwidrig gewesen. Als beruflichem Nothelfer komme dem Einsatzleiter der Feuerwehr der Beklagten kein Haftungsprivileg nach § 680 des Bürgerlichen Gesetzbuches zugute, das seine Einstandspflicht - und die der Beklagten - auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränke. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die beklagte Stadt ihren auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Baden-Baden – Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 O 4/11
OLG Karlsruhe – Urteil vom 23. Januar 2017 - 1 U 146/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 680 BGB

Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr

Bezweckt die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr, so hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 13. Juni 2018, 11.00 Uhr, IV ZR 201/17(Ermittlung der Bewertungsreserve in der Lebensversicherung)

Datum: 13.06.2018

Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich mit der Frage zu befassen haben, wie die Beteiligung des Versicherungsnehmers an Bewertungsreserven (sog. stille Reserven) in einer Lebensversicherung auf der Grundlage der Neuregelung des § 153 Absatz 3 Satz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) durch das Lebensversicherungsreformgesetz vom 1. August 2014, in Kraft getreten am 7. August 2014, zu ermitteln ist.

Der Kläger, ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, begehrt von dem beklagten Lebensversicherer die Auszahlung von Bewertungsreserven aus abgetretenem Recht des Versicherungsnehmers nach Ablauf einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Dieser unterhielt bei der Beklagten seit dem 1. September 1999 eine zum 1. September 2014 planmäßig beendete kapitalbildende Lebensversicherung. Mit Schreiben vom 1. Juli 2014 kündigte die Beklagte dem Versicherungsnehmer zum Vertragsablauf eine Versicherungsleistung in Höhe von 50.274,17 € an, wovon auf die Beteiligung an den Bewertungsreserven 2.821,35 € entfielen. Hinsichtlich der Beteiligung an den Bewertungsreserven wies die Beklagte darauf hin, dass diese endgültig erst zum Fälligkeitstermin feststünden und gegebenenfalls auch niedriger ausfallen könnten. Am 22. August 2014 teilte die Beklagte dem Versicherungsnehmer die endgültige Versicherungsleistung in Höhe von 47.601,77 € mit und erläuterte dies später unter Berufung auf ihren Sicherungsbedarf gem. § 153 Absatz 3 Satz 3 VVG dahin, dass auf die Bewertungsreserve ein Betrag von 148,95 € entfalle.

Der Versicherungsnehmer trat in der Folge seine sämtlichen gegen die Beklagte aus dem streitbefangenen Lebensversicherungsvertrag in Betracht kommenden Rechte und Ansprüche an den Kläger ab. Mit seinem Hauptantrag begehrt der Kläger Zahlung von 2.672,40 €, nämlich den Differenzbetrag zwischen der im Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 2014 angegebenen sowie der tatsächlich zur Auszahlung gelangten Bewertungsreserve. Hilfsweise begehrt er Auskunft über die mathematische Berechnung des Anteils der auf den Versicherungsnehmer entfallenden Beteiligungen an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven einschließlich ihrer Berechnungsgrundlagen sowie anschließend Auszahlung der ihm zustehenden Überschussbeteiligung.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Vorinstanzen:

AG Düsseldorf vom 11. August 2016 – 50 C 35/16
LG Düsseldorf vom 13. Juli 2017 – 9 S 46/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
§ 153 Überschussbeteiligung
(in der Fassung vom 1. August 2014, gültig bis 31. Dezember 2015)

(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann nur insgesamt ausgeschlossen werden.

(2) …

(3) 1Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. 2Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. 3Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen, insbesondere § 53c, § 54 Absatz 1 und 2, § 56a Absatz 3 und 4 sowie § 81c Absatz 1 und 3 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bleiben unberührt.

(4) …

Verkündungstermin am 12. Juni 2018, 15.00 Uhr (Verhandlungstermin 10.4.2018, in Sachen KVR 38/17 (Rundholzvermarktung in Baden-Württemberg)

Datum: 12.06.2018
Akkreditierungsschluss: 08.06.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Sachverhalt

Das Land Baden-Württemberg verkaufte im Rahmen seiner Waldbewirtschaftung nicht nur Holz aus dem Staatswald, sondern betrieb darüber hinaus die – hiermit gebündelte – Vermarktung von Rundholz aus Körperschafts- und Privatwald. Bereits 2001 hatte das Bundeskartellamt ein Kartellverwaltungsverfahren eingeleitet. Dieses wurde 2008 durch eine Verpflichtungszusage des Landes gemäß § 32b GWB beendet. Danach beteiligte sich das Land an Holzvermarktungskooperationen im Wesentlichen nur noch, wenn die Forstbetriebsfläche der einzelnen beteiligten nichtstaatlichen Unternehmen 3.000 ha nicht überstieg. Aufgrund neuer Ermittlungen ab 2012 kam das Bundeskartellamt zu dem Ergebnis, dass der 2008 festgelegte Schwellenwert nicht ausreiche, um das Ziel einer wettbewerblichen Angebotsstruktur zu erreichen. Das Bundeskartellamt hob daher mit Verfügung vom 9. Juli 2015 die Verpflichtungszusage 2008 auf und setzte – mit Übergangsfristen – den Schwellenwert auf 100 ha herab. Außerdem untersagte es dem Land – mit Übergangsfristen und unter bestimmten Voraussetzungen –, für Waldbesitzer mit mehr als 100 ha die jährliche Betriebsplanung, die forsttechnische Betriebsleitung und den Revierdienst durchzuführen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Beschwerde des Landes gegen die Verfügung des Bundeskartellamts zum Oberlandesgericht blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts war das Bundeskartellamt trotz Verpflichtungszusage 2008 zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigt. Die gebündelte Rundholzvermarktung durch das Land, das als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts anzusehen sei, stelle, soweit sie vom Bundeskartellamt untersagt wurde, eine unzulässige bezweckte und spürbare Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt das Land den Antrag auf Aufhebung der Verfügung des Bundeskartellamts weiter.

Vorinstanz:

OLG Düsseldorf - Beschluss vom 15. März 2017 – VI-Kart 10/15 (V)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 32b GWB:

(1) 1 Bieten Unternehmen im Rahmen eines Verfahrens nach […] § 32 an, Verpflichtungen einzugehen, die geeignet sind, die ihnen von der Kartellbehörde nach vorläufiger Beurteilung mitgeteilten Bedenken auszuräumen, so kann die Kartellbehörde für diese Unternehmen die Verpflichtungszusagen durch Verfügung für bindend erklären. 2 Die Verfügung hat zum Inhalt, dass die Kartellbehörde vorbehaltlich des Absatzes 2 von ihren Befugnissen nach den […] §§ 32 und 32a keinen Gebrauch machen wird. 3 Sie kann befristet werden.
(2) Die Kartellbehörde kann die Verfügung nach Absatz 1 aufheben und das Verfahren wieder aufnehmen, wenn
1. sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Verfügung wesentlichen Punkt nachträglich geändert haben,
(…)

Art. 101 AEUV

(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere
a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;
c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;
d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.
(…)

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 29. Mai 2018, 9:00 Uhr, in Sachen X ZR 94/17 (Anspruch des Reisenden gegen den Reiseveranstalter auf Entschädigung wegen Vereitelung einer gebuchten Kreuzfahrt in voller Höhe des Reisepreises und Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten für eine vom Reisenden gebuchte Ersatzreise)

Datum: 29.05.2018
Akkreditierungsschluss: 29.05.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Die Klägerin nimmt die beklagte Reiseveranstalterin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns auf die Zahlung einer Entschädigung wegen Vereitelung einer gebuchten Kreuzfahrt in Höhe des Reisepreises und auf Ersatz der Mehrkosten für eine in Selbsthilfe gebuchte Ersatzreise in Anspruch.

Sachverhalt:

Der Ehemann der Klägerin buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin für sich und die Klägerin eine Kreuzfahrt in die Karibik für die Zeit vom 16. bis 30. November 2015 zu einem Gesamtpreis von 4.998 €. Die Eheleute konnten die Reise nicht antreten, weil es auf dem Schiff keine Buchung für sie gab. Davon erfuhren sie am 13. November 2015.
Die Eheleute unternahmen in dem gebuchten Zeitraum eine Reise mit dem Mietwagen durch Florida, für die ihnen Mehrkosten in Höhe von 887,95 € entstanden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klägerin eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von 3.685,20 € sowie einen Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 409,84 € zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Berufungsgericht der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 887,95 € als Ersatz für durch die Ersatzreise entstandener Mehrkosten sowie auf Freistellung von weiteren 82,70 € Rechtsanwaltskosten zuerkannt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Ansprüche auf Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit sowie auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten im von den Vorinstanzen nicht zuerkannten Umfang weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils anstrebt, soweit die Berufung der Klägerin Erfolg hatte.

Vorinstanzen:
LG Köln – Urteil vom 17. Februar 2017 – 4 O 124/16
OLG Köln – Urteil vom 19. Juli 2017 – 16 U 31/17

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 17. Mai 2018, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 252/16 (Bewerbung von Bier als "bekömmlich")

Datum: 17.05.2018

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt eine Brauerei im Allgäu. Sie verwendet seit den 1930er Jahren für ihre Biere den Werbeslogan "Wohl bekomms!". In ihrem Internetauftritt warb sie für bestimmte Biersorten mit einem Alkoholgehalt von 5,1%, 2,9% und 4,4% unter Verwendung des Begriffs "bekömmlich".

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, hält die Werbeaussage "bekömmlich" für eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, die nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bei alkoholischen Getränken mit mehr als 1,2% Volumenprozent unzulässig sei. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Angabe "bekömmlich" weise einen Gesundheitsbezug auf. Sie werde von erheblichen Teilen der Verbraucher im Sinne von "gut verträglich" verstanden.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Ravensburg - Urteil vom 16. Februar 2016 - 8 O 51/15
OLG Stuttgart - Urteil vom 3. November 2016 - 2 U 37/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006

Der Ausdruck „gesundheitsbezogene Angabe” bezeichnet jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006

Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen.

Verkündungstermin am 15. Mai 2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 10.4.2018, in Sachen VI ZR 233/17 (Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess)

Datum: 15.05.2018
Akkreditierungsschluss: 14.05.2018 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der Kläger nimmt den Beklagten und seine Haftpflichtversicherung nach einem Verkehrsunfall auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Die Fahrzeuge der Parteien waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidiert, der Pkw des linksfahrenden Klägers wurde vorne rechts, der des rechts von ihm fahrenden Beklagten hinten links beschädigt. Die Parteien streiten darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hat. Die Fahrt vor der Kollision und die Kollision wurden von einer Dashcam aufgezeichnet, die im Fahrzeug des Klägers angebracht war.

Das Amtsgericht hat dem Kläger nur die Hälfte seines Gesamtschadens zugesprochen. Der Kläger habe für seine Behauptung, der Beklagte sei beim Abbiegen mit seinem Fahrzeug auf die vom Kläger genutzte Fahrspur geraten, keinen Beweis erbringen können. Die Zeugin, Beifahrerin des Klägers, habe nicht präzise sagen können, wo sich das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision genau befunden habe. Der Sachverständige komme in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht die Schilderungen beider Parteien zum Unfallhergang prinzipiell möglich seien. Dem Angebot des Klägers, die von ihm mit einer Dashcam gefertigten Bildaufnahmen zu verwerten, sei nicht nachzukommen gewesen. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Aufzeichnung verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und unterliege einem Beweisverwertungsverbot. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Magdeburg – Urteil vom 19. Dezember 2016 – 104 C 630/15
LG Magdeburg – Urteil vom 5. Mai 2017 – 1 S 15/17

Akkreditierungsbedingungen

Verkündungstermin am 15. Mai 2018, 10.00 Uhr (Verhandlungstermin 20.3.2018), in Sachen 1 StR 159/17 (Revisionshauptverhandlung nach Verurteilung von fünf Mitarbeitern der Deutschen Bank AG Frankfurt am Main wegen Steuerhinterziehung/Beihilfe zur Steuerhinterziehung)

Datum: 15.05.2018

Das Landgericht Frankfurt am Main hat einen ehemaligen Leiter der Abteilung CMS-Region Mitte der Deutschen Bank AG Frankfurt am Main wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und weitere Mitarbeiter jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr drei Monaten und zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Gehilfen verhängten Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Feststellungen des Urteils koordinierte der Angeklagte H. in seiner Funktion als Leiter der Abteilung CMS-Region Mitte den Handel der Deutschen Bank AG Frankfurt am Main mit Treibhausgasemissionszertifikaten (CO2-Zertifikaten) und wurde hierbei durch die Mitangeklagten unterstützt. Ab Sommer 2009 war in die steuerbetrügerischen Leistungsketten an der Position des letzten inländischen Erwerbers (sog. Distributor) auch die Deutsche Bank AG eingebunden. Insgesamt machte die Deutsche Bank AG in den Umsatzsteuervoranmeldungen Oktober 2009 bis Februar 2010 aus Leistungen von vier CO2-Lieferanten 145.465.032 Euro zu Unrecht geltend.

Die Angeklagten hatten -so das Landgericht- die ernsthafte Möglichkeit in ihr Vorstellungsbild aufgenommen, dass der Deutschen Bank AG aus ihren Geschäften mit den vier CO2-Lieferanten wegen einer Einbindung in steuerbetrügerische Leistungsketten keine Berechtigung zur Geltendmachung von Vorsteuern zukommen würde. Ihnen kam es auch im eigenen Interesse darauf an, die lukrativen CO2-Geschäfte mit für die Deutsche Bank risikolos und leicht zu erzielenden Margen fortzusetzen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, erstreben jeweils höhere Freiheitsstrafen. Sie beanstanden die Verurteilungen wegen Beihilfe (anstatt Täterschaft) und einzelne zugunsten der Angeklagten eingestellte Strafzumessungserwägungen.

Vorinstanz:
Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 13. Juni 2016 - 5/2 KLs 6/15

Verhandlungstermin am 15. Mai 2018, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 79/17 (Verpflichtung eines Fluggasts zur Erstattung eines dem Luftverkehrsunternehmen auferlegten Bußgelds?)

Datum: 15.05.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Das klagende Luftverkehrsunternehmen nimmt den beklagten Fluggast auf Erstattung eines von den indischen Behörden verhängten Bußgelds in Anspruch.

Sachverhalt:

Der Beklagte buchte im Frühjahr 2015 über die Internetseite der Klägerin einen Flug nach Indien. Da er bei seiner Ankunft in Indien nicht über das für die Einreise erforderliche Visum verfügte, verhängten die indischen Behörden gegen die Klägerin ein Bußgeld in Höhe von 100.000 Rupien (zum Zahlungszeitpunkt umgerechnet etwa 1.415 €). Hierfür verlangt sie vom Beklagten Ersatz.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt und die Klage nur wegen eines zusätzlich eingeklagten Bearbeitungsentgelts von 50 € nebst Zinsen abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe gegen eine sich aus den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Klägerin ergebende vertragliche Nebenpflicht verstoßen, den Flug nur mit den erforderlichen Einreisedokumenten anzutreten. Die Klägerin sei hingegen dem Beklagten gegenüber nicht zur Kontrolle seiner Einreisedokumente verpflichtet gewesen. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.

Vorinstanzen:

AG Hannover – Urteil vom 16. August 2016 – 542 C 2724/16
LG Hannover – Urteil vom 20. Juli 2017 – 8 S 71/16

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 9. Mai 2018, 11.00 Uhr – in Sachen VIII ZR 26/17 (Verlangen auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags im Wege des "großen Schadensersatzes" nach wegen desselben Mangels bereits erklärter Minderung)

Datum: 09.05.2018
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, schloss einen Leasingvertrag über ein von der Beklagten hergestelltes und zum Verkauf angebotenes Neufahrzeug der Marke Mercedes-Benz. Nachdem die Leasinggesellschaft das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 99.900 € von der Beklagten erworben hatte, wurde es im März 2014 an die Klägerin übergeben.

Im Zeitraum Oktober 2014 und Februar 2015 brachte die Klägerin das Fahrzeug wegen verschiedener Mängel (unter anderem: Kurzschluss am Steuergerät der Sitzeinstellung, Aussetzen der Gangschaltung, mehrere Fehler an der Elektronik) insgesamt siebenmal in eine Niederlassung der Beklagten. Die gerügten Mängel wurden jeweils von der Beklagten beseitigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sämtliche aufgetretenen Mängel auf eine auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhende Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs zurückzuführen seien und erklärte unter Berufung hierauf mit ihrer Klageschrift gegenüber der Beklagten die Minderung des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Höhe von 20 Prozent. In der Folgezeit suchte sie erneut eine Niederlassung der Beklagten zur Behebung weiterer Mängel (Defekt des Pulsationsdämpfers der Hydraulikpumpe; grundloses Aufleuchten der ABC-Lampe) auf. Der erstgenannte Mangel wurde behoben, bezüglich der zweiten Beanstandung vermochte die Beklagte einen Mangel nicht zu erkennen. Kurze Zeit später stellte die Klägerin ihr Klagebegehren dahingehend um, dass sie wegen der von ihr geltend gemachten herstellungsbedingten Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs nicht mehr die Rückzahlung des sich aus der Minderung des Kaufpreises ergebenden Betrages, sondern im Rahmen des sogenannten großen Schadensersatzes (Schadensersatz statt der ganzen Leistung, § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 BGB) nunmehr die Rückabwicklung des gesamten Kaufvertrages verlangte.

Bisheriger Prozessverlauf:

In den Vorinstanzen hat die Klage ganz überwiegend Erfolg gehabt. Dabei sind sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin wegen der von ihr bemängelten Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs trotz der insoweit zuvor bereits erklärten Minderung des Kaufpreises noch wirksam zu einem Anspruch auf sogenannten großen Schadensersatz und damit zur vollständigen Rückabwicklung des Kaufvertrages habe übergehen können.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
[…]
2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurückzutreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und
3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz […] verlangen.

§ 441 BGB Minderung

(1) 1Statt zurückzutreten, kann der Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern. […]
[…]
(4) 1Hat der Käufer mehr als den geminderten Kaufpreis gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Verkäufer zu erstatten. […]

§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) 1Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eines angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. […] 3Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
[…]
(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten […] berechtigt.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 20. Mai 2016 – 23 O 166/15
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 26. Januar 2017 – 19 U 90/16

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 4. Mai 2018, 10.15 Uhr, in Sachen V ZR 203/17 (Sanierung von Feuchtigkeitsschäden in einem in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Altbau)

Datum: 04.05.2018
Akkreditierungsschluss: 02.05.2018 12:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem Wohnungs- und Teileigentümer darüber streiten, ob Feuchtigkeitsschäden im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums saniert werden müssen.

Sachverhalt:

Die Parteien bilden eine Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Das im Jahr 1890 errichtete Gebäude wurde im Jahr 1986 in zwölf Wohnungen und drei Teileigentumseinheiten aufgeteilt. Die Kläger sind die Eigentümer der drei Teileigentumseinheiten, die sich im Souterrain des Gebäudes befinden; sie werden in der Teilungserklärung als „Laden“ bzw. „Büro“ bezeichnet und derzeit als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommunikationsagentur genutzt. Weil die Wände dieser Einheiten Durchfeuchtungen aufweisen, holte die Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 2010 ein Gutachten eines Ingenieurbüros und im Jahr 2011 ein Gutachten eines Architekten ein. Beide Gutachten ergaben dieselben Schadensursachen, nämlich eine fehlende außenseitige Sockelabdichtung, eine fehlende Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze. In der Eigentümerversammlung vom 31. März 2015 wurde der zu TOP 2a gestellte Antrag der Kläger auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden abgelehnt. Auch der weitere Antrag zu TOP 2b, wonach die Instandsetzung durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk sowie Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden erfolgen soll, fand keine Mehrheit. Zu TOP 2f beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Gegen die genannten Beschlüsse wenden sich die Kläger mit der Anfechtungsklage. Zugleich haben sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den Beschlussanträgen zu 2a und 2b zuzustimmen, hilfsweise, eine gerichtliche Beschlussersetzung vorzunehmen. Das Amtsgericht hat nur den zu TOP2f gefassten Beschluss für ungültig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht der Klage – soweit von Interesse – vollen Umfangs stattgegeben und die (auf TOP 2f bezogene) Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Nach Auffassung des Landgerichts widerspricht die Ablehnung des Beschlussantrags zu TOP 2a ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Kläger hätten gemäß § 21 Abs. 4 WEG Anspruch darauf, dass die Feuchtigkeitsschäden saniert werden. Eines weiteren Gutachtens bedürfe es nicht, weil die Ursachen bereits feststünden und sich der Sachverhalt seit Einholung der beiden Gutachten nicht verändert habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten gehörten die Durchfeuchtungen nicht zu dem planmäßigen Zustand der Teileigentumseinheiten, auch wenn sich diese in einem Altbau befänden. Darauf, ob die Abdichtung den bei Errichtung des Gebäudes im Jahr 1890 geltenden Regeln der Technik entspreche, komme es wegen der fast hundert Jahre später erfolgten Aufteilung nicht an. Maßgeblich sei vielmehr der „Sollzustand“ des Gebäudes nach der Teilungserklärung, in der das Gebäude als „total renoviert“ bezeichnet werde. Die Teileigentumseinheiten im Souterrain dienten als gewerblich voll nutzbare Räumlichkeiten. Der bauliche Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums müsse die Nutzung zu dem vorgesehenen Zweck gewährleisten. Die Kläger hätten Anspruch auf Beseitigung der Ursachen nach heutigen Baustandards und müssten sich nicht mit einem „Kaschieren“ der gravierenden Durchfeuchtungen zufrieden geben.

Die auf den Beschlussantrag zu TOP 2b bezogenen Klageanträge hätten Erfolg, weil die Beklagten auch insoweit zur Zustimmung verpflichtet seien. Nach dem Ergebnis eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens entspreche nur die beantragte Art der Sanierung ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Einwand der Beklagten, sie hätten diese Frage – wie das Gericht – zunächst durch ein Gutachten überprüfen dürfen, sei unberechtigt. Selbst wenn es insoweit auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommen sollte, hätte dem Antrag aus objektiver Sicht entsprochen werden müssen. Angesichts der bereits vorliegenden Gutachten habe eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bestanden. Mit der zu TOP 2f beschlossenen Einholung eines weiteren Gutachtens hätten die Wohnungseigentümer keine aktuelle Bestandsaufnahme beabsichtigt, sondern eine Art „Rechtsgutachten“ einholen wollen mit dem erkennbar gewünschten Ergebnis, dass der Zustand der Souterraineinheiten baualtersklassengerecht und von den Klägern hinzunehmen sei. Aus diesem Grund sei der zu TOP 2f gefasste Beschluss zu Recht für ungültig erklärt worden.

Die Beklagten stützen ihre gegen das Urteil des Landgerichts gerichtete Revision unter anderem auf die Überlegung, dass der Gebäudezustand an dem Baustandard des Jahres 1890 zu messen sei. Die Sanierung erweise sich zudem als unverhältnismäßig, da sie rund 300.000 € kosten werde. Die Kläger müssten Beeinträchtigungen wie Farbabblätterungen, Putzschäden und Salzausblühungen hinnehmen, zumal diese nach ihrem eigenen Vortrag schon mehr als zehn Jahre bestünden und die Teileigentumseinheiten gleichwohl bestimmungsgemäß genutzt würden.

Vorinstanzen:

AG Hamburg – Urteil vom 7. Dezember 2015 – 11 C 22/15
LG Hamburg – Urteil vom 28. Juni 2017 – 318 S 9/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 21 WEG:
Abs. 4: „Jeder Wohnungseigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.“

Abs. 5: „Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere:
1. (…)
2.die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (…)

Akkreditierungsbedingungen

Verhandlungstermin am 19. April 2018, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 154/16 (Zulässigkeit von Werbeblockern im Internet)

Datum: 19.04.2018

Sachverhalt:

Die Klägerin, die Axel Springer AG, ist ein Verlag. Sie stellt ihre redaktionellen Inhalte auch auf ihren Internetseiten zur Verfügung. Dieses Angebot finanziert sie mit dem Entgelt, das sie von anderen Unternehmen für die Veröffentlichung von Werbung auf diesen Internetseiten erhält.

Die Beklagte zu 1 (nachfolgend Beklagte), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 war und der Beklagte zu 3 ist, vertreibt das Computerprogramm „AdBlock Plus“, mit dem Werbung auf Internetseiten unterdrückt werden kann. Werbung, die von den Filterregeln erfasst wird, die in einer sogenannten Blacklist enthalten sind, wird automatisch blockiert. Die Beklagte bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Werbung von dieser automatischen Blockade durch Aufnahme in eine sogenannte Whitelist ausnehmen zu lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Werbung die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine „akzeptable Werbung" erfüllt und die Unternehmen die Beklagte am Umsatz beteiligen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen verlangt die Beklagte für die Ausnahme von der automatischen Blockade nach eigenen Angaben keine Umsatzbeteiligung. Der Nutzer des Werbeblockers kann die in der Whitelist enthaltene Werbung blockieren, indem er den in den Filtereinstellungen gesetzten Haken bei der Einstellung „Einige nicht aufdringliche Werbung zulassen“ entfernt.

Die Klägerin hält den Vertrieb des Werbeblockers durch die Beklagten für wettbewerbswidrig. Sie hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, ein Computerprogramm anzubieten, das Werbeinhalte auf näher bezeichneten Webseiten unterdrückt. Hilfsweise hat sie beantragt, den Beklagten zu verbieten, ein solches Computerprogramm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird. Darüber hinaus hat sie Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten beansprucht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten nach dem Hilfsantrag zur Unterlassung verurteilt und ihre Schadensersatzpflicht festgestellt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Parteien seien Wettbewerber; die Klägerin sei somit berechtigt, wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Das Angebot der Beklagten erfülle zwar nicht den Tatbestand der gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG, wohl aber denjenigen der aggressiven geschäftlichen Handlung nach § 4a Abs. 1 UWG in Form der unzulässigen Beeinflussung. Die Beklagte veranlasse werbewillige Unternehmen, die Blockade ihrer Werbung durch die Blacklist durch Aufnahme in die Whitelist zu beseitigen und damit eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, die sie ohne die Blockade nicht benötigt hätten.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Die Klägerin möchte mit ihrer Revision erreichen, dass die Beklagte nach dem Hauptantrag zur Unterlassung und darüber hinaus zur Auskunftserteilung verurteilt wird. Sie ist der Ansicht, das Verhalten der Beklagten sei als gezielte Behinderung von Mitbewerbern und allgemeine Marktbehinderung zu werten. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 29. September 2015 - 33 O 132/14
OLG Köln - Urteil vom 24. Juni 2016 - 6 U 149/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Nr. 4 UWG

Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.

§ 4a Abs. 1 UWG
Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigten durch
1. Belästigung,
2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt,
3. unzulässige Beeinflussung.
Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich beeinträchtigt.

Verhandlungstermin am 18. April 2018, 9.00 Uhr, in Sachen XII ZR 76/17 (Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes in Frankfurt am Main)

Datum: 18.04.2018
Kameraöffentlichkeit: Nein

Sachverhalt:

Die klagende Stadt verlangt von dem beklagten Verein die Räumung und Herausgabe des Galopprennbahngeländes in Frankfurt am Main. Widerklagend begehrt der Beklagte die Feststellung der Unwirksamkeit eines zwischen der Klägerin als Vermieterin und der F.H. GmbH als Mieterin des Rennbahngeländes geschlossenen Mietaufhebungsvertrags und eines zwischen der Klägerin und dem Zeugen H. als alleinigem Gesellschafter der F.H. GmbH geschlossenen Vertrags über die Übertragung der Geschäftsanteile an der GmbH auf die Klägerin.

Mit Mietvertrag vom 6. September 2010 vermietete die Klägerin bis zum 31. August 2024 das Rennbahngelände als Pferde-, Golf- und Freizeitsportfläche zur jährlichen Miete von 36.000 EUR an die F.H. GmbH. In dem Mietvertrag verpflichtete sich die F.H. GmbH jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen zu veranstalten. Da die F.H. GmbH nicht Mitglied im „Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V.“ war und daher keine konzessionierten Pferderennen durchführen konnte, übertrug sie mit einem auf den 6. Dezember 2010 datierten Geschäftsbesorgungsvertrag diese Verpflichtung zur Durchführung von Pferderennen auf der Galopprennbahn auf den Beklagten, der hierfür eine jährliche Vergütung von 216.000 EUR erhalten sollte.

Am 21. März 2014 sagte die Klägerin dem Deutschen Fußballbund zu, ihm das Rennbahngelände für die Errichtung einer Fußballakademie zur Verfügung zu stellen. Am 5. August 2014 schlossen die Klägerin, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der F.H. GmbH H. und die durch ihn vertretene F.H. GmbH einen notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag über die Geschäftsanteile des H. an der F.H. GmbH sowie eine Vereinbarung über die Aufhebung des Mietvertrags zwischen der Klägerin und der F.H. GmbH.

Unter dem 4. März 2015 erklärte H. namens der F.H. GmbH gegenüber dem Beklagten die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zum 30. Juni 2015. Mit Schreiben vom 29. Juni 2015 forderte ein Mitarbeiter der Klägerin den Beklagten zur Herausgabe des Rennbahngeländes zum 30. September 2015, hilfsweise zum 31. Dezember 2015, auf und erklärte vorsorglich nochmals die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zu diesen Zeitpunkten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Beklagten u. a. dazu verurteilt, das von ihm in Besitz gehaltene Gelände der Galopprennbahn in Frankfurt am Main sowie die dort von ihm genutzten Geschäftsräume zu räumen und an die Stadt Frankfurt am Main als Klägerin herauszugeben. Die auf Feststellung der Unwirksamkeit des Mietaufhebungs- und Geschäftsanteilskaufvertrags gerichtete Widerklage des Beklagten hat das Landgericht abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gerichtet hat. Auf die Widerklage hat es die Unwirksamkeit des Mietaufhebungsvertrags im Verhältnis zum Beklagten festgestellt. Im Übrigen hat es die Berufung des Beklagten verworfen. Die Revision hat das Oberlandesgericht zugelassen.

Nach Einlegung der Revision hat der Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts sowie aus dem Urteil des Landgerichts einstweilen einzustellen. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 20. September 2017 den Antrag des Beklagten zurückgewiesen (vgl. Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2017 Nr. 144/2017).

Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Außerdem erstrebt er mit der Widerklage die Feststellung, dass der Geschäftsanteilskaufvertrag vom 5. April 2014 unwirksam ist. Die Klägerin möchte mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Widerklage erreichen.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – 2-12 O 437/15 – Urteil vom 16. Dezember 2016
OLG Frankfurt am Main – 2 U 174/16 - Urteil vom 27. Juli 2017

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) …

Verkündungstermin: 10. April 2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin am 13. März 2018, 10.00 Uhr) in dem Zivilverfahren VI ZR 396/16
(Zur Zulässigkeit der Verbreitung ungenehmigter
Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen)

Datum: 10.04.2018
Kameraöffentlichkeit: Nein

Die Klägerin ist ein auf die Vermarktung von Bio-Produkten spezialisierter Erzeugerzusammenschluss von elf ökologisch arbeitenden Betrieben, die Ackerbau und Hühnerhaltung betreiben. In den Nächten vom 11./12. Mai und 12./13. Mai 2012 drang Herr. F., der sich für den Tierschutz engagiert, in die Hühnerställe von zwei der in der Klägerin zusammengeschlossenen Betriebe ein und fertigte dort Filmaufnahmen. Die Aufnahmen zeigen u.a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. Herr F. überließ die Aufnahmen der Beklagten, die sie am 3. September 2012 in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel "Wie billig kann Bio sein?" bzw. am 18. September 2012 im Rahmen der Sendung "FAKT" ausstrahlte. Die Beiträge befassen sich u.a. mit den Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, und werfen die Frage auf, wie preisgünstig Bio-Erzeugnisse sein können.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen näher bezeichnete Bildaufnahmen zu verbreiten, die verpackte Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid haben, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls zeigen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom VI. Zivilsenat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen

Oberlandesgericht Hamburg – 7 U 11/14
Landgericht Hamburg – 424 O 400/13

Verhandlungstermin am 29. März 2018, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 34/17 (Bonusaktionen für die Smartphone-App „My Taxi“)

Datum: 29.03.2018

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Taxizentralen in Deutschland. Sie betreibt die Taxi-Bestell-App „Taxi Deutschland“. Die Beklagte vermittelt Taxi-Dienstleistungen über die Smartphone-App „My Taxi“.

Die Klägerin beanstandet vier Bonusaktionen der Beklagten, bei denen registrierte Nutzer lediglich die Hälfte des regulären Fahrpreises zu zahlen hatten. Die andere Hälfte des Fahrpreises erhielt der Taxifahrer abzüglich Vermittlungsgebühren von der Beklagten. Außerdem bewarb die Beklagte ihren Vermittlungsdienst mit Gutscheinen, die auf den Fahrpreis angerechnet werden konnten.

Die Klägerin hält die Bonusaktionen für wettbewerbswidrig, weil sie gegen die Pflicht zur Einhaltung der behördlich festgesetzten Taxitarife verstießen. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte hafte als Teilnehmerin für die Verstöße der an den Rabattaktionen beteiligten Taxiunter-nehmern gegen die Tarifpflicht nach § 39 Abs. 3, 51 Abs. 5 PBefG. Bei diesen Regelungen handele es sich um Marktverhaltensregelungen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 19. Januar 2016 - 3-06 O 72/15
OLG Frankfurt – Urteil vom 2. Februar 2017 - 6 U 29/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 39 PBefG

(1) Beförderungsentgelte und deren Änderung bedürfen der Zustimmung der Genehmigungsbehörde. Mit der Zustimmung sind die Beförderungsentgelte allgemein verbindlich. …
(2) …
(3) Die nach Absatz 1 festgestellten Beförderungsentgelte dürfen nicht über- oder unterschritten werden; sie sind gleichmäßig anzuwenden. Ermäßigungen, die nicht unter gleichen Bedingungen jedermann zugute kommen, sind verboten und nichtig.

§ 51 Beförderungsentgelte und -bedingungen im Taxenverkehr

(1) Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Beförderungs-entgelte und -bedingungen für den Taxenverkehr festzusetzen. …
Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung übertragen.
(2) …
(3) …
(4) …
(5) Für die Anwendung der Beförderungsentgelte und -bedingungen gilt § 39 Abs. 3 entsprechend.

Verhandlungstermin am 23. März 2018, um 9.00 Uhr in Sachen V ZR 307/16 (Nutzung einer Teileigentumseinheit im „Ärztehaus“ zu Wohnzwecken)

Datum: 23.03.2018

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem der Eigentümer einer früher als Arztpraxis genutzten Teileigentumseinheit dazu verurteilt worden ist, deren Nutzung zu Wohnzwecken zu unterlassen.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Mitglieder einer Teileigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung von 1989/1990 dient das aus sieben Einheiten bestehende Gebäude „zur beruflichen und gewerblichen Nutzung“. Die Einheiten dürfen „ausdrücklich beruflich oder gewerblich, insbesondere auch als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden“. Nach der Aufteilung befanden sich zunächst in sechs Einheiten Arztpraxen, die siebte diente als Apotheke. Der Beklagte ist Eigentümer einer der ursprünglichen Arztpraxen. Im Jahr 2013 wurde in unmittelbarer Nähe zu der Anlage ein großes Ärztehaus errichtet. Die Mieter des Beklagten kündigten das Mietverhältnis. Aktuell werden nur noch drei Einheiten als Arztpraxen genutzt. Die Apotheke wurde zu einem Teil an ein Büro für Tierschutzhilfe vermietet und steht im Übrigen leer. In einer der ehemaligen Arztpraxen befindet sich eine Schülernachhilfe. Der Beklagte teilte seine Einheit auf, baute sie um und vermietete beide Teile als Wohnraum.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf Unterlassung der Nutzung zu Wohnzwecken gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht ihr stattgegeben.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Räume nach der Teilungserklärung nicht zu Wohnzwecken dienten. Die Nutzung als Wohnraum müssten die Kläger auch nicht ausnahmsweise deshalb hinnehmen, weil sie nicht störender als die zulässige Nutzung sei. Eine Wohnnutzung störe bei der gebotenen typisierenden Betrachtung schon deshalb mehr als die zulässige gewerbliche Nutzung, weil sie rund um die Uhr und auch an Wochenenden stattfinde. Zudem sei der Zweck des Gebäudes als Apotheken- und Ärztehaus zu beachten. Ein solches werde von Kunden bzw. Patienten auch deshalb als professionell eingeschätzt, weil dort gerade keine private Wohnnutzung stattfinde, die typischerweise mit Wohngeräuschen und -gerüchen und im Flur herumstehenden Gegenstände verbunden sei.

Die Änderung der vereinbarten Nutzung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG könne der Beklagte nicht verlangen, so dass es nicht auf die umstrittene Frage ankomme, ob ein solcher Anspruch überhaupt als Einrede in einem Unterlassungsverfahren wie dem vorliegenden geltend gemacht werden dürfe. Sollte es zutreffen, dass dem Beklagten eine gewerbliche Vermietung trotz Einschaltung von Immobilienmaklern von Mai 2012 bis Juni 2013 nicht gelungen sei, ergebe sich daraus zunächst nur eine vorübergehende Unmöglichkeit der zulässigen Nutzung, die eine endgültige Änderung der Teilungserklärung nicht rechtfertigen könne. Dem stehe das Vertrauen der übrigen Eigentümer auf die vereinbarte Nutzung entgegen, auf die sie sich mit Erwerb der Einheit einstellen durften. Die Vermietung als Wohnraum müsse auch nicht gemäß § 242 BGB wegen einer schwierigen Marktsituation hingenommen werden. Eine solche Duldungspflicht komme allenfalls vorübergehend in Betracht; der Beklagte habe die Wohnungen aber dauerhaft und unbefristet vermietet.

Mit der von dem V. Senat des Bundesgerichtshofs wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision wehrt sich der Beklagte dagegen, dass er zur Unterlassung der Wohnnutzung verurteilt worden ist. Er beanstandet unter anderem, dass das Landgericht den Anspruch auf Änderung der in der Teilungserklärung vereinbarten Nutzung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ohne die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt hat; hierzu habe er vorgetragen, dass eine Vermietung als Arztpraxis wegen der Abwanderung in das neue Ärztehauses dauerhaft ausgeschlossen und eine andere gewerbliche Vermietung an diesem Standort nicht möglich sei.

Vorinstanzen:

AG Dachau – Urteil vom 28. April 2016 – 5 C 18/15 WEG
LG München I – Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 S 9709/16 WEG

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 10 WEG Allgemeine Grundsätze

Abs. 2 Satz 3 Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

§ 15 WEG Gebrauchsregelung

Abs. 3 Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.

Verhandlungstermin am 21. März 2018, 12.00 Uhr - VIII ZR 104/17 (Zur Sperrfrist gemäß § 577a Abs. 1a BGB nach Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts)

Datum: 21.03.2018

Sachverhalt:

Der inzwischen über 70 Jahre alte Beklagte zu 1 hat im Jahr 1981 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Vierzimmer-Altbauwohnung in Frankfurt am Main (Westend) gemietet, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Tochter bewohnt. Die Nettomiete für die 160 qm große Wohnung beläuft sich zwischenzeitlich auf 856,25 € monatlich.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die aus einer GmbH und zwei natürlichen Personen besteht und im Januar 2015 als Eigentümerin und Vermieterin in den Mietvertrag eingetreten ist. Mit Schreiben vom Mai 2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit dem Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter. Dieser habe sich von seiner Ehefrau getrennt und benötige als erfolgreicher Immobilienunternehmer repräsentative Wohnräume in entsprechender Wohnlage in der Nähe eines seiner Büros. Die in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen beschriebenen leerstehenden Wohnungen in den zahlreichen Liegenschaften in Frankfurt am Main und Umgebung, an denen dieser als Gesellschafter beteiligt sei, kämen insoweit allesamt nicht in Betracht. Es entspreche nicht seinem Lebenswunsch, etwa in einer Wohnung mit einer Größe von lediglich 124 qm wohnen zu müssen. Denn der Gesellschafter pflege einen gehobenen Lebensstil, der insbesondere auch seinen Geschäftspartnern gegenüber gelebt werden müsse.

Der Beklagte zu 1 widersprach der Kündigung und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Er machte Härtegründe für sich und seine Familie geltend und zog den von der Klägerin geltend gemachten Eigenbedarf ihres Gesellschafters in Zweifel.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Nach Ansicht des Landgerichts ist die von der Klägerin ausgesprochene Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zwar "dem Grunde nach" berechtigt, doch sei die Kündigung verfrüht erfolgt, da die Klägerin die sich aus § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB ergebende Sperrfrist nicht eingehalten habe. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin gelte diese Sperrfrist für alle Gesellschaften bürgerlichen Rechts nach Erwerb von vermietetem Wohnraum, ohne dass es zusätzlich einer Absicht der Begründung von Wohnungseigentum bedürfe.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren weiter. Dabei rügt die Revision unter anderem, dass die Regelung des § 577a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB verfassungswidrig sei.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. […]
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
[…]
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt […]

§ 577a BGB Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung

(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.
(1a) 1Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist […]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 8. September 2016 - 33 C 1201/16 (57)
Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 11. April 2017 - 2-11 S 292/16

Verhandlungstermin am 20. März 2018, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 25/17 (Flugpreiserstattung nach Vertragskündigung)

Datum: 20.03.2018

Sachverhalt:

Die Kläger begehren von der beklagten Deutsche Lufthansa AG die Erstattung des gezahlten Flugpreises nach erklärter Kündigung des Vertrags.

Sie buchten im November 2014 für den 22./23. Mai 2015 Flüge von Hamburg nach Frankfurt am Main mit Anschlussflug nach Miami und von Los Angeles über Frankfurt am Main nach Hamburg zum Gesamtpreis von 2.766,32 €. Der Buchung lagen für die innerdeutschen Teilstrecken die Buchungsklasse Economy (Y) und für die internationalen Teilstrecken die Klasse Premium Economy (N) zugrunde, für die die Bedingungen der Beklagten folgende Regelung vorsahen:

"Die Stornierung der Tickets ist nicht möglich. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren sind erstattbar. Der internationale/nationale Zuschlag ist nicht erstattbar."

Die Kläger stornierten am 20. März 2015 die Flüge wegen einer Erkrankung und verlangten die Erstattung des Flugpreises. Die Beklagte erstattete ihnen ersparte Steuern und Gebühren in Höhe von jeweils 133,56 €. Mit der Klage begehren sie die Rückzahlung der verbleibenden Differenz in Höhe von jeweils 1.249,60 € (Flugkosten und "YQ-Zuschlag") und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat angenommen, die von den Klägern erklärte Kündigung des Beförderungsvertrags begründe keinen Anspruch auf Erstattung des Flugpreises. Auf die Frage der Anwendbarkeit des § 649 BGB (alte Fassung – aF, jetzt § 648 BGB) bei einer Luftbeförderung von Personen komme es nicht an. Die Vorschrift sei jedenfalls individualvertraglich abbedungen, da die Kläger bei der Buchung die freie Wahl zwischen verschiedenen Buchungsklassen gehabt hätten, welche abhängig vom Reisepreis unterschiedliche Regelungen zur Stornierbarkeit vorsahen. Bei den von den Klägern gewählten preisgünstigeren Buchungsklassen sei die begehrte weitergehende Erstattung ausgeschlossen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Vorinstanzen:

AG Köln – Urteil vom 7. Januar 2016 – 129 C 181/15
LG Köln – Urteil vom 7. Februar 2017 – 11 S 15/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 649 BGB aF (= § 648 BGB)

1Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. 2Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. 3Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.

Termine zur Hauptverhandlung am 1. März 2018, 9.30 Uhr, in Sachen 4 StR 311/17 und um 10.30 Uhr in Sachen
4 StR 158/17, in zwei „Raser-Fällen“

Datum: 01.03.2018

4 StR 311/17

Der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revisionen des zur Tatzeit 23jährigen Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Bremen zu entscheiden, durch welches der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Ferner wurde für die Wiedererteilung der dem Angeklagten entzogenen Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von vier Jahren angeordnet.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am Abend des 17. Juni 2016 mit seinem leistungsstarken Motorrad (200 PS) das Stadtgebiet von Bremen, ohne über die erforderliche uneingeschränkte Fahrerlaubnis der Klasse A zu verfügen.

Gegen 21:40 Uhr befuhr er die Nordstraße in stadtauswärtiger Richtung mit einer Geschwindigkeit von bis zu 150 km/h. Im Bereich der Einmündung der Elisabethstraße querte ein Fußgänger trotz Rotlicht der für ihn geltenden Ampel die Nordstraße an einer Fußgängerfurt. Als der Angeklagte den Fußgänger erblickte, fuhr er mit einer Geschwindigkeit von noch mindestens 97 km/h. Er vermochte nicht mehr rechtzeitig zu bremsen oder ein Ausweichmanöver durchzuführen und erfasste den Fußgänger, der noch im Rettungswagen seinen schweren Verletzungen erlag. Bei Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h wäre der Unfall für den Angeklagten vermeidbar gewesen. Der Angeklagte wurde infolge der Kollision ebenfalls erheblich verletzt.

Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision nur gegen den Rechtsfolgenausspruch. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.

Vorinstanz:

Landgericht Bremen - Urteil vom 31. Januar 2017 – 21 Ks 280 Js 39688/16 (12/16)

4 StR 158/17

Der Senat hat desweiteren über die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zu entscheiden, durch welches der Angeklagte – als Heranwachsender – wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Gefährdung des Straßenverkehrs sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Ferner wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und für die Wiedererteilung eine Sperrfrist von zwei Jahren angeordnet.

Das Landgericht hat – soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Straßenverkehrsgefährdung verurteilt wurde – folgende Feststellungen getroffen:

Der zur Tatzeit 20jährige Angeklagte befuhr am Abend des 22. April 2015 mit einem Mietwagen die Straße Schwanheimer Ufer in Richtung Stadtmitte. Im Bereich der Autobahnauffahrt zur BAB 5 überfuhr er eine rote Ampel mit einer Geschwindigkeit von circa 142 km/h bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Der Angeklagte kollidierte mit einem aus der Gegenrichtung kommenden Fahrzeug, welches die Fahrbahn des Angeklagten querte, um in Richtung der Autobahnauffahrt zur BAB 5 abzubiegen. Der Führer dieses Fahrzeugs erlag noch an der Unfallstelle den durch die Kollision erlittenen schweren Verletzungen.

Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision insbesondere eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts bezüglich der Tat vom 22. April 2015.

Vorinstanz:

Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 1. Dezember 2016 – 5/8 KLs 4690 Js 215349/15 (1/16)

Verhandlungstermin am 28. Februar 2018, 9.00 Uhr, in Sachen XII ZR 94/17 (Schlüsselgewalt auch bei Kündigung einer Vollkaskoversicherung?)

Datum: 28.02.2018

Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Revision in einem Verfahren, in dem die verheiratete Klägerin ihre Versicherung (die Beklagte) auf Leistung aus einer Vollkaskoversicherung in Anspruch nimmt.

Sachverhalt:

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Haftpflicht- sowie eine Vollkaskoversicherung für ein auf den Ehemann zugelassenes Fahrzeug der Marke BMW 525d Limousine. Mit einem vom Ehemann der Klägerin unterzeichneten Schreiben vom 22. Dezember 2014 wurde die Vollkaskoversicherung für das Familienfahrzeug zum 1. Januar 2015 gekündigt. Das versicherte Fahrzeug wurde am 5. Oktober 2015 bei einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt. Die Reparaturkosten belaufen sich auf insgesamt 12.601.28 € zuzüglich Umsatzsteuer. Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 widerrief die Klägerin die Kündigung der Vollkaskoversicherung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage, mit der die Klägerin von der Beklagten Versicherungsleistungen in Höhe der Reparaturkosten abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 €, insgesamt also 12.301,28 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten von 958,18 € begehrt, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen. Beide Gerichte haben ihre Entscheidungen auf die Regelung des § 1357 BGB gestützt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Im Revisionsverfahren geht es maßgeblich um die Frage, ob die aus § 1357 BGB folgende sogenannte Schlüsselgewalt, wonach jeder Ehegatte berechtigt ist, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen, auch für den Abschluss und die Kündigung einer Vollkaskoversicherung gilt.

Vorinstanzen:

LG Ellwangen (Jagst) – Urteil vom 29. Juli 2016– 3 O 78/16
OLG Stuttgart – Urteil vom 12. Januar 2017 – 7 U 143/16

§ 1357 Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

(1) 1Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. 2Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) 1Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. 2Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

Verhandlungstermin am 28. Februar 2018, 11.00 Uhr - VIII ZR 157/17 (Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietsache nur nach vorheriger Fristsetzung zur Schadensbeseitigung?)

Datum: 28.02.2018

Sachverhalt:

Der Beklagte war für einen Zeitraum von über sieben Jahren Mieter einer Wohnung des Klägers in Hohenroth. Nach einvernehmlicher Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung verlangte der Kläger im Anschluss an die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vom Beklagten Schadensersatz von mehr als 15.000 Euro, weil dieser insbesondere wegen Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten für verschiedene Beschädigungen der Wohnung verantwortlich sei. Eine Frist zu Beseitigung der betreffenden Schäden hatte er dem Beklagten zuvor nicht gesetzt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die auf diesen Schadensersatz gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen teilweise Erfolg. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts schuldet der Beklagte dem Kläger Schadensersatz in Höhe von insgesamt 5.171 Euro wegen Schimmelbefalls in mehreren Räumen, wegen der Beschädigung von Badezimmerarmaturen und eines Heizkörpers sowie eines schadensbedingt fünfmonatigen Mietausfalls. Dabei ist das Berufungsgericht nicht der Auffassung des Beklagten gefolgt, wonach § 546 Abs. 1 BGB mit der Verpflichtung des Mieters zur Rückgabe der Mietsache in (mangelfreiem) Zustand für ihn zugleich eine Schadensbeseitigungspflicht begründet habe und Schadensersatz deshalb nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB namentlich dem erfolglosem Ablauf einer dem Beklagten vorliegend gerade nicht gesetzten Frist zur Schadensbeseitigung verlangt werden könne. Der zu einem Schaden führende vertragswidrige Gebrauch der Mietsache stelle vielmehr die Verletzung einer Nebenpflicht des Mieters dar, für die der Vermieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz habe, ohne dass eine vorherige Fristsetzung erforderlich gewesen wäre.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 546 BGB Rückgabepflicht des Mieters

(1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.
[…]

§ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) 1Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. […]
[…]
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) 1Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. […]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Bad Neustadt a.d. Saale - Urteil vom 6. Oktober 2016 - 1 C 471/12
Landgericht Schweinfurt - Urteil vom 30. Juni 2017 - 22 S 2/17

Hauptverhandlung am 22. Februar 2018, 9.00 Uhr, in der Strafsache 3 StR 286/17 (Anschlag auf einen Polizeibeamten im
Auftrag des "IS" im Hauptbahnhof Hannover)

Datum: 22.02.2018

Das Oberlandesgericht Celle hat die Angeklagte S. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren, den Angeklagten K. wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts stach die Angeklagte S. einem Polizeibeamten, der im Hauptbahnhof Hannover Streife ging und nicht mit einem Angriff auf seine Person rechnete, unvermittelt mit einem Messer in den Hals, um ihn zu töten, weil sie in ihm einen Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland sah, die sie als ein Gebiet des Unglaubens betrachtete und deren Bewohner sie als "Feinde des Islams" hasste. Sie handelte dabei im Auftrag von Mitgliedern des sogenannten Islamischen Staates (IS), mit denen sie die konkrete Tatausführung abgesprochen hatte. Dem Angeklagten K. hatte sie im Vorfeld der Tat davon berichtet, im Auftrag des IS einen Anschlag in Deutschland ausüben zu wollen.

Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Angeklagte S. hat außerdem eine Verfahrensrüge erhoben.

Vorinstanz:

OLG Celle - 4 StE 1/16 2 StE 12/16-4 - Entscheidung vom 26. Januar 2017

Verhandlungstermin am 21. Februar 2018, 11:00 Uhr, in Leipzig
in Sachen 5 StR 347/17 (Rücktritt vom Totschlagsversuch)

Datum: 21.02.2018

Das Landgericht Braunschweig hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts traf der Angeklagte am Tattag nach einer vorausgegangenen körperlichen Auseinandersetzung etwa zwei Wochen zuvor erstmals wieder auf den Nebenkläger und entschloss sich spontan, diesem einen „Denkzettel“ für die zuletzt erlittene „leichte Kopfverletzung“ zu verpassen. In Umsetzung dieses Entschlusses brachte er den Nebenkläger mittels eines Faustschlages zu Boden und fügte ihm u.a. durch mehrfache Fußtritte gegen den Kopf schwere Verletzungen zu.

Das Landgericht ist vom Vorliegen der Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch ausgegangen und hat den Angeklagten folglich „nur“ wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Gegen das Urteil haben der Angeklagte und der Nebenkläger Revision eingelegt. Der Nebenkläger vertritt die Auffassung, dass es am Vorliegen der Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des Totschlags fehle und der Angeklagte deshalb neben der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts zu bestrafen sei. Der Angeklagte wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den Schuld- und Strafausspruch.

Die Hauptverhandlung wird im Saal 115 des Landgerichts Leipzig, Harkortstraße 9, 04107 Leipzig, stattfinden.

Vorinstanzen:
Landgericht Braunschweig, Urteil vom 23. Januar 2017, 9 Ks 115 Js 31736/14

Verhandlungstermin am 21. Februar 2018, 9.30 Uhr, in Leipzig
in Sachen 5 StR 267/17 (Verurteilung eines LKA-Beamten
wegen Mordes)

Datum: 21.02.2018

Das Landgericht Dresden hatte einen Beamten des Landeskriminalamts Sachsen wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hatte der 5. Strafsenat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen, und zwar insbesondere deshalb, weil die Beweiswürdigung die Verurteilung nicht trug und das Landgericht – insoweit rechtsfehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten – von der Verhängung der nach § 211 Abs. 1 StGB bei einer Verurteilung wegen Mordes vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen hatte.

Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wiederum wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sieben Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der voll schuldfähige Angeklagte einen 59-jährigen Mann, um die anschließende Zerstückelung des Körpers zu ermöglichen, von der er sich sexuellen Lustgewinn versprach. Das Tatopfer war mit dem Handeln des Angeklagten einverstanden. Es hatte den Wunsch, von ihm geschlachtet und verspeist zu werden.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Tat zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und zur Ermöglichung einer Straftat begangen worden ist. Von der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe hat es abgesehen, da das Tatopfer mit der Tötung durch den Angeklagten nicht nur einverstanden war, sondern diese aufgrund eines seit mehreren Jahren stabil bestehenden Wunsches auch unbedingt wollte.

Gegen das Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass gegen den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe hätte verhängt werden müssen.

Die Hauptverhandlung wird im Saal 115 des Landgerichts Leipzig, Harkortstraße 9, 04107 Leipzig, stattfinden.

Vorinstanz:
Landgericht Dresden - Urteil vom 13. Dezember 2016 – 5 Ks 140 Js 56327/13

Verhandlungstermin am 21. Februar 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 255/16 (Zur Räum- und Streupflicht des Vermieters)

Datum: 21.02.2018

Die Beklagte ist Eigentümerin eines Anwesens in der Innenstadt von München, in welchem eine Wohnung an die frühere Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Klägers vermietet war. Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass die Räum- und Streupflicht für den Gehweg vor dem Grundstück der Beklagten grundsätzlich bei der Stadt München (Streithelferin der Beklagten) liegt.

Am 17. Januar 2010 stürzte der Kläger gegen 9.10 Uhr auf dem öffentlichen Gehweg, als er beim Verlassen des Grundstücks auf das Kopfsteinpflaster trat, und zog sich dabei Verletzungen am rechten Innenknöchel zu. Die Streithelferin hatte die Gehwege im Stadtgebiet mehrfach geräumt und gestreut, wenn auch nicht auf der ganzen Breite und auch nicht im direkten Zugang zum Anwesen der Beklagten. Die Beklagte hatte keine Schneeräumarbeiten auf dem Gehweg vorgenommen, weil sie ihrer Meinung nach nicht dazu verpflichtet war.

Die auf Zahlung materiellen Schadensersatzes in Höhe von 4.291,20 €, eines angemessenen Schmerzensgeldes (jeweils nebst Zinsen) sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die Revision macht geltend, dass die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters nicht „an der Grundstücksgrenze“ enden könne, wenn die sicherungspflichtige Gemeinde den Gehweg im Eingangsbereich zu einem Anliegergrundstück nicht räume und so der sichere Zugang des Mieters und seiner Angehörigen vom geräumten Teil des Gehwegs zum Mietobjekt nicht gewährleistet sei.

Vorinstanzen:

LG München - Entscheidung vom 14. Januar 2016 – 2 O 28823/13
OLG München - Entscheidung vom 6. Oktober 2016 – 1 U 790/16

Verhandlungstermin am 20. Februar 2018, 10.00 Uhr, in Sachen VI ZR 143/17 (Verwendung von Vordrucken, die eine spezifisch weibliche Personenbezeichnung vorsehen)

Datum: 20.02.2018

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Kundin der beklagten Sparkasse. Diese verwendet im Geschäftsverkehr Formulare und Vordrucke, die neben Bezeichnungen wie etwa „Kunde“, „Kontoinhaber“, „Einzahler“ oder „Sparer“ keine ausdrücklich weibliche Form enthalten. Im persönlichen Gespräch und in persönlich adressierten Schreiben spricht die Beklagte die Klägerin mit „Frau […]“ an. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, im Geschäftsverkehr mit ihr Vordrucke zu verwenden, in denen sie als weibliche Person („Kundin“, „Kontoinhaberin“, „Einzahlerin“, „Sparerin“) erscheint.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Saarbrücken – Urteil vom 10. März 2017 – 1 S 4/16
Amtsgericht Saarbrücken – Urteil vom 12. Februar 2016 – 36 C 300/15

Verhandlungstermin am 15. Februar 2018, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 201/16 (Zur markenrechtlichen Haftung für die durch eine Autovervollständigen-Funktion erzeugte Ergebnisliste der Suchmaschine des Betreibers einer Internethandelsplattform)

Datum: 15.02.2018

Sachverhalt:

Die Klägerin, die goFIT Gesundheit GmbH mit Sitz in Österreich, vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "goFit Gesundheitsmatte" eine Fußreflexzonenmassagematte, deren Oberfläche wie ein Kieselstrand gestaltet ist.

Die Beklagte, eine Tochtergesellschaft des Amazon-Konzerns, betreibt die Webseite www.amazon.de, über die Produkte des Amazon-Konzerns und - auf der Plattform „Amazon Marketplace" - von Drittanbietern angeboten werden.

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass bei Eingabe der Suchbegriffe "goFit" oder "gofit" in die Suchmaske der Webseite und bei Eingabe der Buchstabenfolge "gof" oder "gofi" über die Autovervollständigen-Funktion ausschließlich Angebote von Wettbewerbern angezeigt werden. Die Gesundheitsmatte der Klägerin wird auf der Webseite www.amazon.de weder von der Klägerin noch von anderen Unternehmen des Amazon-Konzerns noch von Dritten angeboten.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Sie hat ihre Klage in erster Linie auf eine Verletzung ihres Firmenschlagworts „goFit“ und hilfsweise auf eine wettbewerbswidrige Irreführung der Verbraucher gestützt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Anspruch aus § 5 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 1 und 2 MarkenG wegen der Verletzung ihrer geschäftlichen Bezeichnung "goFit" zu. Zwar verwende die Beklagte das Zeichen im Rahmen ihrer eigenen kommerziellen Kommunikation, da sie es zur Bewerbung der auf ihrer Plattform eingestellten Angebote einsetze, die auch von Unternehmen stammten, die mit der Beklagten in einem Konzernverbund stünden. Es fehle jedoch an einer kennzeichenmäßigen Benutzung dieses Begriffs. Auch eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 2 UWG liege nicht vor.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 24. Juni 2016 - 84 O 13/15
OLG Köln - Urteil vom 12. August 2016 - 6 U 110/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 5 Abs. 1 und 2 MarkenG

(1) Als geschäftliche Bezeichnung werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel geschützt.
(2) Unternehmenskennzeichen sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. Der besonderen Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs stehen solche Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen gleich, die innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten.

§ 15 Abs. 1 und 2 MarkenG

(1) Der Erwerb des Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht.
(2) Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 2 UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; (…)
(2) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.

Verhandlungstermin am 15. Februar 2018, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 138/16 (Zur markenrechtlichen Haftung für die durch einen Algorithmus erzeugte Ergebnisliste der Suchmaschine des Betreibers einer Internethandelsplattform)

Datum: 15.02.2018

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Herstellerin wasserdichter Taschen und Transportbehälter, die sie unter der Bezeichnung Ortlieb vermarktet. Sie beruft sich auf eine exklusive Lizenz an der deutschen Wortmarke "ORTLIEB", die u.a. Schutz für Taschen für Sport und Freizeit beansprucht.

Die Beklagten sind Gesellschaften des Amazon-Konzerns. Die Beklagte zu 3 betreibt die Internetseite "amazon.de". Die Beklagte zu 2 betreibt die unter dieser Internetseite aufrufbare Plattform „Amazon Marketplace“, auf der Dritte ihre Waren anbieten können. Die Beklagte zu 1 ist für die Angebote von Waren verantwortlich, die mit dem Hinweis "Verkauf und Versand durch Amazon" versehen sind.

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass bei Eingabe des Suchbegriffs "Ortlieb" in die interne Suchmaschine auf "amazon.de" in der Ergebnisliste auch Angebote von Produkten anderer Hersteller erscheinen, und zwar sowohl Angebote der Beklagten zu 1 als auch Angebote von Drittanbietern. Die Klägerin selbst bietet ihre Produkte nicht über die Plattform "amazon.de" an, sondern vermarktet diese über ein selektives Vertriebssystem. Sie sieht in den angezeigten Treffern eine Verletzung des Rechts an der Marke „ORTLIEB“ und nimmt die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch. Hilfsweise stützt sie ihre Klage auf Wettbewerbsrecht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die Beklagten gemäß § 14 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG ein Unterlassungsanspruch zu. Die Beklagten hätten das Zeichen „ORTLIEB“ benutzt, indem sie das Ergebnis ihrer Internetsuchmaschine dahingehend beeinflusst hätten, dass als Ergebnis des Auswahlverfahrens bei Eingabe des Zeichens „ORTLIEB“ auch Angebote von Fremdprodukten erschienen. Es hat weiter angenommen, die Beklagten könnten sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie die Marke nicht benutzten, weil die Nutzer die Marke selbst eingäben und die Trefferliste nur das Ergebnis eines Algorithmus sei, der Suchergebnisse nach Relevanz zusammenstelle. Die Beklagten gäben den Algorithmus vor, der sich am Kundenverhalten orientiere und bei Eingabe des Zeichens „ORTLIEB“ zur Anzeige von Konkurrenzprodukten führe.

Mit ihren vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG München - Urteil vom 18. August 2015 - 33 O 22637/14
OLG München - Urteil vom 12. Mai 2016 - 29 U 3500/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 14 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.
(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr
1. ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, (…)
(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

Verkündungstermin am 9. Februar 2018 (Verhandlungstermin:15.12.2017), in Sachen V ZR 311/16 (Haftung des Grundstückseigentümers, wenn ein von ihm beauftragter Handwerker einen auf das Nachbarhaus übergreifenden Brand verursacht?)

Datum: 09.02.2018

Sachverhalt:

Die Beklagten sind die Rechtsnachfolger der ursprünglich beklagten Eheleute R., die im Laufe des Rechtsstreits verstorben sind.

Die Eheleute R. waren Eigentümer eines Wohnhauses. Am 8. Dezember 2011 führte ein Dachdecker in ihrem Auftrag am Flachdach des Hauses Reparaturarbeiten durch. Im Verlauf der mit Hilfe eines Brenners durchgeführten Heißklebearbeiten verursachte er schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den aufgeschweißten Bahnen. Am Abend bemerkten die Eheleute unter der Decke in dem Bereich, in dem der Dachdecker gearbeitet hatte, Flammen. Der alarmierten Feuerwehr gelang es nicht, das Haus zu retten. Es brannte vollständig nieder. Durch den Brand und die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus unmittelbar angebaute Haus der Nachbarin erheblich beschädigt.

Das Haus der Nachbarin ist bei der Klägerin versichert. Diese hat ihr eine Entschädigung geleistet und verlangt nun (über das Vermögen des zur Zahlung von 97.801,29 € verurteilten Dachdeckers ist das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet) von den beklagten Grundstückeigentümern aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG Ersatz.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind die Beklagten nicht zum Ersatz verpflichtet. Eine Haftung aus unerlaubter Handlung scheide aus, da keine Anhaltspunkte bestünden, dass ihre Rechtsvorgänger den Dachdecker nicht sorgfältig ausgewählt hätten. Der Klägerin stehe gegen die Beklagten auch kein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Voraussetzung hierfür wäre, dass die damaligen Grundstückseigentümer Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Eheleute R. hätten mit der sorgfältigen Auswahl des Dachdeckers alles Erforderliche getan, um das Risiko eines Brandschadens im Zuge der Dachdeckerarbeiten auszuschließen.

Mit der vom V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsklage gegen die Beklagten weiter. Der Senat wird über die Frage zu entscheiden haben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen gegen einen Grundstückseigentümer ein – verschuldensunabhängiger – nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht, wenn die Störung des Nachbarn (hier: Übergreifen des Brandes auf das Nachbarhaus) auf Arbeiten eines von dem Grundstückseigentümer beauftragten Werkunternehmers zurückzuführen ist.

Vorinstanzen:

LG Magdeburg, Urteil vom 3. Juli 2015 – 10 O 1082/13
OLG Naumburg, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 U 52/15

Die hier maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 86 VVG Übergang von Ersatzansprüchen

(1) 1Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. 2Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

§ 906 BGB (Zuführung unwägbarer Stoffe)

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. (…)
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. (…)

Verhandlungstermin am 7. Februar 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 189/17 (Darlegungslast und Belegeinsicht bei vom Mieter als nicht plausibel bestrittener Heizkostenabrechnung)

Datum: 07.02.2018

Verhandlungstermin am 7. Februar 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 189/17 (Darlegungslast und Belegeinsicht bei vom Mieter als nicht plausibel bestrittener Heizkostenabrechnung)

Sachverhalt:

Die Beklagten waren Mieter einer 94 qm großen Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus der Klägerin in Heppenheim. Die gesamte Wohnfläche des Hauses beläuft sich soweit sie an den für die Wohnung der Beklagten maßgeblichen Heizkreis angeschlossen ist auf knapp 720 qm. Der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag sah eine monatliche Vorauszahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 200 € vor.

Für die Jahre 2013 und 2014 verlangt die Klägerin von den Beklagten eine Nachzahlung auf die in den Betriebskosten enthaltenen Heizkosten in Höhe von mehr als 5.000 €. Die betreffenden Jahresabrechnungen weisen für die Mietwohnung der Beklagten Verbrauchswerte aus, die 42 beziehungsweise 47 Prozent der jeweils im Heizkreis insgesamt gemessenen Verbrauchseinheiten ausmachen. Die Beklagten beanstanden diese Abrechnungswerte als nicht plausibel und bestreiten, diese in ihrer Höhe auffällig von der Wohnflächenverteilung abweichende Wärmemenge tatsächlich verbraucht zu haben. Ihrer Forderung, ihnen zur Überprüfung die Ablesebelege zu den Verbrauchseinheiten der übrigen Wohnungen vorzulegen, kam die Klägerin nicht nach.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit ihrer auf Betriebskostennachzahlung gerichteten Klage hat die Klägerin in beiden Vorinstanzen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Landgerichts ändere auch eine außergewöhnliche Höhe der Heizkosten nichts daran, dass der Mieter konkret dazulegen habe, weshalb die ihm in Rechnung gestellten Heizkosten (2013: 3.492 €; 2014 3.857 €) der Höhe nach nicht berechtigt seien. Eine dazu erforderliche, zur mangelnden Plausibilität der Heizkostenabrechnung führende Darlegung habe aber weder in der von den Beklagten angeführten Überschreitung von Plausibilitätsgrenzwerten noch in einer angeblichen fehlenden Übereinstimmung mit den Werten des für das Haus bestehenden Energieausweises gelegen, da der tatsächliche Energieverbrauch neben dem konkreten Standort des Wohngebäudes maßgeblich vom jeweiligen Nutzerverhalten abhänge. Vor diesem Hintergrund bestehe gegenüber der erhobenen Nachforderung auch kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten hinsichtlich der von ihnen geforderten Belegeinsicht, weil bereits nicht nachvollziehbar sei, welche Vorteile die Beklagten für sich aus der Einsichtnahme in die Belege der anderen im Haus befindlichen Mietwohnungen herleiten wollten.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Bensheim - Urteil vom 20. April 2016 - 6 C 867/15
Landgericht Darmstadt - Urteil vom 27. Juli 2017 - 6 S 213/16

Verhandlungstermin am 7. Februar 2018, 11.00 Uhr - VIII ZR 148/17 (Vorläufiges Zahlungsverweigerungsrecht bei vermeintlicher Verbrauchssteigerung von Haushaltsstrom
um über 1.000 Prozent?)

Datum: 07.02.2018

Die Klägerin ist eine Energieversorgerin mit Sitz in Oldenburg, die auch die Beklagten mit Strom und Gas belieferte. Bei den Beklagten handelt es sich um ein älteres Ehepaar, in dessen Haushalt im streitgegenständlichen Zeitraum außerdem noch ein Enkel lebte.

Für den etwa einjährigen Abrechnungszeitraum 2014/2015 verlangte die Klägerin von den Beklagten eine Stromkostennachzahlung von mehr als 9.000 Euro, die auf einer (vermeintlichen) Verbrauchssteigerung der Beklagten im Vergleich zum vorangegangenen Abrechnungszeitraum um über 1.000 Prozent beruhte. Dabei handelt es sich bei dem abgerechneten Verbrauch um etwa das Zehnfache dessen, was ein Haushalt mit drei Personen nach den Angaben der Klägerin auf ihren Abrechnungen üblicherweise verbraucht. Wenige Tage nach der dieser Abrechnung zugrunde liegenden Ablesung ließ die Klägerin den bei den Beklagten installierten Stromzähler austauschen. Der alte Zähler wurde entsorgt.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass ein Fehler bei der Verbrauchsermittlung vorliegen müsse. Das Landgericht hat sie allerdings in vollem Umfang zur Zahlung des von der Klägerin verlangten Betrags verurteilt. Beim einem (vermeintlichen) Ablesefehler oder Defekt eines Zählers ergebe sich die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" im Sinne § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Stromgrund-versorgungsverordnung (StromGVV) nicht bereits aus der Rechnung selbst, so dass der Kunde wegen diesbezüglicher Einwände auf einen (von ihm anzustrengenden) Rückforderungsprozess gegen den Versorger zu verweisen sei.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und ihrem Klageabweisungsbegehren ganz überwiegend stattgegeben. Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV* könne sich auch aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen vorangegangener oder nachfolgender Abrechnungsperioden ergeben. Dafür, dass die Beklagten die vorliegend abgerechnete exorbitante Strommenge tatsächlich selbst verbraucht haben könnten, seien nach ihrem (eher bescheidenen) Lebenszuschnitt und der Auflistung der in ihrem Haushalt vorhandenen Stromabnehmer keine Anhaltspunkte zu erkennen.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

§ 17 StromGVV Zahlung, Verzug

(1) […] 2Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur,
1. soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht […]

Vorinstanzen:

Landgericht Oldenburg - Urteil vom 4. November 2016 - 3 O 1532/16
Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 19. Mai 2017 - 6 U 199/16

Verhandlungstermin am 6. Februar 2018, 9.00 Uhr, in Sachen VI ZR 76/17 (Unterlassungsklage von Bundespräsident a.D. Christian Wulff gegen die Veröffentlichung von Bildern eines Supermarkteinkaufs)

Datum: 06.02.2018

Sachverhalt:

Der Kläger ist ehemaliger Bundespräsident, die Beklagte ein Zeitschriftenverlag. Am 13. Mai 2015 veröffentlichte die Beklagte in der Illustrierten „People“ unter der Überschrift „Liebes-Comeback“ einen Artikel über den Kläger und seine Ehefrau und bebilderte diesen Artikel mit zwei Fotos, von denen das eine den Kläger mit einem gefüllten Einkaufswagen, das zweite den Kläger und seine Ehefrau am Auto zeigte. Am 20. Mai 2015 veröffentlichte die Beklagte in der Zeitschrift „Neue Post“ unter der Überschrift „Nach der Versöhnung - Christian Wulff - Wer Bettina liebt, der schiebt!“ einen weiteren Artikel über den Kläger und seine Ehefrau, wobei sie den Artikel mit dem selben Foto des Klägers mit einem gefüllten Einkaufswagen bebilderte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der auf Unterlassung der Bildberichterstattung gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts verletzte die Veröffentlichung der Bilder, die den Kläger bei einem privaten und für sich genommen belanglosen Vorgang zeigten und denen jeder Bezug zur politischen Tätigkeit des Klägers fehle, diesen in seiner Privatsphäre. Mit der vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Köln – Urteil vom 27. April 2016 – 28 O 379/15
Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 19. Januar 2017 – 15 U 88/16

Die hier maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 22 Satz 1 KunstUrhG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Absatz 1 Nr. 1 KunstUrhG

Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.

§ 23 Absatz 2 KunstUrhG

Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.

Verkündungstermin am 6. Februar 2018, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 7.11.2017), in Sachen
VI ZR 489/16 („Google“)

Datum: 06.02.2018

Sachverhalt:

Die Beklagte zu 1, die ihren Sitz in Kalifornien hat, betreibt die derzeit weltweit am häufigsten benutzte Internetsuchmaschine „Google“. Die Beklagte zu 2 ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1 mit Sitz in Deutschland. Sie vermarktet die Werbung des deutschen Internetauftritts der Beklagten zu 1. Die Kläger sind als Anbieter von IT-Dienstleistungen und selbständige Handelsvertreter tätig. Sie nehmen die Beklagten in Anspruch, weil diese bestimmte, sie in ihren Persönlichkeitsrechten verletzende Suchergebnisse über die Suchmaschine auffindbar mache.

Der Kläger zu 2 hatte nach eigenem Vorbringen ab Mitte Februar 2011 beim Aufsetzen eines Internetforums - des sog. F. - Internetforums - geholfen. Mitglieder dieses Forums lieferten sich über Einträge auf verschiedenen Seiten dieses Forums Auseinandersetzungen mit Mitgliedern eines anderen Internetforums. Mitgliedern des F.-Internetforums wurde dabei u.a. vorgeworfen, Dritte zu stalken und zu drangsalieren. Über eine von ihm eingerichtete E-Mail-Weiterleitung erhielt der Kläger zu 2 in der Folge eine entsprechende Beschwerde. Er antwortete darauf und verwies den Absender an den aus seiner Sicht Zuständigen des F.-Internetforums. Aufgrund dieser Antwort-E-Mail stellten Dritte die IP-Adresse und die Identität des Klägers zu 2 fest und gaben diese Informationen an Mitglieder des gegnerischen Internetforums weiter. Diese begannen daraufhin, auf den beanstandeten Internetseiten den Kläger zu 2 sowie die Klägerin zu 1 für die Handlungen des F.-Internetforums verantwortlich zu machen.

Mit Schreiben von Ende Oktober 2011 wandten sich die Kläger an die Beklagten und beanstandeten, dass persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte auf bestimmten, von ihnen benannten Internetseiten über den Suchindex der Suchmaschine auffindbar gemacht würden. Die Kläger forderten die Beklagten auf, diese Suchinhalte im Suchindex dauerhaft zu sperren, die Seiten im Cache der Suchmaschine zu löschen und einen Suchfilter für bestimmte Begriffskombinationen einzurichten. Dabei wiesen sie darauf hin, diese Beiträge dienten allein der Diffamierung, Kreditgefährdung und Rufschädigung der Kläger. Der Kläger zu 2 stehe in keiner geschäftlichen oder privaten Beziehung zum F-Internetforum, sei nicht dessen Betreiber, Administrator oder Mitglied. Gleiches gelte für die Klägerin zu 1.

Die Beklagte zu 1 bat mit E-Mail von Anfang November 2011 um die Übersendung der Verknüpfungen („Links“) in elektronischer Form sowie um Darlegung, welche konkreten Aussagen beanstandet würden, wo genau sich die geltend gemachten Rechtsverletzungen in Bezug auf die Verknüpfungen befänden und woraus sich diese ergäben. Die Kläger übersandten entsprechende Angaben, verwiesen aber darauf, dass eine Differenzierung nicht möglich sei, da alle beanstandeten Beiträge Hinweise auf eine in Wahrheit nicht bestehende Beziehung der Kläger zum F.-Internetforum aufwiesen.

Am 21. November 2011 teilte die Beklagte zu 1 mit, einige der beanstandeten Verknüpfungen entfernt zu haben. Mit Schreiben vom 25. November 2011 beanstandeten die Kläger eine Vielzahl weiterer Verknüpfungen. Die Kläger übersandten mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 den Beklagten zu 1 eine Abmahnung und führten mehrere hundert weitere zu löschende Verknüpfungen an. Die Beklagte zu 1 teilte mit E-Mails vom 14. und 22. Dezember 2011 mit, dass weitere Verknüpfungen entfernt worden seien.

Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagten seien als Betreiber der Suchmaschine mitverantwortlich für die fortwährende Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Insbesondere die Beklagte zu 1 hafte zunächst auf Unterlassung, da sie durch die Indexierung der Beiträge die falschen, unwahren und beleidigenden Aussagen erst allgemein auffindbar gemacht habe. Die Kläger verlangen die Unterlassung des Auffindbarmachens einzelner Internetseiten im Suchindex, die Einrichtung eines Suchfilters, die Auskunft über die Verantwortlichen der beanstandeten Beiträge, eine Geldentschädigung sowie die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten.

Prozessverlauf:

Das im Januar 2014 angerufene Landgericht Köln hat der Klage nur teilweise stattgegeben betreffend die Auffindbarmachung einiger Verknüpfungen sowie der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Auf die Rechtsmittel der Parteien hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen und die Revision zugelassen.

Vorinstanzen:

LG Köln – Urteil vom - 16. August 2015 – 28 O 14/14
OLG Köln – Urteil vom - 13. Oktober 2016 – 15 U 173/15

Termin zur Hauptverhandlung am 1. Februar 2018, 9.30 Uhr, in Sachen 4 StR 399/17 über die Revisionen der
Angeklagten im „Berliner Raser-Fall“

Datum: 01.02.2018

Der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revisionen der beiden zur Tatzeit 24 und 26 Jahre alten Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin zu entscheiden, durch welches die Angeklagten wegen Mordes – unter Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels – in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Ferner wurden den Angeklagten die Fahrerlaubnisse entzogen und lebenslange Sperrfristen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhren die Angeklagten in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 2016 gegen 0:30 Uhr mit ihren leistungsstarken Fahrzeugen den Kurfürstendamm in Berlin. Kurz hinter dem Adenauerplatz verabredeten sie spontan ein Wettrennen (sog. „Stechen“) entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße. Nachdem sie bereits mehrere Kreuzungen passiert hatten, fuhren die Angeklagten bei Rotlicht und mit Geschwindigkeiten von 139 bis 149 km/h bzw. 160 bis 170 km/h in den Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße ein. Hierbei nahmen sie den Tod anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf. Im Kreuzungsbereich kollidierte einer der Angeklagten mit einem Kraftfahrzeugführer, der bei grünem Ampellicht aus der Nürnberger Straße kommend in die Kreuzung eingefahren war; dieser erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Die Beifahrerin im Fahrzeug eines der Angeklagten wurde bei dem Unfall ebenfalls verletzt.

Die Angeklagten wenden sich mit ihren Revisionen gegen ihre Verurteilung.

Vorinstanz:

Landgericht Berlin, Urteil vom 27. Februar 2017 – (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16)

Verhandlungstermin am 31. Januar 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 39/17 (Rückforderungsanspruch eines Jobcenters gegen Vermieter wegen Mietzahlungen nach Vertragsende)

Datum: 31.01.2018

Sachverhalt:

Die Beklagten waren Vermieter eines Einfamilienhauses, dessen Bewohner Arbeitslosengeld II unter anderem für den Bedarf für Unterkunft und Heizung bezogen. Gemäß deren Antrag leistete der Kläger als das für sie zuständige Jobcenter die vertraglich geschuldete Miete direkt an die Beklagten.

Obwohl das Mietverhältnis bereits zum 31. Juli 2014 beendet worden war, überwies der Kläger Ende Juli noch eine (nicht mehr geschuldete) Mietzahlung für August 2014 an die Beklagten. Seiner Aufforderung, den entsprechenden Betrag zu erstatten, kamen die Beklagten jedoch nicht nach. Ihrer Auffassung nach handele es sich insoweit um eine Zahlung ihrer Mieter an sie, gegen die sie nunmehr mit noch offenen Gegenforderungen aus dem Mietverhältnis aufrechnen würden.

Die auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 860 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Trotz der Direktüberweisung der Miete vom Kläger an die Beklagten habe die Rückabwicklung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB innerhalb der bestehenden Leistungsbeziehungen, mithin einerseits zwischen den früheren Mietvertragsparteien und andererseits zwischen Mieter und Jobcenter, zu erfolgen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Ein Direktanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB sei jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Überzahlung allein auf der für den Vermieter erkennbaren Beendigung des Mietverhältnisses beruhe. Vorliegend sei es für die Beklagten bei Eingang der (als solche bezeichneten) Miete für August 2014 deutlich erkennbar gewesen, dass die Auszahlung nur auf einer verspäteten Mitteilung über die Beendigung des Mietverhältnisses oder einem sonstigen Versehen beruhen konnte. In derartigen Fällen sei es nicht interessengerecht, wenn das Jobcenter, und damit letztlich der Staat, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Mieters tragen solle.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten die Abweisung der Zahlungsklage erreichen.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Rendsburg - Urteil vom 17. März 2016 - 41 C 258/15
Landgericht Kiel - Urteil vom 27. Januar 2017 - 1 S 92/16

812 BGB Herausgabeanspruch

(1) 1Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. […]

Verhandlungstermin am 31. Januar 2018, 11.00 Uhr – VIII ZR 105/17 (Außerordentliche Kündigung gegenüber Lebensgefährten einer verstorbenen Mieterin wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit“)

Datum: 31.01.2018

Sachverhalt:

Die verstorbene Lebensgefährtin des Klägers war Mieterin einer Dreizimmerwohnung des Beklagten, die sie gemeinsam mit dem Kläger bewohnte. Die monatliche Nettomiete belief sich auf 545 €; hinzu kamen Nebenkostenvorauszahlungen von etwa 170 € monatlich.

Nach dem Tod der Mieterin teilte der sich in einem Ausbildungsverhältnis befindliche Kläger auf ein Räumungsverlangen des Beklagten mit, er sei in seiner Eigenschaft als Lebensgefährte der Verstorbenen in das Mietverhältnis eingetreten. Daraufhin kündigte der Beklagte das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 4 BGB unter Berufung auf einen in der Person des Klägers liegenden wichtigen Grund. Zur Begründung führte er unter anderem aus, durch das vom Kläger bezogene Ausbildungsgehalt sei die monatlich zu entrichtende Miete nebst Nebenkostenvorauszahlung auf Dauer nicht zu leisten.

Der Kläger widersprach der Kündigung und erklärte, er sei ohne weiteres in der Lage, die Miete und Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten. Außerdem verlangte er die Zustimmung des Beklagten zu einer Untervermietung eines Teils der Wohnung (§ 553 Abs. 1 BGB) an einen Arbeitskollegen, der sich (ebenfalls) im zweiten Ausbildungsjahr befinde und ein Gehalt in gleicher Höhe beziehe. Die geplante Untervermietung hätte – so der Kläger - zugleich den Vorteil, dass sich der Arbeitskollege an der Miete und den Nebenkosten sowie an Fahrtkosten zur Arbeitsstelle beteiligen würde.

Der Beklagte verweigerte die begehrte Zustimmung und widersprach der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Unstreitig hat der Kläger seit dem von ihm erklärten Eintritt in das Mietverhältnis die geschuldete Miete nebst Nebenkostenvorauszahlungen stets pünktlich bezahlt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage auf Zustimmung zur Untervermietung abgewiesen und der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Widerklage des Beklagten stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Beklagte als Vermieter wirksam von seinem Kündigungsrecht nach § 563 Abs. 4 BGB Gebrauch gemacht. Der Kläger sei aus der ihm im Kündigungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Ausbildungsvergütung und seinem Restvermögen nicht in der Lage, dauerhaft ohne die nicht absehbare Hilfe Dritter die Mietzahlungen in dem unbefristeten Mietverhältnis zu erbringen. Zudem sei eine Ausbildungsvergütung bereits strukturell nicht mit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis vergleichbar, da weder ein erfolgreicher Abschluss noch eine sich anschließende Festanstellung absehbar seien. Darauf, dass sich die Befürchtung etwaiger Zahlungsrückstände nach der erfolgten Kündigung tatsächlich nicht realisiert habe, komme es bei der zu treffenden Prognoseentscheidung nicht an. Die gefährdet erscheinende Zahlungsfähigkeit des Klägers berechtige den Beklagten daher zur Kündigung wegen eines in der Person des Eingetretenen liegenden wichtigen Grunds.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter und begehrt daneben die Abweisung der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Widerklage.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Nürtingen - Urteil vom 31. Mai 2016 - 44 C 2148/15
Landgericht Stuttgart - Urteil vom 30. März 2017 - 5 S 195/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 563 BGB Eintrittsrecht bei Tod des Mieters

[…]
(2) 1Leben in dem gemeinsamen Haushalt Kinder des Mieters, treten diese mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder Lebenspartner eintritt. […] 3Dasselbe gilt für Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen.
[…]
(4) Der Vermieter kann das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem er von dem endgültigen Eintritt in das Mietverhältnis Kenntnis erlangt hat, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt.
[…]

§ 553 BGB Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte

(1) Entsteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, so kann er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen. Dies gilt nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.
[…]

Verhandlungstermin am 24. Januar 2018, 9.15 Uhr, in der Strafsache 2 StR 416/16 (Bankhaus Sal. Oppenheim)

Datum: 24.01.2018

Gegenstand der Hauptverhandlung vor dem 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ist die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Juli 2015 (116 KLs 2/12).

Nach den Feststellungen des Landgerichts gewährten die vier Angeklagten im Jahr 2008 als Verantwortliche des Bankhauses Sal. Oppenheim ohne Abstimmung mit den Aufsichtsgremien der Bank der Arcandor AG einen ungesicherten Kredit in Höhe von 20 Mio. Euro.

Darüber hinaus erwarben sie für das Bankhaus im Rahmen einer Kapitalerhöhung ausgegebene Aktien an der Arcandor AG im Wert von lediglich 19,1 Mio. Euro für 59,8 Mio. Euro.

Die Arcandor AG, zu der unter anderem Karstadt und Quelle gehörten, befand sich in der Krise, und es lag kein Sanierungskonzept vor; im Juni 2009 wurde das Insolvenzverfahren über ihr Gesellschaftsvermögen eröffnet.

Daneben schädigten die vier Angeklagten das Bankhaus durch ein Immobiliengeschäft um mindestens 23 Mio. Euro. Dem lagen der Erwerb eines Grundstücks und darauf die Neuerrichtung eines Bankgebäudes in der Frankfurter Innenstadt zugrunde.

Das Landgericht hat drei der Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen zu Bewährungsstrafen zwischen einem Jahr und elf Monaten und zwei Jahren sowie einen vierten Angeklagter zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel auf die Überprüfung des Strafmaßes beschränkt. Sie macht insbesondere geltend, das Landgericht habe die Strafen angesichts des Gesamtschadens von 83,7 Mio. Euro zu niedrig bemessen.

Vorinstanz:

Landgericht Köln – 116 KLs 2/12 – Urteil vom 9. Juli 2015

Verhandlungstermin am 23. Januar 2018, 9.00 Uhr, in Sachen VI ZR 30/17 (Ärztebewertungsportal)

Datum: 23.01.2018

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Aufnahme der klagenden Ärztin gegen deren Willen in ein von der Beklagten betriebenes Bewertungsportal.

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal, auf dem Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden können. Das Portal wird von monatlich von mindestens fünf Millionen Internetnutzern besucht. Als eigene Informationen der Beklagten werden die sogenannten "Basisdaten" eines Arztes / einer Ärztin angeboten. Zu ihnen gehören - soweit der Beklagten bekannt - akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch von Freitextkommentaren, abgegeben haben. Die Abgabe einer Bewertung erfordert eine vorherige Registrierung bei der Beklagten, bei der der Bewertende eine E-Mail-Adresse angeben muss, die im Rahmen des Registrierungsvorgangs verifiziert wird. Aus den Einzelbewertungen wird für jede Kategorie eine Durchschnittsnote gebildet, aus den Durchschnittsnoten der verschiedenen Kategorien wird eine Gesamtnote gebildet, die zentral abgebildet wird.

Die Klägerin ist niedergelassene Dermatologin und Allergologin. Im Portal der Beklagten wird sie gegen ihren Willen mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal der Beklagten erscheinen unter der Rubrik „Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung“ weitere Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Es handelt sich dabei um die Einblendung von Werbung zahlender Kunden der Beklagten. Dargestellt wird neben der Note des jeweiligen anderen Arztes die jeweilige Distanz zwischen dessen Praxis und der Praxis der Klägerin. Eine Sortierung der eingeblendeten Ärzte nach Gesamtnote erfolgt nicht; es werden nicht nur Ärzte angezeigt, die eine bessere Gesamtnote als die Klägerin haben. Demgegenüber blendet die Beklagte bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein „Premium-Paket“ gebucht haben, keine Konkurrenten auf deren Profil ein. Die Beklagte wirbt bei Ärzten für ihre „Serviceleistungen“ damit, dass die individuell ausgestaltbaren Profile zahlender Kunden deutlich häufiger aufgerufen würden. Gleichzeitig erziele der zahlende Kunde durch die Einblendung seines individualisierten Profils auf den Profilen der Nichtzahler eine zusätzliche Aufmerksamkeit bei den Nutzern. Ein „Premium-Eintrag“ steigere zudem die Auffindbarkeit über Google.

Die Klägerin erhielt mehrfach Bewertungen. Im Jahr 2015 beanstandete die Klägerin insgesamt 17 abrufbare Bewertungen auf dem Portal der Beklagten. Die Beklagte löschte die Bewertungen erst, nachdem die Klägerin ihre früheren Prozessbevollmächtigten einschaltete. Nach Löschung der beanstandeten Bewertungen stieg die Gesamtnote der Klägerin von 4,7 auf 1,5.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten die vollständige Löschung ihres Eintrags in www.jameda.de, die Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröffentlichten Daten, ferner Unterlassung der Veröffentlichung eines sie betreffenden Profils auf der genannten Internetseite sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Köln vom 13. Juli 2016 - 28 O 7/16 -
Oberlandesgerichts Köln vom 5. Januar 2017 – 15 U 121/16 - AfP 2017, 164

Verhandlungstermin am 17. Januar 2018, 10.00 Uhr - VIII ZR 241/16
(Anmietung zur Weitervermietung als Werkswohnung; Anwendbarkeit des § 565 BGB zum
Schutz des Mieters?)

Datum: 17.01.2018

Sachverhalt:

Die P-AG vermietete im Jahr 1965 eine Wohnung in Frankfurt am Main an die M-AG, die diese (wie in zahlreichen anderen Fällen) als Werkswohnung an einen ihrer Arbeitnehmer, den Beklagten zu 2, und dessen Ehefrau, die Beklagte zu 3, weitervermietete. Die Konditionen des Haupt- und des Untermietvertrages waren jeweils gleich und entsprachen den marktüblichen Bedingungen. Auch Miet- und Betriebskostenerhöhungen wurden in beiden Verträgen in gleicher Weise geltend gemacht. Der Beklagte zu 2 war aufgrund eines Sozialplans der M-AG berechtigt, nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Jahr 1994 die Wohnung weiterhin als Pensionär zu bewohnen.

Der Kläger ist Rechtsnachfolger der P-AG (auf Vermieterseite). Er kündigte gegenüber der Beklagten zu 1 als Rechtsnachfolgerin der M-AG (auf Mieterseite) den Hauptmietvertrag zum 30. Juni 2015 und forderte die Beklagten zu 2 und 3 zur entsprechenden Räumung und Herausgabe der Wohnung auf.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen und auf die Widerklage festgestellt, dass der Kläger mit Wirkung ab 1. Juli 2015 statt der Beklagten zu 1 in den Mietvertrag mit den Beklagten zu 2 und 3 eingetreten sei. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Untermietverhältnis infolge der Kündigung des Hauptmietverhältnisses in entsprechender Anwendung des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Kläger als Vermieter übergegangen. Diese Vorschrift sei zwar nicht unmittelbar anwendbar, weil die beabsichtigte Weitervermietung nicht dem Zweck dauernder Gewinnerzielung aus der Zwischenvermietung gedient habe. Angesichts der vergleichbaren Interessenlage der Beteiligten unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots sei jedoch eine entsprechende Anwendung geboten. Gewichtige Vermieterinteressen, die Wohnung nach Kündigung des Hauptmietvertrages unter Verkürzung des auf Mieterseite ansonsten bestehenden Kündigungsschutzes zurückzuerhalten, bestünden nicht. Es könne vielmehr davon ausgegangen werden, dass die P-AG die Wohnung seinerzeit ohne Zwischenschaltung der M-AG zu vergleichbaren Bedingungen an die Beklagten zu 2 und 3 auch unmittelbar vermietet hätte.

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein auf Stattgabe der Klage und Abweisung der Widerklage gerichtetes Begehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 15. Januar 2016 - 2-08 O 258/15
Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 23. September 2016 - 2 U 19/16

§ 565 BGB Gewerbliche Weitervermietung

(1) 1Soll der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten, so tritt der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. […]

Verhandlungstermin am 16. Januar 2017, 9.00 Uhr in Sachen X ZR 44/17 (Erstattung des Reisepreises nach Änderung der Reiseleistung durch Reiseveranstalter)

Datum: 16.01.2018

Die Kläger verlangen von dem beklagten Reiseveranstalter Erstattung des gezahlten Reisepreises.

Sachverhalt:

Die Kläger buchten bei der beklagten Reiseveranstalterin für den Zeitraum vom 30. August bis 13. September 2015 eine China-Rundreise. Während der dreitägigen Dauer des Aufenthalts in Peking waren verschiedene Besichtigungen vorgesehen. Eine Woche vor der geplanten Abreise teilte die Beklagte den Klägern per Email mit, dass aufgrund einer Militärparade abweichend von der Reiseplanung die Verbotene Stadt und der Platz des Himmlischen Friedens in Peking nicht besichtigt werden könnten. Stattdessen wurde ein Besuch des Yonghe-Tempels angeboten. Die Kläger erklärten daraufhin den Rücktritt vom Reisevertrag. Sie haben die Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.298 €, Ersatz nutzloser Aufwendungen für Impfungen und Visa und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Verurteilung zur Erstattung des Reisepreises bestätigt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat angenommen, die Voraus¬setzungen für einen Rücktritt gemäß § 651a Abs. 5 Satz 2 BGB wegen der von den Klägern geltend gemachten Änderung der Reiseplanung lägen vor. Es bedürfe im Streitfall keiner Entscheidung, ob der Reisevertrag einen wirksamen Leistungs¬änderungsvorbehalt enthalte. Der Wegfall der beiden Sehenswürdigkeiten, die zu den bekanntesten in Peking gehörten, stelle jedenfalls eine erhebliche Änderung der Reiseleistung dar. Zwar sei der Umfang der Beeinträchtigung im Verhältnis zur Gesamtreise nicht erheblich. Jedoch erfüllten auch geringfügige Auswirkungen einer solchen Planänderung die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts, sofern diese bei Durchführung der Reise einen Mangel darstellten. Die ausgefallen Reiseleistungen seien den Klägern bei Vertragsschluss zugesichert worden. Weitergehende Ansprüche seien hingegen nicht gegeben.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verteidigt die Beklagte die ihr von den Vorinstanzen versagte vertraglich vereinbarte Stornopauschale von 90% des Reisepreises weiter und begehrt die Abweisung der Klage, soweit sie mit dem Berufungsurteil zu einer 329 € übersteigenden Erstattung des Reisepreises verurteilt worden ist.

Vorinstanzen:

AG Düsseldorf – Urteil vom 17. August 2016 – 22 C 89/16
LG Düsseldorf – Urteil vom 21. April 2017 – 22 S 254/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 308 BGB

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
(…)
4. (Änderungsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.

§ 651a BGB

(1) Durch den Reisevertrag wird der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise) zu erbringen. Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.
(…)
(5) 1Der Reiseveranstalter hat eine Änderung des Reisepreises nach Absatz 4, eine zulässige Änderung einer wesentlichen Reiseleistung oder eine zulässige Absage der Reise dem Reisenden unverzüglich nach Kenntnis von dem Änderungs- oder Absagegrund zu erklären. 2Im Falle einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als fünf vom Hundert oder einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung kann der Reisende vom Vertrag zurücktreten. 3Er kann stattdessen, ebenso wie bei einer Absage der Reise durch den Reiseveranstalter, die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen anderen Reise verlangen, wenn der Reiseveranstalter in der Lage ist, eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten. 4Der Reisende hat diese Rechte unverzüglich nach der Erklärung durch den Reiseveranstalter diesem gegenüber geltend zu machen.

§ 651c Abs. 1 BGB

Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

Verkündungstermin am 11. Januar 2018, 14.30 Uhr (Hauptverhandlungstermin 14. Dezember 2017), in der Strafsache 3 StR 427/17 ("Sharia Police")

Datum: 11.01.2018

Gegenstand der Hauptverhandlung ist die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 21. November 2016 (22 KLs 6/16), durch das die sieben Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen worden sind, gegen das Uniformverbot (§ 3 Abs. 1, § 28 des Versammlungsgesetzes) verstoßen bzw. zu dem Verstoß Beihilfe geleistet zu haben.

Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten die Angeklagten einer Gruppe von elf Personen an, die einen nächtlichen Rundgang durch die Innenstadt von Wuppertal-Elberfeld unternahmen. Die Teilnehmer an dem Rundgang wollten junge Muslime davon abhalten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen und Alkohol zu konsumieren; deshalb beabsichtigten sie, junge Männer anzusprechen, um diese zu einem Lebensstil nach den Vorstellungen des Korans sowie zum Besuch der Moschee zu bewegen. Um Aufmerksamkeit zu erregen, hatten drei der Angeklagten und zwei weitere Personen über der von ihnen getragenen Alltagsbekleidung jeweils eine handelsübliche orange, ärmellose und im Kragenbereich vorne ausgeschnittene Warnweste angelegt, die an Vorder- und Rückseite in der unteren Hälfte über zwei durchgehende Reflektorstreifen verfügte und auf der Rückseite mit der Aufschrift "Sharia Police" versehen war. Ein Angeklagter trug ebenfalls eine derartige Warnweste, die jedoch nicht beschriftet war. Ein weiterer Angeklagter hatte eine gelbe, ebenfalls nicht beschriftete Warnweste angelegt.

Einen Verstoß gegen das Uniformverbot, wonach sich strafbar macht, wer öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung trägt, hat das Landgericht in der Teilnahme an dem Rundgang nicht gesehen.

Vorinstanz:

Landgericht Wuppertal – 22 KLs 6/16 – Urteil vom 21. November 2016

Verhandlungstermin am 24. November 2017, 9.00 Uhr, in Sachen LwZR 5/16 (Wirksamkeit einer Klausel über ein Vorpachtrecht des Pächters)

Datum: 24.11.2017

In dem Verfahren vor dem Senat für Landwirtschaftssachen geht es um die Frage, ob eine allgemeine Geschäftsbedingung in einem Landpachtvertrag, wonach dem Pächter ein Vorpachtrecht an den gepachteten Flächen eingeräumt wird, wirksam ist.

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Eigentümer mehrerer Grundstücke. Mit Vertrag vom 1. März 2001 verpachtete er sie bis zum 30. September 2014 an den Kläger. Das Vertragsmuster wurde von dem Kläger gestellt. § 11 des Vertrages bestimmt:

„Dem Pächter wird für die in § 1 aufgeführten Pachtflächen ein Vorpachtsrecht eingeräumt“

Am 8. Januar 2013 verpachtete der Beklagte die Flächen ab dem 1. Oktober 2014 für die Dauer von zwölf Jahren an die Streithelferin. Daraufhin erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten, dass er das Vorpachtrecht ausübe. Dem widersprach der Beklagte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten aufgrund der Ausübung des Vorpachtrechts ein Vertrag mit dem Inhalt des Vertrages vom 8. Januar 2013 zustande gekommen ist. Das Oberlandesgericht hat das Urteil bestätigt. Die als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizierende Bestimmung in § 11 des Vertrages sei wirksam. Sie sei insbesondere hinreichend transparent und verstoße daher nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Klausel könne nur so verstanden werden, dass dem Pächter ein Vorpachtrecht nur zustehe, wenn sich die Weiterverpachtung des Grundstücks unmittelbar an das Ende der Vertragslaufzeit des Pachtvertrages, in dem das Vorpachtrecht vereinbart worden ist, anschließe.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, weil es von der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. Juli 2015 (5 U (Lw) 85/14) abweicht, das eine gleichlautende Klausel wegen nicht hinreichender Bestimmtheit für unwirksam gehalten hat. Mit der Revision will der Beklagte die Frage der Wirksamkeit der Klausel klären lassen.

Vorinstanzen:

AG Magdeburg- Urteil vom 29. Juli 2015 – 12 Lw 10/15
OLG Naumburg – Urteil vom 12. Mai 2016 – 2 U 59/15 (Lw)

§ 307 Abs. 1 BGB lautet:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Verhandlungstermine am 22. November 2017, 10.00 und 10.30 Uhr - in Sachen VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16 (Auswirkungen des PayPal-Käuferschutzes auf den Kaufpreisanspruch)

Datum: 22.11.2017

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beschäftigt sich in zwei Verfahren erstmals mit den Auswirkungen einer Rückerstattung des vom Käufer mittels PayPal gezahlten Kaufpreises aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz.

Problemstellung:

Der online-Zahlungsdienst PayPal bietet an, Bezahlvorgänge bei online-Geschäften dergestalt abzuwickeln, dass private und gewerblich tätige Personen Zahlungen über virtuelle Konten mittels E-Geld leisten können. Dabei stellt PayPal seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, namentlich der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie, geregeltes Verfahren für Fälle zur Verfügung, in denen der Käufer einen bestellten Artikel nicht erhalten hat oder der gelieferte Artikel erheblich von der Beschreibung abweicht. Hat ein entsprechender Antrag des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises gemäß der PayPal-Käuferschutzrichtlinie Erfolg, bucht PayPal dem Käufer den gezahlten Kaufpreis unter Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers zurück.

In beiden Revisionsverfahren geht es maßgeblich um die Frage, ob der Verkäufer nach der Rückbuchung des Kaufpreises erneut berechtigt ist, den Käufer auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

Sachverhalt in Sachen VIII ZR 83/16:

In diesem Verfahren kaufte die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vom Kläger auf der Internet-Plattform eBay ein Mobiltelefon zu einem Preis von rund 600 €, den sie über den online-Zahlungsdienst PayPal entrichtete. Nachdem der Kaufpreis auf dem PayPal-Konto des Klägers eingegangen war, versandte dieser das Mobiltelefon in einem (vereinbarungsgemäß unversicherten) Päckchen an die Beklagte zu 1. Diese teilte dem Kläger anschließend mit, das Mobiltelefon nicht erhalten zu haben. Ein Nachforschungsauftrag des Klägers beim Versanddienstleister blieb erfolglos.

Daraufhin beantragte die Beklagte zu 1 Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Da der Kläger keinen Nachweis über den Versand des Mobiltelefons vorlegte, buchte PayPal den Kaufpreis vom PayPal-Konto des Klägers auf das PayPal-Konto der Beklagten zu 1 zurück.

Die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage hat in zweiter Instanz Erfolg gehabt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Gefahr des Verlustes der Sache sei mit deren Aufgabe bei der Post auf die Beklagte zu 1 übergegangen, weil die Parteien einen Versendungskauf (§ 447 BGB) vereinbart hätten. Daran ändere die vereinbarte Zahlung über PayPal nichts; die Zahlung habe von vornherein unter der auflösenden Bedingung eines (wie hier) erfolgreichen Antrags auf PayPal-Käuferschutz gestanden. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision will die Beklagte zu 1 die Abweisung der Kaufpreisklage erreichen.

Sachverhalt in Sachen VIII ZR 213/16:

Im zweiten Verfahren erwarb der Beklagte von der Klägerin über deren Online-Shop eine Metallbandsäge und bezahlte den Kaufpreis von knapp 500 € ebenfalls über den online-Zahlungsdienst PayPal.

In diesem Fall stellte der Beklagte bei PayPal einen Antrag auf Käuferschutz mit der Begründung, die von der Klägerin gelieferte Säge entspreche nicht den im Internetshop gezeigten Fotos. Nach entsprechender Aufforderung von PayPal legte der Beklagte weiterhin ein in seinem Auftrag erstelltes Sachverständigengutachten vor, wonach die Säge - was die Klägerin bestreitet - von "sehr mangelhafter Qualität" und "offensichtlich ein billiger Import aus Fernost" sei. Daraufhin forderte PayPal den Beklagten auf, die Metallbandsäge zu vernichten und buchte ihm hiernach den Kaufpreis unter Belastung des Verkäuferkontos zurück.

In diesem Fall ist die auf Kaufpreiszahlung gerichtete Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Kaufpreisforderung sei endgültig erloschen; die Rückbelastung des PayPal-Kontos des Verkäufers betreffe nur dessen Rechtsverhältnis zu PayPal, nicht aber die Rechtsbeziehungen der Kaufvertragsparteien. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

VIII ZR 83/16

Amtsgericht Essen - Urteil vom 6. Oktober 2015 - 134 C 53/15
Landgericht Essen - Urteil vom 10. März 2016 - 10 S 246/15

und

VIII ZR 213/16

Amtsgericht Merzig - Urteil vom 17. Dezember 2015 - 24 C 1358/11
Landgericht Saarbrücken - Urteil vom 31. August 2016 - 5 S 6/16

Verhandlungstermin am 21. November 2017, 9.00 Uhr in Sachen X ZR 30/15 (Haftung des Luftverkehrsunternehmens für Sturz eines Reisenden in der Fluggastbrücke)

Datum: 21.11.2017

Der Kläger verlangt von dem beklagten Luftfahrtunternehmen Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Sachverhalt:

Er buchte für den 9. Februar 2013 für sich und seine Ehefrau einen von der Beklagten durchgeführten Flug von Düsseldorf nach Hamburg. Nach seinem Vortrag kam er beim Einsteigevorgang in der Fluggastbrücke aufgrund einer durch Kondenswasser ausgebildeten feuchten Stelle zu Fall und erlitt infolge des Sturzes eine Patellafraktur. Der Kläger hat Schadensersatz für aufgewendete Heilungskosten, für erlittene Erwerbsunfähigkeit und aus abgetretenem Recht auf Entgeltfortzahlung und ein Schmerzensgeld geltend gemacht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Beklagte sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz verpflichtet. Sie treffe insbesondere keine Haftung nach Art. 1 Satz 2, Art. 3 VO (EG) Nr. 2027/97 (in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002) i.V.m. Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommens - MÜ). Der Haftungstatbestand erfasse nur solche Ereignisse, deren Ursache in betriebstypischen Risiken des Luftverkehrs liege, nicht aber Ereignisse, die in ähnlicher Weise in anderen Lebensbereichen vorkämen und nur bei Gelegenheit einer Luftbeförderung einträten. Eine luftverkehrstypische Gefahr habe sich beim behaupteten Sturz des Klägers aber nicht realisiert. Der Einsteigevorgang (über die Fluggastbrücke) als solcher begründe keine solche Gefahr. Ebenso wenig stehe eine durch Feuchtigkeit auf dem Boden einer Fluggastbrücke bedingte Rutschgefahr in einem inneren Zusammenhang mit den speziellen Gefahren der Luftfahrt, sondern sei auch in anderen Lebensbereichen möglich.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Klageansprüche weiter.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf – Urteil vom 27. Juni 2014 – 22 O 21/14
OLG Düsseldorf – Urteil vom 25. Februar 2015 – I-18 U 124/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 17 Abs. 1 MÜ

Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.

Verhandlungstermin am 21. November 2017, 10.00 Uhr, in Sachen X ZR 111/16 (Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit)

Datum: 21.11.2017

Die Kläger verlangen von dem beklagten Reiseveranstalter Minderung des Reisepreises nach § 651d Abs. 1 BGB sowie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB.

Sie buchten im März 2015 eine Reise nach Antalya. Nach dem Reisevertrag sollten sie in einem bestimmten Hotel in einem Zimmer mit Meerblick oder seitlichem Meerblick wohnen. Wegen einer Überbuchung wurden sie jedoch für drei Tage in einem anderen Hotel untergebracht. Das Zimmer in diesem Hotel bot keinen Meerblick und wies schwerwiegende Hygienemängel auf.

Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich einer Minderung des Reisepreises in Höhe von 605,19 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht den Klägern eine weitere Minderung in Höhe von 371,36 € zugesprochen; die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit den vom Landgericht zugelassenen Revisionen verlangen die Kläger weiterhin die ihnen von den Vorinstanzen versagte Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von mindestens 1.250 € und die Beklagte eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit sie mit dem Berufungsurteil zu mehr als insgesamt 894,02 € verurteilt worden ist.

Vorinstanzen:

AG Düsseldorf – Urteil vom 27. Juni 2014 – 22 O 21/14
LG Düsseldorf – Urteil vom 25. Februar 2015 – I-18 U 124/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 651c Abs. 1 BGB

Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

§ 651d Abs. 1 BGB

Ist die Reise im Sinne des § 651c Abs. 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3. § 638 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.

§ 651f BGB

(1) Der Reisende kann unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat.
(2) Wird die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Verhandlungstermin wegen Revisionsrückname am 10.11.2017 in Sachen V ZR 114/16 (Nutzung einer Teileigentumseinheit zur Prostitution?) aufgehoben

Datum: 10.11.2017

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem die (Wider-) Beklagten zur Veräußerung ihrer Teileigentumseinheit verurteilt worden sind, weil diese zur Prostitution genutzt wird.

Sachverhalt:

Die Parteien bilden eine Teileigentümergemeinschaft. Die Anlage liegt in einem Gewerbegebiet, in dem die Ausübung der Prostitution grundsätzlich zulässig ist. Sie besteht aus vier (nicht zu Wohnzwecken dienenden, vgl. § 1 Abs. 3 WEG*) Teileigentumseinheiten. In der Teilungserklärung heißt es zur Nutzung der Einheiten lediglich:

„Die Teileigentumseinheiten dürfen nicht zur Ausübung eines störenden Gewerbebetriebs genutzt werden, welcher ein gedeihliches Arbeiten der Mitbenutzer beeinträchtigt. (…) Vorstehende Beschränkungen hat jeder Teileigentümer denjenigen Personen zur Auflage zu machen, denen er sein Teileigentum ganz oder teilweise zum Gebrauch überlässt.“

Die (Wider-) Beklagten haben ihre Teileigentumseinheit zum Zwecke des Betriebs eines Bordells bzw. eines bordellähnlichen Betriebs an einen Dritten vermietet und auf Abmahnung erklärt, hieran aus wirtschaftlichen Gründen festhalten zu wollen. In den übrigen Einheiten befinden sich u.a. eine Yogaschule, ein Sanitärgroßhandel, ein Ingenieurbüro und eine Versicherungsagentur. In der Eigentümerversammlung wurde mehrheitlich ein Beschluss gemäß § 18 WEG*** gefasst, wonach den (Wider-) Beklagten das Teileigentum entzogen wird.

Bisheriger Prozessverlauf:

In dem Revisionsverfahren geht es nicht mehr um die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage gegen diesen Beschluss, sondern ausschließlich um die in Umsetzung des Beschlusses gemäß § 19 WEG**** erhobene Widerklage, die auf die Verurteilung der (Wider-) Beklagten zur Veräußerung ihres Teileigentum gerichtet ist. Das Amtsgericht hat der Widerklage stattgegeben. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die (Wider-) Beklagten sowohl gegen die Teilungserklärung als auch gegen § 14 Nr. 1 WEG** verstießen. Ein milderes Mittel als die Entziehung des Eigentums sei nicht ersichtlich. Die Prostitution sei bei einem signifikanten Teil der Bevölkerung mit einem sozialen Unwerturteil behaftet. Nach der Lebenserfahrung mindere sich regelmäßig der Miet- und Verkaufswert des Teileigentums der übrigen Miteigentümer; zumindest aber bestehe die begründete Annahme, dass sich eine Wertminderung einstellen könne. Allein darin liege eine Beeinträchtigung im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG**. Hier befinde sich die Anlage zwar in einem Gewerbegebiet, aber nicht in einem Vergnügungs- oder Rotlichtviertel. Ob es konkrete Störungen, also tatsächliche Konflikte, Beeinträchtigungen oder Belästigungen zwischen Bewohnern, Prostituierten und Kunden gebe, sei unerheblich, so dass dieser Frage nicht nachgegangen werden müsse. Es komme hinzu, dass die konkrete Teilungserklärung weitergehende Einschränkungen vorsehe. Durch den (sichtbaren) Betrieb eines Bordells werde das gedeihliche Arbeiten der Mitbenutzer gestört, weil deren Kunden das Gebäude nur sehr zurückhaltend und vorsichtig aufsuchten bzw. ganz fernblieben, weil sie nicht in den Ruf geraten wollten, das Bordell frequentiert zu haben.

Mit der von dem V. Senat des Bundesgerichtshofs wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision wehren sich die (Wider-) Beklagten gegen die Verurteilung zur Veräußerung ihrer Teileigentumseinheit.

Vorinstanzen:

AG Bamberg – Urteil vom 16. März 2015 – 104 C 1210/13 WEG
LG Bamberg – Urteil vom 12. April 2016 – 11 S 21/15 WEG

Karlsruhe, den 20. September 2017

*§ 1 WEG Begriffsbestimmungen

(3) Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.

**§ 14 Pflichten des Wohnungseigentümers

Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst;
2. für die Einhaltung der in Nummer 1 bezeichneten Pflichten durch Personen zu sorgen, (…) denen er sonst die Benutzung der im Sonder- oder Miteigentum stehenden Grundstücks- oder Gebäudeteile überlässt;

***§ 18 Entziehung des Wohnungseigentums

(1) Hat ein Wohnungseigentümer sich einer so schweren Verletzung der ihm gegenüber anderen Wohnungseigentümern obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, so können die anderen Wohnungseigentümer von ihm die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen (...)
(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen insbesondere vor, wenn
1. der Wohnungseigentümer trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen die ihm nach § 14 obliegenden Pflichten verstößt (…)
(3) Über das Verlangen nach Absatz 1 beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von mehr als der Hälfte der stimmberechtigten Wohnungseigentümer (…)

****§ 19 Wirkung des Urteils

(1) Das Urteil, durch das ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt wird, berechtigt jeden Miteigentümer zur Zwangsvollstreckung entsprechend den Vorschriften des Ersten Abschnitts des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung. Die Ausübung dieses Rechts steht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (…)

Verhandlungstermin am 9. November 2017, 10.00 Uhr, in Sachen VII ZR 62/17 (Zünden eines Knallkörpers auf Fußballtribüne – hier: Höhe des Schadensersatzes bei Verbandsstrafe für mehrere Vorfälle)

Datum: 09.11.2017

Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt den Profifußballbereich des 1. FC Köln. Sie verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen des Zündens eines Knallkörpers bei einem Heimspiel im RheinEnergieStadion in der 2. Bundesliga gegen den SC Paderborn 07 am 9. Februar 2014. Wegen dieses Vorfalls und weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) eine Verbandsstrafe gegen die Klägerin, u.a. bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 € sowie der Bewährungsauflage, weitere 30.000 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen der Klägerin dienen. Unter Anrechnung einer bereits früher von der Klägerin getätigten Aufwendung für ein Kamerasystem verblieben 60.000 €, die die Klägerin zahlte. Sie verlangt vom Beklagten Ersatz in Höhe von 30.000 €.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hatte das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Durch Urteil vom 22. September 2016 -VII ZR 14/16 (vgl. Pressemitteilung Nr. 165/2016) hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten nunmehr zur Zahlung von 20.340 € verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat gemeint, die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs allein noch im Streit stehende Höhe des Schadensersatzanspruchs bemesse sich danach, in welchem Maße sich die Pflichtverletzung des Beklagten in der konkret verhängten und gezahlten Strafe niedergeschlagen habe. Dieses Maß ergebe sich aus dem Verhältnis seiner Strafe zur Summe der für die einzelnen Vorfälle (rechnerisch) angesetzten Einzelstrafen. Das seien hier 40.000 € : 118.000 €, da für die einzelnen Vorfälle Strafen von 20.000 €, 20.000 €, 38.000 € und 40.000 € (nur letztere den Beklagten betreffend), zusammen also 118.000 € verhängt wurden, wovon 60.000 € tatsächlich zu zahlen gewesen seien. Im Ergebnis also 40/118 von 60.000€ = 20.340€ (aufgerundet).

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Verurteilung zur Zahlung von insgesamt 30.000 €.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 8. April 2015 - 7 O 231/14
OLG Köln - Urteil vom 17. Dezember 2015 - 7 U 54/15
BGH - Urteil vom 22. September 2016 - VII ZR 14/16
OLG Köln - Urteil vom 9. März 2017 - 7 U 54/15

Verkündungstermin am 27. Oktober 2017, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 29.9.2017 in Sachen V ZR 193/16 (Einrichtung eines Flüchtlingsheims in einer ursprünglich als Altenpflegeheim genutzten Teileigentumseinheit?)

Datum: 27.10.2017

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Klage einer Teileigentümerin, die erreichen will, dass die zweite Teileigentumseinheit der Anlage nicht als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden darf.

Sachverhalt:

Die Teileigentümergemeinschaft besteht aus der Klägerin und der Beklagten. Bei der Errichtung des Gebäudes zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es als Kinderheim konzipiert und zunächst auch als solches genutzt. In den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgte die Aufteilung in zwei Teileigentumseinheiten (vgl. dazu § 1 Abs. 3 WEG*). Zu dieser Zeit befand sich in der deutlich größeren Einheit Nr. 1, die inzwischen im Eigentum der Beklagten steht, ein Altenpflegeheim. In der Einheit Nr. 2 der Klägerin wurde fortlaufend eine Arztpraxis betrieben; heute ist dort eine kardiologische Praxis ansässig.

Die Teilungserklärung enthält folgende Regelung:

Herr (…) teilt hiermit das Eigentum (…) in der Weise in Miteigentumsanteile auf, dass mit jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an bestimmten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen, verbunden wird.

Im Einzelnen wurden gebildet:

1. Miteigentumsanteil von 869/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an sämtlichen (…) Räumen des Altenpflegeheims (…), im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichnet,
2. Miteigentumsanteil von 131/1000, verbunden mit dem Sondereigentum an sämtlichen (…) Räumen der (…) Praxis, im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichnet.

Die Einheit Nr. 1 – das frühere Altenpflegeheim – steht seit dem Jahr 2003 leer. Die Beklagte hat zunächst angekündigt, darin ein Arbeiterwohnheim einrichten zu wollen; nunmehr will sie die Einheit als Unterkunft für Asylbewerber oder Flüchtlinge nutzen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Auf die von der Klägerin erhobene Unterlassungsklage hat das Amtsgericht der Beklagten untersagt, in dem Teileigentum Nr. 1 eine Unterkunft für „Arbeiter, Asylbewerber, Flüchtlinge oder sonstige in den Raum München Zugezogene oder gestrandete Personen zu betreiben oder von Dritten betreiben zu lassen.“ Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass sich der Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG** ergebe. Dabei könne offen bleiben, ob die Bezeichnung „Altenpflegeheim“ in der Teilungserklärung eine sogenannte Zweckbestimmung oder (nur) eine reine Beschreibung darstelle. Jedenfalls dürfe die Einheit nach der Teilungserklärung nicht für Wohnzwecke genutzt werden. Ein Gebrauch der Einheit für die Unterbringung von Flüchtlingen bzw. Arbeitern sei damit unvereinbar. Zwischen einer Wohnnutzung und einer Nutzung als Heim müsse nämlich unterschieden werden. Die Unterbringung in einem Heim sei nicht als Wohnen anzusehen und daher im Teileigentum zulässig. Dagegen stelle es eine Wohnnutzung dar, wenn die Räumlichkeiten Flüchtlingen bzw. Arbeitern als (schlichte) Unterkunft dienten. Darauf komme es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend an (Verweis auf das Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 Rn. 17). Dass das von der Beklagten geplante Flüchtlingsheim durch Security-Personal bewacht und durch externe Dienstleister gemanagt werden solle, ändere hieran nichts. Ebenso unerheblich sei die gemeinschaftliche Nutzung von Küche und Sanitäreinrichtungen. Die in der Teilungserklärung nicht vorgesehene Nutzung sei auch nicht ausnahmsweise zulässig. Dies komme nur dann in Betracht, wenn sie bei typisierender Betrachtung nicht mehr störe als eine zulässige Nutzung. So liege es hier aber nicht. Die mit einer Büronutzung oder einem klassischen, eng betreuten Heim einhergehenden Störungen seien erheblich geringer, als wenn das Teileigentum einer großen Anzahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen zum Wohnen zur Verfügung gestellt werde. Dies ergebe sich schon aus der intensiveren Nutzung, der größeren Geräuschentwicklung und dem höheren Konfliktpotential.

Mit der von dem V. Senat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Unterlassungsklage erreichen.

Vorinstanzen:

AG Starnberg – Urteil vom 18. Dezember 2015 – 3 C 682/15 WEG
LG München I – Beschluss vom 15. Juni 2016 – 36 S 734/16 WEG

*§ 1 WEG Begriffsbestimmungen

(1) Nach Maßgabe dieses Gesetzes kann an Wohnungen das Wohnungseigentum, an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes das Teileigentum begründet werden.
(2) Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
(3) Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.

**§ 15 WEG Gebrauchsregelung

(3) Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der (…) den Vereinbarungen (…) entspricht.

Verhandlungstermin am 18. Oktober 2017, 11.00 Uhr, in Sachen
I ZB 105/16 und I ZB 106/16 (Bundesgerichtshof zur Schutzfähigkeit von dreidimensionalen quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade)

Datum: 18.10.2017

Für die Markeninhaberin sind zwei dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware "Tafelschokolade" registriert. Sie zeigen jeweils die Vor- und Rückseite einer neutralen Schlauchbeutelverpackung mit einem quadratischen Verpackungskörper.

Die Antragstellerin gehört einem Konzern an, dessen Gesellschaften Schokoladeprodukte vertreiben. Sie hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marken beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschungsanträge zurückgewiesen. Mit ihrer dagegen eingelegten Beschwerde hat die Antragstellerin geltend gemacht, die in den Marken gezeigten Verpackungen gäben typische Gebrauchseigenschaften von darin verpackter Tafelschokolade im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG* wieder.

Das Bundespatentgericht hat die Löschung der Marken angeordnet. Es hat angenommen, die angegriffenen Marken bestünden aus einer Verpackungsform, die nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch die Art der Ware "Tafelschokolade" selbst bedingt sei. Die quadratische Grundfläche des Verpackungskörpers stelle eine besondere Form der handelsüblichen rechteckigen Schokoladetafeln dar. Die regelmäßige Form biete praktische Vorteile bei der Lagerung, dem Transport und der Portionierung von Tafelschokolade. Eine quadratische Schokoladentafel lasse sich außerdem besser als eine rechteckig-längliche Tafel in einer Jackentasche mitführen. Es sei ohne Bedeutung, dass der Verbraucher auch den Geschmack und die Zutaten von Tafelschokolade als wesentliche Gebrauchseigenschaften ansehe.

Mit den vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden erstrebt die Markeninhaberin die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse.

Vorinstanzen:

I ZB 105/16
BPatG - Beschluss vom 4. November 2016 - 25 W (pat) 78/14, GRUR 2017, 275

und

I ZB 106/16
BPatG - Beschluss vom 4. November 2016 - 25 (W) pat 79/14, BeckRS 2016, 19545

*§ 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG lautet:

Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist.

Verhandlungstermin am 18. Oktober 2017, 12.00 Uhr in Sachen
I ZB 3/17 und I ZB 4/17 (Bundesgerichtshof zur Schutzfähigkeit
von dreidimensionalen Formmarken für Traubenzucker)

Datum: 18.10.2017

Für die Markeninhaberin sind zwei dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware "Traubenzucker" registriert. Die Marke, die Gegenstand des Verfahrens I ZB 3/17 ist, zeigt einen Stapel von acht quaderförmigen Täfelchen mit quadratischer Grundfläche, mittigen V-förmigen Einkerbungen und abgeschrägten bzw. abgerundeten Ecken und Kanten. Die Marke, die Gegenstand des Verfahrens I ZB 4/17 ist, zeigt ein entsprechendes Einzeltäfelchen.

Der Antragsteller vertreibt Traubenzuckerprodukte. Er hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marken mit der Begründung beantragt, ihre Form sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG* zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschung der Marken angeordnet. Die Beschwerden der Markeninhaberin sind erfolglos geblieben. Das Bundespatentgericht hat angenommen, alle wesentlichen Merkmale der in den Marken gezeigten Warenformen wiesen technische Funktionen auf. Die Quaderform der Täfelchen ermögliche eine platzsparende Stapelung von Traubenzuckerstücken, um sie vor allem während sportlicher Aktivitäten mitführen und unterwegs konsumieren zu können. Die abgeschrägten Ecken und Kanten dienten dem angenehmeren Verzehr. Die Vertiefungen gewährleisteten als Sollbruchstellen die leichte und gleichmäßige Portionierung von Traubenzuckereinheiten. Die technischen Funktionen seien ausschlaggebend, selbst wenn die Warenformen auch gestalterische Elemente aufweisen sollten.

Mit den vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden erstrebt die Markeninhaberin die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse.

Vorinstanzen:

I ZB 3/17
BPatG - Beschluss vom 27. Dezember 2016 - 25 W (pat) 60/14, juris

und

I ZB 4/17
BPatG - Beschluss vom 27. Dezember 2016 - 25 (W) pat 59/14, GRUR 2017, 525

*§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lautet:

Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist.

Verhandlungstermin am 18. Oktober 2017, 10.00 Uhr - VIII ZR 32/16 (Röntgenbefund eines Dressurpferdes als Sachmangel;
Unternehmereigenschaft beim Pferdekauf)

Datum: 18.10.2017

Der Kläger kaufte Ende des Jahres 2010 vom Beklagten einen damals 10-jährigen Hannoveraner Wallach zum Preis von 500.000 €, um ihn als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Beklagte, der selbständig als Reitlehrer und Pferdetrainer tätig ist, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nachdem es zweimal probegeritten und auf Veranlassung des Klägers eine Ankaufsuntersuchung in einer Pferdeklinik durchgeführt worden war, wurde das Pferd an den Kläger im Januar 2011 übergeben.

Im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung im Juni 2011 wurde am rechten Facettengelenk des Pferdes zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel ein Röntgenbefund festgestellt. Hieraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte geltend, der Röntgenbefund sei die Ursache für schwerwiegende Rittigkeitsprobleme, die der Wallach unmittelbar nach der Übergabe gezeigt habe das Pferd lahme, habe offensichtliche Schmerzen und widersetze sich gegen die reiterliche Einwirkung. Der Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, diese Probleme seien nach Übergabe durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Klägers verursacht worden.

Dessen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Zwar kam der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis, der betreffende Röntgenbefund habe sich im vorliegenden Fall mit hoher bis sehr hoher Wahrscheinlichkeit klinisch gar nicht ausgewirkt. Allerdings stellte nach Auffassung des Landgerichts dieser seiner Art nach bei Dressurpferden nur selten auftretende Röntgenbefund bereits für sich einen Mangel des Wallachs nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB* dar, während das Berufungsgericht der Ansicht war, die Parteien hätten vorliegend bei Vertragsschluss stillschweigend eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB* dahingehend getroffen, dass derartige Röntgenbefunde nicht vorliegen dürften. Da der Beklagte den Kaufvertrag zudem im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdetrainer geschlossen habe, der Kläger das Pferd hingegen für private Zwecke und mithin als Verbraucher gekauft habe, werde für diesen Verbrauchsgüterkauf überdies nach § 476 BGB** vermutet, dass der streitgegenständliche Röntgenbefund bereits bei Übergabe des Pferdes vorgelegen habe.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

* § 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
[…]

** § 476 BGB Beweislastumkehr

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Vorinstanzen:

Landgericht München II - Urteil vom 28. März 2014 - 10 O 3932/11
Oberlandesgericht München - Urteil vom 11. Januar 2016 - 17 U 1682/14

Verhandlungstermin am 10. Oktober 2017, 9.00 Uhr , in Sachen X ZR 73/16 (Fluggastrechte)

Datum: 10.10.2017

Die Kläger verlangen eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 € nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Fluggastrechteverordnung sowie Zahlung von Verzugszinsen.

Sachverhalt:

Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen einen Flug von Frankfurt am Main nach Singapur mit Anschlussflug nach Sydney, der auf beiden Teilstrecken von der Beklagten durchgeführt werden sollte. Die Beklagte annullierte den ersten Flug von Frankfurt nach Singapur am vorgesehenen Abflugtag und bot den Klägern als Ersatz einen Flug eines anderen Luftverkehrsunternehmens an, der am selben Tag starten und am Folgetag um etwa die gleiche Uhrzeit wie der ursprünglich vorgesehene Flug in Singapur landen sollte. Der Start dieses Fluges verzögerte sich jedoch um etwa 16 Stunden, so dass die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in Singapur nicht erreichten und mit einer Verspätung von mehr als 23 Stunden in Sydney ankamen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt 1.800 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Die geltend gemachten Ausgleichsansprüche wegen der Annullierung des gebuchten Flugs seien nicht nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Unterabs. iii FluggastrechteVO ausgeschlossen. Zwar stelle diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut lediglich auf ein Angebot zur anderweitigen Beförderung ab, das es einem Fluggast nach der Annullierung des ursprünglich vorgesehenen Fluges ermögliche, sein Endziel mit einer Verspätung von höchstens zwei Stunden zu erreichen. Die Regelung sei aber nach ihrem Sinn und Zweck dahin zu verstehen, dass Ausgleichsansprüche nur dann ausgeschlossen seien, wenn der Fluggast mit dem angebotenen Ersatzflug sein Endziel tatsächlich höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht habe. Da dies nicht der Fall gewesen sei, bleibe die Beklagte wegen der Annullierung des ursprünglichen, von ihr geplanten Fluges ausgleichspflichtig, auch wenn der Ersatzflug, wäre er planmäßig durchgeführt worden, die Beklagte nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Unterabs. iii FluggastrechteVO von der Ausgleichspflicht befreit hätte.

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie eine Klageabweisung erreichen will.

Vorinstanzen:

AG Frankfurt am Main – Urteil vom 14. Oktober 2015 – 31 C 2494/15 (17)
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 16. Juni 2016 – 2-24 S 208/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung

Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung

Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
… 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a oder b fallenden Flügen.

Verhandlungstermin am 10. Oktober 2017, 10.30 Uhr, in Sachen 1 StR 496/16 (Verurteilung zweier Angeklagter wegen Körperverletzung mit Todesfolge, wobei nicht aufgeklärt werden konnte, welcher Angeklagte die Gewalteinwirkungen auf das kindliche Opfer verübte)

Datum: 10.10.2017

Das Landgericht Ulm hat die beiden Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt und jeweils 9 Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen lebte die Angeklagte F., die Mutter des im Jahr 2006 geborenen R., seit Herbst 2009 mit ihrem Lebensgefährten, dem Mitangeklagten B., und ihrem Sohn in häuslicher Gemeinschaft. Der Angeklagte B. übernahm dabei die Vaterrolle für R. Spätestens ab Mitte Februar 2011 erfolgten mehrfache massive Misshandlungen des damals fünf Jahre alten Kindes durch jeweils einen der Angeklagten. Diese rohen Misshandlungen richteten sich gegen den gesamten Körper, insbesondere das Gesicht und den Schädel des R., und hatten den Verlust eines Zahnes, Kopfschwartenverletzungen mit Ablederungen sowie zahlreiche Hämatome im Gesicht und am ganzen Körper des Kindes zur Folge. Wer die einzelnen Gewalthandlungen ausführte, konnte das Landgericht nicht feststellen. Ausweislich der Feststellungen wusste der/die jeweils untätige Angeklagte allerdings um die Ursache der Verletzungen und billigte das Verhalten des anderen. Um die sichtbaren Verletzungen des Kindes zu vertuschen, versteckten die Angeklagten R. ab Mitte Februar 2011 in der gemeinsamen Wohnung.

Am 12. März 2011 befand sich R. infolge der vorangegangenen Misshandlungen bereits in einem sehr schlechten körperlichen Zustand. Sein Körper war von schmerzhaften Hämatomen übersät. An diesem Tag schlug zumindest einer der beiden Angeklagten das Kind in der gemeinsamen Wohnung massiv mit der Faust auf den Schädel oder ließ es an den Füßen haltend kopfüber aus nicht geringer Höhe auf den Schädel fallen. Dies hatte eine sofortige Bewusstlosigkeit des Kindes zur Folge und führte nach wenigen Minuten zum Herzstillstand und noch am selben Tag zum Eintritt des Hirntodes. Auch bezüglich dieser Tathandlung konnte das Landgericht nicht feststellen, welcher der beiden Angeklagten die Gewalthandlung ausführte.

Das Landgericht hat die Tat vom 12. März 2011 für beide Angeklagte als mittäterschaftlich begangene Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen gewertet. Hinsichtlich der mittäterschaftlichen Begehungsweise der Angeklagten hat es ausgeführt, dass der/die nicht die Gewalteinwirkung ausführende Angeklagte aufgrund der vorangegangenen Geschehnisse gewusst habe, dass es zu weiteren Misshandlungen des Kindes – insbesondere zu Gewalteinwirkungen gegen den Kopf – kommen würde. Er/Sie habe die Gewalthandlung gebilligt und insbesondere durch den gemeinsamen Erziehungsstil, das vorangegangene andauernde Nichteinschreiten gegen die mehrfachen, zuvor erfolgten Misshandlungen und seine/ihre aktive Mitwirkung bei der Vertuschung der bereits eingetretenen Verletzungen seine/ihre Zustimmung zum Handeln des jeweils anderen zum Ausdruck gebracht. Die beiden Angeklagten hätten den Eintritt weiterer körperlicher Misshandlungen des R. beabsichtigt. Für sie sei der Eintritt tödlicher Verletzungen des Kindes infolge der vorangegangenen massiven Misshandlungen vorhersehbar und durch eine Information Dritter über die vorangegangenen Gewalttätigkeiten vermeidbar gewesen.

Die zeitlich vor der Tat vom 12. März 2011 den Angeklagten zur Last gelegten Taten zum Nachteil des Kindes hat das Landgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.

Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts.

Vorinstanz:

LG Ulm – Urteil vom 20. Juni 2016 – 2 Ks 25 Js 5083/11

Verkündungstermin am 5. Oktober 2017, 9.00 Uhr (Verhandlung: 29. Juni 2017) in Sachen I ZR 117/16 (Bundesgerichtshof zur Tabakwerbung im Internet)

Datum: 05.10.2017
Akkreditierungsschluss: 06.10.2017

Die Beklagte ist ein mittelständischer Tabakhersteller. Auf ihrer Internetseite können sich interessierte Nutzer über ihr Unternehmen informieren, wobei der Zugang zu den einzelnen Inhalten erst nach einer elektronischen Altersabfrage gewährt wird. Im November 2014 befand sich auf der Startseite des Internetauftritts der Beklagten eine Abbildung, die vier Tabakerzeugnisse konsumierende, gut gelaunte und lässig anmutende Personen zeigte.

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, sieht darin eine unzulässige Tabakwer-bung im Internet. Er hat die Beklagte auf Unterlassung der Werbung mit der Abbil-dung und auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte kei-nen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Abbildung stelle als Wer-bung im Internet einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ dar und unterfalle daher dem Tabakwerbeverbot nach § 21a Abs. 3 und 4 des Vorläufigen Tabakgesetzes - VTabakG* [jetzt § 19 Abs. 2 und 3 Tabakerzeugnisgesetz - TabakerzG**]. Die in § 21a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 VTabakG vorgesehene Ausnahme vom Werbeverbot für Tabakfachzeitschriften komme für die Tabakunternehmenswebseite der Beklagten nicht zum Tragen. Der Verstoß gegen das gesetzliche Tabakwerbeverbot sei wettbe¬werbswidrig, weil es sich um verbraucherschützende Regelungen handele.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Landshut - Urteil vom 29. Juni 2015 - 72 O 3510/14, MMR 2016, 119
OLG München - Urteil vom 21. April 2016 - 6 U 2775/15, MD 2016, 793

Karlsruhe, den 19. Dezember 2016

*§ 21a VTabakG lautet:

[…]
(3) Es ist verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen ge-druckten Veröffentlichung zu werben. Abweichend von Satz 1 darf für Tabaker-zeugnisse in einer Veröffentlichung nach Satz 1 geworben werden,
[…]
3. die
a) in ihrem redaktionellen Inhalt weit überwiegend Tabakerzeugnisse oder ih¬rer Verwendung dienende Produkte betrifft und
b) nur für eine sich aus Buchstabe a ergebende Öffentlichkeit bestimmt ist und an diese abgegeben wird.
(4) Absatz 3 gilt für die Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informations¬gesellschaft entsprechend.
[…]

**§ 19 TabakerzG lautet:

[…]
(2) Es ist verboten, für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten oder Nachfüllbe-hälter in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu wer-ben. […]
(3) Absatz 2 gilt für die Werbung in Diensten der Informationsgesellschaft entspre-chend.
[…]

Verhandlungstermin am 5. Oktober 2017, 11.00 Uhr, in Sachen I ZR 229/16, I ZR 232/16 und I ZR 4/17 in Sachen (Bundesgerichtshof zu Angaben über den Energieverbrauch in Immobilienanzeigen)

Datum: 05.10.2017

In den drei zur Verhandlung anstehenden Verfahren wendet sich die Deutsche Umwelthilfe e. V. gegen Zeitungsanzeigen von Immobilienmaklern, die sie wegen Fehlens von im Energieausweis angeführten Angaben für unzulässig hält.

Die beklagten Immobilienmakler boten in Tageszeitungen Wohnimmobilien zur Miete oder zum Kauf an. In den Anzeigen fehlten Angaben zur Art des Energieausweises, zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Wohngebäudes, zum Baujahr des Wohngebäudes oder zur Energieeffizienzklasse.

Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen § 16a der Energieeinsparverordnung (EnEV)*. Sie hat von den Beklagten verlangt, es zu unterlassen, Anzeigen für die Vermietung oder den Verkauf von Immobilien, für die ein Energieausweis vorliegt, ohne die in § 16a EnEV vorgesehenen Pflichtangaben zu veröffentlichen, und sie auf Zahlung einer Abmahnpauschale in Anspruch genommen.

Das Landgericht Münster hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; die Landgerichte Bielefeld und München II haben die Klage abgewiesen. In zweiter Instanz waren alle Klagen erfolgreich. Die Berufungsgerichte haben zwar nicht angenommen, dass die Beklagten als Immobilienmakler zu den nach § 16a EnEV vorgeschriebenen Angaben verpflichtet sind. Bei den gesetzlichen Pflichtangaben anhand des Energieausweises handele es sich aber um wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG**, die die Beklagten den Verbrauchern vorenthalten hätten.

Vorinstanzen:

I ZR 229/16
LG Bielefeld - Urteil vom 6. Oktober 2015 - 12 O 60/15, juris
OLG Hamm - Urteil vom 4. August 2016 - I-4 U 137/15, GRUR-RS 2016, 18637

und

I ZR 232/16
LG Münster - Urteil vom 25. November 2015 - 021 O 87/15, GRUR-RS 2015, 20957
OLG Hamm - Urteil vom 30. August 2016 - I-4 U 8/16, GRUR-RR 2017, 23

und

I ZR 4/17
LG München II - Urteil vom 3. Dezember 2015 - 2 HK O 3089/15, IBRRS 2016, 0145
OLG München - Urteil vom 8. Dezember 2016 - 6 U 4725/15, ZfIR 2017, 236

*§ 16a EnEV lautet:

(1) ¹Wird […] vor dem Verkauf eine Immobilienanzeige in kommerziellen Medien aufgegeben und liegt zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vor, so hat der Verkäufer sicherzustellen, dass die Immobilienanzeige folgende Pflichtangaben enthält:
1. die Art des Energieausweises: Energiebedarfsausweis oder Energieverbrauchsausweis […],
2. den im Energieausweis genannten Wert des Endenergiebedarfs oder Endenergieverbrauchs für das Gebäude,
3. die im Energieausweis genannten wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes,
4. bei Wohngebäuden das im Energieausweis genannte Baujahr und
5. bei Wohngebäuden die im Energieausweis genannte Energieeffizienzklasse.
[…]
(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden auf den Vermieter, Verpächter und Leasinggeber bei Immobilienanzeigen zur Vermietung, Verpachtung oder zum Leasing eines Gebäudes, einer Wohnung oder einer sonstigen selbständigen Nutzungseinheit.
[…]

**§ 5a Abs. 2 UWG lautet:

(2) ¹Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,
1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
[…]
(4) Als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

Verhandlungstermin am 27. September 2017, 11.00 Uhr - VIII ZR 243/16 (Berücksichtigungsfähigkeit von Drittinteressen bei der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB)

Datum: 27.09.2017

Verhandlungstermin am 27. September 2017, 11.00 Uhr - VIII ZR 243/16 (Berücksichtigungsfähigkeit von Drittinteressen bei der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB)

Die Beklagten haben im Jahr 2012 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine 7-Zimmer-Wohnung in St. Blasien gemietet; die Nettomiete für die rund 190 qm große Wohnung beläuft sich auf 850 €. Die Klägerin, die V-KG, hat das Anwesen, in dem die streitige Wohnung liegt, im Jahr 2015 erworben und ist dadurch in den Mietvertrag mit den Beklagten eingetreten. Sie ist überdies Eigentümerin des mit Gewerberäumen bebauten Nachbargrundstücks, das sie an die A-KG verpachtet hat, die dort ein Modegeschäft betreibt. Beide Gesellschaften werden von derselben Geschäftsführerin, die auch deren jeweils einzige Kommanditistin ist, vertreten.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB* und begründete dies damit, das gesamte Gebäude abreißen zu wollen, um ein Objekt mit Gewerberäumen zur Erweiterung des benachbarten Modegeschäfts zu errichten. Die Beklagten haben der Kündigung unter anderem mit der Begründung widersprochen, dass ein Interesse an einer derartigen wirtschaftlichen Verwertung tatsächlich nur die A-KG, nicht aber die Klägerin als Vermieterin habe.

Die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Nach Ansicht des Landgerichts würden die der Klägerin bei einem Fortbestand des Mietverhältnisses mit den Beklagten entstehenden Nachteile das Bestandsinteresse der Beklagten weit überwiegen. Dabei seien nicht nur die Belange der Klägerin selbst, sondern aufgrund ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtung mit der A-KG auch deren Belange zu berücksichtigen. Die Klägerin wolle mit dem Abriss und dem Neubau die Geschäftsräume für das Modegeschäft ihrer "Schwestergesellschaft" vergrößern. Für die A-KG wiederum stelle diese Erweiterung eine Existenzfrage dar, da sie mit der Ausweitung ihrer Verkaufsfläche ihr Bestehen für die Zukunft sichere. Demgegenüber trete das Interesse der Beklagten am Verbleib in der Wohnung auch unter Berücksichtigung ihrer familiären Situation zurück.

Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

* § 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 2Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
[…]
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
[…]

Vorinstanzen:

Amtsgericht St. Blasien - Urteil vom 6. April 2016 - 1 C 2/16
Landgericht Waldshut-Tiengen - Urteil vom 13. Oktober 2016 - 2 S 7/16

Verhandlungstermin am 21. September 2017, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 11/16 (Zur Urheberrechtsverletzung bei der Bildersuche durch Suchmaschinen)

Datum: 21.09.2017

Die Klägerin betreibt eine Internetseite, auf der sie Fotografien anbietet. Bestimmte Inhalte ihres Internetauftritts können nur von registrierten Kunden gegen Zahlung eines Entgelts und nach Eingabe eines Passworts genutzt werden. Die Kunden dürfen die im passwortgeschützten Bereich eingestellten Fotografien auf ihre Rechner herunterladen.

Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite die kostenfreie Durchführung einer Bilderrecherche anhand von Suchbegriffen an, die die Nutzer in eine Suchmaske eingeben können. Für die Durchführung der Bilderrecherche greift die Beklagte auf den Internetsuchdienst der Firma Google zurück, zu dem sie auf ihrer Internetseite einen elektronischen Verweis (Link) gesetzt hat. Die Suchmaschine Google ermittelt die im Internet vorhandenen Bilddateien, indem sie das Internet in regelmäßigen Abständen nach dort eingestellten Bildern durchsucht Dabei kann sie nur Bilder aufspüren, die in frei zugängliche Internetseiten eingestellt sind. Die aufgefundenen Bilder werden in einem automatisierten Verfahren nach Suchbegriffen indexiert und als verkleinerte Vorschaubilder auf den Servern von Google abgespeichert. Geben die Internetnutzer in die Suchmaske der Beklagten einen Suchbegriff ein, werden die von Google dazu vorgehaltenen Vorschaubilder abgerufen und auf der Internetseite der Beklagten in Ergebnislisten angezeigt.

Bei Eingabe bestimmter Namen in die Suchmaske der Beklagten wurden im Juni 2009 verkleinerte Fotografien von unter diesen Namen auftretenden Models als Vorschaubilder angezeigt. Die Bildersuchmaschine Google hatte die Fotografien auf frei zugänglichen Internetseiten aufgefunden.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Fotografien erworben und diese in den passwortgeschützten Bereich ihrer Internetseite eingestellt. Von dort hätten Kunden die Bilder heruntergeladen und unerlaubt in die von der Suchmaschine Google erfassten Internetseiten eingestellt. Auf die Abmahnung der Klägerin hat die Beklagte die Namen der Models als Suchbegriffe gesperrt, ohne eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Klägerin sieht in der Anzeige der Vorschaubilder auf der Internetseite der Beklagten eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, da die Fotografien im frei zugänglichen Internet eingestellt gewesen seien, habe die Klägerin beweisen müssen, dass die Fotografien im passwortgeschützten Bereich ihres Internetangebots eingestellt gewesen seien und sie ihren Kunden nicht das Recht eingeräumt habe, die heruntergeladenen Bilddateien in andere Internetseiten einzustellen. Ein solcher Beweis sei ihr nicht gelungen.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 3. Dezember 2010 - 310 O 331/09
Hanseatisches OLG Hamburg - Urteil vom 10. Dezember 2015 - 5 U 6/11

Karlsruhe, den 15. September 2017

Verhandlungstermin am 12. September 2017 in Sachen X ZR 102/16 und X ZR 106/16, 9.00 Uhr (Ausgleichsleistungen bei
sog. "Wet-Lease-Vereinbarung")

Datum: 12.09.2017

Die Kläger verlangen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen wegen einer Flugverspätung Ausgleichsleistungen entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c* und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b** der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 (FluggastrechteVO).
Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen je einen Platz für den Flug mit deren Flugnummer am 25. Juli 2014 von Düsseldorf nach Nador/Marokko. Der Flug wurde unter dem IATA-Code der Beklagten, jedoch mit einem Flugzeug und einer Besatzung durchgeführt, die die Beklagte bei dem spanischen Luftfahrtunternehmen S aufgrund einer sog. "Wet-Lease-Vereinbarung" (Vereinbarung über das Ver- oder Anmieten eines Flugzeugs mit Besatzung zwischen zwei Luftfahrtunternehmen) angemietet hatte. In der Buchungsbestätigung und im elektronischen Flugschein ist die Beklagte als ausführendes Unternehmen ausgewiesen. Der Flug erreichte Nador mit einer Verspätung von mehr als sieben Stunden.

Das Amtsgericht hat die jeweils auf Zahlung der Ausgleichsleistungen sowie (nur im Verfahren X ZR 102/16) auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klagen abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre in den Vorinstanzen gestellten Anträge weiter.

Wie bereits das Amtsgericht hat auch das Landgericht in den Streitfällen als ausführendes Luftfahrtunternehmen, gegenüber dem der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung geltend gemacht werden kann, nicht das beklagte Luftfahrtunternehmen angesehen, sondern das Luftfahrtunternehmen, von dem dieses das Flugzeug und die Besatzung aufgrund der "Wet-Lease-Vereinbarung" gemietet habe. Das beklagte Luftfahrtunternehmen sei auch nicht wie das ausführende Luftfahrtunternehmen zu behandeln, obwohl es sich gegenüber den Klägern in der Buchungsbestätigung und im elektronischen Ticket als solches bezeichnet habe. Zwar habe das beklagte Luftfahrtunternehmen dadurch gegen seine Verpflichtung nach Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/2005*** über die rechtzeitige Information der Fluggäste über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens verstoßen. Nach Art. 13 VO**** (EG) Nr. 2111/2005 hätten aber die EU-Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Verordnung zu treffen und für Verstöße gegen diese Regeln Sanktionen festzulegen. Mangels einer entsprechenden Umsetzung in das deutsche Recht fehle es an einer entsprechenden Vorschrift. Dem Fluggast, der infolge eines Verstoßes gegen Art. 11 VO (EG) das vertragliche als ausführendes Luftfahrtunternehmen in Anspruch genommen habe, könne daher von diesem lediglich die Kosten ersetzt bekommen, die ihm infolge der falschen gerichtlichen Inanspruchnahme entstanden seien. Ein solcher Anspruch sei von der Klägern aber nicht geltend gemacht worden.

Vorinstanzen:

X ZR 102/16
AG Düsseldorf - Urteil vom 7. April 2016 - 47 C 390/15
LG Düsseldorf - Urteil vom 28. Oktober 2016 ¬ 22 S 139/16

und

X ZR 106/16
AG Düsseldorf - Urteil vom 17. Februar 2016 - 54 C 176/15
LG Düsseldorf - Urteil vom 28. Oktober 2016 ¬ 22 S 90/16

*Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO – Annullierung

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

**Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FluggastrechteVO – Ausgleichsanspruch

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten Fluggäste Ausgleichszahlungen in fol gender Höhe:

b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km,

***Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/2005 - Informationen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens

(1) Bei der Buchung unterrichtet der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr unabhängig vom genutzten Buchungsweg die Fluggäste bei der Buchung über die Identität der/des ausführenden Luftfahrtunternehmen(s).
(2) Ist die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens bei der Buchung noch nicht bekannt, so stellt der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr sicher, dass der Fluggast über den Namen der bzw. des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, die bzw. das wahrscheinlich als ausführende(s) Luftfahrtunternehmen der betreffenden Flüge tätig werden bzw. wird. In diesem Fall sorgt der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr dafür, dass der Fluggast über die Identität der bzw. des ausführenden Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, sobald diese Identität feststeht.
(3) Wird das bzw. die ausführenden Luftfahrtunternehmen nach der Buchung gewechselt, so leitet der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr unabhängig vom Grund des Wechsels unverzüglich alle angemessenen Schritte ein, um sicherzustellen, dass der Fluggast so rasch wie möglich über den Wechsel unterrichtet wird. In jedem Fall werden die Fluggäste bei der Abfertigung oder, wenn keine Abfertigung bei einem Anschlussflug erforderlich ist, beim Einstieg unterrichtet.
(4) Das Luftfahrtunternehmen oder gegebenenfalls der Reiseveranstalter sorgen dafür, dass der betreffende Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr über die Identität der oder des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, sobald diese Identität feststeht, insbesondere im Falle eines Wechsels des Luftfahrtunternehmens.
(5) Wurde ein Verkäufer von Flugscheinen nicht über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens unterrichtet, so ist er für die Nichteinhaltung der Vorschriften dieses Artikels nicht verantwortlich.
(6) Die Verpflichtung des Vertragspartners für die Beförderung im Luftverkehr zur Unterrichtung des Fluggasts über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in den für den Beförderungsvertrag geltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzuführen.

****Art. 13 VO (EG) Nr. 2111/2005 – Sanktionen

Die Mitgliedstaaten treffen die zur Einhaltung der in diesem Kapitel festgelegten Regeln erforderlichen Maßnahmen und legen

Verhandlungstermin am 12. September 2017, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 590/15 (Zur Frage der Wirksamkeit verschiedener Klauseln einer Sparkasse)

Datum: 12.09.2017

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Er macht die Unwirksamkeit von acht verschiedenen Klauseln geltend, die die beklagte Sparkasse in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis gegenwärtig verwendet bzw. verwendet hat. Im Einzelnen beanstandet der Kläger folgende Regelungen:

- eine Klausel, mit der die Beklagte für die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Lastschrift ein Entgelt in Höhe von 5 € erhebt (Klausel 1): „Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Basis-Lastschrift bei Postversand 5,00 €“;

- zwei Klauseln, mit der an zwei unterschiedlichen Stellen im Preis- und Leistungsverzeichnis die inhaltsgleiche Regelung getroffen wird, dass für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftragslastschrift bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 € anfällt (Klauseln 2 und 3); die Klauseln lauten jeweils: „Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftragslastschrift mangels Deckung 5.00 €“;

- eine Klausel, mit der die Beklagte bei Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Währungen eines Staates außerhalb des EWR (Drittstaatenwährung) sowie bei Überweisungen in Staaten außerhalb des EWR (Drittstaaten) für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung eines Überweisungsauftrages bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 € berechnet (Klausel 4): „Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) … eines Überweisungsauftrages mangels Deckung 5,00 €“;

- eine mit der Klausel 4 wortgleiche Regelung betreffend Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Euro oder in anderen EWR-Währungen (Klausel 5);

- eine Klausel, mit der die Beklagte unter anderem für die Aussetzung und die Löschung eines Dauerauftrages bis zum 1. Juli 2013 auch von Verbrauchern ein Entgelt in Höhe von 2 € erhoben hat (Klausel 6): „Dauerauftrag: Einrichtung/Änderung/Aussetzung/Löschung 2,00 €“;

- eine von der Beklagten bis zum 13. Dezember 2012 verwendete Klausel, wonach für die Führung eines Pfändungsschutzkontos ein monatliches Entgelt in Höhe von 7 € anfiel (Klausel 7): „Pfändungsschutzkonto: Privat-/Geschäftsgirokonto; Privatgirokonto: Grundpreis je angefangenen Monat 7,00 €“;

- sowie schließlich eine Klausel, mit der die Beklagte für die Änderung oder Streichung einer Wertpapierorder ein Entgelt in Höhe von 5 € in Rechnung stellt (Klausel 8): „Änderung, Streichung einer Order 5,00 €“.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klauseln 1 bis 5 und 7 insgesamt, die Klausel 6 hinsichtlich der Varianten „Aussetzung“ und „Löschung“ sowie die Klausel 8 bezüglich der Alternative „Streichung einer Order“ gegen § 307 BGB* verstoßen und nimmt die Beklagte insoweit darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend - mit Ausnahme der Klauseln 7 und 8 - stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf das Rechtsmittel des Klägers der Klage auch in Bezug auf die Klauseln 7 und 8 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Hinsichtlich der Klauseln 1 bis 5 sei von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszugehen, wonach es zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehöre, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen oder vertraglichen Rechtspflichten zu erfüllen habe, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Entgeltanspruch bestehe nur, wenn dies im Gesetz vorgesehen sei. An diesem gesetzlichen Leitbild habe das neue Zahlungsdiensterecht nichts geändert. § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB** sowie § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB**** definierten das gesetzliche Leitbild nicht neu, sondern brächten im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung zum Ausdruck, dass einem Kreditinstitut grundsätzlich kein Entgelt für die Erfüllung von Nebenpflichten zustehe. Es dürfe vielmehr nur erhoben werden, wenn dies gesetzlich zugelassen sei und ein angemessenes sowie an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtetes Entgelt zwischen den Parteien vereinbart worden sei.

Diese Anforderungen erfüllten die Klauseln 1 bis 5 nicht. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die jeweils verlangten 5 € kostenbasiert und angemessen seien. Aus der von ihr vorgelegten Kostenaufstellung gehe bereits nicht hervor, aus welchen der dort genannten Positionen sich die von der Beklagten ermittelten Gesamtkosten für eine Benachrichtigung in Höhe von 5,68 € zusammensetzten. Zudem habe die Beklagte in ihrer Aufstellung in erheblichem Maße Personal- und Fremdaufwand berücksichtigt, der mit der Entscheidung über die Ausführung eines Zahlungsauftrages, nicht aber mit der Benachrichtigung bei einer unterbliebenen Ausführung zusammen hänge.

Ein Unterlassungsanspruch bestehe ferner in Bezug auf die Klausel 6. Bei der Löschung und Aussetzung eines Dauerauftrages handele es jeweils um eine Ausprägung des in § 675j BGB*** geregelten Widerrufsrechts. Die Pflicht der Bank zur Berücksichtigung des Widerrufs sei eine gesetzliche Nebenpflicht, für die gemäß § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB** nur dann ein Entgelt verlangt werden könne, wenn das Gesetz dies bestimme. Dies treffe gemäß § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB***** nur für den dort geregelten, hier aber nicht einschlägigen Ausnahmefall zu.

Bezüglich der Klausel 6 bestehe die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr der Klauselverwendung ungeachtet dessen, dass die Beklagte ihr Preis- und Leistungsverzeichnis geändert habe und seit dem 1. Juli 2013 von Verbrauchern für die Einrichtung, Änderung und Aussetzung eines Dauerauftrages kein Entgelt mehr erhebe. Denn die Beklagte dürfe sich künftig auch bei der Abwicklung von Altverträgen nicht mehr auf die Klausel berufen.

Aus demselben Grund bestehe ein Unterlassungsanspruch auch bezüglich der Klausel 7. Dass die Beklagte ihr Preis- und Leistungsverzeichnis an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Pfändungsschutzkonten (Senatsurteile vom 13. November 2012 - XI ZR 145/12 und XI ZR 500/11; vgl. Pressemitteilung Nr. 191/2012) angepasst und die betreffende Klausel seit Klageeinreichung nicht mehr verteidigt habe, genüge insoweit nicht.

Die beanstandete Entgeltregelung für die Streichung einer Wertpapierorder in der Klausel 8 schließlich stelle eine kontrollfähige Preisnebenabrede dar. Der Kunde könne der mit der Geschäftsführung beauftragten Beklagten Weisungen erteilen und diese daher auch anweisen, eine Order nicht auszuführen. Die Befolgung dieser Weisung stelle keine Sonderleistung, sondern die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Verpflichtung dar, für die nach allgemeinen Grundsätzen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kein Entgelt verlangt werden könne.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Freiburg – Urteil vom 14. April 2014 – 2 O 48/13
OLG Karlsruhe – Urteil vom 2. Dezember 2015 – 13 U 72/14

Karlsruhe, den 1. Juni 2017 2017

*§ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

**§ 675f BGB

Zahlungsdienstevertrag

(1) …
(2) …
(3) …
(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
(5) …

***§ 675j BGB

Zustimmung und Widerruf der Zustimmung

(1) Ein Zahlungsvorgang ist gegenüber dem Zahler nur wirksam, wenn er diesem zugestimmt hat (Autorisierung). Die Zustimmung kann entweder als Einwilligung oder, sofern zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister zuvor vereinbart, als Genehmigung erteilt werden. Art und Weise der Zustimmung sind zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister zu vereinbaren. Insbesondere kann vereinbart werden, dass die Zustimmung mittels eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt werden kann.
(2) Die Zustimmung kann vom Zahler durch Erklärung gegenüber dem Zahlungsdienstleister so lange widerrufen werden, wie der Zahlungsauftrag widerruflich ist (§ 675p). Auch die Zustimmung zur Ausführung mehrerer Zahlungsvorgänge kann mit der Folge widerrufen werden, dass jeder nachfolgende Zahlungsvorgang nicht mehr autorisiert ist.

****§ 675o BGB

Ablehnung von Zahlungsaufträgen

(1) Lehnt der Zahlungsdienstleister die Ausführung eines Zahlungsauftrags ab, ist er verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer hierüber unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb der Fristen gemäß § 675s Abs. 1 zu unterrichten. In der Unterrichtung sind, soweit möglich, die Gründe für die Ablehnung sowie die Möglichkeiten anzugeben, wie Fehler, die zur Ablehnung geführt haben, berichtigt werden können. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben, soweit sie gegen sonstige Rechtsvorschriften verstoßen würde. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt vereinbaren.
(2) …
(3) …

*****§ 675p BGB

Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags

(1) Der Zahlungsdienstnutzer kann einen Zahlungsauftrag vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 nach dessen Zugang beim Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht mehr widerrufen.
(2) Wurde der Zahlungsvorgang vom Zahlungsempfänger oder über diesen ausgelöst, so kann der Zahler den Zahlungsauftrag nicht mehr widerrufen, nachdem er den Zahlungsauftrag oder seine Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger übermittelt hat. Im Fall einer Lastschrift kann der Zahler den Zahlungsauftrag jedoch unbeschadet seiner Rechte gemäß § 675x bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Fälligkeitstag widerrufen.
(3) Ist zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und seinem Zahlungsdienstleister ein bestimmter Termin für die Ausführung eines Zahlungsauftrags (§ 675n Abs. 2) vereinbart worden, kann der Zahlungsdienstnutzer den Zahlungsauftrag bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Tag widerrufen.
(4) Nach den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Zeitpunkten kann der Zahlungsauftrag nur widerrufen werden, wenn der Zahlungsdienstnutzer und sein Zahlungsdienstleister dies vereinbart haben. In den Fällen des Absatzes 2 ist zudem die Zustimmung des Zahlungsempfängers zum Widerruf erforderlich. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Bearbeitung eines solchen Widerrufs ein Entgelt vereinbaren.
(5) …

Neuer Verhandlungstermin in Sachen RiZ(R) 1/15, 2/15 und 3/15 (Richterdienstgerichtliches Verfahren) am 7. September 2017, 14.00 Uhr

Datum: 07.09.2017

Die Sache war ursprünglich auf den 5. Oktober 2016 terminiert, vgl. Pressemitteilung Nr. 171/16 vom 28. September 2016.

Vorinstanzen:

RiZ(R) 1/15:
OLG Stuttgart - Urteil vom 17. April 2015 - DGH 1/13
LG Karlsruhe - Urteil vom 4. Dezember 2012 - RDG 5/12

RiZ(R) 2/15:
OLG Stuttgart - Urteil vom 17. April 2015 - DGH 2/13
LG Karlsruhe - Urteil vom 4. Dezember 2012 - RDG 6/12

RiZ(R) 3/15:
OLG Stuttgart - Urteil vom 17. April 2015 - DGH 3/13
LG Karlsruhe - Urteil vom 4. Dezember 2012 - RDG 7/12

Verkündungstermin 7. September 2017, 13.00 Uhr (Verhandlungstermin: 30.8.2017, in Sachen 2 StR 24/16 (Freispruch des Finanzstaatssekretärs und eines hochrangigen Finanzbeamten vom Vorwurf der Untreue)

Datum: 07.09.2017

Das Landgericht Schwerin hat die Angeklagten vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Ihnen war zur Last gelegt worden, im Tatzeitraum (2003 bis 2005) Finanzämter des Landes Mecklenburg-Vorpommern angewiesen zu haben, von den Gemeinden ausgestellte rechtswidrige Bescheinigungen nach dem Investitionszulagengesetz 1999 anzuerkennen. Dadurch bewirkte unberechtigte Auszahlungen und unterbliebene Rückforderungen von Investitionszulagen hätten der öffentlichen Hand einen Nachteil in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro zugefügt. Gegen dieses freisprechende Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Vorinstanz:
Landgericht Schwerin - 364 Js 16 530/06 - 31 KLs 1/10 - 1 Ss 101/15 - Entscheidung vom 9.3.2015

Verhandlungstermin am 31. August 2017, 9.00 Uhr, in Sachen VII ZR 308/16 („Schlemmerblock“ – Vertragsstrafe für Gastwirt)

Datum: 31.08.2017

Die Klägerin ist Herausgeberin des Gutscheinheftes „Schlemmerblock“. Sie bietet Gastwirten aus der Region an, darin zweiseitige Anzeigen zu veröffentlichen. Die Gastwirte verpflichten sich im Gegenzug dazu, den Erwerbern eines „Schlemmerblocks“ bei Vorlage der mit den Anzeigen verbundenen Gutscheine und Abnahme von zwei Hauptgerichten das günstigere Hauptgericht kostenlos zu gewähren.

Zur Sicherung ihres Geschäftsmodells enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin eine Vertragsstrafenklausel. Danach verpflichtet sich der Gastwirt, bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen seine vertraglich übernommenen Pflichten eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs an die Klägerin zu zahlen, jedoch maximal einen Gesamtbetrag von 15.000 €. Die Vertragsstrafe ist verwirkt, wenn ein Erwerber des „Schlemmerblocks“ sich nachgewiesen berechtigt bei der Klägerin beschwert, der Gastwirt habe seine Vertragspflichten nicht eingehalten.

Der Beklagte, der eine Gaststätte betreibt, schloss mit der Klägerin einen solchen Vertrag über die Aufnahme in den „Schlemmerblock“ für das Jahr 2015. Anfang des Jahres 2015 beschwerten sich mehrere Erwerber eines „Schlemmerblocks“ bei der Klägerin über die Nichteinlösung von Gutscheinen. Auf Anfrage der Klägerin erklärte der Beklagte, er serviere als kostenloses Essen nur kleinere Portionen, das Rumpsteak gehöre nicht zu den Hauptgerichten und künftig wolle er überhaupt keine „Schlemmerblock“-Gutscheine mehr einlösen.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 €.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es ist der Auffassung, die Vereinbarung der Vertragsstrafe in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei wirksam und stelle keine unangemessene Benachteiligung des Beklagten gemäß § 307 BGB* dar. Das Funktionieren des Geschäftsmodells der Klägerin hänge von dem vertragstreuen Verhalten eines jeden hieran teilnehmenden Gastwirts ab. Verhalte sich ein Gastwirt nicht vertragstreu, könne dies für alle anderen teilnehmenden Gastwirte und die Klägerin massive negative Auswirkungen haben. Es bestehe die Gefahr, dass die Erwerber des „Schlemmerblocks“ bei Pflichtverletzungen eines Gastwirts andere Gutscheine nicht mehr einlösen, das Gutscheinheft künftig nicht mehr beziehen und negative Mundpropaganda machen. Vor diesem Hintergrund sei die Vertragsstrafe nicht unangemessen hoch.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte Klageabweisung.

Vorinstanzen:

AG Worms – Urteil vom 5. Februar 2016 – 9 C 88/15
LG Mainz – Urteil vom 15. November 2016 – 6 S 16/16

* § 307 BGB lautet:

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Verhandlungstermin am 24. August 2017, 11:00 Uhr in Sachen III ZR 574/16 (Überschwemmung wegen Baumwurzeln in der Kanalisation)

Datum: 24.08.2017

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird über einen Schadensersatzanspruch gegen eine Gemeinde wegen eines Wasserschadens verhandeln. Das Hausgrundstück der Klägerin ist an die städtische Schmutz- und Regenwasserkanalisation angeschlossen und grenzt an einen im Eigentum der beklagten Gemeinde stehenden Wendeplatz an, auf dem ein Kastanienbaum angepflanzt ist. Nach der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten hat sich jeder Anschlussnehmer gegen Rückstau des Abwassers aus den öffentlichen Abwasseranlagen bis zur Rückstauebene selbst zu schützen. Das Anwesen der Klägerin verfügt nicht über eine solche Rückstausicherung. In der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 2012 fiel starker Regen. Die Regenwasserkanalisation konnte die anfallenden Wassermassen nicht mehr ableiten, weil Wurzeln der auf dem Wendeplatz befindlichen Kastanie in den Kanal eingewachsen waren und dessen Leistungsfähigkeit stark einschränkten. Deshalb kam es zu einem Rückstau im öffentlichen Kanalsystem und auf dem Grundstück der Klägerin zum Austritt von Wasser aus einem unterhalb der Rückstauebene gelegenen Bodenlauf in den Keller.

Die Klägerin macht geltend, durch den Rückstau des Wassers und die in dessen Folge eingetretene Überschwemmung in ihrem Keller sei ihr ein Schaden von 30.376,72 € entstanden, auf den sie sich allerdings wegen eigenen Mitverschuldens im Hinblick auf das Fehlen einer Rückstausicherung ein Drittel anrechnen lasse, so dass sie einen Betrag von 20.251,14 € verlangen könne.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 15.315,06 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Es hat gemeint, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Betreiberin des Kanals seien wegen der fehlenden Rückstausicherung ausgeschlossen. Als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem sich die Kastanie befinde, falle ihr keine Verkehrssicherungspflichtverletzung im Hinblick auf den Kanal zu Last, weil es keine konkreten Anhaltspunkte für das Eindringen von Baumwurzeln in die Kanalisation gegeben habe.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Schadensersatzbegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof wird sich unter anderem mit Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen Eigentümer von baumbestandenen Grundstücken Verkehrssicherungspflichten im Hinblick auf die Verwurzelung von Kanalisationen haben und gegebenenfalls welchen Inhalt diese Pflichten haben.

Vorinstanzen:

LG Braunschweig, Urteil vom 8. April 2016 – 7 O 2424/12

OLG Braunschweig, Urteil vom 16. November 2016 – 3 U 31/16

Verkündungstermin: 27. Juli 2017, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin11. Mai 2017)in Sachen I ZR 228/15 (Bundesgerichtshof zur Presseveröffentlichung von Buchbeiträgen eines Bundestagsabgeordneten)

Datum: 27.07.2017

Der Kläger ist seit dem Jahr 1994 Mitglied des Bundestags. Er ist Verfasser eines Manuskripts, in dem er für eine teilweise Entkriminalisierung gewaltfreier sexueller Handlungen Erwachsener mit Kindern eintrat und das im Jahr 1988 als Buchbeitrag erschienen ist. Im Mai 1988 beanstandete der Kläger gegenüber dem Herausgeber des Buchs, dieser habe ohne seine Zustimmung Änderungen bei den Überschriften vorgenommen, und forderte ihn auf, dies bei der Auslieferung des Buchs kenntlich zu machen. In den Folgejahren erklärte der Kläger auf kritische Resonanzen, der Her¬ausgeber habe die zentrale Aussage seines Beitrags eigenmächtig wegredigiert und ihn dadurch im Sinn verfälscht.

Im Jahr 2013 wurde in einem Archiv das Originalmanuskript des Klägers aufgefun-den und ihm wenige Tage vor der Bundestagswahl zur Verfügung gestellt. Der Klä-ger übermittelte das Manuskript an mehrere Zeitungsredaktionen als Beleg dafür, dass es seinerzeit für den Buchbeitrag verändert worden sei. Einer Veröffentlichung der Texte durch die Redaktionen stimmte er nicht zu. Außerdem stellte er auf seiner Internetseite das Manuskript und den Buchbeitrag mit dem Hinweis ein, er distanzie-re sich von dem Beitrag.

Vor der Bundestagswahl veröffentlichte die Beklagte in ihrem Internetportal einen Pressebericht, in dem die Ansicht vertreten wurde, der Kläger habe die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. Die Originaldokumente belegten, dass das Manuskript nahezu identisch mit dem Buchbeitrag und die zentrale Aussage des Klägers keineswegs im Sinn verfälscht worden sei. Die Internetnutzer konnten das Manuskript und den Buchbeitrag über einen elektronischen Verweis (Link) herunterladen.

Der Kläger sieht in der Veröffentlichung der Texte eine Verletzung seiner Urheber-rechte. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch ge-nommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Veröffentlichung der urheberrechtlich geschützten Texte des Klägers ohne seine Zustimmung sei auch unter Berücksichtigung der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG*) noch durch das gesetzliche Zitatrecht (§ 51 UrhG**) gerechtfertigt.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 17. Juni 2014 - 15 O 546/13
KG - Urteil vom 7. Oktober 2015 - 24 U 124/14

Karlsruhe, den 19. Dezember 2016

*§ 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche techni-sche Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

**§ 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines ver-öffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprach¬werk angeführt werden,
[…]

Verhandlungstermin am 25. Juli 2017 aufgehoben - in Sachen XI ZR 537/16 und XI ZR 540/16 (Kündigung durch Bausparkasse)

Datum: 25.07.2017

In den Verfahren XI ZR 537/16 und XI ZR 540/16 begehren die Kläger jeweils die Feststellung des Fortbestandes ihres Bausparvertrages.

Sachverhalt:

In dem Verfahren XI ZR 537/16 schloss der Kläger mit der beklagten Bausparkasse am 30. Juni 1998 einen Bausparvertrag im Tarif „… Dispo Plus“ über eine Bausparsumme von 50.000 DM (= 25.564,59 €) unter Einbeziehung der „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (Bausparbedingungen) D Plus“ (im Folgenden: ABB).

Mit derselben Bausparkasse schloss der Kläger in dem Verfahren XI ZR 540/16 am 7. Juni 1999
einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 150.000 DM (= 76.693,78 €) ebenfalls im Tarif „…Dispo plus“ unter Einbeziehung derselben ABB.

Die ABB sehen folgende Regelung über die Verzinsung des Bausparguthabens vor:

㤠3 Verzinsung des Sparguthabens
(1) Das Bausparguthaben wird mit 2 Prozent jährlich verzinst (Basiszins).
(2) Verzichtet der Bausparer bei Annahme der Zuteilung des Vertrages auf das Bauspardarlehen, erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens rückwirkend ab Vertragsbeginn wie folgt:

Voraussetzungen Gesamtverzinsung
Laufzeit und Guthaben
mindestens mindestens
3 Jahre 3.000 DM 3%
5 Jahre 5.000 DM 4%
7 Jahre 7.000 DM 5%

Die Gesamtverzinsung von 5 Prozent wird auch bei einer Kündigung nach 7 Jahren und einem Guthaben von 7.000 DM gewährt.
(3) Die Basiszinsen werden dem Bausparguthaben jeweils am Ende des Kalenderjahres gutgeschrieben. Sie werden nicht gesondert ausgezahlt. Die Differenz zur Gesamtverzinsung wird bei Auszahlung des gesamten Bausparguthabens fällig und dem Bausparkonto zu diesem Zeitpunkt gutgeschrieben.“

Ein Kündigungsrecht der Beklagten während der Ansparphase sehen die ABB nur für den – hier jeweils nicht einschlägigen Fall – des Zahlungsverzugs mit der Erbringung von sechs Regelsparbeiträgen über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten trotz einer schriftlichen Aufforderung zur Nachzahlung vor.

In den so bezeichneten „Erläuterungen zum neuen BauSparen“ der Beklagten zu dem Tarif „… Dispo plus“ heißt es ferner auszugsweise wie folgt:

„Sie haben mit Dispo plus das neue BauSparen gewählt. Dispo plus kann sich als Anlage- und Darlehnskonto dank seiner vielen Gestaltungsmöglichkeiten Ihrer individuellen Lebenssituation anpassen. Nach der von Ihnen erbrachten Sparleistung erhalten Sie ohne Gebühren ein zinsgünstiges Bauspardarlehen. Wenn Sie kein Darlehen in Anspruch nehmen möchten, können Sie von der attraktiven Guthabenverzinsung aus der Sparphase profitieren. Was immer Sie auch wählen: Nicht der Tarif allein, sondern Ihre Wünsche und Pläne sind entscheidend für den Verlauf des Bausparvertrages.

Dispo plus in der Sparphase
Mit ihren Sparzahlungen schaffen Sie die Grundlage für ein zinsgünstiges Darlehen. Auch wenn Sie Ihre Bauwünsche nicht realisieren, haben Sie mit Dispo plus die richtige Wahl getroffen: Je nach Spardauer und erreichtem Guthaben können Sie durch einen zusätzlichen Bonus am Ende der Sparphase bis zu 5% Guthabenzinsen erreichen.

Die Basisverzinsung des Bausparguthabens beträgt 2%
Die Gesamtverzinsung erhöht sich rückwirkend ab Vertragsbeginn bei Verzicht auf das
Bauspardarlehen
- nach 3 Jahren und 3.000 DM Guthaben auf 3%
- nach 5 Jahren und 5.000 DM Guthaben auf 4%
bei Verzicht auf das Bauspardarlehen oder bei Kündigung
- nach 7 Jahren und 7.000 DM Guthaben auf 5%
Die Guthabenverzinsung erfolgt taggenau.“

Die Zuteilungsreife des Bausparvertrages in dem Verfahren XI ZR 537/16 trat am 15. August 2011 ein. Der Kläger nahm die Zuteilung nicht an und besparte den Vertrag weiter. Am 23. April 2015 wies der Vertrag ein Bausparguthaben in Höhe von 23.991,49 € auf. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte die Beklagte unter Berufung auf § 488 Abs. 3 BGB* die Kündigung des Bausparvertrages zum 3. August 2015. Zur Begründung führte sie aus, dass unter Berücksichtigung des Bonusanspruches des Klägers aus § 3 Abs. 2 ABB, den die Beklagte zum Stichtag 31. Dezember 2014 mit 4.765,2 € bezifferte, die Bausparsumme erreicht und damit der Vertrag erfüllt sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

In dem Verfahren XI ZR 540/16 trat die Zuteilungsreife des Bausparvertrages am 4. Oktober 2005 ein. Der Kläger nahm die Zuteilung ebenfalls nicht an und besparte den Vertrag bis zum Jahr 2012 weiter. Am 23. April 2015 wies der Vertrag ein Bausparguthaben in Höhe von 65.857,41 € auf. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte die Beklagte unter Berufung auf § 488 Abs. 3 BGB die Kündigung des Bausparvertrages zum 3. August 2015. Auch in diesem Verfahren führte die Beklagte zur Begründung aus, dass unter Berücksichtigung des Bonusanspruches des Klägers aus § 3 Abs. 2 ABB, den sie zum Stichtag 31. Dezember 2014 mit 24.961,29 € bezifferte, die Bausparsumme erreicht und damit der Vertrag erfüllt sei.
Die Kläger sind der Ansicht, dass die Kündigungen unwirksam seien, weil der Beklagten kein Kündigungsrecht zugestanden habe. Sie haben jeweils die Feststellung begehrt, dass ihre Bausparverträge über den Kündigungszeitpunkt hinaus fortbestehen. Das Landgericht hat beide Klagen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Kläger der Klage in dem Verfahren XI ZR 537/16 in vollem Umfang und in dem Verfahren XI ZR 540/16 mit Ausnahme der als Nebenforderung geltend gemachten Rechtsanwaltskosten stattgegeben.

Zur Begründung seiner Entscheidungen hat das Oberlandesgericht in beiden Verfahren jeweils ausgeführt, dass die Beklagte den Vertrag nicht habe kündigen können.

Die Voraussetzungen für eine Kündigung der Bausparverträge gemäß § 488 Abs. 3 BGB lägen jeweils nicht vor. Zwar könne ein Bausparvertrag nach herrschender Meinung gemäß § 488 Abs. 3 BGB von der Bausparkasse gekündigt werden, wenn dieser bis zur Bausparsumme bespart sei, weil zu diesem Zeitpunkt der Zweck des Vertrages, ein Bauspardarlehen zu erlangen, nicht mehr erreicht werden könne. Eine Vollbesparung liege indes nicht vor. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe das Bausparguthaben sich auf 23.991,43 € bzw. auf 65.857,41 € belaufen, so dass bis zur vollständigen Ansparung der Bausparsummen jeweils noch ein wesentlicher Betrag gefehlt habe.

Den Bausparguthaben sei entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht der Anspruch auf den Bonuszins hinzuzurechnen. Nach den eindeutigen Bedingungen des Vertrages entstehe der Anspruch auf Zahlung des Bonuszinses erst, wenn der Bausparer einen Verzicht auf die Zuteilung oder aber bei einer Kündigung nach sieben Jahren ein Guthaben von 7.000 DM bestehe. Beides sei nicht der Fall, weil die Kläger jeweils weder einen Verzicht erklärt noch den Vertrag nach sieben Jahren gekündigt haben.

Darüber hinaus sei ein zentrales Argument der Beklagten für den Vertrieb des Bausparvertrages ausweislich der Erläuterungen zum Bausparvertrag Dispo plus nicht nur gewesen, ein zinsgünstiges Darlehen bereit zu stellen, sondern auch eine Geldanlage zu ermöglichen. Gerade vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass das Vorgehen der Beklagten für die Kläger jeweils ausschließlich vorteilhaft gewesen sei.

Die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB** hätten im Kündigungszeitpunkt ebenfalls nicht vorgelegen, weil die Beklagte in beiden Fällen weniger als zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife den Vertrag gekündigt habe. Auch die Voraussetzungen für eine Kündigung des Vertrages gemäß § 490 Abs. 3***, § 313 Abs. BGB**** oder gemäß § 490 Abs. 3, § 314 BGB***** seien jeweils nicht erfüllt.

Mit ihren – vom Oberlandesgericht zugelassenen – Revisionen begehrt die Beklagte in beiden Verfahren die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

XI ZR 537/16
LG Hannover – Urteil vom 16. November 2015 – 14 O 182/15
OLG Celle – Urteil vom 14. September 2016 – 3 U 207/15

Und

XI ZR 540/16
LG Hannover – Urteil vom 11. Februar 2016 – 3 O 265/15
OLG Celle – Urteil vom 14. September 2016 – 3 U 86/16

*§ 488 Abs. 3 BGB

Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag

(1) (…)
(2) (…)
(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.

**§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
1. (…)
2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2.) (…)
(3.) (…)
(4.) (…)
(5.) (…)

*** § 490 Abs. 3 BGB

Außerordentliches Kündigungsrecht

(1) (…)
(2) (…)
(3) Die Vorschriften der §§ 313 und 314 bleiben unberührt.

****§ 313 BGB

Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

*****314 BGB

Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.
(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.
(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

Verkündungstermin: 25. Juli 2017, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 13. Juni 2017), in Sachen XI ZR 260/15 (Kosten einer smsTAN)

Datum: 25.07.2017

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte, eine Sparkasse, führt in ihrem „Preisaushang“ unter anderem Folgendes aus:

„Privatkonten […]
[…]direktKonto (Kontoführung über Internet) mt. Pauschale 2,00 €“.

Auf ihrer Internetseite stellt die Beklagte das „Online-Banking“ unter Verwendung von „smsTAN“ vor. Dort heißt es auszugsweise:

„Online-Banking mit smsTAN
[…]
Jede smsTAN kostet nur 0,10 Euro, unabhängig vom Kontomodell.“

Der Kläger wendet sich mit der Unterlassungsklage nach §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG gegen die vorgenannte Preisregelung, wonach jede smsTAN, unabhängig vom Kontomodell 0,10 Euro kostet. Er ist der Ansicht, die beanstandete Klausel verstoße gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung in Verträgen über Zahlungsdienste mit Verbrauchern zu unterlassen.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die beanstandete Klausel unterliege gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB* nicht der Inhaltskontrolle. Bei der streitgegenständlichen Klausel handele es sich um die Bestimmung eines Entgelts für eine rechtlich nicht geregelte Dienstleistung der Bank für den Kunden und damit um eine kontrollfreie Preishauptabrede.

Eine gesetzliche Pflicht der Beklagten, ihren Kunden im Rahmen einer Zusatzvereinbarung zum Girovertrag das Online-Banking mit PIN und TAN als Zahlungsauthentifizierungsmitteln anzubieten, bestehe nicht. Es handele sich vielmehr um eine freiwillige Zusatzleistung im Interesse des Kunden. Im Rahmen der gesondert zu treffenden Abrede über das Online-Banking schließe die Bank mit ihren Kunden eine Vereinbarung über den Einsatz von Zahlungsauthentifizierungsmitteln. Hauptleistungspflichten dieses „Leistungspakets“ seien die Einrichtung bzw. Zurverfügungstellung des Online-Banking nebst PIN und TAN als Zahlungsauthentifizierungsverfahren. Der fakultative Charakter der Leistung einschließlich der gewählten Form der Übermittlung der TAN als personalisiertem Sicherheitsmerkmal folge auch aus der Formulierung in § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB**. Entscheide sich der Kunde für eine Übermittlung per SMS, könne die Bank diese Sonderleistung mit einem Entgelt bepreisen. Die Qualifizierung der smsTAN-Preisklausel als Preishauptabrede stehe auch im Einklang mit § 675f Abs. 4 BGB***. Danach werde dem Zahlungsdienstleister das Recht eingeräumt, für die Erbringung eines Zahlungsdienstes ein Entgelt mit dem Zahlungsdienstnutzer zu vereinbaren. Zahlungsdienst in diesem Sinne sei unter anderem die Ausgabe von Zahlungsauthentifizierungsmitteln. Die Beklagte bepreise hier einen Bestandteil des als Zahlungsauthentifizierungsinstrument anzusehenden Verfahrens als Hauptleistung, nämlich die Übermittlung der TAN per SMS als personalisiertem Sicherheitsmerkmal für die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs nach § 675j Abs. 1 BGB**. Dass § 675m Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB**** den Zahlungsdienstleister, der ein Zahlungsauthentifizierungsmittel ausgebe, zu dessen sicherer Übermittlung verpflichte, begründe nicht die Pflicht zur Erbringung der Hauptleistung als solcher.

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 17. Januar 2013 – 5 O 168/12
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 29. Mai 2015 – 10 U 35/13

*§ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

**§ 675j BGB

Zustimmung und Widerruf der Zustimmung

(1) Ein Zahlungsvorgang ist gegenüber dem Zahler nur wirksam, wenn er diesem zugestimmt hat (Autorisierung). Die Zustimmung kann entweder als Einwilligung oder, sofern zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister zuvor vereinbart, als Genehmigung erteilt werden. Art und Weise der Zustimmung sind zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister zu vereinbaren. Insbesondere kann vereinbart werden, dass die Zustimmung mittels eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt werden kann.
(2) …

***§ 675f BGB

Zahlungsdienstevertrag

(1) Durch einen Einzelzahlungsvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für die Person, die einen Zahlungsdienst als Zahler, Zahlungsempfänger oder in beiden Eigenschaften in Anspruch nimmt (Zahlungsdienstnutzer), einen Zahlungsvorgang auszuführen.
(2) Durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Ein Zahlungsdiensterahmenvertrag kann auch Bestandteil eines sonstigen Vertrags sein oder mit einem anderen Vertrag zusammenhängen.
(3) Zahlungsvorgang ist jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Zahlungsauftrag ist jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt.
(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
(5) In einem Zahlungsdiensterahmenvertrag zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Zahlungsdienstleister darf das Recht des Zahlungsempfängers, dem Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments eine Ermäßigung anzubieten, nicht ausgeschlossen werden.

****§ 675m BGB

Pflichten des Zahlungsdienstleisters in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente; Risiko der Versendung
(1) Der Zahlungsdienstleister, der ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument ausgibt, ist verpflichtet,
1.
unbeschadet der Pflichten des Zahlungsdienstnutzers gemäß § 675l sicherzustellen, dass die personalisierten Sicherheitsmerkmale des Zahlungsauthentifizierungsinstruments nur der zur Nutzung berechtigten Person zugänglich sind,

(2) …

Verhandlungstermin am 25. Juli 2017, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 71/16 (Reiseanzahlung von 40 %)

Datum: 25.07.2017

Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verlangt von der beklagten Reiseveranstalterin TUI Deutschland GmbH, es zu unterlassen, beim Abschluss bestimmter Pauschalreisen eine Reisebedingung zu verwenden, die eine Anzahlung in Höhe von 40 % des Reisepreises betrifft.

Das Landgericht hat der Beklagten die Verwendung der konkreten Klausel untersagt. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (Urteil vom 9. Dezember 2014 - X ZR 147/13, vgl. Pressemitteilung Nr. 183/2014). Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat die Beklagte die Berufung zum Teil zurückgenommen und die Klausel nur noch in folgender Fassung verteidigt:

„Bei Vertragsschluss wird bei Reisen der Marken X1-2-Fly und XTUI gegen Aushändigung der Bestätigung die Anzahlung in Höhe von 40 % des Gesamtpreises fällig“.

Das Oberlandesgericht hat die verbliebene Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Reisenden würden durch eine Anzahlung in Höhe von 40 % des Reisepreises unmittelbar bei Vertragsschluss unangemessen benachteiligt. Die Beklagte habe zwar für die in Rede stehenden Reisen die Vorleistungsquoten für die Geschäftsjahre 2013/14 und 2014/15 mit 47,1 % und 46 % berechnet, dabei aber aus Rechtsgründen nicht berücksichtigungsfähige Provisionszahlungen an Reisebüros einbezogen. Nach deren Abzug verblieben Vorleistungsquoten von 37,8 % und 36,6 %, die eine Anzahlung in der geforderten Höhe nicht rechtfertigen könnten. Zudem wiesen die Vorleistungen der Beklagten bei den Kosten für Flugbeförderung und Hotels eine zu große Spannbreite auf. Die für die Reisen der jeweiligen Marken gebildete durchschnittliche Vorleistungsquote sei daher nicht, wie vom Bundesgerichtshof verlangt, für die Gesamtheit dieser Reisen repräsentativ.

Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten.

LG Hannover – Urteil vom 30. Oktober 2012 – 18 O 129/12
OLG Celle – Urteil vom 23. Juni 2016 – 11 U 279/12

Verhandlungstermin am 19. Juli 2017, 10.00 Uhr - VIII ZR 278/16 (Nacherfüllungsverlangen unter Anforderung eines Transportkostenvorschusses, § 439 Abs. 1 BGB*)

Datum: 19.07.2017

Die in Schleswig-Holstein ansässige Klägerin kaufte von der Beklagten, die in Berlin einen Fahrzeughandel betreibt, einen gebrauchten Pkw Smart, den die Beklagte in einem Internetportal angeboten hatte.

Kurze Zeit nach Übergabe des Fahrzeugs wandte sich die Klägerin wegen eines nach ihrer Behauptung aufgetretenen Motordefekts an die Beklagte, um mit ihr die weitere Vorgehensweise zur Schadensbehebung im Rahmen der Gewährleistung zu klären. Nachdem eine Reaktion der Beklagten ausgeblieben war, forderte die Klägerin sie unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf. Hierauf bot die Beklagte telefonisch eine Nachbesserung an ihrem Sitz in Berlin an. Die Klägerin verlangte daraufhin unter Aufrechterhaltung der gesetzten Frist die Überweisung eines Transportkostenvorschusses von 280 € zwecks Transports des nach ihrer Behauptung nicht fahrbereiten Pkw nach Berlin beziehungsweise die Abholung des Fahrzeugs durch die Beklagte auf deren Kosten. Nachdem diese sich nicht gemeldet hatte, setzte die Klägerin ihr eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung und ließ, als die Beklagte hierauf wiederum nicht reagierte, die Reparatur des Pkw in einer Werkstatt bei Kassel durchführen.

Für ihr entstandene Reparatur-, Transport- und Reisekosten verlangt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 2.332,32 €. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Landgerichts scheitere der geltend gemachte Schadensersatzanspruch bereits an einem vorherigen wirksamen Nacherfüllungsverlangen (§ 439 Abs. 1 BGB*) der Klägerin. Denn ein solches müsse die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am rechten Ort für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Vorliegend hätte sich die Klägerin dementsprechend bereit erklären müssen, der Beklagten das Fahrzeug an deren Geschäftssitz in Berlin, dem Erfüllungsort der Nacherfüllung gemäß § 269 Abs. 1 BGB*, zu überlassen und dies nicht, wie geschehen, von der vorherigen Finanzierung oder Durchführung des Transports des Pkw durch die Beklagte abhängig machen dürfen.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Schadensersatzbegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Berlin-Pankow/Weißensee - Urteil vom 9. Dezember 2015 - 2 C 271/15
LG Berlin - Urteil vom 8. November 2016 - 88 S 14/16
Karlsruhe, den 11. Juli 2017

* § 439 BGB Nacherfüllung
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
[…]

** § 269 BGB Leistungsort
(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.
[…]

Verhandlungstermin am 13. Juli 2017, 11:00 Uhr - I ZR 193/16
(Bundesgerichtshof zum Beweisverwertungsverbot einer Auskunft beim Filesharing)

Datum: 13.07.2017

Die Klägerin macht geltend, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island" zu sein. Dieses Spiel sei über den der Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss in einer Tauschbörse im Internet zum Herunterladen angeboten worden. Die Beklagte unterhält einen von der Firma X AG angebotenen, über das Telefonnetz der Deutschen Telekom AG betriebenen Festnetzanschluss.

Die Klägerin hat nach einem unter Beteiligung der Deutschen Telekom AG als Netzbetreiberin durchgeführten Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG* von dieser die Auskunft erhalten, welche Benutzerkennung im fraglichen Zeitraum den IP-Adressen zugeordnet war, die die Klägerin im Zusammenhang mit dem beanstandeten Filesharingvorgang ermittelt hat. Die Netzbetreiberin hat weiter darüber Auskunft erteilt, dass diese Benutzerkennung dem Endkundenanbieter X AG zugeteilt war. Von der am Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht beteiligten X AG hat die Klägerin sodann Auskunft über Namen und Anschrift der Beklagten erhalten, die der vom Netzbetreiber mitgeteilten Benutzerkennung zugeordnet waren.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Abmahnkosten (859,80 €), Ermittlungskosten (19,80 €) und Schadensersatz (500 €).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht, weil die von der X AG erteilten Auskünfte einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, so dass nicht festgestellt werden könne, ob das behauptete Angebot zum Herunterladen über den Anschluss der Beklagten erfolgt sei. Seien Netzbetreiber und Endkundenanbieter nicht identisch, müsse am Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG der als Vertragspartner des Anschlussinhabers in Erscheinung tretende Endkundenanbieter beteiligt werden, weil dessen Auskunft über den Namen und die Anschrift, die der Benutzerkennung zugeordnet seien, nur unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgen könne und deshalb dem Richtervorbehalt des § 101 Abs. 9 UrhG unterliege. Weil die Auskunft der X AG im Streitfall nicht nach dieser Vorschrift gestattet worden sei, könnten ihre Auskünfte nicht verwertet werden.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die mit der Klage geltend gemachten Anträge weiter.

Vorinstanzen:

AG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 23. November 2015 - 3b C 323/15
LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 23. August 2016 - 6 S 149/15

Karlsruhe, den 11. Juli 2017

* § 101 UrhG: Anspruch auf Auskunft
(1) Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben.

(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß (…)

3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte (…)
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. (…) Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über

1. Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren (…).

(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. (…) Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.

(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Verhandlungstermin am 12. Juli 2017, 12.00 Uhr, in Sachen 1 StR 535/16 (Zur Frage eines Freispruchs von zwei Angeklagten vom Vorwurf des Betrugs im Zusammenhang mit der Abrechnung von laborärztlichen Leistungen)

Datum: 12.07.2017

Die Staatsanwaltschaft hat den beiden Angeklagten vorgeworfen, im Tatzeitraum zwischen 2004 und 2007 betrügerisch Abrechnungen von laborärztlichen Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen und diese dadurch um rund 79 Millionen Euro geschädigt zu haben. Nach dem Anklagevorwurf waren die Angeklagten vertretungsberechtigte Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens. Das Unternehmen bot u.a. die interdisziplinäre Beratung auf dem Gebiet der Laborrationalisierung, die Bereitstellung von medizinischen Laboreinrichtungen einschließlich Fach- und Wartungspersonal sowie die Systementwicklung im Laborbereich an. Es schloss mit mehreren, an verschiedenen Standorten angesiedelten Laborärzten Dienstleistungsverträge. Gegenüber den jeweils regional zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen traten die Betreiber der laborärztlichen Praxen als selbständige, niedergelassene Laborärzte auf und erklärten in ihren Abrechnungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen entweder ausdrücklich oder konkludent, die abgerechneten Leistungen – im sozialversicherungsrechtlichen Sinn – „in freier Praxis“ (vgl. § 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V, § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV) erbracht zu haben. Die Anklage geht jedoch davon aus, dass die Laborärzte tatsächlich aufgrund der Verträge mit dem von den Angeklagten geführten Unternehmen und der tatsächlichen Handhabung dieser vertraglichen Beziehungen in einem Abhängigkeitsverhältnis standen, mithin Arbeitnehmer des Dienstleistungsunternehmens waren. Dann aber durften die tatsächlich ausgeführten ärztlichen Leistungen nicht als „in freier Praxis“ erbracht abgerechnet werden.

Das Landgericht Augsburg hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von diesen Vorwürfen freigesprochen. Die Strafkammer hat sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gebildet, dass die jeweils betroffenen Laborärzte in einem ausreichenden Maße „frei“ im Sinne des Sozialversicherungsrechts waren. Da sie deshalb laborärztliche Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen durften, fehlte es nach der Überzeugung des Landgerichts bereits an für die Verwirklichung des Betrugstatbestands (§ 263 StGB) erforderlichen Täuschungshandlungen.

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Sie beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Vorinstanz:

LG Augsburg – Urteil vom 13. Januar 2016 – 9 KLs 501 Js 113815/08

Karlsruhe, 23. Juni 2017

§ 263 Abs. 1 StGB lautet:

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV (Zulassungsverordnung für Vertragsärzte) lautet:
Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Leistung persönlich in freier Praxis auszuüben.Die Staatsanwaltschaft hat den beiden Angeklagten vorgeworfen, im Tatzeitraum zwischen 2004 und 2007 betrügerisch Abrechnungen von laborärztlichen Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen und diese dadurch um rund 79 Millionen Euro geschädigt zu haben. Nach dem Anklagevorwurf waren die Angeklagten vertretungsberechtigte Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens. Das Unternehmen bot u.a. die interdisziplinäre Beratung auf dem Gebiet der Laborrationalisierung, die Bereitstellung von medizinischen Laboreinrichtungen einschließlich Fach- und Wartungspersonal sowie die Systementwicklung im Laborbereich an. Es schloss mit mehreren, an verschiedenen Standorten angesiedelten Laborärzten Dienstleistungsverträge. Gegenüber den jeweils regional zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen traten die Betreiber der laborärztlichen Praxen als selbständige, niedergelassene Laborärzte auf und erklärten in ihren Abrechnungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen entweder ausdrücklich oder konkludent, die abgerechneten Leistungen – im sozialversicherungsrechtlichen Sinn – „in freier Praxis“ (vgl. § 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V, § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV) erbracht zu haben. Die Anklage geht jedoch davon aus, dass die Laborärzte tatsächlich aufgrund der Verträge mit dem von den Angeklagten geführten Unternehmen und der tatsächlichen Handhabung dieser vertraglichen Beziehungen in einem Abhängigkeitsverhältnis standen, mithin Arbeitnehmer des Dienstleistungsunternehmens waren. Dann aber durften die tatsächlich ausgeführten ärztlichen Leistungen nicht als „in freier Praxis“ erbracht abgerechnet werden.

Das Landgericht Augsburg hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von diesen Vorwürfen freigesprochen. Die Strafkammer hat sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gebildet, dass die jeweils betroffenen Laborärzte in einem ausreichenden Maße „frei“ im Sinne des Sozialversicherungsrechts waren. Da sie deshalb laborärztliche Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen durften, fehlte es nach der Überzeugung des Landgerichts bereits an für die Verwirklichung des Betrugstatbestands (§ 263 StGB) erforderlichen Täuschungshandlungen.

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Sie beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Vorinstanz:

LG Augsburg – Urteil vom 13. Januar 2016 – 9 KLs 501 Js 113815/08

§ 263 Abs. 1 StGB lautet:

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV (Zulassungsverordnung für Vertragsärzte) lautet:
Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Leistung persönlich in freier Praxis auszuüben.

Verhandlungstermin am 12. Juli 2017, 9.30 Uhr in Sachen 5 StR 134/17 (Missbrauch einer widerstandsunfähigen 14-Jährigen

Datum: 12.07.2017

Das Landgericht hat vier Jugendliche und einen jungen Erwachsenen unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person bzw. Beihilfe hierzu und gefährlicher Körperverletzung bzw. unterlassener Hilfeleistung verurteilt und gegen die Jugendlichen zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafen, gegen den erwachsenen Täter eine Freiheitsstrafe von vier Jahre verhängt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts nahmen die vier angeklagten, teilweise alkoholisierten jungen Männer im Rahmen der Geburtstagsfeier eines der Angeklagten an einer stark alkoholisierten 14-Jährigen sexuelle Handlungen vor; mehrere von ihnen sowie eine mitangeklagte junge Frau filmten das Missbrauchsgeschehen mit ihren Mobiltelefonen. Anschließend schleiften drei der Angeklagten das kaum bekleidete Mädchen auf einem Betttuch in den Hinterhof des Mehrfamilienhauses, wo sie es bei einer Temperatur von etwa 0°C liegen ließen. Ein Bewohner des Hauses wurde schließlich auf das schreiende Opfer aufmerksam und verständigte die Polizei. Gegen dieses Urteil haben drei Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft Revisionen eingelegt. Diese beanstandet insbesondere, dass das Landgericht den Tatbestand der Aussetzung (§ 221 StGB) nicht geprüft habe, und rügt die Strafzumessung.

Über die Revisionen wird der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 12. Juli 2017 um 9.30 Uhr im Gebäude des Landgerichts Leipzig, Hartkortstr. 9, 04107 Leipzig, verhandeln und voraussichtlich entscheiden.

Vorinstanz:

Landgericht Hamburg - Urteil vom 20. Oktober 2016 – 627 KLs 12/16 jug.

Verhandlungstermin am 11. Juli 2017, um 10.00 Uhr, in Sachen X ZB 2/17 (vorläufiger Weitervertrieb eines HIV-Medikaments)

Datum: 11.07.2017

Der unter anderem für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat hat über einen Antrag auf vorläufige Gestattung zum Weitervertrieb eines Medikaments zur Behandlung von HIV-Infektionen zu entscheiden.

Die Klägerinnen, vier miteinander verbundende Pharmaunternehmen, vertreiben in Deutschland seit 2008 das Arzneimittel Isentress, das den Wirkstoff Raltegravir ent-hält und zur Behandlung von Infektionen mit dem Humanen Immundefizienzvirus (HIV) eingesetzt wird.

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteil-ten europäischen Patents 1 422 218 (Streitpatents), das ein antivirales Mittel betrifft. Das Streitpatent wurde am 8. August 2002 angemeldet und am 21. März 2012 erteilt. Das Europäische Patentamt hat das Streitpatent in einem Einspruchsverfahren in geänderter Fassung aufrechterhalten. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Ein-sprechenden ist noch anhängig.

Mit Schreiben vom 3. Juni 2014 machte die Beklagte gegenüber einer mit den Kläge-rinnen verbundenen Gesellschaft geltend, Isentress falle in den Schutzbereich des japanischen Patents 5 207 392, das zur Familie des Streitpatents gehöre. Nachfol-gende Verhandlungen über eine weltweite Lizenzvereinbarung blieben ohne Ergebnis.

Mit Schriftsatz vom 17. August 2015 hat die Beklagte die Klägerinnen vor dem Land-gericht Düsseldorf (4c O 48/15) wegen Verletzung des Streitpatents unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die beim Europäischen Patentamt anhängige Beschwerde ausgesetzt. Die gegen die Aussetzung eingelegte sofortige Beschwerde der Beklag-ten ist erfolglos geblieben.

Mit Klageschrift vom 5. Januar 2016 hat die Klägerin zu 1 die Beklagte auf Erteilung einer Zwangslizenz am Streitpatent gemäß § 24 Abs. 1* des Patentgesetzes (PatG) in Anspruch genommen. Die Klägerinnen zu 2 und 3 sind dem Verfahren später bei-getreten. Über die Klage ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2016 haben die Klägerinnen beantragt, ihnen die Benut-zung der geschützten Erfindung durch einstweilige Verfügung gemäß § 85 Abs. 1** PatG vorläufig zu gestatten.

Das Bundespatentgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den nicht auf einzelne Abgabeformen beschränkten Hauptantrag der Klägerinnen zurückgewiesen. Auf ihren Hilfsantrag hat es ihnen den Vertrieb von Isentress zur Behandlung von HIV-Infizierten und AIDS-Erkrankten in den vier bereits auf dem Markt befindlichen, im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Abgabeformen vor-läufig gestattet. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde, über die der Bundesgerichtshof nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden hat.

Vorinstanz:

Bundespatentgericht - Urteil vom 31. August 2016 - 3 LiQ 1/16 (EP)

Karlsruhe, den 29. Juni 2017

* § 24 Abs. 1 Patentgesetz
(1) Die nicht ausschließliche Befugnis zur gewerblichen Benutzung einer Erfindung wird durch das Patentgericht im Einzelfall nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften erteilt (Zwangslizenz), sofern
1. der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen, und
2. das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet.

** § 85 Abs. 1 Patentgesetz
(1) In dem Verfahren wegen Erteilung der Zwangslizenz kann dem Kläger auf seinen Antrag die Benutzung der Erfindung durch einstweilige Verfügung gestattet werden, wenn er glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 bis 6 vorliegen und dass die alsbaldige Erteilung der Erlaubnis im öffentlichen Interesse dringend geboten ist.

Verkündungstermin am 6. Juli 2017, 9.15 Uhr (vorher Verkündung: 22. Juni 2017) in Sachen 4 StR 415/16 (Revisionen der Staatsanwaltschaft im 2. Kölner „Raser-Fall“)

Datum: 06.07.2017

Der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Köln zu entscheiden, durch welches zwei Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. einem Jahr und neun Monaten verurteilt wurden. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es für die Wiedererteilung der den Angeklagten entzogenen Fahrerlaubnisse Sperrfristen von drei Jahren und sechs Monaten angeordnet. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Die damals 21 und 22 Jahre alten Angeklagten waren am 14. April 2015 gegen 18.45 Uhr mit zwei leistungsstarken Fahrzeugen (Motorleistungen 171 und 233 PS) auf dem Weg zu den Rheinterrassen in Köln-Deutz. Sie entschlossen sich unterwegs spontan zu einem Kräftemessen, bei dem sie sich gegenseitig ihre überlegene Fahrkunst und die Leistung ihrer Fahrzeuge demonstrieren wollten. Beide Angeklagten, die nicht alkoholisiert waren, fuhren eng hintereinander mit stark überhöhter Geschwindigkeit in Richtung der noch ca. 1200 bis 1500 Meter entfernten Rheinterrassen. Jeder wollte das Ziel als erster erreichen. Beim Durchfahren einer langgezogenen Linkskurve mit 95 km/h anstelle der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h verlor der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt voraus fuhr und vom Mitangeklagten bedrängt wurde, die Kontrolle über sein Fahrzeug. Sein Wagen kam von der Fahrbahn ab und erfasste eine auf dem angrenzenden Radweg fahrende 19-jährige Studentin, die wenig später ihren durch die Kollision erlittenen schweren Verletzungen erlag.

Die Angeklagten wenden sich mit ihren Revisionen gegen ihre Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Rechtsmitteln die Verurteilung beider Angeklagten zu höheren, nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafen.

Vorinstanz:
Landgericht Köln – Urteil vom 14. April 2016 - 117 KLs 19/15

Verhandlungstermin am 5. Juli 2017, 10.00 Uhr in Sachen VIII ZR 147/16 (Rückforderung der EEG-Vergütung wegen einer vom Betreiber einer Photovoltaikanlage nicht vorgenommenen Meldung der Anlage bei der Bundesnetzagentur)

Datum: 05.07.2017

Der Beklagte, ein Landwirt, betreibt auf seinem Grundstück in Schleswig-Holstein eine Photovoltaik-Dachanlage. Diese nahm er im Frühjahr 2012 in Betrieb und speiste sodann den damit erzeugten Strom in das Stromnetz der klagenden Netzbetreiberin ein.

Vor der Inbetriebnahme der Anlage hatte der Beklagte ein ihm von der Klägerin übersandtes Formblatt mit Angaben zu der Anlage ausgefüllt und unterzeichnet. Dieses Formblatt trägt die Überschrift "Verbindliche Erklärung zur Ermittlung der Förderfähigkeit und der maßgeblichen Vergütungshöhe für Strom aus Photovoltaikanlagen nach dem […] Erneuerbare-Energien-Gesetz-EEG". Die in dem Formblatt unter anderem gestellte Frage, ob der Standort und die Leistung der Photovoltaikanlage der Bundesnetzagentur gemeldet worden seien, bejahte der Beklagte. Weiter heißt es in dem Formblatt (unmittelbar über der Unterschrift des Beklagten): "Der Betreiber der Stromerzeugungsanlage versichert hiermit, dass die vorstehenden Angaben der Wahrheit entsprechen. […]. Sofern vorstehende Angaben des Betreibers der Stromerzeugungsanlage unzutreffend sein sollten, behält sich der Netzbetreiber eine verzinsliche Rückforderung gezahlter Einspeisevergütungen im entsprechenden Umfang vom Betreiber der Stromerzeugungsanlage vor."

In dem Zeitraum vom 7. Juni 2012 bis zum 5. November 2014 zahlte die Klägerin an den Beklagten eine Einspeisevergütung nach den Fördersätzen des EEG in Höhe von insgesamt 52.429,40 €. Im Herbst 2014 stellte die Klägerin fest, dass der Beklagte die vorbezeichnete Meldung der Anlage bei der Bundesnetzagentur nicht vorgenommen hatte. Am 6. November 2014 holte der Beklagte diese Meldung nach.

Aufgrund der bis dahin unterbliebenen Meldung korrigierte die Klägerin ihre Abrechnungen dahingehend, dass dem Beklagten für den Zeitraum vom 7. Juni 2012 bis zum 31. Juli 2014 gemäß dem für diesen Zeitraum anzuwendenden § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EEG 2012* nur ein Anspruch auf Vergütung des eingespeisten Stroms nach dem Marktwert und für den darauf folgenden Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 5. November 2014 nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EEG 2014*** gar keine Vergütung zustehe. Sie forderte von dem Beklagten daraufhin gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1, 3 EEG 2012** und § 57 Abs. 5 Satz 1, 3 EEG 2014**** die Rückzahlung der um den - rechnerisch unstreitigen - Marktwert von 6.890,85 € (für den erstgenannten Zeitraum) verringerten Einspeisevergütung, mithin einen Betrag von 45.538,55 €.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung dieses Betrages nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Der vorliegende Rechtsstreit gehört zu einer Serie ähnlich gelagerter Rückzahlungsklagen des Netzbetreibers, die - nach Zulassung der Revision durch die Berufungsgerichte -ebenfalls beim VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anhängig sind.

Vorinstanzen:

LG Itzehoe - Urteil vom 26. Oktober 2015 - 3 O 157/15
OLG Schleswig - Urteil vom 21. Juni 2016 - 3 U 108/15

Karlsruhe, den 30. Juni 2017

*§ 17 EEG 2012
(1) […]
(2) Der Vergütungsanspruch […] verringert sich auf den tatsächlichen Monatsmittelwert des energieträgerspezifischen Marktwerts […],
1. solange Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie […] die installierte Leistung der Anlage nicht übermittelt haben an
a) die Bundesnetzagentur mittels der von ihr bereitgestellten Formularvorgaben […]

**§ 35 EEG 2012
[…]
(4) 1Zahlt ein Übertragungsnetzbetreiber dem Netzbetreiber eine höhere als in den §§ 16 bis 18 vorgesehene Vergütung oder eine höhere als in den §§ 33g und 33i vorgesehene Prämie, ist er zur Rückforderung des Mehrbetrages verpflichtet. 2Der Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf des 31. Dezember des zweiten auf die Einspeisung folgenden Kalenderjahres; die Pflicht nach Satz 1 erlischt insoweit. 3Die Sätze 1 und 2 gelten im Verhältnis von aufnehmendem Netzbetreiber und Anlagenbetreiberin oder Anlagenbetreiber entsprechend, es sei denn, die Zahlungspflicht ergibt sich aus einer vertraglichen Vereinbarung. […]

***§ 25 EEG 2014
(1) 1Der anzulegende Wert […] verringert sich auf null,
1. solange Anlagenbetreiber die zur Registrierung der Anlage erforderlichen Angaben nicht nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 93 übermittelt haben,
[…]
****§ 57 EEG 2014
[…]
(5) 1Zahlt ein Übertragungsnetzbetreiber dem Netzbetreiber eine höhere als im Teil 3 vorgesehene finanzielle Förderung, muss er den Mehrbetrag zurückfordern. 2Der Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf des 31. Dezember des zweiten auf die Einspeisung folgenden Kalenderjahres; die Pflicht nach Satz 1 erlischt insoweit. 3Die Sätze 1 und 2 sind im Verhältnis von aufnehmendem Netzbetreiber und Anlagenbetreiber entsprechend anzuwenden, es sei denn, die Zahlungspflicht ergibt sich aus einer vertraglichen Vereinbarung. […]

Verhandlungstermin am 4. Juli 2017, 12.00 Uhr,
in den Sachen XI ZR 562/15, XI ZR 233/16 und XI ZR 436/16
(Bearbeitungsentgelte bei Unternehmerdarlehen)

Datum: 04.07.2017

XI ZR 562/15

Der Kläger nahm zur Finanzierung von Wohn- und Geschäftshäusern und Mehrfamilienhausanlagen in den Jahren 2009 und 2010 drei Darlehen bei der beklagten Bank auf. Dabei wurde jeweils eine Margenvereinbarung mit einer Laufzeit von etwa einem bzw. zwei Jahren und einer Zinsbindungsfrist von drei Monaten getroffen. Als Referenzzinssatz für die Dauer der Margenvereinbarung wurde der EURIBOR-Satz festgelegt. Im Anschluss sollten langfristige Konditionen vereinbart werden.

In allen drei Verträgen ist ein „Bearbeitungsentgelt für Vertragsschluss“ in Höhe von jeweils 10.000 € vorgesehen, dessen Rückzahlung der Kläger begehrt, weil er in dieser Klausel eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung sieht. Seine Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Bearbeitungsentgelte für gegeben erachtet. Die angegriffene Klausel stelle eine der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB* unterliegende Preisnebenabrede dar und sei auch gegenüber dem als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB** handelnden Kläger unwirksam. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Bearbeitungsentgelten bei Verbraucherdarlehen (Senatsurteile vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13, vgl. Pressemitteilung Nr. 80/2014) sei auch für solche Darlehen maßgeblich, die Unternehmern gewährt werden. Im Bereich der Unternehmensfinanzierung gebe es keine durchgreifenden Argumente, die ausnahmsweise die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts rechtfertigen könnten, zumal ein solches Entgelt auch für unternehmerisch tätige Kunden mit nicht unerheblichen finanziellen Nachteilen verbunden sei. Außerdem erfasse die Klausel nicht nur Großunternehmer, sondern auch Kleinunternehmer bzw. mittelständische Unternehmer, die sich in einer vergleichbaren Abhängigkeit wie ein Verbraucher befinden könnten. Der Rückzahlungsanspruch des Klägers sei auch nicht verjährt.

Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel der vollständigen Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

LG Hannover - Urteil vom 4. Juni 2015 - 3 O 354/14
OLG Celle - Urteil vom 2. Dezember 2015 - 3 U 113/15

und

XI ZR 233/16

Der Kläger ist als selbständiger Immobilienprojektentwickler tätig. Er schloss in den Jahren 2004 bis 2008 mehrere Darlehensverträge mit der beklagten Bank.

Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist eine Kreditvereinbarung aus dem Jahre 2005 mit einer Vertragslaufzeit von elf Monaten zum Zwecke des Ankaufs und Umbaus eines Wohn- und Geschäftshauses. In dem Vertrag verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger ein nicht revolvierendes Darlehen mit dem Höchstbetrag von 1.350.000 € zur Verfügung zu stellen, welches der Kläger nach Absprache mit der Beklagten während der Ankaufs- und Umbauphase als Kontokorrentkredit und nach Baufertigstellung in Form von Tranchen mit Laufzeiten von bis zu drei Monaten nutzen durfte. In dem Vertrag ist die Zahlung einer einmaligen, nicht laufzeitabhängigen Bearbeitungsgebühr in Höhe von 13.500 € vorgesehen, deren Rückzahlung der Kläger begehrt, weil die Klausel seiner Ansicht nach eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt.

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ist bei der Gewährung eines Darlehens an einen Unternehmer die Vereinbarung einer laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühr anders zu beurteilen als im Falle eines Verbraucherdarlehens. Denn diese vertragliche Gestaltung könne dem Unternehmer auch deutliche Vorteile eröffnen, weil ein Gewerbetreibender im Gegensatz zu einem Verbraucher die Bearbeitungsgebühr typischerweise im Jahr der Finanzierung als Werbungskosten von seinen Einkünften abziehen könne. Gerade in wirtschaftlich ertragreichen Jahren könne sich aus Unternehmersicht die Vereinbarung einer abzugsfähigen Gebühr als sinnvoll darstellen, da sich der Werbungskostenabzug sofort auf die Steuerlast auswirke und jedenfalls liquiditätsschonend wirke. Da die angegriffene Klausel daher typischerweise auch einem wesentlichen Interesse des unternehmerisch tätigen Darlehensnehmers entspreche, führe sie zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Klägers.

Mit seiner von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 1. Dezember 2015 - 328 O 474/14
Hanseatisches OLG in Hamburg - Urteil vom 27. April 2016 - 13 U 2/16

und

XI ZR 436/16

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin schloss mit der beklagten Bank in den Jahren 2009 und 2011 vier langfristige Annuitätenkreditverträge, die alle eine Regelung über eine einmalige Bearbeitungsgebühr enthalten.

Bei der Auszahlung der Darlehensvaluta an die Schuldnerin wurde die Gebühr jeweils vom Kreditbetrag einbehalten. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung in Höhe der einbehaltenen Gebühren in Höhe von insgesamt 33.640 € in Anspruch, weil die Klausel seiner Ansicht nach eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt. Seine Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Da die Schuldnerin die Verträge als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB geschlossen habe, seien die Besonderheiten des unternehmerischen Geschäftsverkehrs zu beachten. Dort fänden Preisklauseln aller Art breite Verwendung. Diese Klauseln lägen im ureigenen Verantwortungs- und Gestaltungsbereich der Unternehmen, nämlich im Bereich der Preisfindung und -gestaltung. Es sei in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Aufgabe des Unternehmers, selbstverantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob weitere Vertragskosten mit seiner betriebswirtschaftlichen Kalkulation zu vereinbaren sind. Hingegen sei es nicht Aufgabe der Gerichte, die unternehmerische Entscheidung für den Abschluss eines Vertrages daraufhin zu überprüfen, ob die damit verbundenen Kosten zu Gunsten des einen Unternehmers und zu Lasten des anderen zu korrigieren sind.

Mit seiner von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Dresden - Urteil vom 28. Dezember 2015 - 9 O 824/15
OLG Dresden - Urteil vom 3. August 2016 - 5 U 138/16

*§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

**§ 14 BGB Unternehmer

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) …

Verhandlungstermin am 29. Juni 2017, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 9/16 (Bundesgerichtshof zu den Voraussetzungen eines Vorbenutzungsrechts im Designrecht)

Datum: 29.06.2017

Die Klägerin ist Inhaberin eines eingetragenen Designs (Klagedesign), das ein Bett-gestell zeigt. Das Klagedesign ist am 15. Juli 2002 angemeldet und am 25. November 2002 in das Register beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen worden. Während des Berufungsverfahrens ist für das Klagedesign im Register die Priorität der Ausstellung auf der Internationalen Möbelmesse in Köln am 14. Januar 2002 veröffentlicht worden.

Die Beklagte gehört dem IKEA-Konzern an. Sie ist für die Organisation und Beliefe-rung der IKEA-Filialen in Deutschland zuständig. Seit dem Jahr 2003 vertreibt sie unter der Bezeichnung "MALM" ein Bettgestell, das mit dem im Klagedesign gezeig-ten Bettgestell weitgehend übereinstimmt. Bereits im August 2002 hatte sie unter der Bezeichnung "BERGEN" ein Bettgestell mit einem geringfügig höheren Kopfteil be-worben.

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb des Bettgestells "MALM" eine Verletzung ihres Klagedesigns. Sie hat die Beklagte auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Scha-densersatzpflicht begehrt.

Die Beklagte hat behauptet, die IKEA of Sweden AB habe von September bis De-zember 2001 das Bettgestell "BERGEN" für den weltweiten Vertrieb entwickelt und konstruiert. Es sei ab Ende März 2002 an die IKEA-Filialen in Deutschland ausgelie-fert worden. Sie hat die Klägerin im Wege der Widerklage auf Ersatz von Rechtsan-waltskosten für die Abwehr der Abmahnung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne der Beklagten den Vertrieb des Bettgestells "MALM" nicht untersagen, selbst wenn dem Klagedesign eine Priorität vom 14. Januar 2002 zu-komme. Die IKEA of Sweden AB habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme be-reits vor dem 14. Januar 2002 Anstalten zum Vertrieb des Vorgängermodells "BERGEN" auch in Deutschland getroffen, ohne das Klagedesign gekannt zu haben. Dadurch habe sie ein Vorbenutzungsrecht nach § 41 Abs. 1 GeschmMG* (jetzt § 41 Abs. 1 DesignG**) erlangt, das sich auf den Vertrieb des Bettgestells "MALM" über die Beklagte erstrecke.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof teilweise zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge im zugelassenen Umfang weiter.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 26. Juli 2013 - 34 O 121/12
OLG Düsseldorf - Urteil vom 15. Dezember 2015 - I-20 U 189/13 (GRUR-RS 2016, 17791)

*§ 41 Abs. 1 GeschmMG lautet:

Rechte […] können gegenüber einem Dritten, der vor dem Anmeldetag im Inland ein identisches Muster, das unabhängig von einem eingetragenen Geschmacksmuster entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen hat, nicht geltend gemacht werden. Der Dritte ist berechtigt, das Muster zu verwerten. […]

**§ 41 Abs. 1 DesignG lautet:

Rechte […] können gegenüber einem Dritten, der vor dem Anmeldetag im Inland ein identisches Design, das unabhängig von einem eingetragenen Design entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen hat, nicht geltend gemacht werden. Der Dritte ist berechtigt, das De-sign zu verwerten. […]

Verhandlungstermin am 28. Juni 2017, 10.00 Uhr, in Sachen 5 StR 20/16 (Freispruch eines Transplantationsmediziners vom Vorwurf des versuchten Totschlags)

Datum: 28.06.2017

Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, im Zuge von in den Jahren 2010 und 2011 durchgeführten Lebertransplantationen durch Verletzung der Regeln zur Organverteilung versuchten Totschlag in elf Fällen und aufgrund nicht gegebener medizinischer Indikation Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen begangen zu haben. Nach Beschränkung ihres Rechtsmittels beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, dass der Angeklagte vom Vorwurf des versuchten Totschlages in acht Fällen freigesprochen worden ist.

Über diese Revision wird der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 28. Juni 2017 um 10 Uhr im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig verhandeln und entscheiden.

Vorinstanz:

Landgericht Göttingen - Urteil vom 6. Mai 2015 – 6 Ks 4/13

Fall der Entführung und Ermordung zweier Jungen in Potsdam und Berlin:Revision des Angeklagten verworfen.Verhandlungstermin über die Revision der Staatsanwaltschaft am
28. Juni 2017, 12.00 Uhr im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts in LeipzigAktenzeichen: 5 StR 8/17

Datum: 28.06.2017

Das Landgericht Potsdam hat den heute 33-jährigen Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung mit Todesfolge und Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und Vergewaltigung, im anderen Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte am 8. Juli 2015 in Potsdam einen sechsjährigen Jungen entführt, vergewaltigt und dann erstickt. Die Leiche vergrub er in seinem Gartengrundstück in Luckenwalde. Am 1. Oktober 2015 entführte er auf dem Gelände des Landesamts für Gesundheit und Soziales („LaGeSo“) in Berlin-Moabit den vierjährigen Sohn einer bosnischen Asylbewerberin. Er verbrachte ihn in seine Wohnung, missbrauchte ihn sexuell und tötete ihn durch Erwürgen.

Seine Verurteilung hat der Angeklagte mit der Revision angegriffen, wobei er das Verfahren beanstandete und die Verletzung sachlichen Recht geltend machte. Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Rechtsmittel entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts mit Beschluss vom 25. April 2017 als offensichtlich unbegründet verworfen. Das Urteil ist damit in Bezug auf die Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe rechtskräftig.

Gegen das Urteil richtet sich jedoch eine Revision der Staatsanwaltschaft, soweit das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat. Über diese Revision wird der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 28. Juni 2017 um 12 Uhr im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig verhandeln und entscheiden.

Vorinstanz:
Landgericht Potsdam – Urteil vom 26. Juli 2016 – 21 Ks 2/16

Verhandlungstermin am 28. Juni 2017, 9.15 Uhr, in Sachen 2 StR 178/16 (zur Frage der Zulässigkeit der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung neben der Verhängung einer lebenslangen
Gesamtfreiheitsstrafe)

Datum: 28.06.2017

Das Landgericht Köln hat den Angeklagten wegen zahlreicher Sexualdelikte und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Zusätzlich hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte am 10. Dezember 2014 das 18-jährige Tatopfer, das ihn wegen jahrelangen sexuellen Missbrauchs angezeigt hatte, von der Staumauer der Brucher Talsperre gestoßen, um die gegen ihn laufenden polizeilichen Ermittlungen zu beenden. Bei der Tat, mit der ein Selbstmord vorgetäuscht werden sollte, wurde das Tatopfer lebensgefährlich verletzt.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er macht insbesondere geltend, die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sei neben der lebenslangen Freiheitsstrafe unverhältnismäßig.

Vorinstanz:

LG Köln – Urteil vom 3. Dezember 2015 – 111 Ks 6/15 – 90 Js 56/14

Verhandlungstermin am 22. Juni 2017, 10.00 Uhr, in Sachen
VII ZR 36/14 (Silikonbrustimplantate)

Datum: 22.06.2017

Die in Deutschland wohnende Klägerin ließ sich 2008 in Deutschland Silikonbrustimplantate einsetzen, die von einem in Frankreich ansässigen Unternehmen hergestellt worden waren. Die Silikonbrustimplantate sind Medizinprodukte, die nach § 6 Abs. 1, Abs. 2, § 7 Abs. 1 Medizinproduktegesetz* nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die Voraussetzungen der EG-Konformitätserklärung nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG erfüllt sind. Voraussetzung dafür ist u.a., dass eine "benannte Stelle" das zu installierende Qualitätssicherungssystem und die Produktauslegung förmlich prüft und die Einhaltung der in der Richtlinie vorgegebenen Standards bescheinigt. Zudem hat die "benannte Stelle" regelmäßig die erforderlichen Prüfungen und Bewertungen durchzuführen, um die Umsetzung des genehmigten Qualitätssicherungssystems zu überprüfen.

Das in Frankreich ansässige Unternehmen beauftragte die Beklagte TÜV Rheinland LGA Products GmbH als "benannte Stelle" mit der Prüfung und Überwachung ihres Qualitätssicherungssystems und der Produktauslegung.

2010 stellte die zuständige französische Behörde fest, dass nicht das vorgesehene Silikon, sondern Industriesilikon für die Implantate verwendet wurde. Auf ärztlichen Ratschlag ließ sich die Klägerin daraufhin 2012 ihre Implantate entfernen.

Auf dieser Grundlage macht die Klägerin gegen die Beklagte ein Schmerzensgeld von mindestens 40.000 € und die Feststellung des Ersatzes materieller Zukunftsschäden geltend.

Die Beklagte habe als "benannte Stelle" ihre Prüf- und Überwachungspflichten aus dem mit der Herstellerin der Implantate geschlossenen Vertrag verletzt. Sie, die Klägerin, sei in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen. Es bestehe deshalb ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte u.a. aus dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Der u.a. für die Haftung von Sachverständigen zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte dem Gerichtshof der Europäischen Union die Fragen zur Auslegung der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte** vorgelegt, ob sich aus den genannten Nummern des Anhangs II der Richtlinie 93/42/EWG ergibt, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht obliegt und dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Pflicht obliegt, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen (vgl. Pressemitteilung vom 9. April 2015).

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union am 16. Februar 2017 (Rechtssache C-219/15) durch Urteil entschieden hat (vgl. Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union Nr. 14/17 vom 16. Februar 2017), ist die Sache nunmehr wieder beim Bundesgerichtshof anhängig, dort mündlich zu verhandeln und zu entscheiden.

Vorinstanzen:

LG Frankenthal – Urteil vom 14. März 2013 – 6 O 304/12
OLG Zweibrücken – Urteil vom 30. Januar 2014 – 4 U 66/13

* Medizinproduktegesetz:

§ 6 Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme
(1) Medizinprodukte, mit Ausnahme von Sonderanfertigungen, Medizinprodukten aus Eigenherstellung, Medizinprodukten gemäß § 11 Abs. 1 sowie Medizinprodukten, die zur klinischen Prüfung oder In-vitro-Diagnostika, die für Leistungsbewertungszwecke bestimmt sind, dürfen in Deutschland nur in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes 3 Satz 1 versehen sind. Über die Beschaffenheitsanforderungen hinausgehende Bestimmungen, die das Betreiben oder das Anwenden von Medizinprodukten betreffen, bleiben unberührt.
(2) Mit der CE-Kennzeichnung dürfen Medizinprodukte nur versehen werden, wenn die Grundlegenden Anforderungen nach § 7, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind, erfüllt sind und ein für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 37 Abs. 1 durchgeführt worden ist. Zwischenprodukte, die vom Hersteller spezifisch als Bestandteil für Sonderanfertigungen bestimmt sind, dürfen mit der CE-Kennzeichnung versehen werden, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt sind. Hat der Hersteller seinen Sitz nicht im Europäischen Wirtschaftsraum, so darf das Medizinprodukt zusätzlich zu Satz 1 nur mit der CE-Kennzeichnung versehen werden, wenn der Hersteller einen einzigen für das jeweilige Medizinprodukt verantwortlichen Bevollmächtigten im Europäischen Wirtschaftsraum benannt hat.
…..

§ 7 Grundlegende Anforderungen

(1) Die Grundlegenden Anforderungen sind für aktive implantierbare Medizinprodukte die Anforderungen des Anhangs 1 der Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte (ABl. L 189 vom 20.7.1990, S. 17), die zuletzt durch Artikel 1 der Richtlinie 2007/47/EG (ABl. L 247 vom 21.9.2007, S. 21) geändert worden ist, für In-vitro-Diagnostika die Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 98/79/EG und für die sonstigen Medizinprodukte die Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169 vom 12.7.1993, S. 1), die zuletzt durch Artikel 2 der Richtlinie 2007/47/EG (ABl. L 247 vom 21.9.2007, S. 21) geändert worden ist, in den jeweils geltenden Fassungen.

** Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte

5.3. Die benannte Stelle führt regelmäßig die erforderlichen Inspektionen und Bewertungen durch, um sich davon zu überzeugen, dass der Hersteller das genehmigte Qualitätssicherungssystem anwendet, und übermittelt dem Hersteller einen Bewertungsbericht.
5.4. Darüber hinaus kann die benannte Stelle unangemeldete Besichtigungen beim Hersteller durchführen. Dabei kann die benannte Stelle erforderlichenfalls Prüfungen zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Funktionierens des Qualitätssicherungssystems durchführen oder durchführen lassen. Die benannte Stelle stellt dem Hersteller einen Bericht über die Besichtigung und gegebenenfalls über die vorgenommenen Prüfungen zur Verfügung.

Verhandlungstermin am 14. Juni 2017, 10.00 Uhr, in Sachen IV ZR 141/16 (Versicherungsschutz für Eizellspende)

Datum: 14.06.2017

Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich mit dem Versicherungsschutz in der privaten Krankheitskostenversicherung für eine im Ausland vorgenommene künstliche Befruchtung mittels Eizellspende befassen.

Die Klägerin war kinderlos. Im Jahr 2012 begab sie sich in die Tschechische Republik zu einem Zentrum für In-vitro-Fertilisation (IVF). Dort wurden mehrere Versuche einer Eizellspende mit IVF-Behandlung sowie verlängerter Embryokultivierung (Blastozystentransfer) durchgeführt. Den Spenderinnen wurden jeweils Eizellen entnommen, von denen jeweils einige durch den Partner der Klägerin befruchtet wurden. Der letzte Versuch war erfolgreich, führte zu einer Schwangerschaft der Klägerin und schließlich zur Entbindung.

Im Anschluss an die Behandlungen wurden der Klägerin rund 11.000 € berechnet, deren Erstattung sie mit der Klage begehrt. Sie macht u.a. geltend, nach den vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen seien auch Behandlungen im europäischen Ausland versichert; die Behandlung sei in der Tschechischen Republik erlaubt, weshalb die Versagung der Kostenerstattung die europäische Dienstleistungsfreiheit verletze. Der beklagte private Krankenversicherer stützt die Ablehnung der Kostenerstattung u.a. darauf, dass die Behandlung mit gespendeten Eizellen keine bedingungsgemäße Heilbehandlung und in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz verboten sei.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG München I – Urteil vom 24. November 2015 – 23 O 14874/14
OLG München – Urteil vom 13. Mai 2016 – 25 U 4688/15

Verkündungstermin am 2. Juni 2017, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin 7. April 2017), in Sachen V ZR 196/16 (Grenzüberschreitende Wärmedämmung der Außenwand eines Gebäudes)

Datum: 02.06.2017

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Klage einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die die grenzüberschreitende Dämmung der Außenwand des zu ihrer Wohnanlage gehörenden Mehrfamilienhauses fertigstellen möchte und von ihrem Nachbarn verlangt, das zu dulden.

Die Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Berlin. Das Grundstück des Beklagten ist mit einem Reihenendhaus bebaut, das an der Grenze zum Grundstück der Wohnungseigentümer steht. An dieses Gebäude hatte eine Bauträgergesellschaft 2004/2005 das heute den Wohnungseigentümern gehörende Mehrfamilienhaus angebaut. Die Giebelwände der Gebäude decken sich nicht vollständig, vielmehr steht diejenige des Mehrfamilienhauses entlang der Grundstücksgrenze 1,61 Meter vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte die Bauträgergesellschaft im August 2005 Dämmmaterial an, das sieben Zentimeter in das Grundstück des Beklagten hineinragt und unverputzt und nicht gestrichen ist. Die Klägerin möchte nun Putz und Anstrich mit einer Stärke von maximal 0,5 Zentimeter anbringen. Sie nimmt, u.a. gestützt auf § 16a Abs. 1 und 3 Berliner Nachbarrechtsgesetz (NachbG Bln), den Beklagten auf Duldung in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Der u.a. für Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat wird voraussichtlich die Frage zu klären haben, unter welchen Voraussetzungen es sich bei einem zu dämmenden Gebäude um ein bestehendes Gebäude im Sinne von § 16a Abs. 1 NachbG Bln handelt, mit der Folge, dass der benachbarte Eigentümer die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung dulden muss.

Vorinstanzen:

AG Köpenick - Urteil vom 17. Januar 2014 - 12 C 94/13
LG Berlin - Urteil vom 6. Juli 2016 - 85 S 68/14

Karlsruhe, den 22. März 2017

* § 16a NachbG Bln Wärmeschutzüberbau der Grenzwand

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.
[…]
(3) Der Begünstigte des Wärmeschutzüberbaus muss die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand erhalten. Er ist zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet.

Verhandlungstermin: 2. Juni 2017, 9.00 Uhr, in Sachen V ZR 230/16 (Heckenhöhe bei Grundstücken in Hanglage)

Datum: 02.06.2017

Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke in Hanglage in Bayern. Das Grundstück des Klägers liegt höher als das der Beklagten. Zwischen den Grundstücken befindet sich eine ca. 1 m bis 1,25 m hohe Geländestufe, an der eine Mauer verläuft. Auf dem Grundstück der Beklagten steht entlang der Geländestufe eine 6 m hohe Thujenhecke. Sie wurde zuletzt 2009 oder 2010 auf eine Höhe von mehr als 2 m geschnitten. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Hecke zweimal jährlich auf eine Höhe von 2 m, gemessen ab dem oberen Ende der zwischen den Grundstücken der Parteien gelegenen Mauer, zurückzuschneiden. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht ihr stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Klageabweisung erreichen.

Der u.a. für Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat wird voraussichtlich die Frage zu klären haben, ob bei Grundstücken in Hanglage die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften (hier: Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB) zulässige Wuchshöhe der im Grenzbereich befindlichen Bepflanzung von dem Bodenniveau, auf dem die Pflanzen stehen, oder von dem (höheren bzw. niedrigeren) Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen ist.

Vorinstanzen:

AG Hersbruck - Urteil vom 14. Januar 2016 - 11 C 750/15
LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 25. August 2016 - 5 S 1274/16

Karlsruhe, den 23. Mai 2017

* Art. 47 BayAGBGB

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück nicht Bäume, Sträucher oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden.

[…]

* Art. 52 BayAGBGB

(1) … Der Anspruch auf Beseitigung eines die Art. 47 bis 50 und 51 Abs. 1 und 2 verletzenden Zustands verjährt in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem
1.
der Anspruch entstanden ist, und
2.
der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

[…]

Verkündungstermin am 1. Juni 2017, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 139/15 (Verhandlung 9. Februar 2017) (Bundesgerichtshof zum Urheberrechtsschutz von militärischen Lageberichten der Bundesregierung)

Datum: 01.06.2017

Die Klägerin ist die Bundesrepublik Deutschland. Sie lässt wöchentlich einen militäri-schen Lagebericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die dortigen Ent-wicklungen erstellen. Die Berichte werden von der Klägerin unter der Bezeichnung „Unterrichtung des Parlaments“ (im Folgenden: UdP) an ausgewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags, an Referate im Bundesministerium der Verteidigung und in anderen Bundesministerien sowie an dem Bundesministerium der Verteidigung nachgeordnete Dienststellen übersandt. Die UdP werden als Verschlusssache „VS - nur für den Dienstgebrauch“, die niedrigste der gesetzlich vorgesehenen vier Geheimhaltungsstufen, eingestuft. Daneben veröffentlicht die Klägerin inhaltlich gekürzte Fassungen der UdP.

Die Beklagte, ein Medienunternehmen, beantragte im September 2012 die Einsicht-nahme in näher bezeichnete UdP. Der Antrag wurde unter Hinweis auf die Sicher-heitsrelevanz des Materials abgelehnt. In der Folgezeit gelangte die Beklagte auf un-bekanntem Weg an die UdP aus den Jahren 2005 bis 2012 und veröffentlichte sie in einem Onlineportal.

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Urheberrechte an den UdP. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte kei¬nen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die veröffentlichten UdP stellten trotz der darin enthaltenen Sachinformationen urheberrechtsschutzfähige Sprachwerke dar, die gegen eine identische Übernahme geschützt seien. Da die UdP nicht in eine eigene Berichterstattung der Beklagten eingebettet seien, sei ihre Veröffentlichung weder unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG*) noch durch das gesetzliche Zitatrecht (§ 51 UrhG**) gerechtfertigt. Soweit ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bestehe, müsse dieses hinter den Geheimhaltungsinteressen der Klägerin zurücktreten.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

*§ 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche techni-sche Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

**§ 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines ver-öffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprach-werk angeführt werden,
[…]

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 2. Oktober 2014 - 14 O 333/13, GRUR-RR 2015, 55 = ZUM 2015, 419
OLG Köln - Urteil vom 12. Juni 2015 - 6 U 5/15, GRUR-RR 2016, 59 = ZUM-RD 2015, 515

Verkündungstermin am 1. Juni 2017, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin am 16. März 2017), in Sachen I ZR 115/16 (Bundesgerichtshof zum Tonträger-Sampling)

Datum: 01.06.2017

Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf zwei im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern eingespielt hat. Der Titel ist der Stilrichtung des Hip-Hop zuzuordnen. Zur Herstellung der beiden Titelversionen hatten die Beklagten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" unterlegt, wobei die Sequenz in einer um 5% verlangsamten Geschwindigkeit fortlaufend wiederholt wird ("Loop").

Die Kläger sehen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte kei¬nen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Er hat angenommen, die Beklagten hätten durch das Sampling in das Tonträgerrecht der Kläger eingegriffen. Sie könnten sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG*) berufen, weil es ihnen möglich sei, die aus dem Musikstück "Metall auf Metall" entnommene Sequenz selbst einzuspielen. Aus der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit lasse sich kein Recht ableiten, die Tonaufnah¬me ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen (vgl. Pressemitteilung Nr. 210/2012 vom 13. Dezember 2012).

Das Bundesverfassungsgericht hat das Revisions- und das Berufungsurteil aufge-hoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Es hat angenom-men, die Entscheidungen griffen in das Grundrecht der Beklagten auf künstlerische Betätigung (Art. 5 Abs. 3 GG) ein. Der Eingriff in die Kunstfreiheit sei durch das Ton-trägerrecht der Hersteller verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, weil diese bei der lizenzfreien Übernahme kleinster Rhythmussequenzen keine erheblichen wirtschaftli-chen Nachteile erlitten und in ihr grundrechtlich geschütztes Eigentum nur geringfü¬gig eingegriffen werde.

Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 8. Oktober 2004 - 308 O 90/99, BeckRS 2013, 07726
OLG Hamburg - Urteil vom 17. August 2011 - 5 U 48/05, GRUR-RR 2011, 396 = ZUM 2011, 748
BGH - Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804 - Metall auf Metall II
BVerfG - Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13, GRUR 2016, 690 = WRP 2016, 822

*§ 24 Abs. 1 UrhG lautet:

Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaf¬fen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

Verhandlungstermin am 31. Mai 2017, 9.15 Uhr, in Sachen 2 StR 489/16 (Verurteilung eines Radiomoderators der „Ostseewelle“ u.a. wegen Betrugs)

Datum: 31.05.2017

Das Landgericht Rostock hat einen ehemaligen Moderator des Radiosenders „Ostseewelle“ wegen Betruges in neun Fällen und Bankrotts unter Einbeziehung früherer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Er hatte nach den Urteilsfeststellungen gemeinsam mit einem Mittäter als Moderator der „Morgenshow“ des Senders ein Gewinnspiel dahingehend manipuliert, dass vorher von ihm ausgewählte und über die Lösung unterrichtete Anrufer den Gewinn erhielten. Diese gaben den größten Teil des Gewinns an den Angeklagten weiter.
Über die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil verhandelt der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 31. Mai 2017 um 09.15 Uhr.

Vorinstanz:

Landgericht Rostock - Urteil vom 27. April 2017 – 18 KLs 94/13

Termin: noch nicht terminiert (Verhandlungstermin vom 6. April 2017 in Sachen III ZR 60/16 (Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach einem Badeunfall) aufgehoben).

Datum: 21.05.2017

Die beklagte Gemeinde betreibt ein Naturschwimmbad, dessen Sprungbereich von dem Schwimmerbereich durch Bojen abgegrenzt ist. Diese sind mit Seilen auf dem Seeboden verankert. Die Klägerin, ein seinerzeit zwölfjähriges Kind, verfing sich aus ungeklärten Umständen beim Tauchen in einem der Befestigungsseile, wodurch es unter Wasser hängen blieb. Nachdem eine der zur Badeaufsicht eingesetzten Personen das hierdurch bedingte Absinken der Boje bemerkt hatte, bat sie zunächst einen Jugendlichen, dort nachzuschauen. Erst nachdem dieser zurückgekehrt war und berichtet hatte, dass dort etwas Merkwürdiges sei, begab sich die zweite zur Badeaufsicht eingesetzte Person in das Wasser und holte die Klägerin an Land, wo sie reanimiert wurde. Aufgrund des Sauerstoffentzugs erlitt die Klägerin massive, irreparable Hirnschädigungen und ist nunmehr schwerstbehindert. Die durch ihre Eltern vertretene Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sie ist der Ansicht, die Befestigung der Bojen mithilfe von flexiblen Seilen sei pflichtwidrig. Außerdem habe die Badeaufsicht zu langsam reagiert. Durch rechtzeitiges und adäquates Eingreifen hätten die eingetretenen Gesundheitsschädigungen vermieden werden könnten. Schließlich hätten den zur Badeaufsicht eingesetzten Personen wesentliche Qualifikationen gefehlt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Aus der Unüblichkeit der gewählten Art der Abgrenzung folge keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Selbst bei Annahme einer zu verantwortenden Verzögerung der Rettung um drei Minuten könne ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht festgestellt werden. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:
LG Koblenz – Urteil vom 26. Juni 2014 – 1 O 2/14
OLG Koblenz – Urteil vom 7. Januar 2016 – 1 U 862/14

Verhandlungstermin am 16. Mai 2017, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 142/15 (Gescheiterte Reise wegen versehentlich als gestohlen gemeldetem Reisepass)

Datum: 16.05.2017

Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann und ihre Tochter eine Pauschalreise vom 19. Mai bis 1. Juni 2013 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Im Januar 2013 beantragte sie für sich und ihre Tochter bei der zuständigen Gemeinde, die dem Rechtsstreit als Streithelferin beigetreten ist, neue Reisepässe, die ausgestellt und den Reisenden übergeben wurden. Beide Pässe gehörten zu 15 Reisepässen, die die Bundesdruckerei an die Streithelferin verschickte, später aber als gestohlen meldete. Diese Meldung erfolgte, weil die Streithelferin gegenüber der Bundesdruckerei den Eingang der Pässe nicht bestätigt hatte. Die Pässe waren somit ohne Kenntnis der Parteien zur Fahndung ausgeschrieben. Der Klägerin und ihrer Tochter wurde der Abflug in die Vereinigten Staaten verweigert. Die Klägerin ist der Auffassung, es liege ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 651j Abs. 1 BGB* vor, weshalb sie den Reisevertrag kündigen und Rückzahlung des vollständigen Reisepreises verlangen könne. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat das Vorliegen höherer Gewalt und damit ein Kündigungsrecht der Klägerin nach § 651j BGB verneint.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Nürnberg - Urteil vom 26. August 2014 - 13 C 4487/14
LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 27. November 2015 – 5 S 9724/14

Karlsruhe, den 5. April 2017

* § 651j Abs. 1 BGB

Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen.

Verkündungstermin: 16. Mai 2017, 10.00 Uhr (Verhandlungstermin 14. Februar 2017), in Sachen VI ZR 135/13 (Speicherung von dynamischen IP-Adressen)

Datum: 16.05.2017

Der Kläger verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Unterlassung der Speicherung von dynamischen IP-Adressen. Dies sind Ziffernfolgen, die bei jeder Einwahl vernetzten Computern zugewiesen werden, um deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Bei den meisten allgemein zugänglichen Internetportalen des Bundes werden alle Zugriffe in Protokolldateien festgehalten mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen. Dabei werden unter anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert. Der Kläger rief in der Vergangenheit verschiedene solcher Internetseiten auf.

Mit seiner Klage begehrt er, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Kläger den Unterlassungsanspruch nur insoweit zuerkannt, als er Speicherungen von IP-Adressen in Verbindung mit dem Zeitpunkt des jeweiligen Nutzungsvorgangs betrifft und der Kläger während eines Nutzungsvorgangs seine Personalien angibt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof (vgl. Pressemitteilung Nr. 152/14) hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 135/13, VersR 2015, 370 das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 19. Oktober 2016 - C-582/14, NJW 2016, 3579 die Fragen wie folgt beantwortet:

1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass eine dynamische Internetprotokoll-Adresse, die von einem Anbieter von Online-Mediendiensten beim Zugriff einer Person auf eine Website, die dieser Anbieter allgemein zugänglich macht, gespeichert wird, für den Anbieter ein personenbezogenes Datum im Sinne der genannten Bestimmung darstellt, wenn er über rechtliche Mittel verfügt, die es ihm erlauben, die betreffende Person anhand der Zusatzinformationen, über die der Internetzugangsanbieter dieser Person verfügt, bestimmen zu lassen.
2. Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein Anbieter von Online-Mediendiensten personenbezogene Daten eines Nutzers dieser Dienste ohne dessen Einwilligung nur erheben und verwenden darf, soweit ihre Erhebung und ihre Verwendung erforderlich sind, um die konkrete Inanspruchnahme der Dienste durch den betreffenden Nutzer zu ermöglichen und abzurechnen, ohne dass der Zweck, die generelle Funktionsfähigkeit der Dienste zu gewährleisten, die Verwendung der Daten über das Ende eines Nutzungsvorgangs hinaus rechtfertigen kann.

Das Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof wird nunmehr in der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2017 fortgesetzt.

* § 12 Telemediengesetz - Grundsätze

(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.
(2) …

** § 15 Telemediengesetz - Nutzungsdaten

(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen (Nutzungsdaten)…

Vorinstanzen:

AG Tiergarten - Urteil vom 13. August 2008 - 2 C 6/08
LG Berlin - Urteil vom 31. Januar 2013 - 57 S 87/08

Karlsruhe, den 8. Februar 2017

Verhandlungstermin am 11. Mai 2017, 10.00 Uhr, in Sachen III ZR 92/16 (Notrufvertrag)

Datum: 11.05.2017

Die Klägerinnen nehmen als Erbinnen des während des Berufungsverfahrens verstorbenen vormaligen Klägers (im Folgenden: Kläger) den Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Hausnotrufvertrag in Anspruch.

Der 1934 geborene Kläger und der Beklagte schlossen am 8. Januar 2010 einen „Dienstleistungsvertrag zur Teilnahme am Hausnotruf“. § 1 Abs. 2 des Vertrags lautet:

„Das Hausnotrufgerät wird an eine ständig besetzte Zentrale angeschlossen. Von dieser Zentrale wird im Fall eines Notrufs unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt (z.B. durch vereinbarte Schlüsseladressen, Rettungsdienst, Hausarzt, Schlüsseldienst).“

Dem Vertrag war ein Erhebungsbogen beigefügt, aus dem sich multiple Erkrankungen des Klägers ergaben (Arthrose, Atemnot, chronische Bronchitis, Herzrhythmusstörungen, Diabetes mellitus). Der Kläger war auf die Zufuhr von Sauerstoff und die Einnahme verschiedener Medikamente angewiesen. Es bestand ein stark erhöhtes Schlaganfallrisiko. Bis April 2012 lebte er allein in einer Wohnung in einem Seniorenwohnheim bei Pflegestufe 2.

Am 9. April 2012 betätigte der Kläger den direkten Notruf zur Zentrale des Beklagten. Der den Anruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten vernahm lediglich ein Stöhnen. Mehrere Versuche, den Kläger telefonisch zu erreichen, scheiterten. Der Beklagte veranlasste daraufhin, dass ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes (Streithelferin) sich zu der Wohnung des Klägers begab. Dieser fand den Kläger am Boden liegend vor. Es gelang ihm nicht, ihn aufzurichten. Nach Hinzuziehung eines weiteren Mitarbeiters konnte der Kläger schließlich mit vereinten Kräften auf eine Couch gesetzt werden. Sodann ließen die beiden Mitarbeiter der Streithelferin den Kläger allein in der Wohnung zurück, ohne eine ärztliche Versorgung zu veranlassen. Am 11. April 2012 wurde der Kläger in der Wohnung liegend aufgefunden und mit einer Halbseitenlähmung sowie einer Aphasie (Sprachstörung) in ein Krankenhaus eingeliefert, wo ein nicht mehr ganz frischer Schlaganfall diagnostiziert wurde.

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe gegen Mittag des 9. April 2012 einen Schlaganfall erlitten. Dessen gravierende Folgen wären vermieden worden, wenn der den Notruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten einen Rettungswagen mit medizinisch qualifizierten Rettungskräften geschickt hätte.

Die auf Zahlung von Schadensersatz und eines angemessenen Schmerzensgeldes (mindestens 40.000 €) sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung war erfolglos. Mit ihrer vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter.

Vorinstanz:

LG Berlin – Urteil vom 7. November 2013 – 63 O 41/13
Kammergericht – Urteil vom 20. Januar 2016 – 26 U 5/14

Karlsruhe, 5. Mai 2017

§ 280 Abs. 1 BGB

Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

§ 276 BGB

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. …

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

§ 611 BGB

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Verhandlungstermin am 10. Mai 2017, 11.00 Uhr - VIII ZR 292/15 (Kündigung einer Mietwohnung zwecks Durchführung eines sozialen Wohngruppenprojekts, § 573 Abs. 1
und Abs. 2 Nr. 3 BGB)

Datum: 10.05.2017

Die Beklagten sind seit dem Jahr 1996 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung in Rostock, die sie vom Rechtsvorgänger des Klägers angemietet haben. Das Hausgrundstück, das im Jahr 2014 vom Kläger einem eingetragenen Verein erworben wurde, ist außerdem mit einer Scheune und einem Nebengebäude bebaut. Nach der Darstellung des Klägers sind sämtliche Gebäude sanierungsbedürftig.

Der Kläger ist zugleich an einer Gesellschaft beteiligt, die Trägerin vielfältiger Einrichtungen mit umfassender medizinischer, sozialer, pädagogischer und rehabilitativer Betreuung ist. Diese beabsichtigt, die Gebäude unter Nutzung von Fördermitteln und ohne finanzielle Belastung für den Kläger im Rahmen eines "Arbeits- und Lebensprojekts" zu sanieren und umzubauen. Dabei sollen im bisherigen Mehrfamilienhaus und in der Scheune psychosoziale Wohngruppen mit insgesamt 23 Wohnplätzen und im Nebengebäude eine Tischlerei und Grünholzwerkstatt untergebracht werden. Der Kläger möchte das Grundstück zur Verwirklichung dieses Projekts an die Gesellschaft vermieten.

Mit Schreiben vom 1. August 2013 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB* und begründete dies damit, dass andernfalls das geplante Arbeits- und Lebensprojekt nicht realisiert werden könne. Denn die Zahlung eines Investitionszuschusses von 2,1 Mio. € sei unabdingbar mit der Schaffung der Wohnplätze auch im Wohngebäude verbunden. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten geltend, ein Kündigungsgrund liege nicht vor.

Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil allerdings abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht ansatzweise dargelegt, welche eigenen Nachteile im drohten, wenn das Projekt unter Aussparung der Wohnung der Beklagten umgesetzt würde. Zwar habe die Schaffung von möglichst vielen Wohngruppenplätzen wegen der Abhängigkeit der Fördermittel von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts. Auf ein derartiges, allein die Gesellschaft als Trägerin des Projekts betreffendes Drittinteresse könne sich der Kläger (der Verein) jedoch ebenso wenig berufen wie darauf, mit der Kündigung mittelbar ein wichtiges öffentliches Interesse bedienen zu wollen.

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war mit der Umsetzung des Projekts unabhängig von den drei für die streitgegenständliche Wohnung geplanten Wohngruppenplätzen bereits begonnen worden. Es wurden nicht nur das Nebengebäude, sondern auch einzelne Räume des Wohnhauses nach ihrer Sanierung schon zweckentsprechend genutzt.

* § 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 2Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
[…]
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
[…]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Rostock - Urteil vom 13. März 2015 - 47 C 438/14
Landgericht Rostock - Urteil vom 13. November 2015 - 1 S 64/15

Verhandlungstermin am 9. Mai 2017, 9:00 Uhr, in Sachen XI ZR 308/15 („Kontogebühr“ bei Bauspardarlehen)

Datum: 09.05.2017

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Er macht die Unwirksamkeit einer von der beklagten Bausparkasse in den von ihr abgeschlossenen Bausparverträgen verwendeten Klausel sowie einer damit korrespondierenden Regelung in den Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB) der Beklagten geltend, die jeweils eine „Kontogebühr“ (in aktueller Höhe von 9,48 € jährlich) im Rahmen eines Bauspardarlehens vorsehen.

Die von der Beklagten vorformulierten Darlehensverträge enthalten unter anderem folgende Bestimmung:

„I.1 Bauspardarlehen
[…]
b) Kosten des Bauspardarlehens

Über die Zinsen und die Tilgung hinaus fallen bei planmäßigem Verlauf des Bauspardarlehens folgende Kosten an:

- Kontogebühr: derzeit je Konto 9,48 Euro jährlich (gemäß ABB)
[…]“

§ 17 Abs. 1 der ABB der Beklagten lautet:

„Die Bausparer bilden eine Zweckgemeinschaft. Ihre Verträge bilden das Bausparkollektiv. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des kollektiven Bausparens berechnet die Bausparkasse für bauspartechnische Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse eine Kontogebühr.
[…]

Für ein Konto in der Darlehensphase beträgt die Kontogebühr 9,48 Euro. Die Darlehensphase beginnt mit der ersten (Teil-) Auszahlung des Bauspardarlehens.“

Der Kläger ist der Ansicht, die beiden Klauseln über die „Kontogebühr“ in I.1.b) der Darlehensverträge sowie in § 17 Abs. 1 der ABB verstießen gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen. Zur Begründung führt er an, die Klauseln seien im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB* intransparent und benachteiligten darüber hinaus die Kunden der Beklagten auch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* unangemessen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angegriffenen Klauseln seien nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB*) unwirksam. Darüber hinaus seien sie zwar - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht als kontrollfreie Preishauptabreden, sondern als kontrollfähige Preisnebenabreden anzusehen. Der danach eröffneten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB* hielten sie aber stand. Aus der besonderen Systematik des kollektiven Bausparens ergebe sich, dass die Umlegung der Kosten für die Kollektivsteuerung und die Führung einer Zuteilungsmasse nicht von wesentlichen Grundprinzipien des dispositiven Rechts abweiche. Beim Bausparen komme die stetige Überwachung des Gesamtbestandes und die Führung der Zuteilungsmasse unmittelbar auch der Bauspargemeinschaft zu Gute, so dass die Bausparkassen mit diesen - durch die „Kontogebühr“ vergüteten - Tätigkeiten auch kollektive Gesamtinteressen wahrnähmen.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Karlsruhe - Urteil vom 6. Dezember 2013 - 10 O 36/13
OLG Karlsruhe - Urteil vom 16. Juni 2015 - 17 U 5/14

*§ 307 BGB

Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Verhandlungstermin: 28. April 2017, 9.00 Uhr, in Sachen LwZR 4/16 (Schadensersatzpflicht des Pächters nach Entstehung von Dauergrünland)

Datum: 28.04.2017

Der Senat für Landwirtschaftssachen verhandelt über die Verpflichtung eines Pächters landwirtschaftlicher Flächen zum Ersatz des Schadens, der dem Verpächter durch die während der Pachtzeit erfolgte, europarechtlich vorgegebene Einordnung der gepachteten Flächen als Dauergrünland entstanden ist.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war Eigentümer mehrerer Grundstücke, die er mit Vertrag vom 20. Oktober 2000 „zur landwirtschaftlichen Nutzung“ an den Beklagten verpachtete. In dem Pachtvertrag wurden drei insgesamt ca. 14 ha große Flächen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, mit „A“ für Ackerland gekennzeichnet. Der Verpächter sicherte zu, dass die Grundstücke „ausgleichsberechtigte Flächen im Sinne der Agrarreform“ sind. Der Pächter war vertraglich verpflichtet, das Prämienrecht zu erhalten und bei Pachtende „nach den dann geltenden gesetzlichen Bestimmungen“ zurück zu gewähren. Der Vertrag hatte eine feste Laufzeit bis 30. September 2012 und sollte sich anschließend jeweils um ein weiteres Jahr verlängern.

Bereits bei Übergabe der Grundstücke wurden diese als Grünland genutzt. Auch der Beklagte, der Unternehmer ist und sich mit der Haltung und Zucht von Pferden befasst, nutzte sie mit Kenntnis der Verpächterseite über die gesamte Pachtzeit hinweg als Grünland zur Pferdehaltung. Im Jahr 2006 verstarb der Ehemann der Klägerin und wurde von dieser beerbt. Ebenso wie ihr verstorbener Ehemann ist die Klägerin nicht in der Landwirtschaft tätig. Sie beendete das Pachtverhältnis durch Kündigung zum 30. September 2013.

Nach der Rechtslage zu Beginn des Pachtverhältnisses durften die Grundstücke unabhängig von der Dauer ihrer Nutzung als Grünland in Ackerland umgewandelt werden. Seitdem haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert. Da die Grundstücke mehr als fünf Jahre lang als Grünland genutzt worden sind, unterliegen sie einem landesrechtlichen Umbruchverbot nach der am 13. Mai 2008 in Kraft getretenen Dauergrünland-Erhaltungsverordnung (DGL-VO SH) und dem zum 1. November 2013 in Kraft getretenen Dauergrünland-Erhaltungsgesetz (DGLG SH); dem liegen Vorgaben der Europäischen Union zugrunde. Zudem liegen die Grundstücke vollständig in einem im Jahr 2006 ausgewiesenen Europäischen Vogelschutzgebiet und darüber hinaus teilweise in einem 2010 ausgewiesenen FFH-Gebiet (einem europäischen Schutzgebiet nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie). Infolgedessen könnte die Möglichkeit zum Umbruch jetzt nur noch durch den Nachweis von Ersatzflächen in demselben Vogelschutz- bzw. FFH-Gebiet wiederhergestellt werden. Die Klägerin verlangt Schadensersatz mit der Begründung, der Beklagte habe der Entstehung von Dauergrünland entgegenwirken müssen.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat den Beklagten, soweit von Interesse, zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 98.052,75 € nebst vorgerichtlichen Anwalts- und Gutachterkosten jeweils nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit dem (unter anderem in AUR 2016, 266 ff. veröffentlichten) angefochtenen Urteil zurückgewiesen. Dabei hat es sich unter anderem von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Der Beklagte habe seine Pflichten aus dem Pachtvertrag verletzt und müsse der Klägerin den entstandenen Schaden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ersetzen. Da die Grundstücke als Ackerflächen verpachtet worden seien, hätte er die Möglichkeit zu einer Nutzung als Ackerland nach Pachtende erhalten müssen. Nach den Bestimmungen des Pachtvertrags hätte er die bisherige landwirtschaftliche Nutzung nicht ohne die Erlaubnis des Verpächters dergestalt ändern dürfen, dass dadurch die Art der Nutzung über die Pachtzeit hinaus beeinflusst wird. Hiergegen habe er verstoßen, obwohl er die betroffenen Flächen nicht selbst als Grünland angelegt und durchgängig als solches genutzt habe. Er habe es angesichts der Veränderungen der Rechtslage nach Pachtbeginn nämlich pflichtwidrig unterlassen, das Umbruchverbot abzuwenden und die Ackerfähigkeit zu sichern, indem er die Pachtflächen mindestens alle fünf Jahre zum Anbau anderer Futterpflanzen als Gras/Grünfutter verwendete. Nur der Pächter, nicht jedoch der Verpächter habe die Möglichkeit, durch eigenes Nutzungsverhalten die rechtliche Einordnung der Flächen zu beeinflussen; ihm obliege gemäß § 586 Abs. 1 Satz 3 BGB* und § 596 Abs. 1 BGB** die ordnungsmäßige Bewirtschaftung der Pachtsache. Zudem habe der Beklagte sich vertraglich verpflichtet, die Prämienberechtigung und damit den Ackerstatus zu erhalten.

Von einem Verschulden könne er sich nicht entlasten. Gerade die Problematik des Umbruchs von Dauergrünland sei vielfach Gegenstand von landwirtschaftlichen Veröffentlichungen und in Landwirtschaftskreisen bekannt gewesen. Insbesondere hätte sich der Beklagte über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Flächennutzung informieren und erforderlichenfalls Beratung in Anspruch nehmen müssen. Demgegenüber sei ein Mitverschulden der nicht in der Landwirtschaft tätigen Klägerin nicht festzustellen. Diese könne eine Einmalentschädigung auf der Grundlage des geminderten Ertragswerts verlangen. Ihr sei ein Dauerschaden entstanden, weil reines Grünland einen deutlich geringeren Verkehrs- und Ertragswert habe als ackerfähige Flächen. Die gerade für ein Vogelschutzgebiet äußerst unwahrscheinliche Möglichkeit, dass die Vorschriften zur Grünlanderhaltung wieder aufgehoben werden, lasse den Dauerschaden nicht entfallen, der sich aufgrund einer Kapitalisierung des jährlichen Minderertrags errechne.

Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Er meint, er habe die Flächen als Grünland nutzen dürfen und als solches ordnungsmäßig bewirtschaftet. Für die Rechtsänderungen sei nicht er verantwortlich. Es sei Sache der Klägerin gewesen, die Rechtslage zu beobachten. Er habe auch keinen Wissensvorsprung gehabt. Als Pferdehalter und Züchter, dem es erkennbar allein auf die Nutzung von Grünland ankam, habe er sich nicht über die überaus komplizierten Zusammenhänge des europarechtlich fundierten Förder- und Naturschutzrechts vergewissern müssen.

Vorinstanzen:

AG Ratzeburg – Urteil vom 21. April 2015 – 1 Lw 14/14
OLG Schleswig – Urteil vom 3. Mai 2016 – 2 L U 7/15

Karlsruhe, den 8. März 2017

*§ 568 Abs. 1 Satz 3 BGB:

„Er [= der Pächter] ist zur ordnungsmäßigen Bewirtschaftung der Pachtsache verpflichtet.“

**§ 596 Abs. 1 BGB:

„Der Pächter ist verpflichtet, die Pachtsache nach Beendigung des Pachtverhältnisses in dem Zustand zurückzugeben, der einer bis zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirtschaftung entspricht.“

Verhandlungstermin am 27. April 2017, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 247/15 (Bundesgerichtshof zur Fotografie eines Bildmotivs an einem Kreuzfahrtschiff)

Datum: 27.04.2017

Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten. Ihre Kreuzfahrtschiffe sind mit einem Bildmo-tiv dekoriert, das aus einem am Bug angebrachten Kussmund, an den Bordwänden aufgemalten Augen und Wellenlinien nach Art von Augenbrauen besteht. Die Kläge-rin hat von dem das Bildmotiv schaffenden Künstler die Lizenz erhalten, die Bema-lung an ihren Schiffen zu erhalten, zu restaurieren und zu reproduzieren.

Der Beklagte bot auf seiner Internetseite Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtrei¬sen an. Er veröffentlichte ein Foto eines Kreuzfahrtschiffs der Klägerin, auf dem das Kussmund-Motiv teilweise sichtbar ist.

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Verwertungsrechte an dem Bildmotiv. Sie hat den Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen und die Feststellung seiner Schadensersatzpflicht begehrt.

Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, das auf dem Kreuzfahrtschiff angebrachte Bildmotiv dürfe nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG* vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Vorschrift sei auf ein Kreuzfahrtschiff anwendbar, das bestimmungsgemäß auf öffentlichen Gewässern eingesetzt werde. Auf dem Foto werde das Schiff aus einer Perspektive gezeigt, die von einem allgemein zugänglichen Ort aus wahrnehmbar sei. Auf den konkreten Standort des Fotografen komme es nicht an.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre ab-gewiesenen Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 4. März 2015 - 28 O 554/12, BeckRS 2016, 01581
OLG Köln - Urteil vom 23. Oktober 2015 - 6 U 34/15, GRUR 2016, 495 = WRP 2016, 274

*§ 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG lautet:
Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.

Verhandlungstermin am 27. April 2017, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 55/16 (Bundesgerichtshof zu Informationspflichten eines Preisvergleichsportals im Internet)

Datum: 27.04.2017

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder verfolgt. Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, betreibt im Internet ein Preisvergleichsportal für Bestattungsleistungen.

Auf dem Vergleichsportal der Beklagten zu 1 wird ein Interessent zunächst aufgefordert, die gewünschten Leistungen einzugeben. Danach werden verbindliche Angebote verschiedener Bestatter angezeigt, aus denen der Interessent drei Angebote auswählen kann. Die Beklagte zu 1 berücksichtigt bei ihrem Preisvergleich nur Anbieter, die mit ihr für den Fall eines Vertragsabschlusses eine Provision von 15% oder 17,5% des Angebotspreises vereinbaren. Die Interessenten werden auf die Provisionsvereinbarung nicht hingewiesen. Sie lässt sich lediglich einem Hinweis im Geschäftskundenbereich der Internetseite entnehmen.

Der Kläger hält den fehlenden Hinweis auf die Provisionspflicht der im Preisvergleich berücksichtigten Anbieter für einen Verstoß gegen § 5a Abs. 2 UWG*. Er hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, Bestattungsleistungen im Internet anzubieten, ohne den Nutzer darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zu 1 im Falle eines Vertragsschlusses zwischen dem Nutzer und dem über den Preisvergleich vermittelten Bestattungsunternehmen eine Provisionszahlung des Bestattungsunternehmens erhält.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat das Verbot auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 2. September 2014 - 91 O 19/14
Kammergericht - Urteil vom 16. Februar 2016 - 5 U 129/14

Karlsruhe, den 25. April 2017

*§ 5a UWG (Irreführung durch Unterlassen)

(…)
(2) Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,
1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Als Vorenthalten gilt auch
1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen,
2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise,
3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.

Verkündungstermin 26. April 2017, 15.00 Uhr (Verhandlungstermin war am 19. April 2017), in Sachen 2 StR 247/16 (zur Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln, die im Zusammenhang mit einer sog. „legendierten Polizei-Kontrolle“ erlangt wurden)

Datum: 26.04.2017

Das Landgericht Limburg hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Kokain) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, das diese gegen eine marokkanische Tätergruppierung wegen Verdachts von Betäubungsmittelstraftaten führte. Aufgrund von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen hatte die Kriminalpolizei Frankfurt am Main konkrete Hinweise auf einen Betäubungsmitteltransport des Angeklagten erhalten, den der zu diesem Zeitpunkt vorübergehend in Marokko befindliche „Chef“ der Gruppe organisiert hatte. Tatsächlich hatte der Angeklagte von einer unbekannten Person in den Niederlanden Kokain übernommen und beabsichtigte, dieses zwecks gewinnbringenden Weiterverkaufs nach Deutschland einzuführen. Als die Kriminalpolizei Frankfurt am Main über einen am Fahrzeug des Angeklagten angebrachten Peilsender feststellte, dass sich der Angeklagte nach Grenzübertritt wieder auf der Autobahn in Deutschland befand, entschloss sie sich, das Fahrzeug von der Verkehrspolizei Wiesbaden im Rahmen einer vorgeblichen Verkehrskontrolle anhalten und durchsuchen zu lassen, um die mitgeführten Betäubungsmittel sicherzustellen. Dabei wurden im Inneren des Fahrzeugs mehrere Päckchen Kokain (insgesamt knapp 8 kg) aufgefunden. Ein richterlicher Beschluss für die Durchsuchung des Fahrzeugs, der die Offenbarung der im Hintergrund geführten verdeckten Ermittlungen zwangsläufig zur Folge gehabt hätte, wurde nicht eingeholt, um den vorübergehend in Marokko weilenden Hintermann nicht zu warnen.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die mit einer geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung begründete Verkehrskontrolle und die polizeilichen Maßnahmen nach § 36 Abs. 5 StVO rechtmäßig waren und dass die bei der Durchsuchung des Fahrzeugs sichergestellten Betäubungsmittel gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO als Beweismittel im Strafprozess gegen den Angeklagten verwertbar sind.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung sachlichen und formellen Rechts. Die Revision macht insbesondere einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt aus §§ 102, 105 Abs. 1 StPO geltend.

Der Senat wird zu entscheiden haben, ob die Durchsuchung des Fahrzeugs nach Betäubungsmitteln auf gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungsgrundlagen (hier §§ 36, 37, 40 HSOG - Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung), die keine richterliche Anordnung voraussetzen, gestützt werden konnte, obwohl gegen den Angeklagten zu diesem Zeitpunkt bereits ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet war.

Vorinstanz:

LG Limburg – Urteil vom 1. März 2016 – 5 KLs 4 Js 12755/15

Verhandlungstermin am 6. April 2017, 11.00 Uhr, in Sachen III ZR 368/16 (Haftung des Telefonanschlussinhabers bei Pay by Call-Verfahren)

Datum: 06.04.2017

Die Beklagte ist Inhaberin eines Festnetztelefonanschlusses. Die Klägerin macht gegen sie einen Entgeltanspruch für die Nutzung des Anschlusses im Rahmen des „Pay by Call-Verfahrens“ über eine Mehrwertdienstenummer (0900) geltend. Die entsprechenden insgesamt 21 Anrufe wurden von dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten getätigt. Das Kind nahm an einem zunächst kostenlosen Computerspiel teil, in dessen Verlauf zusätzliche virtuelle Ausrüstungsgegenstände entgeltlich erworben werden konnten, um das Ziel des Spiels besser zu erreichen. Die Gegenstände konnten unter anderem über die Nutzung des auf der Internetseite der Spielebetreiberin angegebenen telefonischen Mehrwertdienstes bezahlt werden. Nach Durchführung der Anrufe standen dem Sohn der Beklagten unter seinem Benutzerkonto die gewünschten Ausrüstungen zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Beklagten. Die angefallenen Beträge in Höhe von insgesamt 1.253,93 € werden von der Klägerin klageweise geltend gemacht.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Hierüber wird der III. Zivilsenat am 6. April 2017 verhandeln. Er wird sich dabei u.a. mit der Anwendbarkeit von § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG zu befassen haben.

Vorinstanzen:

AG Delmenhorst – Urteil vom 12. Mai 2015 – 45 C 5298/13 (IV)
LG Oldenburg – Urteil vom 30. Juni 2016 – 1 S 315/15

§ 45i Abs. 4 Satz 1 TKG:

Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer.

Verhandlungstermin am 30. März 2017, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 19/16 (Bundesgerichtshof zur Nennung des Angehörigen beim Filesharing über einen Familienanschluss)

Datum: 30.03.2017

Die Klägerin ist Tonträgerherstellerin und Inhaberin der ausschließlichen Verwer-tungsrechte an den Musiktiteln des Albums "Loud" der Künstlerin Rihanna. Am 2. Ja-nuar 2011 wurde dieses Album in einer Tauschbörse über den Internetanschluss der Beklagten zum Herunterladen angeboten.

Die Klägerin nimmt die Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeu¬tung - auf Zahlung von Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten in An¬spruch. Das Landgericht hat der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.500 € und Abmahnkosten in Höhe von 1.044,40 € zugesprochen. Die Berufung der Beklagten ist insoweit erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklag¬ten hafteten als Täter für die Verletzung der Verwertungsrechte der Klägerin. Die Beklagten könnten sich nicht mit dem bloßen Hinweis darauf entlasten, eines der drei in ihrem Haushalt lebenden und bereits volljährigen Kinder habe das Musikalbum in der Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Vielmehr hätten sie den ihnen nach eigener Darstellung bekannten Täter konkret benennen müssen. Der Lizenzschaden sei ausgehend von einem Betrag in Höhe von 200 € je Titel bei moderater Erhöhung auf insgesamt 2.500 € zu schätzen. Die Abmahnkosten seien der Höhe nach nicht auf einen Betrag von 100 € begrenzt.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 1. Juli 2015 - 37 O 5394/14, ZUM-RD 2016, 308
OLG München - Urteil vom 14. Januar 2016 - 29 U 2593/15, WRP 2016, 385

Verhandlungstermin am 29. März 2017, 9.00 Uhr – VIII ZR 45/16 (zur Kündigung einer Mietwohnung zwecks Nutzung als Büroraum durch den Ehegatten des Vermieters)

Datum: 29.03.2017

Der Beklagte ist seit dem 1. Juli 1977 Mieter einer 27 qm großen Zweizimmerwohnung in Berlin. Die Klägerin hat die Wohnung im Jahr 2008 durch Zuschlag im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben und ist als Vermieterin in den Mietvertrag eingetreten. Der Ehemann der Klägerin betreibt nach ihrer Darstellung im ersten Geschoss des Vorderhauses des Anwesens, in dem sich die vom Beklagten genutzte Wohnung befindet, ein Beratungsunternehmen.

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, ihr Ehemann benötige die Wohnung zur Erweiterung seines seit 14 Jahren ausgeübten Gewerbes, da die räumliche Kapazität der hierzu im ersten Obergeschoss des Anwesens angemieteten Räume ausgeschöpft sei. Die auch als Beratungsräume genutzten Büroräume seien überfrachtet mit bis an die Decke reichenden, überfüllten Aktenregalen. Ihr Ehemann beabsichtige daher, in der Wohnung des Beklagten einen weiteren Arbeitsplatz samt Archiv einzurichten. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens wolle sie ihm die vom Beklagten genutzte Mietwohnung zur Verfügung stellen.

Die Vorinstanzen haben zwar das Vorliegen eines Kündigungsgrunds bejaht, jedoch die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage im Hinblick auf die nach dem Ausspruch der Kündigung in Berlin in Kraft getretenen Regelungen des Zweckentfremdungsverbots-Gesetzes und der Zweckentfremdungsverbots-Verordnung abgewiesen, die einer beabsichtigten gewerblichen Nutzung der Wohnung des Beklagten derzeit entgegenstünden. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Charlottenburg - Urteil vom 19. Januar 2015 – 211 C 381/13
Landgericht Berlin - Urteil vom 13. Januar 2016 – 18 S 74/15

Verhandlungstermin am 16. März 2017, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 13/16 (Bundesgerichtshof zum Auskunftsanspruch eines Journalisten gegen ein kommunales Versorgungsunternehmen)

Datum: 16.03.2017

Der Kläger ist Journalist. Er arbeitet an einem Artikel über die Finanzierung des Bundestagswahlkampfs der SPD im Jahr 2013 und früherer Landtagswahlkämpfe der SPD in Nordrhein-Westfalen. In diesem Zusammenhang recherchiert er, ob in den Jahren 2010 und 2013 betriebene Internetblogs, in denen die Wahlkämpfe der SPD unterstützende Beiträge und Dokumente veröffentlicht worden sind, mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden.

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die Leistungen der Wasser- und Energieversorgung und der Abwasserentsorgung erbringt. Die Mehrheit der Aktienanteile wird von Kommunen gehalten. Der Kläger hat den Verdacht, dass die Beklagte die Internetblogs indirekt finanziert hat, indem sie an Unternehmen, die mit den Blogs in Verbindung stehen, überhöhte Zahlungen für angebliche Vertragsleistungen erbracht hat. Er hat die Beklagte auf Auskunft über die den Unternehmen erteilten Aufträge, die erbrachten Leistungen und die in Rechnung gestellten Vergütungen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Auskunftserteilung ab dem Jahr 2009 verurteilt. Es hat angenommen, die Beklagte sei nach § 4 Abs. 1 LPresseG NRW* zur Auskunft verpflichtet. Sie sei eine Behörde im presserechtlichen Sinn, weil sie von kommunalen Aktionären beherrscht und von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge eingesetzt werde. Der Verdacht des Klägers, die Beklagte habe über Zahlungen an die Unternehmen die Wahlkämpfe der SPD verdeckt finanziert, sei nicht von vornherein haltlos. Die Beklagte könne die Auskunft nicht nach § 4 Abs. 2 LPresseG NRW* unter Verweis auf schützenswerte Geschäftsgeheimnisse verweigern. Der Auskunftsanspruch beschränke sich auf Informationen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den Wahlkämpfen stünden.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision seinen Antrag auf Auskunft über von der Beklagten vor dem Jahr 2009 erteilte Aufträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Essen - Urteil vom 14. November 2013 - 3 O 217/13, juris
OLG Hamm - Urteil vom 16. Dezember 2015 - I-11 U 5/14, ZD 2016, 439

*§ 4 LPresseG NRW lautet:

(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.
(2) Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit […]
2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder

3. ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde […]

Verhandlungstermin am 15. März 2017, 11.00 Uhr – in Sachen VIII ZR 270/15 (zur Fortsetzung eines Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB* wegen unzumutbarer Härte)

Datum: 15.03.2017

Die Beklagten sind seit 1997 Mieter einer Dreieinhalbzimmerwohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses.

Der (im Verlauf des Rechtsstreits verstorbene) Vermieter kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, dass er die Wohnung für die vierköpfige Familie seines Sohnes benötige, der bisher die im Obergeschoss liegende Wohnung bewohne und beabsichtige, diese Wohnung und die Wohnung der Beklagten zusammenzulegen, um zur Beseitigung der bislang beengten Wohnverhältnisse mehr Wohnraum für seine Familie zu schaffen.

Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten unter anderem geltend, der Sohn könne mit seiner Familie alternativ die leer stehende Dachgeschosswohnung nutzen. Jedenfalls könnten sie - die Beklagten - die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund persönlicher Härte verlangen, da der im Jahre 1930 geborene Beklagte zu 1 zahlreiche gesundheitliche Einschränkungen habe und an einer beginnenden Demenz leide, die sich zu verschlimmern drohe, wenn er aus seiner gewohnten Umgebung gerissen würde. Bei einem Verlust der bisherigen Wohnung sei ein Umzug in eine Altenpflegeeinrichtung nicht zu umgehen; insoweit lehne es die noch rüstige Beklagte zu 2 aber ab, sich entweder von ihrem Mann zu trennen oder selbst in ein Altenpflegeheim zu ziehen.

Die von den Erben des bisherigen Vermieters weiterverfolgte Räumungsklage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klagabweisungsbegehren weiter und berufen sich unter anderem auf die Härteklausel des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Vorinstanzen:

AG Bühl - Urteil vom 16. Februar 2015 - 3 C 403/13
Landgericht Baden-Baden - Urteil vom 20. November 2015 – 2 S 12/15

*§ 574 Abs. 1 Satz 1 BGB

Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Verhandlungstermin am 21. Februar 2017, 10.00 Uhr in Sachen XI ZR 272/16 (Bundesgerichtshof zum Kündigungsrecht einer Bausparkasse nach Ablauf von 10 Jahren)

Datum: 21.02.2017

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestandes von zwei Bausparverträgen.

Die Klägerin schloss gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann, den sie als Alleinerbin beerbt hat, mit der Beklagten am 10. März 1999 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 160.000 DM (= 81.806,70 €) sowie am 25. März 1999 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM (= 20.451,68 €). Beide Verträge waren am 1. Juli 2001 zuteilungsreif. Die Bausparverträge wiesen am 31. Dezember 2014 ein Bausparguthaben in Höhe von 52.632,46 € bzw. 13.028,89 € auf. Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 erklärte die Beklagte unter Berufung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB* die Kündigung der beiden Bausparverträge jeweils mit Wirkung zum 24. Juli 2015.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte die Verträge nicht wirksam hat kündigen können.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgeben.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, WM 2016, 1440) ausgeführt, dass der Beklagten kein Kündigungsrecht zustehe. Auf den Bausparvertrag finde das Darlehensrecht Anwendung. Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung gemäß § 488 Abs. 3 BGB** liegen aber nicht vor. Denn ein Bausparvertrag könne nach herrschender Meinung erst ab vollständiger Besparung gemäß § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden.

Die Beklagte könne ihre Kündigung auch nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB stützen. Es sei bereits zweifelhaft, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Kündigungsrechts erfüllt seien, auch wenn die Klägerin bedingungsgemäß nur zur Ansparung des Mindestsparguthabens verpflichtet sei, weil ausweislich der Bausparbedingungen auch die Zinserträge als Einlagen erbracht werden müssen. Jedenfalls sei § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht auf das Einlagengeschäft von Bausparkassen anzuwenden. Dies ergebe eine Auslegung der Vorschrift, die teleologisch zu reduzieren sei. Zwar sprechen der Wortlaut und die Gesetzessystematik dafür, die Norm auf das Einlagengeschäft der Bausparkassen anzuwenden. Indes ergebe eine historische Auslegung eine Einschränkung des Anwendungsbereichs. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass der Gesetzgeber ausschließlich das Aktivgeschäft der Kreditinstitute habe regeln wollen und das Bausparkassengeschäft nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst sei. Ein wesentliches Ziel des Gesetzgebers mit der Einführung des Kündigungsrechts sei der Schutz des Darlehensnehmers vor der Verpflichtung zur Zahlung eines nicht mehr marktgerechten Zinses gewesen, deren Ursache im Zinsbestimmungsrecht des Darlehensgebers gegenüber dem wirtschaftlich schwächeren Schuldner liege. Demgegenüber befinden sich Bausparkassen in der Ansparphase als Darlehensnehmer nicht in der Position des schwächeren Schuldners, der einem Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers ausgesetzt sei. Vielmehr weise ihnen der Gesetzgeber gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 BauSparkG*** die Aufgabe zu, in ihren ABB einseitig die Verzinsung der Bauspareinlagen festzulegen. Ebenso haben sie gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 7*** BauSparkG die Bedingungen aufzustellen, unter denen ein Bausparvertrag auch von der Bausparkasse gekündigt werden könne.

Die Beklagte habe auch kein Kündigungsrecht gemäß §§ 490 Abs. 3****, 314 Abs. 1 BGB*****. Die Nichtabnahme des Darlehens stelle kein vertragswidriges Verhalten des Bausparers dar, sondern sei im Bausparvertrag ausdrücklich vorgesehen. Hinsichtlich der Nichtzahlung der Regelsparbeiträge habe die Beklagte ein spezielleres Kündigungsrecht aus den Bausparbedingungen. Insoweit sei ihr zuzumuten, dessen Voraussetzungen herbeizuführen.

Aus §§ 490 Abs. 3, 313 Abs. 3 BGB****** ergebe sich ebenfalls kein Kündigungsrecht. Die Geschäftsgrundlage wäre selbst dann nicht entfallen, wenn die Klägerin ihre Absicht zur Inanspruchnahme des Darlehens endgültig aufgegeben hätte. Die Geschäftsgrundlage wäre aber auch dann nicht entfallen wenn das Gleichgewicht zwischen Bauspareinlagen und Bauspardarlehen dergestalt gestört wäre, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen könnte, denn sie habe dieses vertragsspezifische Risiko übernommen.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart – Urteil vom 19. November 2015 – 6 O 76/15
OLG Stuttgart – Urteil vom 4. Mai 2016 – 9 U 230/15

*§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
1. (…)
2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2.) (…)
(3.) (…)
(4.) (…)
(5.) (…)

**§ 488 Abs. 3 BGB
Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(1) (…)
(2) (…)
(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.

*** § 5 BauSparkG
Allgemeine Geschäftsgrundsätze, Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge
(1) Bausparkassen haben ihrem Geschäftsbetrieb Allgemeine Geschäftsgrundsätze und Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge zugrunde zu legen.
(2) (…)
(3) Die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge müssen Bestimmungen enthalten über
1. (…)
2. die Verzinsung der Bauspareinlagen und der Bauspardarlehen;
3. (…)
4. (…)
5. (…)
6. (…)
7. die Bedingungen, nach denen Ansprüche aus dem Bausparvertrag abgetreten oder verpfändet werden können oder ein Bausparvertrag gekündigt werden kann, sowie die Rechtsfolgen, die sich aus der Kündigung des Bausparvertrages oder aus einer vereinfachten Abwicklung der Bausparverträge ergeben;
(…)
(4) (…)
(5) (…)

**** § 490 Abs. 3 BGB
Außerordentliches Kündigungsrecht
(1) (…)
(2) (…)
(3) Die Vorschriften der §§ 313 und 314 bleiben unberührt.

*****314 Abs. 1 BGB
Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(2) (…)
(3.) (…)
(4.) (…)

******§ 313 BGB
Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Verhandlungstermin am 21. Februar 2017, 10.00 Uhr, in Sachen XI ZR 185/16 (Bundesgerichtshof zum Kündigungsrecht einer Bausparkasse nach Ablauf von 10 Jahren)

Datum: 21.02.2017

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages. Mit der beklagten Bausparkasse schloss die Klägerin am 13. September 1978 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 40.000 DM (= 20.451,68 €). Für das Bausparguthaben war ein Guthabenzins in Höhe von 3% p.a. vereinbart, für ein zu gewährendes Bauspardarlehen ein Zinssatz von 5% p.a. Zuteilungsreife trat am 1. April 1993 ein. Ein Bauspardarlehen nahm die Klägerin in der Folgezeit nicht in Anspruch. Der Bausparvertrag wies am 1. Januar 2015 ein Bausparguthaben in Höhe von 15.772 € auf. Am 12. Januar 2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des Bausparvertrages unter Berufung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB* zum 24. Juli 2015.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung des Vertrages nicht vorliegen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgeben.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, WM 2016, 742) ausgeführt, dass der Beklagten kein Kündigungsrecht zustehe. Auf den Bausparvertrag finde das Darlehensrecht Anwendung. Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung gemäß § 488 Abs. 3 BGB** liegen aber nicht vor. Denn ein Bausparvertrag könne nach herrschender Meinung erst ab vollständiger Besparung gemäß § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden. Ein ordentliches Kündigungsrecht stehe der Beklagten auch nicht auf Grund eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin zu, denn diese verhalte sich nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase kein Bauspardarlehen in Anspruch nehme.

Es könne dahinstehen, ob § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Bausparverträge auch in der Ansparphase Anwendung finde. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen des Kündigungsrechts nicht vor, weil die erstmalige Zuteilungsreife nicht mit dem vollständigen Empfang des an die Bausparkasse zu gewährenden Darlehens gleichzusetzen sei. Ein Darlehen sei erst dann vollständig empfangen, wenn es gemäß den vertraglichen Vereinbarungen vollständig zur Verfügung gestellt worden sei. Mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife gehe aber kein vollständiger Empfang des Darlehens einher, weil die Zuteilungsreife auf die Verpflichtung des Bausparers zur Erbringung der Regelsparbeiträge keinen Einfluss habe, da der Bausparvertrag bei der Nichtannahme fortgesetzt werde und damit auch die Verpflichtung zur Zahlung des Regelsparbeitrages fortbestehe.

Eine analoge Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB komme nicht in Betracht. Voraussetzung für eine Analogie sei eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit. Eine planwidrige Gesetzeslücke liege aber nicht vor, denn der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung des Kündigungsrechts den Schuldnerschutz auf ein angemessenes Maß zurückführen, nicht aber Kündigungsmöglichkeiten erweitern wollen.

Die Beklagte habe auch kein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß §§ 490 Abs. 3***, 314 Abs. 1 BGB****. Die Nichtabnahme des Darlehens stelle kein vertragswidriges Verhalten des Bausparers dar, sondern sei im Bausparvertrag ausdrücklich vorgesehen.

Eine Kündigung könne auch nicht auf §§ 490 Abs. 3, 313 Abs. 3 BGB***** gestützt werden. Die Geschäftsgrundlage wäre selbst dann nicht entfallen, wenn die Klägerin ihre Absicht zur Inanspruchnahme des Darlehens endgültig aufgegeben hätte, denn die Bedingungen sehen für den Fall, dass kein Bauspardarlehen in Anspruch genommen werde, eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses vor. Die Geschäftsgrundlage wäre aber auch dann nicht entfallen wenn das Gleichgewicht zwischen Bauspareinlagen und Bauspardarlehen dergestalt gestört wäre, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen könnte, denn sie habe dieses vertragsspezifische Risiko übernommen.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart – Urteil vom 15. September 2015 – 25 O 89/15
OLG Stuttgart – Urteil vom 30. März 2016 - 9 U 171/15

*§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
1. (…)
2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2.) (…)
(3.) (…)
(4.) (…)
(5.) (…)

**§ 488 Abs. 3 BGB
Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag

(1) (…)
(2) (…)
(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.

*** § 490 Abs. 3 BGB
Außerordentliches Kündigungsrecht

(1) (…)
(2) (…)
(3) Die Vorschriften der §§ 313 und 314 bleiben unberührt.

****314 Abs. 1 BGB
Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(2) (…)
(3.) (…)
(4.) (…)

*****§ 313 BGB
Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Verkündungstermin am 09. Februar 2017, 9.00 Uhr(Verhandlungstermin am 3. November 2016, 9.00 Uhr), in Sachen I ZR 91/15 (Frage des Verstoßes eines Flughafenbetreibers gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot)

Datum: 09.02.2017

Die Klägerin bietet Flugverbindungen von und nach Hamburg-Fuhlsbüttel an. Die Beklagte betreibt den Verkehrsflughafen Lübeck-Blankensee. Ihre Streithelferin führt aufgrund eines mit der Beklagten geschlossenen Vertrags Flüge von und zu diesem Flughafen durch. Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe der Streithelferin vertragliche Vergünstigungen für die Nutzung des Flughafens Lübeck-Blankensee eingeräumt, die sie für unionsrechtswidrige Beihilfen hält. Sie hat die Beklagte zur Vorbereitung eines Anspruchs auf Rückforderung der Vergünstigungen auf Aus¬kunftserteilung über die an die Streithelferin gewährten Zahlungen und Leistungen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Auskunftsklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es keine rechtliche Grundlage für die von der Klägerin be-gehrte Rückforderung gesehen hat. Der Bundesgerichtshof hat angenommen, ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV* könne einen deliktischen Schadensersatzanspruch der Klägerin begründen. Er hat das Berufungsurteil deshalb aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung Nr. 28/2011 vom 10. Februar 2011).

Die Europäische Kommission hat ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV* eingeleitet, weil sie die vertraglichen Konditionen, die die Beklagte der Streit-helferin für die Nutzung des Flughafens Lübeck-Blankensee eingeräumt hat, nach vorläufiger Einschätzung als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV* angesehen hat. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Berufungsgerichts hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass bei Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens durch die Kommission ein mit einem Antrag auf Unterlassung der Durchführung dieser Maßnahme und auf Rückforderung bereits geleisteter Zahlun¬gen befasstes nationales Gericht verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Konsequenzen aus einem möglichen Verstoß gegen das Durchfüh¬rungsverbot zu ziehen, und zu diesem Zweck beschließen kann, die Rückforderung bereits gezahlter Beträge anzuordnen.

Das Berufungsgericht hat daraufhin die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, weil es sich an die vorläufige Einschätzung der Kommission gebunden gesehen hat, dass es sich bei den vertraglichen Konditionen für die Nutzung des Flughafens Lübeck-Blankensee um unzulässige staatliche Beihilfen handelt.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren An-trag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Kiel - Teilurteil vom 28. Juli 2006 - 14 O Kart 176/04, juris
OLG Schleswig - Urteil vom 20. Mai 2008 - 6 U 54/06, EWS 2008, 470
BGH - Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 213/08, BeckRS 2011, 05517
EuGH - Beschluss vom 4. April 2014 - C-27/13, BeckRS 2014, 80724
OLG Schleswig - Urteil vom 8. April 2015 - 6 U 54/06, SchlHA 2015, 183

*Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV lautet:

(2) Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat, dass eine von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Artikel 107 unvereinbar ist oder dass sie missbräuchlich angewandt wird, so beschließt sie, dass der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat. …
(3) Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Artikel 107 mit dem Bin-nenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.

Verkündungstermin am 26. Januar 2017, 9.00 Uhr (vorher: Verhandlungstermin 29. September 2016, Verkündungstermin 8.12.16) in Sachen I ZR 207/14 (Bundesgerichtshof zu Zeitschriften mit Sendungsbezug ARD Buffet)

Datum: 26.01.2017

Die Klägerin verlegt zahlreiche Publikumszeitschriften. Die Beklagte ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Sie produ¬ziert seit dem Jahr 1998 die Sendung "ARD Buffet", in der eine Mischung von Anregungen für das tägliche Leben gegeben werden. Seit 2005 publiziert ein Verlag in Zusammenarbeit mit der Beklagten die Zeitschrift "ARD Buffet", in der die Inhalte der Sendungen aufgegriffen werden.

Die Klägerin hält das Angebot der Zeitschrift "ARD Buffet" für wettbewerbswidrig, weil es gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV)* und § 16a RStV** verstoße und deshalb nach § 4 Nr. 11 UWG (jetzt § 3a UWG) unlauter sei. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung des Angebots des Printmagazins "ARD Buffet" in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen der § 11a Abs. 1 Satz 2, § 16a RStV seien nicht gegeben. Bei der Bestimmung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV handele es sich zudem nicht um eine Marktverhaltens-, sondern um eine Marktzutrittsregelung.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Urteil vom 19. September 2011 – 315 O 410/10, ZUM 2012, 609
OLG Hamburg – Urteil vom 15. August 2014 – 5 U 229/11

*§ 11a Abs. 1 Satz 2 RStV lautet:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann programmbegleitend Druckwerke mit pro-grammbezogenem Inhalt anbieten.

**§ 16a Abs. 1 RStV lautet:

Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio sind berechtigt, kommerzielle Tätigkeiten auszuüben. Kom¬merzielle Tätigkeiten sind Betätigungen, bei denen Leistungen auch für Dritte im Wettbewerb angeboten werden, insbesondere Werbung und Sponsoring, Verwer¬tungsaktivitäten, Merchandising, Produktion für Dritte und die Vermietung von Senderstandorten an Dritte. Diese Tätigkeiten dürfen nur unter Marktbedingungen erbracht werden. (…)

***§ 3a UWG lautet:

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Verhandlungstermin am 25. Januar 2017, 10.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 249/15 (Abrechnung über Betriebskostenvorauszahlungen einer vermieteten Eigentumswohnung bei verspäteter WEG-Abrechnung durch die Hausverwaltung)

Datum: 25.01.2017

Die Beklagte war Mieterin einer in einer Wohnungseigentumsanlage gelegenen Wohnung des Klägers, für die sie neben der Nettomiete monatliche Betriebskostenvorauszahlungen zu entrichten hatte.

Die Betriebskosten für die Jahre 2010 und 2011 rechnete der Kläger gegenüber der Beklagten nicht innerhalb der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB*, sondern erst mit Schreiben vom 7. Dezember 2013 ab, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft kurz zuvor den Beschluss über die Jahresabrechnungen der Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 5 WEG** gefasst hatte.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe die verspätete Abrechnung nicht zu vertreten und sei deshalb an der Geltendmachung einer Nachforderung nicht gehindert. Denn eine frühere Abrechnung der Betriebskosten der Jahre 2010 und 2011 sei ihm nicht möglich gewesen, da die damalige und Ende 2012 abberufene WEG-Hausverwaltung für diese Zeiträume keine ordnungsgemäßen Abrechnungen erstellt habe. Die schließlich mit einer Neuerstellung der Abrechnungen beauftragte neue Hausverwaltung habe diese erst im November 2013 der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgelegt; nach der Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft habe der Kläger der Beklagten die Abrechnung der Betriebskosten unverzüglich übermittelt

Die auf Nachzahlung von Betriebskosten gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG Schwetzingen - Az. 4 C 81/14 – Entscheidung vom 26.11.2014
LG Mannheim - 4 S 142/14 – Entscheidung vom 14.10.2015

*§ 28 WEG Wirtschaftsplan, Rechnungslegung

(1) […]
[…]

(3) Der Verwalter hat nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung aufzustellen.
[…]
(5) Über den Wirtschaftsplan, die Abrechnung und die Rechnungslegung des Verwalters beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit.

**§ 556 BGB Vereinbarungen über Betriebskosten

(1) […]
[…]

(3) 1Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; […]. 2Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. 3Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.

Vorinstanzen:
Amtsgericht Schwetzingen - Urteil vom 26. November 2014 - 4 C 81/14
Landgericht Mannheim - Urteil vom 14. Oktober 2015 - 4 S 142/14

Verhandlungstermin am 24. Januar 2017, 9.00 Uhr, in Sachen KZR 2/15 (Entgelt für die Mitbenutzung von Kabelkanalanlagen)

Datum: 24.01.2017

Die Klägerin, die Vodafone Deutschland GmbH, betreibt in den meisten deutschen Bundesländern Breitbandkabelnetze, über die sie ihren Kunden Fernsehen und Telekommunikationsdienstleistungen anbietet. Ursprünglich wurden diese Netze von der Deutschen Telekom AG betrieben. Mit Rücksicht auf unionsrechtliche Vorgaben brachte die Deutsche Telekom AG das Breitbandkabelgeschäft in eine Tochtergesellschaft ein, die sodann in mehrere Regionalgesellschaften aufgespalten wurde. Die Klägerin erwarb 2003 von der Beklagten, der Deutschen Telekom GmbH, eine Reihe dieser Regionalgesellschaften. Gegenstand des Erwerbs war auch das Anlagevermögen, das im Wesentlichen aus den Breitbandkabelnetzen bestand, dagegen blieben die Kabelkanalanlagen, in denen die Breitbandkabel liegen, Eigentum der Beklagten. Die Breitbandkabel blieben in den Kabelkanalanlagen der Beklagten. Die Parteien schlossen hierzu Mietverträge, die bestimmte Entgelte für die Befugnis zur Mitbenutzung der Kabelkanalanlagen vorsehen. Diese Entgelte, jährlich rund 100 Millionen Euro, wurden in der Vergangenheit von der Klägerin bezahlt.

Die Beklagte unterliegt hinsichtlich des Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, der sogenannten „letzten Meile“, der Regulierung nach dem Telekommunikationsgesetz. Die Bundesnetzagentur hat der Beklagten aufgegeben, den Wettbewerbern auf dem Gebiet von Telekommunikationsdienstleistungen Zugang zu ihren Kabelkanalanlagen zu gewähren und das Entgelt für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs im Jahr 2010 auf 1,44 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt. Die entsprechende Verfügung wurde angefochten und ist nicht bestandskräftig. In einer weiteren, ebenfalls nicht bestandskräftigen Verfügung der Bundesnetzagentur vom November 2011 wurde das Entgelt auf 1,08 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt.

Die Klägerin macht geltend, der Vergleich des regulierten Entgelts mit der von ihr nach den Mietverträgen zu zahlende Vergütung, die 3,41 Euro pro Meter und Jahr betrage, zeige, dass diese deutlich überhöht sei. Da sie keine Möglichkeiten habe, die Breitbandkabel anderweitig unterzubringen, komme der Beklagten eine marktbeherrschende Stellung zu. Diese missbrauche sie durch die Forderung eines überhöhten Entgelts. Die Klägerin fordert die Rückzahlung eines Teils der in der Vergangenheit gezahlten Entgelte und begehrt die Feststellung, dass sie künftig nicht verpflichtet ist, an die Beklagte mehr als einen bestimmten Betrag pro Monat zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

Das Oberlandesgericht war der Auffassung, es habe bei dem Erwerb der Regionalgesellschaften durch die Klägerin einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Preiselementen – dem Kaufpreis einerseits und den Kosten für die Miete der Kabelkanalanlagen andererseits – gegeben. Eine Herabsetzung der Miete komme damit wirtschaftlich einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises nahe. Der Beklagten könne daher kein missbräuchliches Verhalten im Sinne von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB* zur Last gelegt werden.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt – Urteil vom 28. August 2013 – 2-06 O 182/12
OLG Frankfurt – Urteil vom 9. Dezember 2014 – 11 U 95/13 (Kart)

Karlsruhe, den 21. Dezember 2016

*§ 19 GWB Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen

(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblicher Leistungen
1. ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3. (…)

Die Klägerin, die Vodafone Deutschland GmbH, betreibt in den meisten deutschen Bundesländern Breitbandkabelnetze, über die sie ihren Kunden Fernsehen und Telekommunikationsdienstleistungen anbietet. Ursprünglich wurden diese Netze von der Deutschen Telekom AG betrieben. Mit Rücksicht auf unionsrechtliche Vorgaben brachte die Deutsche Telekom AG das Breitbandkabelgeschäft in eine Tochtergesellschaft ein, die sodann in mehrere Regionalgesellschaften aufgespalten wurde. Die Klägerin erwarb 2003 von der Beklagten, der Deutschen Telekom GmbH, eine Reihe dieser Regionalgesellschaften. Gegenstand des Erwerbs war auch das Anlagevermögen, das im Wesentlichen aus den Breitbandkabelnetzen bestand, dagegen blieben die Kabelkanalanlagen, in denen die Breitbandkabel liegen, Eigentum der Beklagten. Die Breitbandkabel blieben in den Kabelkanalanlagen der Beklagten. Die Parteien schlossen hierzu Mietverträge, die bestimmte Entgelte für die Befugnis zur Mitbenutzung der Kabelkanalanlagen vorsehen. Diese Entgelte, jährlich rund 100 Millionen Euro, wurden in der Vergangenheit von der Klägerin bezahlt.

Die Beklagte unterliegt hinsichtlich des Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, der sogenannten „letzten Meile“, der Regulierung nach dem Telekommunikationsgesetz. Die Bundesnetzagentur hat der Beklagten aufgegeben, den Wettbewerbern auf dem Gebiet von Telekommunikationsdienstleistungen Zugang zu ihren Kabelkanalanlagen zu gewähren und das Entgelt für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs im Jahr 2010 auf 1,44 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt. Die entsprechende Verfügung wurde angefochten und ist nicht bestandskräftig. In einer weiteren, ebenfalls nicht bestandskräftigen Verfügung der Bundesnetzagentur vom November 2011 wurde das Entgelt auf 1,08 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt.

Die Klägerin macht geltend, der Vergleich des regulierten Entgelts mit der von ihr nach den Mietverträgen zu zahlende Vergütung, die 3,41 Euro pro Meter und Jahr betrage, zeige, dass diese deutlich überhöht sei. Da sie keine Möglichkeiten habe, die Breitbandkabel anderweitig unterzubringen, komme der Beklagten eine marktbeherrschende Stellung zu. Diese missbrauche sie durch die Forderung eines überhöhten Entgelts. Die Klägerin fordert die Rückzahlung eines Teils der in der Vergangenheit gezahlten Entgelte und begehrt die Feststellung, dass sie künftig nicht verpflichtet ist, an die Beklagte mehr als einen bestimmten Betrag pro Monat zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

Das Oberlandesgericht war der Auffassung, es habe bei dem Erwerb der Regionalgesellschaften durch die Klägerin einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Preiselementen – dem Kaufpreis einerseits und den Kosten für die Miete der Kabelkanalanlagen andererseits – gegeben. Eine Herabsetzung der Miete komme damit wirtschaftlich einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises nahe. Der Beklagten könne daher kein missbräuchliches Verhalten im Sinne von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB* zur Last gelegt werden.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt – Urteil vom 28. August 2013 – 2-06 O 182/12
OLG Frankfurt – Urteil vom 9. Dezember 2014 – 11 U 95/13 (Kart)

*§ 19 GWB Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen

(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblicher Leistungen
1. ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3. (…)

Verkündungstermin: 18. Januar 2017, 10.00 Uhr (Verhandlungstermin 16. November 2016) in Sachen VIII ZR 234/15 (zur Frage der Mangelhaftigkeit eines Gebrauchtwagens bei internationaler Fahndungsausschreibung)

Datum: 18.01.2017

Der Kläger kaufte vom Beklagten im Jahr 2012 einen gebrauchten Oldtimer Rolls Royce Corniche Cabrio zum Preis von 29.000 €. Beim Versuch des Klägers, das Fahrzeug anzumelden, wurde es jedoch polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener Informationssystem (SIS) von den französischen Behörden als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Nachdem im Zuge der Ermittlungen die Vermutung aufkam, der ehemalige französische Eigentümer könnte den Diebstahl des Fahrzeugs zum Zwecke des Versicherungsbetrugs allerdings nur vorgetäuscht haben, wurde das Fahrzeug von der Polizei freigegeben und vom Kläger zugelassen. Dennoch erklärte der Kläger im Jahr 2015 aufgrund der bis heute andauernden SIS-Ausschreibung den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Nach Ansicht des Berufungsgerichts stellt die Eintragung in die SIS-Fahndungsliste einen erheblichen Rechtsmangel (§ 435 BGB*) dar. Es handele sich dabei nicht nur um ein vorübergehendes Zulassungshindernis die Eintragung führe vielmehr zu einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung, weil der Kläger mit dem Fahrzeug bei einer Fahrt ins Ausland stets mit einer Beschlagnahme rechnen müsse. Zudem wäre er bei einem (Weiter-)Verkauf des Fahrzeugs verpflichtet, den Umstand der fortbestehenden internationalen Ausschreibung einem Käufer zu offenbaren.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:
Landgericht Ravensburg - Urteil vom 1. Dezember 2014 6 O 243/14
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 30. September 2015 - 3 U 192/14

*§ 435 BGB Rechtsmangel

1Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. 2Einem Rechtsmangel steht es gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das nicht besteht.

Verhandlungstermin: 13. Januar 2017, 9.30 Uhr, in Sachen V ZR 96/16 (Anspruch eines Wohnungseigentümers auf nachträglichen Einbau eines Personenaufzugs?)

Datum: 13.01.2017

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Klage eines Wohnungseigentümers, der aufgrund seines Alters und der zeitweisen Betreuung seiner behinderten Enkeltochter erreichen möchte, dass er auf eigene Kosten einen Personenaufzug einbauen darf.

Die Wohnanlage besteht aus zwei Wohnblöcken mit jeweils vier Hauseingängen. Der im Jahr 1936 geborene Kläger ist Eigentümer einer im fünften Obergeschoss gelegenen Wohnung sowie einer deutlich kleineren, vermieteten Wohnung im Erdgeschoss der Anlage. Einen Aufzug gibt es in dem zugehörigen Treppenhaus nicht. Der Kläger hat zunächst gemeinsam mit einigen anderen Wohnungseigentümern (die denselben Hausteil bewohnen) in der Eigentümerversammlung erfolglos beantragt, den Antragstellern den Einbau eines geräuscharmen und energieeffizienten Personenaufzugs in dem offenen Schacht in der Mitte des Treppenhauses auf eigene Kosten zu gestatten. Nunmehr will allein der Kläger erreichen, dass die übrigen Wohnungseigentümer den Einbau eines Personenaufzugs auf Kosten der Antragsteller dulden müssen. Er begründet dies mit altersbedingten Einschränkungen; zudem werde seine 1982 geborene, zu 100 % schwerbehinderte Enkeltochter zeitweise von ihm und seiner Ehefrau betreut.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht ihr mit Einschränkungen stattgegeben. Es hat im Wege der sogenannten Beschlussersetzung beschlossen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Errichtung und den Betrieb eines geräuscharmen, maschinenraumlosen Personenaufzugs in dem Treppenschacht durch den Kläger dulden muss. Die Kosten der Errichtung und des Betriebes sowie einer etwaigen späteren Beseitigung des Aufzugs soll der Kläger tragen; er darf sich jedoch mit weiteren Wohnungseigentümern zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zur Errichtung und zum Betrieb des Aufzugs zusammenschließen. Die Nutzung des Aufzugs kann der Kläger bzw. die GbR auf diejenigen Wohnungseigentümer beschränken, die sich an den Kosten der Errichtung und der Unterhaltung des Aufzugs im angemessenen Umfang beteiligen. Daneben soll der Kläger vor Baubeginn eine Sicherheit für eine spätere Beseitigung des Aufzugs leisten, und zwar in Höhe von 110 % der hierfür erforderlichen Kosten.

Das Landgericht hat sich unter anderem von folgenden Überlegungen leiten lassen:
Der Kläger könne gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG* i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG** verlangen, dass der Einbau eines Aufzugs geduldet werde, wobei er die Kosten zunächst allein zu tragen habe und ggf. seinerseits andere Wohnungseigentümer beteiligen könne. Einen darauf bezogenen Beschluss der Wohnungseigentümer habe das Gericht zu ersetzen. Der Duldungsanspruch des Klägers ergebe sich aus einer fallbezogenen Abwägung der jeweiligen grundrechtlich geschützten Interessen der Parteien, wobei das Eigentumsrecht des Behinderten im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG*** auszulegen sei. Auf Seiten des Klägers sprächen gewichtige Belange für die Errichtung des Aufzugs. Angesichts seines Alters sei davon auszugehen, dass ihm die dauerhafte Nutzung seines Wohnungseigentums ohne Aufzug nicht möglich sein werde. Zudem sei er wegen der Betreuung der schwerbehinderten Enkeltochter auf den Aufzug angewiesen. Eine Veräußerung der Eigentumswohnung, die sich in einem zu Zeiten der DDR errichteten Plattenbau befinde, sei nur schwer realisierbar. Auf die Nutzung seiner Erdgeschosswohnung könne er nicht verwiesen werden, da diese deutlich kleiner sei. Die Beklagten würden demgegenüber nicht erheblich beeinträchtigt. Ein erheblicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums sei nicht zu erkennen. Dass Kinderwagen und Fahrräder auf der für den Aufzug vorgesehenen Fläche nicht mehr wie bisher abgestellt werden könnten, müssten die Beklagten ebenso hinnehmen wie den Umstand, dass der Transport sperriger Gegenstände im Treppenhaus erschwert werde.

Mit der zugelassenen Revision wollen die Beklagten erreichen, dass die Klage abgewiesen wird. Sie machen unter anderem geltend, dass der Einbau eines Aufzugs mit ganz erheblichen konstruktiven Eingriffen in das gemeinschaftliche Eigentum verbunden sei und zudem Haftungsrisiken für die Gemeinschaft entstünden.

Vorinstanzen:

AG Cottbus – Urteil vom 23. Oktober 2014 – 37 C 5/14
LG Cottbus – Urteil vom 14. März 2016 – 16 S 264/14 WEG

*§ 22 WEG Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau

(1) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden. (…)

**§ 14 WEG Pflichten des Wohnungseigentümers

Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst; (…)

*** Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG

Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Verhandlungstermin am 10. Januar 2017, 9.00 Uhr, in Sachen VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15 (Äußerungen in einer Satiresendung)

Datum: 10.01.2017

Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Herausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung "Die Zeit". Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend. Die Beklagte strahlte am 29. April 2014 das Satireformat "Die Anstalt" aus. Gegenstand der Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit der Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in einer bestimmten Anzahl von Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe bewusst an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014 mitgewirkt.

Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt. Es hat die Äußerungen als Tatsachenbehauptungen mit dem von den Klägern angenommenen Aussagegehalt gewertet, die unwahr und ehrverletzend seien und sich vom Zuschauer nicht als satirische Verfremdungen einordnen ließen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit den vom Senat zugelassenen Revisionen.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Entscheidungen vom 21. November 2014 – 324 O 443/14 und 324 O 448/14
Hanseatisches OLG – Entscheidungen vom 8. September 2015 – 7 U 121/14 und 7 U 120/14

Verkündungstermin am 15. Dezember 2016, 9.00 Uhr, (Verhandlungstermin am 15. September 2016) in Sachen I ZR 63/15 (Rechtsschutz bei der Vergabe von Stipendien durch eine Stiftung)

Datum: 15.12.2016

Die Beklagte ist eine durch das Saarland gegründete gemeinnützige Stiftung, die Stipendien an Studierende der saarländischen Hochschulen vergibt. Sie schrieb im Jahr 2010 ein Stipendium für die Teilnahme an dem zweisprachigen, mit dem Titel "Master of European Law" abschließenden Studiengang "Europäische Integration" des Europa-Instituts der Universität des Saarlandes mit einer zwölfmonatigen För¬derung, beginnend im Oktober 2010, aus.

Der Kläger, der die Erste Juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote "sehr gut" abgelegt hatte, bewarb sich um das Stipendium. Die Geschäftsführung des Europa-Instituts teilte ihm mit, seine Bewerbung sei wegen starker Nachfrage und nur eines verfügbaren Stipendiums nicht in die Vorauswahl gekommen. Der Kläger nahm dennoch im Jahr 2010/2011 an dem Masterstudiengang teil.

Der Kläger behauptet, er habe das Stipendium wegen seiner parteipolitischen Zugehörigkeit und eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits mit der Universität nicht erhalten. Er hat von der Beklagten Auskunft darüber begehrt, warum das Stipendium nicht an ihn vergeben worden sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein möglicher Auskunftsanspruch des Klägers sei durch die Angabe der Beklagten erfüllt worden, das von den Bewer¬bern zu verfassende Motivationsschreiben sei für die Vergabe des Stipendiums maßgebend gewesen. Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat die Entschei¬dungen aufgehoben und die Sache an eine andere Berufungskammer des Land¬gerichts mit der Begründung zurückverwiesen, die Gerichte hätten das Vorbringen des Klägers zu einem Anspruch auf eine aussagekräftigere Auskunft übergangen.

Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren weitere Ausführungen zu den Kriterien des Auswahlverfahrens gemacht hat, hat der Kläger seinen Auskunftsantrag für erledigt erklärt. Er verlangt von der Beklagten nunmehr in erster Linie die Herbeiführung einer neuen Entscheidung über seine Bewerbung. Hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, seine Bewerbung ohne Durchführung eines Auswahlgesprächs abzulehnen, und höchst hilfsweise die Feststellung, dass die Ablehnung seiner Bewerbung rechtswidrig war.

Das Berufungsgericht hat die Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeu-tung - abgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf erneute Bescheidung seiner Bewerbung, weil die Auswahlentscheidung wegen des an einen anderen Bewerber vergebenen Stipendiums nicht mehr abänderbar sei und der Kläger den Aufbaustudiengang ohne das Stipendium absolviert habe. Der Kläger habe auch nicht den Nachweis erbracht, dass die Ablehnung seiner Bewerbung rechtswidrig war.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die abgewiesenen Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

AG Ottweiler - Urteil vom 1. Dezember 2011 - 16 C 147/11 (77)
LG Saarbrücken - Urteil vom 22. März 2013 - 5 S 67/12
SaarlVerfGH - Urteil vom 8. Juli 2014 - Lv 6/13, NVwZ-RR 2014, 865
LG Saarbrücken - Urteil vom 6. März 2015 - 10 S 125/14, BeckRS 2015, 07835

Verhandlungstermin am 15. Dezember 2016, 11:00 Uhr, in Sachen III ZR 387/14 (Bundesgerichtshof verhandelt über Ersatzansprüche wegen beschlagnahmter Presseerzeugnisse)

Datum: 15.12.2016

Der Kläger, der geschäftsführender Gesellschafter eines in Großbritannien ansässigen Presseunternehmens ist, macht gegen das beklagte Land aus eigenem und abgetretenem Recht Ersatzansprüche in Höhe von 2.634.677,52 € im Zusammenhang mit der Beschlagnahme von Presseerzeugnissen geltend.

Das Unternehmen vertrieb in Deutschland ab Januar 2009 das wöchentlich erscheinende Journal „Zeitungszeugen“, das sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und der damaligen Presselandschaft befasste. Den einzelnen Ausgaben waren jeweils zwei bis drei Faksimilenachdrucke von Zeitungen eines ausgewählten Tages beigelegt. Diese Nachdrucke waren in einen vierseitigen Zeitungsmantel eingelegt, der (kurze) historische Abhandlungen zu den jeweiligen Zeitungsausgaben enthielt. Zum Teil wurden auch großformatige NS-Propaganda-Plakate beigefügt.

Die Staatsanwaltschaft leitete am 23. Januar 2009 ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) und Verstößen gegen das Urheberrecht (§ 106 UrhG) ein und beantragte beim Amtsgericht den Erlass eines Beschlagnahmebeschlusses. Dieser wurde noch am selben Tag erlassen, wobei die Beschlagnahme auf die Beilagen „Völkischer Beobachter“ vom 1. März 1933 und das NS-Propagandaplakat „Der Reichstag in Flammen“ beschränkt wurde. In der Folgezeit wurden bundesweit cirka 12.000 vollständige Exemplare der betreffenden Ausgabe des Journals beschlagnahmt.

Auf die Beschwerde des Klägers hob das Landgericht – Staatsschutzkammer – die Beschlagnahmeanordnung auf, da die durchgeführten Ermittlungen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne eines Anfangsverdachts für ein strafbares Verhalten des Klägers ergeben hätten. Ein etwaiges Urheberrecht des Beklagten sei längstens nach 70 Jahren ab dem Erscheinen der Ausgabe des „Völkischen Beobachters“ vom 1. März 1933 abgelaufen. Es bestehe auch kein Verdacht, dass Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Hakenkreuze) in strafbarer Weise verwendet oder verbreitet worden seien. Jedenfalls könne sich der Kläger auf die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB berufen, da er nach den bisherigen Erkenntnissen mit der Publikation das Ziel staatsbürgerlicher Aufklärung verfolge. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde sodann gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Das Landgericht hat dem Kläger – gestützt auf einen an ihn abgetretenen Anspruch des Unternehmens aus enteignendem Eingriff – eine Entschädigung dem Grunde nach zugesprochen. Die dagegen gerichteten Berufungen des Klägers und des Beklagten waren erfolglos. Das Oberlandesgericht hat lediglich den Tenor des erstinstanzlichen Urteils dahingehend abgeändert, dass die dem Kläger dem Grunde nach zugesprochene Entschädigung auf enteignungsgleichem Eingriff aus abgetretenem Recht des Unternehmens beruhe. Im Übrigen hat es die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen sowie aus Amtspflichtverletzung (§ 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG), Aufopferung und enteignendem Eingriff abgewiesen. Mit seiner vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision möchte der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 23. Januar 2013 – 15 O 9627/11
OLG München - Urteil vom 27. November 2014 – 1 U 781/13

§ 86a StGB

Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder
2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.
(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.
(3) § 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

§ 86 StGB

Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen

(1) Wer Propagandamittel
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
(4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

§ 106 UrhG

Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke

(1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

§ 839 BGB

Haftung bei Amtspflichtverletzung

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Art. 34 GG

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Verhandlungstermin am 14. Dezember 2016, 11.00 Uhr (vorher: 16. November 2016), in Sachen VIII ZR 232/15 (Eigenbedarfskündigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts)

Datum: 14.12.2016

In diesem Verfahren streiten die Parteien um die Frage, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu Gunsten eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen kündigen kann.

Der Sachverhalt:

Die Beklagten haben im Jahr 1985 vom Rechtsvorgänger der Klägerin eine 5-Zimmer-Wohnung in München gemietet; die Miete für die 166 qm große Wohnung beläuft sich inzwischen auf 1.374,52 € monatlich.

Die Klägerin ist eine im Jahr 1991 gegründete, aus vier Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die das Anwesen, in dem die streitige Wohnung liegt, im Jahr 1991 erworben hat. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages besteht der Zweck der Gesellschaft in der “Instandsetzung, Modernisierung und dem Ausbau des Anwesens, dessen Vermietung sowie nach Möglichkeit der Aufteilung in Wohnungseigentum“. Im Jahr 1994 begann die Klägerin mit der Sanierung des Anwesens und der Aufteilung der Wohnungen, wobei einige auch schon verkauft wurden. Die Wohnung der Beklagten ist die letzte Wohnung, die noch nicht saniert ist.
Mit Schreiben vom 30. September 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit Eigenbedarf der Tochter eines der (Gründungs-)Gesellschafter. Die Beklagten sind der Kündigung mit der Behauptung entgegengetreten, der Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht. Zudem habe die Klägerin ihre Anbietpflicht verletzt, weil sie den Beklagten eine seit April 2014 leerstehende 76 qm große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss nicht angeboten habe und die Eigenbedarfskündigung deshalb rechtsmissbräuchlich sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der streitigen Wohnung nach Beweisaufnahme abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob der behauptete Eigenbedarf bestand. Die Kündigung der Klägerin sei jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, weil die Klägerin treuwidrig versäumt habe, den Beklagten die freie 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss anzubieten.

Die Berufung der Klägerin ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, mit Rücksicht auf den unter anderem in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* vorgesehenen Bestands- und Verdrängungsschutz des Mieters dürfe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Wohnraummietvertrag entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 27. Juni 2006 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845; vom 23. November 2011 - VIII ZR 74/11, NJW-RR 2012, 237) nicht wegen des Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehöriger kündigen. Mit dieser Auffassung weiche es bewusst von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab und lasse deshalb die Revision wegen Divergenz zu.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.

Vorinstanzen:

AG München - Urteil vom 28. Januar 2015 - 415 C 16849/14
LG München I - Urteil vom 7. Oktober 2015 - 14 S 2969/15

Karlsruhe, den 14. September 2016

*§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 2Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. […]
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3. […]

Verkündungstermin am 14. Dezember 2016, 12.00 Uhr, (Verhandlungstermin am 26. Oktober 2016) in Sachen VIII ZR 49/16 (Schadensersatzanspruch des Vermieters für Wohnungsschäden nach Polizeieinsatz)

Datum: 14.12.2016

Der Beklagte war Mieter einer im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung, in der im Juni 2013 ein Polizeieinsatz stattfand. Gegen ihn lagen sowohl ein Haftbefehl als auch ein Durchsuchungsbeschluss für die streitgegenständliche Wohnung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor. Bei der Durchsuchung wurden 26 Gramm Marihuana sowie ein Pfefferspray, zwei Jagdmesser und ein Teleskopschlagstock aufgefunden und sichergestellt. Im weiteren Verlauf wurde der Beklagte durch rechtskräftiges Urteil einer Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom Vorwurf des Handeltreibens freigesprochen und lediglich wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

Bei dem Polizeieinsatz wurde die Eingangstür der Wohnung beschädigt. Für die entstandenen Reparaturkosten von 1.570,92 € verlangt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz. Ihre entsprechende Klage hatte vor dem Amtsgericht keinen Erfolg und auch das Landgericht hat die ausschließlich vom Bundesland als Träger der Polizei im Wege der Streithilfe eingelegte Berufung zurückgewiesen. Selbst wenn der Polizeieinsatz durch den Verdacht der Begehung von Straftaten seitens des Beklagten herausgefordert gewesen sein sollte, habe dies mit dem Mietverhältnis nichts zu tun. Die Beschädigung sei allein durch die Polizei erfolgt und dem Mieter schadensrechtlich nicht zurechenbar.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen - allein vom Streithelfer eingelegten - Revision verfolgt dieser das Klagebegehren für die Klägerin weiter.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Nürnberg - Urteil vom 17. April 2015 - 26 C 1112/14
Landgericht Nürnberg-Fürth - Urteil vom 2. Februar 2016 - 7 S 3539/15

Klagerücknahme - Verhandlungstermin am 13. Dezember 2016 in Sachen VI ZR 205/15 aufgehoben (Unterlassungsklage von Corinna Schumacher gegen die Veröffentlichung eines Bildes eines Krankenhausbesuches bei ihrem Ehemann)

Datum: 13.12.2016

Die Klägerin, Ehefrau des ehemaligen Rennfahrers Michael Schumacher, wendet sich gegen die Veröffentlichung eines Bildes auf der von der Beklagten betriebenen Online-Plattform www.promiflash.de. Das Bild zeigt unter der Überschrift „Schumis Corinna fordert: ‚Lassen Sie uns in Ruhe‘“ die Klägerin, wie sie das Krankenhaus von Grenoble betritt, um ihren bei einem Skiunfall verunglückten Ehemann zu besuchen. Das Bild illustriert einen Beitrag, in dem die Beklagte über den Appell der Klägerin an die Öffentlichkeit berichtet, die Ärzte in Ruhe arbeiten zu lassen, die Klinik zu verlassen und auch ihre Familie in Ruhe zu lassen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

§ 22 Satz 1 KunstUrhG lautet:

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Absatz 1 Nr. 1 KunstUrhG lautet:

Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.

§ 23 Absatz 2 KunstUrhG lautet:

Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten ...verletzt wird.

Vorinstanzen:

Landgericht Köln – Urteil vom 27. August 2014 – 28 O 138/14
Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 24. Februar 2015 – 15 U 166/14

Verhandlungstermin am 6. Dezember 2016, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 117/15 und 118/15 (Verkehrsunfall bei Pauschalreise)

Datum: 06.12.2016

Sachverhalt:
In beiden Verfahren buchten die Reisenden bei der Beklagten eine Pauschalreise vom 15. Dezember bis 29. Dezember 2013 in die Türkei. Im Reisepreis war der Transfer vom Flughafen zum Hotel inbegriffen. Auf dieser Fahrt kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Transferbus auf der eigenen Fahrspur durch ein entgegenkommendes Fahrzeug gerammt wurde. Die Reisenden erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Sie sehen in dem Unfall einen Reisemangel im Sinne des § 651c Abs. 1 BGB* und verlangen von dem beklagten Reise¬veranstalter unter anderem nach § 651d Abs. 1 BGB** die Rückzahlung des Reisepreises.

Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat den Klagen teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht in beiden Fällen die Klagen insgesamt abgewiesen. Es hat das Vorliegen eines Reisemangels verneint und angenommen, der durch den "Geisterfahrer" verursachte Unfall verwirkliche ein allgemeines Lebensrisiko der Reisenden, für das der Reiseveranstalter nicht einzustehen habe.

Mit den vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Reisenden ihre Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

X ZR 117/15
AG Neuss - Urteil vom 17. Februar 2015 - 75 C 3139/14
LG Düsseldorf - Urteil vom 9. Oktober 2015 – 22 S 89/15

X ZR 118/15
AG Neuss - Urteil vom 18. März 2015 – 92 C 2383/14
LG Düsseldorf - Urteil vom 9. Oktober 2015 – 22 S 165/15

* § 651 c BGB
(1) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

**§ 651 d BGB – Minderung

(1) 1Ist die Reise im Sinne des § 651 c Abs. 1 mangelhaft, so mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3. …

Verhandlungstermin am 1. Dezember 2016, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 143/15 (Zulässigkeit einer Werbung mit der Übernahme von Zuzahlungen gesetzlich Krankenversicherter)

Datum: 01.12.2016

Die Beklagte betreibt einen Internet-Versandhandel für medizinische Hilfsmittel ins-besondere zur Behandlung von Diabetes. Sie warb im Jahr 2013 auf ihrer Internet¬seite damit, dass sie die an die gesetzliche Krankenkasse zu entrichtenden Zuzah¬lungen für ihre Kunden übernehme.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält das werb¬liche Versprechen der Beklagten für wettbewerbswidrig, weil es gegen die gesetzli¬chen Regelungen zur Zuzahlung in § 33 Abs. 8 SGB V* und § 43b Abs. 1 SGB V aF (jetzt § 43c Abs. 1 SGB V**) und gegen das in § 7 Abs. 1 HWG*** vorgesehene Ver¬bot von Werbegaben verstoße. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte überwie-gend Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die sozialrechtlichen Regelun¬gen über die Zuzahlung stellten als solche keine Vorschriften dar, deren Nichteinhal¬tung über das Wettbewerbsrecht sanktioniert werden könne. Die Beklagte habe aber gegen das Verbot von Werbegaben im Gesundheitswesen verstoßen. Die verspro¬chene Vergünstigung sei als Verzicht auf die Zuzahlung ausgewiesen. Als solche widerspreche sie der gesetzlichen Pflicht, die Zuzahlungen für Heilmittel einzuziehen. Angesichts der eindeutigen Deklaration der Vergünstigung könne sie nicht als Geld-rabatt im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b HWG*** angesehen werden.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

*§ 33 Abs. 8 SGB V lautet:

Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmen-den Betrag an die abgebende Stelle. (…)

**§ 43c Abs. 1 SGB V lautet:

Leistungserbringer haben Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einzuzie¬hen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrech¬nen. (…)

***§ 7 Abs. 1 HWG lautet:

Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren …, es sei denn, dass
1. es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um … geringwertige Kleinigkei-ten handelt; …
2. die Zuwendungen oder Werbegaben in
a) einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag …
b) … gewährt werden;

Vorinstanzen:

LG Ulm - Urteil vom 23. Juni 2014 - 3 O 4/14, GRUR-RR 2014, 511
OLG Stuttgart - Urteil vom 9. Juli 2015 - 2 U 83/14, GRUR-RR 2015, 449

Verhandlungstermin am 24. November 2016, 11.30 Uhr, in Sachen I ZR 220/15 (Bundesgerichtshof zu den Anforderungen an die Verschlüsselung eines WLAN)

Datum: 24.11.2016

Die Klägerin ist Inhaberin von Verwertungsrechten an dem Film "The Expendables 2 - Back for War". Im November und Dezember 2012 bot ein unbekannter Dritter von dem Internetanschluss der Beklagten, zu dem er sich Zugang verschafft hatte, in einer Internet-Tauschbörse eine Datei mit dem Film zum Download an. Der WLAN-Router der Beklagten war werkseitig mit einer aus 16 Ziffern bestehenden, auf der Rückseite des Routers aufgedruckten WPA2-Verschlüsselung versehen, die die Beklagte nicht geändert hatte.

Die Klägerin nimmt die Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abge¬wiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe nicht für den Eingriff in die Verwertungsrechte der Klägerin einzustehen. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Router der Beklagten nicht mit einem vom Hersteller individuell für dieses Gerät vergebenen Schlüssel ge-sichert gewesen sei. Mit einer solchen Verschlüsselung sei den Sicherungspflichten des Abschlussinhabers Genüge getan. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Sicher-heitslücke sei die Beklagte nicht zur vorsorglichen Änderung des werkseitig vergebe¬nen Schlüssels verpflichtet gewesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den An¬trag auf Ersatz von Abmahnkosten weiter.

Vorinstanzen:

AG Hamburg - Urteil vom 9. Januar 2015 - 36a C 40/14, CR 2015, 335
LG Hamburg - Urteil vom 29. September 2015 - 310 S 3/15, BeckRS 2015, 17192

Verhandlungstermin am 22. November 2016 (Verhandlungstermin aufgehoben wegen Revisionsrücknahme) in Sachen XI ZR 450/15 („Individualbeitrag“ bei Verbraucherdarlehen)

Datum: 22.11.2016

Die klagenden Darlehensnehmer verlangen von der beklagten Bank Rückzahlung eines sog. „einmaligen laufzeitunabhängigen Individualbeitrags“ in Höhe von 1.866,08 €, den die Beklagte bei Abschluss eines sog. „Individual-Kreditvertrags“ über einen Nettokreditbetrag in Höhe von 62.699,99 € erhoben hat.

Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des Individualbeitrags zu, da die Bestimmung über den Individualbeitrag in dem Darlehensvertrag eine kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingung darstelle und als solche gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* verstieße. Zur Begründung führen sie unter anderem an, die Klausel benachteilige sie unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, weil es sich bei dem Individualbeitrag um eine Bearbeitungsgebühr handele, der keine für sie vorteilhaften Leistungen gegenüberstünden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bestimmung über den Individualbeitrag sei wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Bei ihr handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die von der Beklagten vielfach verwendet werde. Die Beklagte errechne die Höhe des Individualbeitrags regelmäßig anhand der Daten des individuellen Darlehensvertrages nach bestimmten Vorgaben und beziehe den Individualbeitrag sodann in den Darlehensvertrag ein, so dass die Klausel vorformuliert sei. Die Beklagte habe die Klausel nach der gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB** bestehenden Vermutung auch gestellt.

Die Bestimmung über den Individualbeitrag sei nicht transparent, weil nicht hinreichend klar sei, wofür die Kläger den Individualbeitrag konkret zu zahlen hätten. Der Begriff des Individualbeitrags werde nicht definiert; eine ausdrückliche Verknüpfung mit im Darlehensvertrag genannten „zusätzlichen Leistungen des Individual-Kredits“ werde nicht hergestellt. Für einen durchschnittlichen Kunden sei ein Zusammenhang nicht erkennbar. Die Kläger könnten auch nicht abschließend vergleichen, ob für sie der von der Beklagten alternativ angebotene „Basis-Kredit“ oder der hier gegenständliche „Individual-Kredit“ günstiger sei.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Mönchengladbach - Urteil vom 24. Februar 2015 - 36 C 536/14
Landgericht Mönchengladbach - Urteil vom 9. September 2015 - 2 S 29/15

Karlsruhe, den 14. September 2016

* § 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 310 BGB Anwendungsbereich


(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
1. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;

Hauptverhandlungstermin am 9. November 2016, 14.00 Uhr, in Sachen 5 StR 313/15 (Revision gegen Freispruch von Mitarbeitern des Rechtsamts der Stadt Leipzig und einer Rechtsanwältin
von Untreue- und Betrugsvorwürfen)

Datum: 09.11.2016

Das Landgericht Leipzig hat drei Mitarbeiter des Rechtsamts der Stadt Leipzig und eine Rechtsanwältin von Untreue- und Betrugsvorwürfen freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den angeklagten Mitarbeitern des Rechtsamts zur Last gelegt, in fünf Fällen ohne ausreichende Prüfung der Voraussetzungen des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB für vermeintlich unbekannte Grundstückseigentümer gesetzliche Vertreter bestellt zu haben. Der angeklagten Rechtsanwältin hatte sie vorgeworfen, in einem dieser Fälle als bestellte gesetzliche Vertreterin eine Grundstücksveräußerung vorgenommen zu haben, obwohl ihr das Fehlen der Vertretungsvoraussetzungen bekannt gewesen sei.

Die seit 1993 geltende Vorschrift des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB erlaubt es Kommunen, in Fällen der Nichtfeststellbarkeit eines Grundstückseigentümers oder seines Aufenthalts für diesen einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen. Die Wirksamkeit der von solchen Vertretern vorgenommenen Grundstücks-veräußerungen hängt von der Genehmigung durch die Bestellungsbehörde ab.

Darüber hinaus hatte die Staatsanwaltschaft den drei angeklagten Mitarbeitern des Rechtsamts vorgeworfen, in insgesamt 43 Fällen die im Zuge von Grundstücksveräußerungen für unbekannte Grundstückseigentümer auf städtischen Konten verwahrten Erlöse ohne die aufgelaufenen Zinsen an die Berechtigten ausgekehrt zu haben.

Einem der angeklagten Mitarbeiter des Rechtsamts hatte die Staatsanwaltschaft schließlich zur Last gelegt, in 173 Fällen im Zusammenhang mit der Bestellung gesetzlicher Vertreter die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr unterlassen zu haben.

Das Landgericht hat die vier Angeklagten freigesprochen, da es teilweise bereits an den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer Untreue bzw. eines Betruges fehle und die Angeklagten im Übrigen nicht vorsätzlich gehandelt hätten.

Gegen das freisprechende Urteil des Landgerichts hat die Staatsanwaltschaft Revisionen mit dem Ziel der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts eingelegt.

Die Hauptverhandlung über die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ursprünglich im Juli 2016 durchgeführt werden sollte, (siehe Pressemitteilung Nr. 112/2016), findet am 9. November 2016 um 14.00 Uhr vor dem 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs statt.

Vorinstanz:

Landgericht Leipzig -Urteil vom 17. Dezember 2014 – 8 KLs 607 Js 58699/11

Karlsruhe, den 27. Oktober 2016

Verhandlungstermin am 9. November 2016, 10.00 Uhr - VIII ZR 73/16 (Fristlose Kündigung nach Beleidigung durch Betreuer des Mieters)

Datum: 09.11.2016

In diesem Verfahren streiten die Parteien um die Räumung von Wohnraum im Anschluss an eine fristlose Kündigung, die darauf gestützt ist, dass der Betreuer und Pfleger der hochbetagten Mieterin die Vermieterin und deren Hausverwaltung wiederholt unerträglich beleidigt habe.

Der Sachverhalt:

Die im Jahr 1919 geborene Beklagte zu 1 hat - zusammen mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann – im Jahr 1955 von den Rechtsvorgängern der Klägerin eine Dreizimmerwohnung in München und im Jahr 1963 zusätzlich eine in demselben Gebäude und Stockwerk gelegene Einzimmerwohnung angemietet.

Die (bettlägerige) Beklagte zu 1 bewohnt die Dreizimmerwohnung und steht seit einigen Jahren aufgrund einer Demenzerkrankung unter Betreuung. Der Beklagte zu 2 bewohnt seit dem Jahr 2000 die Einzimmerwohnung. Seit dem Jahr 2007 ist er Betreuer der Beklagten zu 1 und pflegt sie ganztägig.

Im Jahr 2015 äußerte der Beklagte zu 2 in mehreren Schreiben an die Hausverwaltung grobe Beleidigungen gegenüber der Klägerin (u.a. „terroristen nazi ähnliche braune mist haufen auf eigener Art“). Die Klägerin sprach daraufhin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1 BGB* aus.

Die Entscheidung der Vorinstanzen:

Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Landgericht hat ihr gegenüber beiden Beklagten stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Das Amtsgericht hat in den beleidigenden Äußerungen des Beklagten zu 2 eine gewichtige Pflichtverletzung des Beklagten gesehen, die der - schuldlosen - Beklagten zu 1 nach § 540 Abs. 2 BGB* zuzurechnen sei, weil sie ihn für längere Zeit in ihren Haushalt aufgenommen habe. Im Hinblick auf die Schuldlosigkeit der Beklagten zu 1 sei die Zumutbarkeitsgrenze des § 543 Abs. 1 BGB** aber verschoben. Im Rahmen der nach § 543 Abs.1 BGB gebotenen Abwägung seien das hohe Alter der Beklagten zu 1, ihre Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit und die lange Dauer des Mietverhältnisses zu berücksichtigen. Es liege insoweit eine Ausnahmesituation vor, in der die Vermieterinteressen trotz der Beleidigungen, die üblicherweise einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellten, hinter dem Bestandsinteresse der Mieterin zurückstehen müssten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass das Betreuungsgericht den Beklagten zu 2 als Betreuer und Pfleger bestellt und die Betreuung in Kenntnis des Verhaltens des Beklagten zu 2 aufrechterhalten habe. Der Beklagten zu 1 sei ein Umzug nicht zuzumuten, zumal davon auszugehen sei, dass ein Ortswechsel oder ein Wechsel der Pflegeperson bei ihr zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen würde.

Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Entscheidung auf die Erwägung gestützt, dass eine vom Amtsgericht angenommene „Verschiebung der Zumutbarkeitsgrenze“ nicht in Betracht komme. Denn die Klägerin habe sich nicht einer erkennbar schuldunfähigen Person gegenüber gesehen, sondern einem mit Bedacht und offen zur Schau getragenen Verachtung handelnden Betreuer.

Die von der Beklagten zu 1 vorgebrachten persönlichen Härtegründe könnten nach der Konzeption des Gesetzes nur im Rahmen der sogenannten Sozialklausel (§ 574 BGB) berücksichtigt werden, die aber nur für die ordentliche Kündigung gelte. In einem Zwangsräumungsverfahren bleibe es der Beklagten zu 2 allerdings unbenommen, mit einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO*** die Zwangsräumung auf ihre Vereinbarkeit mit den guten Sitten überprüfen zu lassen.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil wurde vom Senat bis zur Entscheidung über die Revision der Beklagten eingestellt.

Vorinstanzen:

Amtsgericht München vom 14. August 2015 – 417 C 11029/15
Landgericht München I vom 20. Januar 2016 - 14 S 16950/15

Karlsruhe, den 4. August 2016

*§ 540 BGB

[…]
(2) Überlasst der Mieter den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem Dritten bei dem Gebrauch zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch wenn der Vermieter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat.

§ 543 BGB

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
[…]

*** § 765a ZPO Vollstreckungsschutz

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. [...]
[…]

Verhandlungstermin am 8. November 2016 in Sachen XI ZR 552/15 – 9.00 Uhr, (Darlehensgebühr bei Bauspardarlehen)
- Verhandlungstermin in den beiden anderen Sachen XI ZR 472/15 und XI ZR 477/15 wegen Revisionsrücknahme aufgehoben -

Datum: 08.11.2016

XI ZR 552/15

In dem Verfahren XI ZR 552/15 wendet sich der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist, mit der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG gegen eine in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) der beklagten Bausparkasse enthaltene Klausel, wonach mit Beginn der Auszahlung des Bauspardarlehens eine Darlehensgebühr in Höhe von 2 % des Bauspardarlehens fällig wird (§ 10 ABB).
Der Kläger ist der Ansicht, die angegriffene Klausel verstoße gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Verbrauchern zu unterlassen.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die beanstandete Klausel benachteilige den Kunden nicht unangemessen. Maßgebend für die Beurteilung sei nicht das Leitbild des Darlehensvertrages, sondern das durch Besonderheiten des Bausparkassengesetzes geprägte Leitbild für Bausparverträge. Dieses Leitbild gehe von einer Darlehensgebühr aus. Die staatliche Förderung durch Bausparprämien und die Einbeziehung der Darlehensgebühr in die Berechnung des effektiven Jahreszinses sprächen dafür, dass der Gesetzgeber die Gebühr gebilligt habe.

Dass die Darlehensgebühr nicht anteilig zurückerstattet werde, wenn der Bausparer das Bauspardarlehen vor Fälligkeit tilge, benachteilige den Bausparer nicht unangemessenen, weil es diesem frei stehe, ob er das Bauspardarlehen vor Fälligkeit tilge. Eine vorfällige Tilgung des Bauspardarlehens bedeute zudem keine Mehrbelastung des Bausparers. In einem solchen Fall werde die nominale Gesamtbelastung in der Darlehensphase des Bausparvertrages vielmehr geringer; höher werde allein der effektive Jahreszins.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

XI ZR 472/15 und XI ZR 477/15

In den Verfahren XI ZR 472/15 und XI ZR 477/15 begehren die klagenden Bausparer von den beklagten Bausparkassen jeweils Rückzahlung einer Darlehensgebühr, die die Beklagten bei Auszahlung eines Bauspardarlehens aufgrund einer formularmäßigen Bestimmung in ihren Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) erhoben haben. Im Verfahren XI ZR 477/15 wurde das Bauspardarlehen im Januar 2007 ausbezahlt.

Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe gegen die Beklagten jeweils ein Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensgebühr zu, da die Bestimmungen über die Darlehensgebühr in den ABB kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellten und als solche gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstießen. Zur Begründung führen sie unter anderem an, die Klauseln benachteiligten sie unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, weil sie keine echte Gegenleistung zum Gegenstand hätten, sondern dazu dienten, allgemeine Betriebskosten auf sie abzuwälzen.

In dem Verfahren XI ZR 472/15 ist die Klage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Verfahren XI ZR 477/15 hatte die Klage erstinstanzlich Erfolg; auf die Berufung hin wurde sie abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Bestimmung über die Darlehensgebühr keiner Inhaltskontrolle unterläge, weil es sich um eine kontrollfreie Preishauptabrede handele. Die Darlehensgebühr sei als zusätzliches (Teil-)Entgelt für die Kreditgewährung anzusehen.

Mit der Darlehensgebühr würden zudem spezifische Leistungsbestandteile des Bausparmodells entgolten. Zum einen werde dem Bausparer eine Anwartschaft auf ein Darlehen zu bestimmten Zinsen eingeräumt, die er bereits mit Abschluss des Bausparvertrages erwerbe. Zum anderen habe der Bausparer die Möglichkeit, das Bauspardarlehen jederzeit zu tilgen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen zu müssen. Das Leistungs- und Gegenleistungsgefüge sei insoweit abweichend vom „gewöhnlichen (Bank-)Darlehen“ ausgestaltet.

Selbst wenn man die Klausel für kontrollfähig halte, sei die Darlehensgebühr wirksam vereinbart, weil sie nicht mit wesentlichen gesetzlichen Grundprinzipien unvereinbar sei und den Bausparer nicht unangemessen benachteilige. Das Bauspardarlehen sei in einen Bausparvertrag eingebettet, durch den dem Bausparer besondere Leistungen - eine Zinssicherung und die Möglichkeit, das Bauspardarlehen jederzeit (ohne Vorfälligkeitsentschädigung) zu tilgen - gewährt würden.
In dem Verfahren XI ZR 477/15 hat das Berufungsgericht darüber hinaus angenommen, dass ein Rückzahlungsanspruch des Klägers verjährt sei.

Da der Kläger die Darlehensgebühr bereits bei Auszahlung des Bauspardarlehens an ihn am 1. Januar 2007 geleistet habe, sei der Rückzahlungsanspruch bereits im Jahr 2007 entstanden, so dass die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB** am 31. Dezember 2011 abgelaufen sei. Das vom Kläger im Dezember 2014 in Gang gesetzte Mahnverfahren habe den Verjährungslauf folglich nicht mehr hemmen können.

Der Verjährungsbeginn sei weder durch eine unsichere oder zweifelhafte, von divergierenden Meinungen und Entscheidungen geprägte Rechtslage hinausgeschoben worden noch dadurch, dass dem Kläger eine Klageerhebung wegen absehbarer Erfolglosigkeit nicht zumutbar gewesen sei. Die Grundsätze aus den Urteilen des Senats zur Verjährung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten bei Verbraucherdarlehen vom 28. Oktober 2014 (XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 und XI ZR 17/14, BKR 2015, 26) seien nicht anzuwenden, weil die Darlehensgebühr nicht im Zusammenhang mit der Gewährung eines Verbraucherdarlehens erhoben worden sei. Ein Bausparvertrag sei kein Verbraucherkreditvertrag, sondern ein Vertrag besonderer Art, der sich aus verschiedenen Elementen in der sogenannten Anspar- bzw. Darlehensphase zusammensetze, weshalb es an der Vergleichbarkeit der rechtlichen Beurteilungskriterien fehle.

Mit der vom Berufungsgericht jeweils zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

* § 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 195 BGB Regelmäßige Verjährungsfrist

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Vorinstanzen:

XI ZR 472/15
AG Ludwigsburg - Urteil vom 19. Mai 2015 - 8 C 165/15
LG Stuttgart - Urteil vom 14. Oktober 2015 - 4 S 142/15

und

XI ZR 477/15
AG Ludwigsburg - Urteil vom 17. April 2015 - 10 C 133/15
LG Stuttgart - Urteil vom 14. Oktober 2015 - 4 S 122/15

und

XI ZR 552/15
LG Heilbronn - Urteil vom 21. Mai 2015 - Bi 6 O 50/15
OLG Stuttgart - Urteil vom 19. November 2015 - 2 U 75/15

Verhandlungstermin am 26. Oktober 2016, 12.00 Uhr – VIII ZR 240/15 (Nachbesserungsanforderungen bei nur sporadisch auftretendem Mangel - "Vorführeffekt")

Datum: 26.10.2016

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen gebrauchten Volvo V 50 zum Preis von 12.300 €. Kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs bemängelte der Kläger (u.a.), das Kupplungspedal sei nach Betätigung am Fahrzeugboden hängengeblieben, so dass es in die Ausgangsposition habe zurückgezogen werden müssen.

Bei einer daraufhin von der Beklagten durchgeführten Untersuchungsfahrt trat der vom Kläger gerügte Mangel am Kupplungspedal allerdings auch bei mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht auf. Während der Kläger gleichwohl, allerdings vergeblich, auf einer umgehenden Mangelbehebung bestanden haben will, will die Beklagte ihm nach ihrer Darstellung lediglich mitgeteilt haben, dass derzeit kein Grund zur Annahme einer Mangelhaftigkeit und somit für ein Tätigwerden bestehe und der Kläger das Fahrzeug bei erneutem Hängenbleiben des Kupplungspedals wieder bei ihr vorstellen solle. Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen unter Hinweis auf ein erneutes Hängenbleiben des Kupplungspedals vergeblich versucht hatte, die Beklagte zu einer Äußerung über ihre Reparaturbereitschaft zu bewegen, trat er vom Kaufvertrag zurück.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und den Ersatz weiterer Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage im Wesentlichen stattgegeben, nachdem ein eingeholtes Sachverständigengutachten das sporadische Hängenbleiben des Kupplungspedals bestätigt hatte. Nach Auffassung des Berufungsgerichts konnte der Kläger ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag zurückgetreten. Denn er habe das Verhalten des Beklagten als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB*) verstehen dürfen. Auch bei einem nur sporadisch auftretenden Mangel, welcher derart sicherheitsrelevante Fahrzeugteile wie die Kupplung betreffe, sei der Verkäufer gehalten, das Fahrzeug näher zu untersuchen und es gegebenenfalls auch über einen Zeitraum von mehreren Tagen zu überprüfen. Dass der Mangel letztlich mit geringen Kosten habe beseitigt werden können, führe nicht zu einer dem Rücktritt entgegen stehenden Unerheblichkeit eines Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB*), wenn der Verkäufer wie hier einen solchen unklaren sicherheitsrelevanten Funktionsmangel schlicht in Abrede stelle. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Kiel - Urteil vom 18. Mai 2015 - 12 O 259/13
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - Urteil vom 2. Oktober 2015 - 17 U 43/15

*§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
1. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert;
[…]
(5) […] 2Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Verhandlungstermin am 26. Oktober 2016, 10:00 Uhr, in Sachen VIII ZR 211/15 (Neuwagen mit Lackschaden)

Datum: 26.10.2016

Zur Frage, ob der Käufer eines Neuwagens die Abnahme des Fahrzeugs mit Rücksicht auf einen Lackschaden („kleine Delle“) verweigern darf.

Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt einen Handel mit EU-Importfahrzeugen. Am 15. Januar 2013 bestellte der Beklagte bei ihr ein Neufahrzeug der Marke Fiat zum Preis von 21.450 €. Die Klägerin verpflichtete sich, das Fahrzeug an den Wohnsitz des Beklagten auszuliefern. Bei der Auslieferung am 16. Juli 2013 durch eine von der Klägerin beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Im Hinblick darauf wurde im Lieferschein vermerkt, dass sich an der Fahrertür eine "kleine Delle" befinde und die Kosten für Ausbesserung übernommen würden.

Der Beklagte weigerte sich, das von der Spedition abgeladene Fahrzeug abzunehmen und den Kaufpreis freizugeben. Er holte den Kostenvorschlag einer Fachwerkstatt ein, in dem die Lackierkosten mit rund 528 € angegeben waren. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 25. Juli 2013 die sofortige Überweisung des Kaufpreises, wobei sie einen Einbehalt in Höhe von rund 300 € zugestand.

Da die Parteien sich nicht einigten, holte die Klägerin das Fahrzeug am 6. August 2013 beim Beklagten ab, ließ den Lackschaden beheben und lieferte das Fahrzeug am 16. Oktober 2013 wieder an den Beklagten aus, der daraufhin am 21.Oktober 2013 den gesamten Kaufpreis zahlte.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs, ferner "Standgeld" für 69 Tage sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis für die Zeit vom 25. Juli 2013 bis zum 20. Oktober 2013, insgesamt 1.374,29 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Wangen im Allgäu Urteil vom 22 Mai 2014 -4 C 91/14
Landgericht Ravensburg Urteil vom 25. August 2015 - 1 S 86/14

Verhandlungstermin am 25. Oktober 2016, 11.00 Uhr, in Sachen XI ZR 9/15 (Kosten für geduldete Überziehung)

Datum: 25.10.2016

Der Kläger, der Dachverband der Verbraucherzentralen, nimmt die Beklagte, eine Geschäftsbank, gemäß § 1 UKlaG auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch. In den von der Beklagten verwendeten „Bedingungen für geduldete Überziehungen“ heißt es auszugsweise wie folgt:

„5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50 % p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.
(…)
8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungsabschluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen.“

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Regelung unter Ziffer 8. Satz 1 der Bedingungen als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle unterliege und dieser nicht standhalte, weil sie Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* benachteilige.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei der Klausel um eine gemäß § 307 Abs. 3 BGB* nicht der Inhaltskontrolle unterliegende Preishauptabrede handele.

Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die angegriffene Klausel jedenfalls in der Kombination zwischen einem laufzeitabhängigen Entgelt in Gestalt der unter Ziffer 5. der Bedingungen vorgesehenen Sollzinsen und einem laufzeitunabhängigen Mindestentgelt – den unter Ziffer 8. der Bedingungen vorgesehenen Kosten – eine kontrollfähige Preisnebenabrede darstelle. Denn das Entgelt für die Gewährung eines in Form einer geduldeten Überziehung gewährten Darlehens sei der laufzeitabhängig ausgestaltete Zins. Demgegenüber seien die Kosten laufzeitunabhängig ausgestaltet. Die laufzeitunabhängige Ausgestaltung der Kosten verdeutliche – auch wenn diese nicht neben den Sollzinsen erhoben werden – gerade bei geringfügigen Überziehungen, dass diese nicht allein das Entgelt für das gewährte Darlehen zum Gegenstand haben, sondern auch einen bei der Beklagten anfallenden Aufwand, den sie für die Erfüllung eigener Pflichten und im eigenen Interesse erbringe.

Die Klausel halte der Inhaltskontrolle nicht stand. Zum einen werde, soweit die unter Ziffer 5. der Bedingungen vereinbarten Zinsen unter einem Betrag von 6,90 € bleiben, ein Aufwand für Tätigkeiten des Verwenders auf den Kunden abgewälzt. Derartige Entgeltklauseln seien gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Zum anderen weiche es vom Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB** ab, dass das Entgelt für die Gewährung der Kapitalnutzung laufzeitunabhängig ausgestaltet sei. Diese Abweichung indiziere bereits die unangemessene Benachteiligung. Gründe, welche die Klausel gleichwohl angemessen erscheinen lassen, seien nicht ersichtlich, zumal die laufzeitunabhängigen Kosten gerade bei geringfügigen Überziehungen im Verhältnis zu diesen eine exorbitante Höhe erreichen.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 21. Juni 2013 – 12 O 345/12
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 4. Dezember 2014 – 1 U 170/13

*§ 307 BGB

Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Verhandlungstermin am 25. Oktober 2016, 11.00 Uhr, in Sachen XI ZR 387/15 (Kosten für geduldete Überziehung)

Datum: 25.10.2016

Der Kläger, eine Verbraucherzentrale, nimmt die Beklagte, eine Geschäftsbank, auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch. In dem von der Beklagten verwendeten Preis- und Leistungsverzeichnis heißt es auszugsweise wie folgt:

„[Die Bank] berechnet für jeden Monat, in welchem es auf dem Konto zu einer geduldeten Überziehung kommt, ein Entgelt von 2,95 €, es sei denn, die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen übersteigen im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 €. Die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen werden nicht in Rechnung gestellt, wenn sie im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 € unterschreiten.“

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klausel als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle unterliege und dieser nicht standhalte, weil sie Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* benachteilige.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat das es unter anderem ausgeführt, dass die Klausel als Preishauptabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB* der Inhaltskontrolle entzogen sei. Ausgehend vom objektiven Inhalt und typischen Sinn der Klausel ergebe sich, dass ein Durchschnittskunde die Klausel als Entgeltklausel für die Überlassung der Darlehensvaluta, und zwar als eine Art geschuldeten Mindestzins für jeden Monat verstehe, in dem er sein Girokonto über den vereinbarten Betrag hinaus überziehe. Zwar schulde der Kunde nach dem Wortlaut auch die Sollzinsen, diese würden allerdings nicht in Rechnung gestellt, wenn sie den Betrag von 2,95 € im Monat unterschreiten. Damit fielen die Sollzinsen und der Mindestbetrag nicht nebeneinander an. Ferner ergebe sich aus der Klausel, dass das Entgelt von 2,95 €, sofern die geduldete Überziehung über mehrere Monate in Anspruch genommen werde und der Sollzins 2,95 € pro Monat nicht überschreite, für jeden Monat der Überziehung geschuldet sei und damit laufzeitabhängig sei.

Die Erhebung eines solchen Mindestentgelts weiche auch nicht vom gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB** ab, wonach für die Überlassung von Geld Zinsen geschuldet seien. Denn bei Zinsen im Rechtssinne handele es sich um eine laufzeitabhängige Vergütung für die eingeräumte Möglichkeit der Kapitalnutzung. Es sei jedoch nicht begriffswesentlich, dass Zinsen aus einem im Voraus bestimmten Bruchteil des Kapitals bestehen und in einem Prozentsatz des Kapitals ausgedrückt werden. Insoweit können Zinsen für ein Darlehen auch als Festentgelt erhoben werden.

Der Kläger fehle die Aktivlegitimation, um gegenüber der Beklagten einen Unterlassungsanspruch gemäß § 2 UKlaG mit der Begründung geltend zu machen, dass das in der Klausel vorgesehen Festentgelt gemäß § 138 BGB*** sittenwidrig sei, weil es sich bei dieser Norm nicht um eine verbraucherschützende Norm im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG handele.
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf – Urteil vom 9. April 2014 – 12 O 71/13
OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. Juli 2015 – 6 U 94/14

Karlsruhe, den 13. September 2016

**§ 307 BGB

Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 488 Abs. 1 BGB

Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.
(2) (…)
(3) (…)

*** § 138 BGB

Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Verhandlungstermin am 20. Oktober 2016, 10.00 Uhr, in den Sachen III ZR 278/15, 302/15 und 303/15 (Nicht rechtzeitige Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes)

Datum: 20.10.2016

Die Klägerinnen der drei Parallelverfahren verlangen von der beklagten Stadt im Wege der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB* in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 GG**) den Ersatz von Verdienstausfall wegen der nicht rechtzeitigen Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für ihre im Januar bzw. April 2013 geborenen Kinder.

Die Klägerinnen beabsichtigten, jeweils nach Ablauf der einjährigen Elternzeit ihre Vollzeit-Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Unter Hinweis darauf meldeten sie für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der Beklagten Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres an. Die Beklagte teilte mit, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen im gesamten Stadtgebiet besonders hoch sei und derzeit die verfügbaren Kapazitäten übersteige. Zum gewünschten Termin erhielten die Klägerinnen von der Beklagten - auch nach wiederholten Anfragen - keinen Betreuungsplatz nachgewiesen. Aufgrund eigenständiger Bemühungen konnten die Klägerinnen jeweils einige Zeit später einen Betreuungsplatz für ihre Kinder finden.

Für den Zeitraum zwischen der Vollendung des ersten Lebensjahres ihrer Kinder und der erfolgreichen Beschaffung eines Betreuungsplatzes verlangen die Klägerinnen Ersatz des ihnen entstandenen Verdienstausfalls (unter Anrechnung von Abzügen für anderweitige Zuwendungen und ersparte Kosten belaufen sich die Forderungen auf 4.463,12 €, 2.182,20 € bzw. 7.332,93 €). Sie machen geltend, aus dem Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 2 SGB VIII*** folge die Amtspflicht der Beklagten, nach rechtzeitiger Bedarfsanmeldung Kindern bei Vollendung des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Diese Amtspflicht beziehe sich nicht allein auf das betreuungsbedürftige Kind, sondern auch auf das berufliche Erwerbsinteresse seiner Eltern. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, weil der Kapazitätsengpass frühzeitig vorherzusehen gewesen und nichts Ausreichendes hiergegen unternommen worden sei.

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung der Klägerinnen entgegengetreten. Sie hat weiterhin entgegnet, sie habe eine ordnungsgemäße Bedarfsplanung vorgenommen; Verzögerungen bei der Errichtung von zusätzlichen Betreuungseinrichtungen habe sie selbst nicht zu vertreten.

Das Landgericht Leipzig hat den Klagen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Dresden die Klagen abgewiesen. Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Klägerinnen.

Vorinstanzen:

III ZR 278/15
LG Leipzig – Urteil vom 2. Februar 2015 – 07 O 1928/14
OLG Dresden – Urteil vom 26. August 2015 – 1 U 320/15

III ZR 302/15
LG Leipzig – Urteil vom 2. Februar 2015 – 07 O 1455/14
OLG Dresden – Urteil vom 26. August 2015 – 1 U 319/15

III ZR 303/15
LG Leipzig – Urteil vom 2. Februar 2015 – 07 O 2439/14
OLG Dresden – Urteil vom 26. August 2015 – 1 U 321/15

* § 839 BGB:

(1) 1Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2…

** Artikel 34 Grundgesetz:

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. 2…

*** § 24 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII):

(1) …
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. …

Verhandlungstermin am 12. Oktober 2016, 11.00 Uhr – VIII ZR 55/15 (Widerruf eines Katalysator-Kaufs nach Einbau und Probefahrt)

Datum: 12.10.2016

Der Kläger bestellte im Jahr 2012 über die Internetseite der Beklagten, die einen Online-Shop für Autoteile betreibt, einen Katalysator nebst Montagesatz zum Preis von insgesamt 386,58 €. Nach Erhalt ließ er den Katalysator von einer Fachwerkstatt in sein Kraftfahrzeug einbauen. Als er nach einer kurzen Probefahrt feststellte, dass der Pkw nicht mehr die vorherige Leistung erbrachte, widerrief er fristgerecht seine auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung und sandte den Katalysator, der nunmehr deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren aufwies, an die Beklagte zurück. Diese teilte ihm daraufhin mit, der Katalysator sei durch die Ingebrauchnahme wertlos geworden, weswegen sie mit einem entsprechenden Wertersatzanspruch aufrechne und den Kaufpreis nicht zurückerstatten werde.

Das Amtsgericht hat der auf Rückzahlung von 386,58 € gerichteten Klage stattgegeben. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage nur in Höhe von 214,17 € entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe zwar aufgrund des wirksam und fristgerecht ausgeübten Widerrufs ein Rückzahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Dieser sei jedoch teilweise aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem Wertersatzanspruch erloschen. Denn nach § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB* (in der damals geltenden Fassung, vgl. aktuell § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB) solle der Verbraucher für eine eingetretene Verschlechterung der Kaufsache nur dann nicht wertersatzpflichtig sein, wenn diese auf eine Prüfung ihrer Eigenschaften und Funktionsweise zurückzuführen sei. Diesen Prüfungsumfang habe der Kläger im vorliegenden Fall jedoch überschritten. Nach der genannten Vorschrift sei dem Verbraucher lediglich die Befugnis eingeräumt, eine durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware kostenfrei in dem Umfang einer Prüfung zu unterziehen, wie dies den Erkenntnismöglichkeiten in einem Ladengeschäft entspreche. In einem Ladengeschäft wäre dem Kläger aber nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, den Katalysator durch den Einbau in sein Fahrzeug und eine anschließende Probefahrt zu testen. Daher müsse er den durch diese Maßnahmen eingetretenen Wertverlust ersetzen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises, während die Beklagte mit ihrer Anschlussrevision einen noch höheren Wertverlust des Katalysators berücksichtigt wissen will.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Lichtenberg - Urteil vom 24. Oktober 2012 - 21 C 30/12
Landgericht Berlin - Urteil vom 16. Februar 2015 - 84 S 96/12

*§ 357 BGB Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe

[…]
(3) 1Der Verbraucher hat […] Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache zu leisten,
1. soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht
[…]
(in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

Verhandlungstermin am 12. Oktober 2016, 12.00 Uhr - VIII ZR 103/15 (Eingreifen und Reichweite der verbraucherschützenden Beweislastumkehr nach § 476 BGB*)

Datum: 12.10.2016

Der Kläger kaufte von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen gebrauchten BMW 525d Touring zum Preis von 16.200 €. Nach knapp fünf Monaten und einer vom Kläger absolvierten Laufleistung von rund 13.000 Kilometern schaltete die im Fahrzeug eingebaute Automatikschaltung in der Einstellung "D" nicht mehr selbständig in den Leerlauf; stattdessen starb der Motor ab. Ein Anfahren oder Rückwärtsfahren bei Steigungen war nicht mehr möglich. Nach erfolgloser Fristsetzung zur Mangelbeseitigung trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises und den Ersatz geltend gemachter Schäden.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat im Einklang mit dem Landgericht die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht, dass das Fahrzeug bereits bei seiner Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen habe. Zwar seien die aufgetretenen Symptome nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen auf eine zwischenzeitlich eingetretene Schädigung des Freilaufs des hydrodynamischen Drehmomentwandlers zurückzuführen. Auch sei es grundsätzlich möglich, dass der Freilauf schon bei der Übergabe des Fahrzeugs mechanische Veränderungen aufgewiesen habe, die im weiteren Verlauf zu dem eingetretenen Schaden geführt haben könnten. Nachgewiesen sei dies jedoch nicht. Vielmehr komme als Ursache auch eine Überlastung des Freilaufs, mithin ein Bedienungsfehler des Klägers nach Übergabe in Betracht.

Bei einer solchen Fallgestaltung könne sich der Kläger nicht auf die zugunsten eines Verbrauchers eingreifende Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB* berufen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründe diese Vorschrift lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dahin, dass ein innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang aufgetretener Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Sie gelte dagegen nicht für die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege. Wenn daher wie hier bereits nicht aufklärbar sei, dass der eingetretene Schaden auf eine vertragswidrige Beschaffenheit des Kaufgegenstands zurückzuführen sei, gehe dies zu Lasten des Käufers.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Dabei macht er insbesondere geltend, dass die bislang vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zum Eingreifen und zum Umfang der Beweislastumkehr nach § 476 BGB* auf denen die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen nach der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 (C-497/13, NJW 2015, 2237 - Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV) einer Korrektur zugunsten des Käufers bedürften.

Vorinstanzen:

Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 27. Mai 2013 2/18 O 443/10
Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 14. April 2015 - 10 U 133/13

*§ 476 BGB Beweislastumkehr

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Verhandlungstermin am 12. Oktober 2016, 10.00 Uhr, in Sachen 5 StR 134/15 (Revisionsverhandlung nach Freisprüchen der Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank AG wegen des Vorwurfs der Untreue u.a.)

Datum: 12.10.2016

Die Staatsanwaltschaft hat den Angeklagten, die zur Tatzeit den Gesamtvorstand der HSH Nordbank AG bildeten, vorgeworfen, sich einer Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB schuldig gemacht zu haben, indem sie im Dezember 2007 auf Grundlage unzureichender Informationen dem Abschluss eines der Verbesserung der bankaufsichtsrechtlich zu bestimmenden Eigenkapitalquote dienenden Finanzgeschäfts zustimmten und dadurch der Bank einen Vermögensnachteil zufügten.

Zwei Vorstandsmitgliedern ist darüber hinaus vorgeworfen worden, gemeinschaftlich gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG die Verhältnisse des Bankkonzerns in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand unrichtig wiedergegeben zu haben, indem sie in dem Quartals-Zwischenbericht zum 31. März 2008 und in einer Pressemitteilung vom 20. Juni 2008 fehlerhaft einen Überschuss in Höhe von 81 Millionen Euro auswiesen, während tatsächlich ein Fehlbetrag in Höhe von 31 Millionen Euro vorlag.

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. lm Hinblick auf den Vorwurf der Untreue habe die Hauptverhandlung zwar ergeben, dass die Angeklagten ihre Vorstandspflichten aus § 93 Abs. 1 und 2 AktG verletzt und hierdurch einen Vermögensnachteil bei der Bank herbeigeführt hätten. Die Pflichtverletzungen seien jedoch nicht in einer Weise „offensichtlich“ und „gravierend“, die sie im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes als tatbestandsmäßig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB erscheinen ließen. Betreffend den Vorwurf nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG habe die Hauptverhandlung erbracht, dass in den betreffenden Darstellungen des Vermögensstandes zwar fälschlich ein Überschuss anstelle eines Fehlbetrages ausgewiesen worden sei, die Unrichtigkeit habe sich jedoch nicht als erheblich dargestellt, weshalb es bereits an der objektiven Tatbestandsverwirklichung fehle.

Gegen diese Freisprüche richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die Hauptverhandlung hierüber findet am 12. Oktober 2016 um 10.00 Uhr im Gebäude des Landgerichts Leipzig vor dem 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs statt.

Vorinstanz:

Landgericht Hamburg - Urteil vom 9. Juli 2014 – 608 KLs 12/11 (5550 Js 4/09)

Verhandlungstermin am 6. Oktober 2016, 10.00 Uhr, Sitzungssaal E 101, in Sachen III ZR 140/15 (Schadensersatzklage wegen Luftangriffs in Kunduz)

Datum: 06.10.2016

Die Kläger, afghanische Staatsangehörige, nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Schadensersatz in Anspruch. Der Klage liegt ein Luftangriff auf zwei von Taliban-Kämpfern entführte, in der Nähe von Kunduz (Afghanistan) auf einer Sandbank liegengebliebene Tanklastzüge zugrunde, die auf Befehl eines Angehörigen der Bundeswehr am 4. September 2009 im Rahmen des NATO-geführten ISAF-Einsatzes zerstört wurden. Dabei kamen auch Zivilisten ums Leben.

Das Landgericht Bonn hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht Köln zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, über die der u.a. für das Amtshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat am 6. Oktober 2016 verhandeln wird.

§ 839 BGB lautet:

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Art. 34 GG lautet:

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Vorinstanzen:

OLG Köln – Urteil vom 30. April 2015 – 7 U 4/14
LG Bonn – Urteil vom 11. Dezember 2013 – 1 O 460/11

Karlsruhe, den 15. Juli 2016

Verhandlungstermin am 27. September 2016, 12.00 Uhr, in Sachen X ZR 141/15 (Eintritt eines Dritten in den Reisevertrag)

Datum: 27.09.2016

Der Klägerin und ein vorgesehener Mitreisender, der der Klägerin seine Ansprüche abgetreten hat, buchten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine zehntägige Reise von Berlin nach Phuket (Thailand) zu einem Gesamtpreis von 2.470 €. Die Luftbeförderung zum Reiseziel sollte nach dem Vertrag mit einer Linienfluggesellschaft erfolgen; ausweislich des in der Buchungsbestätigung angegebenen IATA-Codes handelte es sich dabei um das Luftverkehrsunternehmen Etihad Airways. Wegen einer Erkrankung des Mitreisenden bat die Klägerin zwei Tage vor Abflug um den Eintritt zweier anderer Personen in den Reisevertrag. Die Beklagte teilte ihr am nächsten Tag mit, dass eine Umbuchung den Erwerb neuer Flugtickets mit Mehrkosten in Höhe von 1.648 € pro Person erfordere. Die Klägerin und ihr Mitreisender traten daraufhin vom Reisevertrag zurück.

Die Beklagte stellte der Klägerin eine Rücktrittsentschädigung in Höhe von 85 % des Reisepreises in Rechnung und zahlte nur den restlichen Reisepreis zurück.

Die Klägerin macht den verbleibenden Teil des gezahlten Reisepreises klageweise geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hingegen den Klageanspruch in voller Höhe zuerkannt.

Das Landgericht hat angenommen, der Beklagten sei ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für den Verlust des Anspruchs auf den Reisepreis infolge des vom Kläger erklärten Rücktritts zu versagen, da sie den Rücktritt dadurch verursacht habe, dass sie ihre Verpflichtungen aus dem Reisevertrag in vertragsgefährdender Weise verletzt habe. Mit dem Angebot, den Vertrag nur gegen erhebliche Mehrkosten auf andere Reisende zu übertragen, sei die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen, dem Reisenden eine solche Übertragung zu ermöglichen. Der Reiseveranstalter könne nur erforderliche Mehrkosten erstattet verlangen. Kosten, die wegen des Ertragsmanagements der Luftverkehrsunternehmen anfielen, gehörten hierzu nicht. Mehrkosten im Sinne des § 651b Abs. 2 BGB* seien an objektiven Kriterien zu orientieren. Die in Rede stehenden Kosten seien hingegen zusätzliche Aufwendungen, die auf Vereinbarungen der Beklagten mit ihren Leistungsträgern, hier mit dem Luftverkehrsunternehmen, beruhten und geeignet seien, das gesetzliche Übertragungsrecht des Reisenden zu vereiteln.

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten, der die Klägerin entgegentritt.
Vorinstanzen:

AG München – Urteil vom 20. Februar 2015 – 281 C 9715/14
LG München I – Urteil vom 27. Oktober 2015 – 13 S 5113/15

* § 651b BGB – Vertragsübertragung

(1) Bis zum Reisebeginn kann der Reisende verlangen, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt. Der Reiseveranstalter kann dem Eintritt des Dritten widersprechen, wenn dieser den besonderen Reiseerfordernissen nicht genügt oder seiner Teilnahme gesetzliche Vorschriften oder behördliche Anordnungen entgegenstehen.
(2) Tritt ein Dritter in den Vertrag ein, so haften er und der Reisende dem Reiseveranstalter als Gesamtschuldner für den Reisepreis und die durch den Eintritt des Dritten entstehenden Mehrkosten.

Verhandlungstermin am 27. September 2016, 12.00 Uhr, in Sachen X ZR 107/15 (Eintritt eines Dritten in den Reisevertrag)

Datum: 27.09.2016

Der Kläger buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin für seine Eltern eine einwöchige Reise von Hamburg nach Dubai zu einem Gesamtpreis von 1.398 €. Die Luftbeförderung zum Reiseziel sollte nach dem Vertrag mit einer Linienfluggesellschaft erfolgen; ausweislich des in der Buchungsbestätigung angegebenen IATA-Codes handelte es sich dabei um das Luftverkehrsunternehmen Emirates. Wegen einer Erkrankung seiner Mutter erkundigte sich der Kläger zwei Tage vor Abflug nach den Bedingungen eines Eintritts zwei anderer Personen in den Reisevertrag. Die Beklagte teilte ihm am nächsten Tag mit, dass eine Umbuchung entweder den Erwerb von Business-Class-Tickets mit Mehrkosten in Höhe von 1.850 € pro Person oder neuer Economy-Class-Tickets mit einer anderen Abflugzeit und Mehrkosten in Höhe von 725 € pro Person erfordere. Der Kläger trat daraufhin vom Reisevertrag zurück.

Die Beklagte stellte dem Kläger eine Rücktrittsentschädigung in Höhe von 90 % des Reisepreises in Rechnung und zahlte nur den restlichen Reisepreis zurück.

Der Kläger hat den verbleibenden Teil des gezahlten Reisepreises klageweise geltend gemacht sowie die Freistellung von Kosten der vorprozessualen anwaltlichen Geltendmachung der Klageforderung begehrt. Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe von 117,93 € anerkannt. Das Amtsgericht hat die weitergehende Klage abgewiesen, das Landgericht hingegen den Zahlungsanspruch in voller Höhe zuerkannt.

Das Landgericht hat angenommen, der Beklagten sei ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für den Verlust des Anspruchs auf den Reisepreis infolge des vom Kläger erklärten Rücktritts zu versagen, da die Beklagte den Rücktritt durch eine schuldhafte Verletzung ihrer Vertragspflichten verursacht habe. Mit dem Angebot, den Vertrag nur gegen erhebliche Mehrkosten auf andere Reisende zu übertragen, sei die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen, dem Reisenden eine solche Übertragung zu ermöglichen. Fraglich sei schon, ob die Beklagte überhaupt die Übertragung des unveränderten Schuldverhältnisses angeboten habe, da sowohl die Beförderung in einer anderen Klasse als auch eine Änderung der Abflugzeit eine Änderung des Leistungsinhalts bedeutet hätten. Jedenfalls gehörten aber sowohl die höheren Kosten einer Beförderung in der Business Class als auch die Kosten für den Erwerb neuer Economy-Class-Tickets nicht zu den Mehrkosten, die der Reiseveranstalter nach § 651b Abs. 2 BGB* bei Eintritt eines Dritten in den Reisevertrag verlangen könne. Als Mehrkosten seien die Verwaltungskosten anzusehen, die dem Reiseveranstalter durch die Umschreibung der Reisebestätigung und die Benachrichtigung von Leistungsträgern entstünden. Die in Rede stehenden Kosten seien hingegen zusätzliche Aufwendungen, die letztlich auf Vereinbarungen der Beklagten mit ihren Leistungsträgern, hier mit dem Luftverkehrsunternehmen, beruhten. Die Mehrkosten im Sinne des § 651b Abs. 2 BGB seien hingegen an objektiven Kriterien zu orientieren. Andernfalls wären sie vom Zufall oder der Vertragsgestaltung des Reiseveranstalters abhängig und geeignet, das gesetzliche Übertragungsrecht des Reisenden zu vereiteln.

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten, der sich der Kläger wegen des auch vom Landgericht aberkannten Freistellungsanspruchs angeschlossen hat.

Vorinstanzen:

AG München – Urteil vom 21. November 2014 – 121 C 25717/13
LG München I – Urteil vom 25. August 2015 – 30 S 25399/14

* § 651b BGB – Vertragsübertragung

(1) Bis zum Reisebeginn kann der Reisende verlangen, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt. Der Reiseveranstalter kann dem Eintritt des Dritten widersprechen, wenn dieser den besonderen Reiseerfordernissen nicht genügt oder seiner Teilnahme gesetzliche Vorschriften oder behördliche Anordnungen entgegenstehen.
(2) Tritt ein Dritter in den Vertrag ein, so haften er und der Reisende dem Reiseveranstalter als Gesamtschuldner für den Reisepreis und die durch den Eintritt des Dritten entstehenden Mehrkosten.

Verkündungstermin: 27. September 2016, 9.00 Uhr (Verhandlungstermin am 26. Juli 2016) in Sachen VI ZR 310/14 (Unterlassungsklage von Berlins Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit gegen die Veröffentlichung von Bildern über einen Kneipenbesuch in der „BILD“-Zeitung)

Datum: 27.09.2016

Der Kläger, ehemaliger Regierender Bürgermeister der Stadt Berlin, wendet sich gegen die Veröffentlichung von drei Bildern in der Berlin-Ausgabe der von der Beklagten verlegten „BILD“-Zeitung unter der Überschrift "Vor der Misstrauensabstimmung ging´s in die Paris-Bar ...". Die Bilder zeigen den Kläger beim Besuch dieser Bar, einem bekannten Prominenten-Treff in Berlin, ferner einen Freund, den "Bread & Butter"-Chef, und dessen Frau am Vorabend der Misstrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus von Berlin, die wegen des in die Kritik geratenen Managements beim Bau des neuen Berliner Flughafens (BER) beantragt worden war. Im Bildtext heißt es unter anderem: „Der Regierende wirkt am Vorabend der Abstimmung im Parlament ersichtlich entspannt ... und genehmigt sich einen Drink in der Paris-Bar (Kantstraße)“. Auf derselben Seite der Zeitungsausgabe befindet sich ein Bericht über die politische Vita des Klägers mit der Überschrift "Vom Partybürgermeister zum Bruchpiloten", in dem detailliert über die Amtsjahre des Klägers und seinen "Absturz in 11,5 Jahren" berichtet wird.

Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung der genannten Bilder stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

§ 22 Satz 1 KunstUrhG lautet:

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

§ 23 Absatz 1 Nr. 1 KunstUrhG lautet:

Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte.

§ 23 Absatz 2 KunstUrhG lautet:

Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten ...verletzt wird.

Vorinstanzen:

Kammergericht Berlin - Beschluss vom 7. Juli 2014 – 10 U 143/13
LG Berlin – Urteil vom 27. August 2013 – 27 O 180/13

Verhandlungstermin am 22. September 2016, 9.00 Uhr, in Sachen VII ZR 14/16 (Zünden eines Knallkörpers auf Fußballtribüne – Umfang der Haftung)

Datum: 22.09.2016

Die Klägerin betreibt den Profifußballbereich des 1. FC Köln. Sie verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen des Zündens eines Knallkörpers bei einem Heimspiel im RheinEnergieStadion in der 2. Bundesliga gegen den SC Paderborn 07 am 9. Februar 2014.
Der Beklagte zündete in der zweiten Halbzeit einen Knallkörper, der aufgrund seiner Sprengenergie dem Sprengstoffgesetz unterfällt, und warf ihn vom Oberrang der Nordtribüne auf den Unterrang, wo er detonierte und sieben Zuschauer verletzte.
Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) eine Verbandsstrafe gegen die Klägerin, u.a. bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 € sowie der Bewährungsauflage, weitere 30.000 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen der Klägerin dienen.
Die Klägerin bezahlte die Geldstrafe. Sie verlangt vom Beklagten Ersatz in Höhe von 30.000 €.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Beklagte zwar durch das Zünden und den Wurf des Knallkörpers seine Verhaltenspflichten aus dem Zuschauervertrag verletzt habe. Das habe auch die Verhängung der Verbandsstrafe durch den DFB nach sich gezogen. Es fehle jedoch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfalle nicht mehr dem Schutzzweck der vom Beklagten verletzten Pflichten. Das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion diene dem Schutz der menschlichen Gesundheit. Hinsichtlich des hier geltend gemachten Schadens habe sich jedoch das durch die Unterwerfung der Klägerin unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen habe und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden könne, verwirklicht.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 8. April 2015 - 7 O 231/14
OLG Köln - Urteil vom 17. Dezember 2015 - 7 U 54/15

Karlsruhe, den 11. Juli 2016

Verhandlungstermin am 21. September 2016, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 234/15 (Vertrieb von Energiesparlampen mit hohem Quecksilbergehalt)

Datum: 21.09.2016

Die Beklagte vertreibt Kompaktleuchtstofflampen (sogenannte Energiesparlampen). Der Kläger, ein Umwelt- und Verbraucherschutzverband, beanstandet, bestimmte von der Beklagten vertriebene Kompaktleuchtstofflampen enthielten eine größere Quecksilbermenge als gesetzlich zulässig. Er hat die Beklagte auf Unterlassung des Vertriebs solcher Kompaktleuchtstofflampen und auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklag-ten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe Kompaktleuchtstofflampen vertrieben, die den gesetzlich zulässi¬gen Quecksilbergehalt überschritten, und damit gegen die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF* bzw. die seit dem 9. Mai 2013 geltenden Vorschriften der § 3 Abs. 1 Nr. 1**, § 4 Abs. 1 ElektroStoffV*** verstoßen. Der Vertrieb von Produkten, die den gesetzlich zulässigen Quecksilbergehalt überschritten, sei wettbewerbswid¬rig, weil zum Schutz der Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Stoffen der Absatz von Produkten untersagt sei, die die vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Stade - Urteil vom 13. Dezember 2012 - 8 O 112/12
OLG Celle - Urteil vom 8. Oktober 2015 - 13 U 15/13, GRUR-RR 2016, 245 = WRP 2016, 119

*§ 5 Abs. 1 ElektroG aF lautet:

Es ist verboten, neue Elektro- und Elektronikgeräte in Verkehr zu bringen, die mehr als 0,1 Gewichtsprozent … Quecksilber … enthalten. (…)

**§ 3 Abs. 1 ElektroStoffV lautet:

Elektro- und Elektronikgeräte einschließlich Kabeln und Ersatzteilen dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn die zulässigen Höchstkonzentrationen folgender Stoffe nicht überschritten werden:
1. 0,1 Gewichtsprozent je homogenen Werkstoff:

b) Quecksilber,

***§ 4 Abs. 1 ElektroStoffV lautet:

Der Hersteller darf nur Elektro- und Elektronikgeräte in Verkehr bringen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 erfüllen.

Verkündungstermin: 20. September 2016, 9.30 Uhr (Verhandlungstermin am 5. Juli 2016) in Sachen II ZR 25/15 (Klage des SV Wilhelmshaven e.V. gegen den vom Norddeutschen Fußball-Verband e.V. verhängten Zwangsabstieg aus der Regionalliga Nord)

Datum: 20.09.2016

Der Kläger, der SV Wilhelmshaven e.V., begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses des Beklagten, des Norddeutschen Fußballverbands e.V., mit dem dieser den Zwangsabstieg der 1. Fußballmannschaft (Herren) des Klägers zum Ende der Spielzeit 2013/14 aus der Regionalliga Nord verfügt hat.

Der Beklagte ist Mitglied des Deutschen Fußballbunds e.V. (DFB), der wiederum Mitglied der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist. Nach dem Reglement der FIFA bezüglich Status und Transfer von Spielern ist von dem einen Spieler übernehmenden Verein eine Entschädigung für die Ausbildung des Spielers u.a. dann zu zahlen, wenn der Spieler vor dem Ende der Spielzeit, in der er 23 Jahre alt wird, erstmals als Berufsspieler registriert wird. Eine solche Ausbildungsentschädigung hatte die zuständige Kammer der FIFA im Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 157.500 € gegen den Kläger festgesetzt, weil dieser für den Zeitraum vom 29. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 für seine damalige Regionalligamannschaft einen 1987 geborenen Fußballspieler mit (jedenfalls auch) italienischer Staatsangehörigkeit, der seit 1998 als Amateur bei zwei argentinischen Fußballvereinen registriert gewesen war, als Vertragsspieler im Sinne der Spielordnung des DFB verpflichtet hatte. Nachdem der Kläger die durch den von ihm angerufenen Court of Arbitration for Sports (CAS) bestätigte Ausbildungsentschädigung trotz Verhängung einer Geldstrafe, Gewährung einer letzten Zahlungsfrist und Abzugs von – je argentinischem Verein jeweils – sechs Punkten in der Ligameisterschaft nicht an die beiden argentinischen Vereine gezahlt hatte, sprach die Disziplinarkommission der FIFA am 5. Oktober 2012 den Zwangsabstieg der 1. Fußballmannschaft (Herren) des Klägers aus. Nach der Bestätigung dieser Maßnahme durch den wiederum vom Kläger angerufenen CAS forderte die FIFA den DFB auf, den Zwangsabstieg umzusetzen, den das Präsidium des Beklagten sodann auf Ersuchen des DFB beschloss. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies das Verbandsgericht des Beklagten zurück.

Die gegen den Zwangsabstieg zum Ende der Spielzeit 2013/14 gerichtete Klage ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hat dagegen die Unwirksamkeit des Beschlusses des Beklagten, mit dem der Zwangsabstieg verfügt wurde, festgestellt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Für den Kläger sei der Weg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet. Der Klage stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger den verbandsinternen Rechtszug nicht ausgeschöpft habe. Der Beklagte sei passivlegitimiert, auch wenn der Zwangsabstieg auf einer Entscheidung der FIFA-Disziplinarkommission beruhe, die wiederum ihre Grundlage in der Entscheidung des CAS über die vom Kläger zu zahlenden Ausbildungsentschädigungen habe. In der Sache sei der Beschluss, mit dem der Zwangsabstieg verfügt worden sei, unter anderem deshalb rechtswidrig und damit unwirksam, weil er als Beugemittel zur Durchsetzung von gegen den Kläger gerichteten Zahlungsansprüchen diene, die mit dem Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV nicht vereinbar seien. Dabei könne dahinstehen, ob sich der Kläger der Verbandsgerichtsbarkeit der FIFA überhaupt wirksam unterworfen habe.

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Bremen – Urteil vom 25. April 2014 – 12 O 129/13
OLG Bremen – Urteil vom 30. Dezember 2014 – 2 U 67/14

Verhandlungstermin am 24. August 2016, 10.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 100/15 (Schadensersatz nach Preismanipulation bei eBay-Auktion – „Shill Bidding“)

Datum: 24.08.2016

Nr. 113/2016

Im Juni 2013 bot der Beklagte auf der Internetplattform eBay einen gebrauchten PKW Golf 6 im Wege einer Internetauktion mit einem Startpreises von 1 € zum Verkauf an. Im Verlauf der Auktion gab er - was nach den diesen Auktionen zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay unzulässig ist - über ein zweites Benutzerkonto eine Vielzahl eigener Gebote ab, so auch das bei Auktionsschluss bestehende Höchstgebot über 17.000 €.

Der Kläger hatte sich mit zahlreichen, vom Beklagten immer wieder überbotenen Geboten an der Auktion beteiligt, war aber mit seinem dem Höchstgebot des Beklagten in gleicher Höhe zeitlich nachfolgend abgegebenen Schlussgebot nicht mehr zum Zuge gekommen. Er forderte den Beklagten nach Auktionsende auf, ihm das Kraftfahrzeug zum Preis von 1,50 € zu übereignen, da er ohne dessen unzulässige Eigengebote die Auktion bereits mit einem Gebot in dieser Höhe gewonnen hätte. Nachdem der Beklagte ihm mitgeteilt hatte, das Fahrzeug bereits anderweitig veräußert zu haben, verlangte der Kläger Schadensersatz in Höhe des von ihm mit mindestens 16.500 € angenommenen Marktwerts des Fahrzeugs.

Die auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Hierbei ist das Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien aufgrund des vom Kläger zuletzt abgegebenen Gebots ein Kaufvertrag zu einem - den Verkehrswert des Fahrzeugs übersteigenden - Kaufpreis von 17.000 € zustande gekommen sei. Wegen des überteuerten Kaufs sei dem Kläger aber aus dem Kaufvertrag selbst und dessen Nichterfüllung kein Schaden entstanden. Aus dem gleichen Grund stehe dem Kläger auch kein Schadensersatz aus vorvertraglichen Pflichtverletzungen des Beklagten zu, weil dieser den Kaufpreis durch seine unzulässigen Eigengebote pflichtwidrig in die Höhe getrieben habe. Denn es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger das Fahrzeug ohne die Manipulationen des Beklagten zu einem unter dem Marktwert liegenden Preis hätte ersteigern können. Aus dem Umstand, dass der Beklagte das Fahrzeug während der laufenden ersten Auktion nochmals zum Verkauf eingestellt und dabei ein fremder Bieter 16.500 € geboten habe, bevor auch er durch ein Eigengebot des Beklagten überboten worden sei, sei abzuleiten, dass dieser fremde Bieter sich auch an der ersten Auktion mit einem Gebot in der genannten Höhe beteiligt hätte. In diesem Fall hätte der Kläger das Fahrzeug aber ebenfalls nur zu einem den Marktwert übersteigenden Preis ersteigern können.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

Landgericht Tübingen - Urteil vom 26. September 2014 - 7 O 490/13
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 14. April 2015 - 12 U 153/14

Karlsruhe, den 5. Juli 2016

Verkündungstermin am 24. August 2016 - 10.00 Uhr - (Verhandlungstermin: 8. Juni 2016) in Sachen VIII ZR 182/15 (Schadensersatz nach abgebrochener eBay-Auktion)

Datum: 24.08.2016

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die dem Sohn ihres Verwalters gestattete, für sie ein Benutzerkonto bei eBay einzurichten.

Der Beklagte stellte Ende Januar 2012 ein gebrauchtes Motorrad Yamaha für zehn Tage zur Internetauktion bei eBay mit einem Startpreis von 1 € ein. Kurz nachdem der Sohn des Verwalters der Klägerin das Angebot angenommen hatte, brach der Beklagte die Auktion ab. Anfang Juli 2012 verlangte die Klägerin vergeblich Übereig-nung des vom Beklagten zwischenzeitlich veräußerten Motorrades.

Mit der Behauptung, das Motorrad sei 4.900 € wert gewesen, begehrt die Klägerin im Wesentlichen Schadensersatz in Höhe von 4.899 €. Die Klage hat in erster Instanz zum Teil Erfolg gehabt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei das Schadensersatzverlangen der Klägerin rechtsmissbräuchlich, weil - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - der Sohn des Verwalters der Klägerin als "Abbruchjäger" tätig geworden sei.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zah-lungsforderungen weiter.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Bautzen - Urteil vom 21. November 2014 - 20 C 701/12
Landgericht Görlitz - Urteil vom 29. Juli 2015 - 2 S 213/14

Verhandlungstermin am 21. Juli 2016, 12.00 Uhr, Sitzungssaal N 010, in Sachen IX ZR 252/15 (Schadensersatzklage des ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus gegen die vom Land Baden-Württemberg beauftragte Anwaltskanzlei)

Datum: 21.07.2016

Der Kläger war von Februar 2010 bis Mai 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Das Land Baden-Württemberg beauftragte die beklagte Anwaltskanzlei Ende November 2010 mit der anwaltlichen Beratung im Zusammenhang mit dem geplanten Erwerb der Aktien der börsennotierten Energie Baden-Württemberg AG von der Electricité de France S.A.

Der Kläger wirft den Beklagten vor, sie hätten ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Er behauptet, ihm sei aufgrund der falschen Beratung ein Schaden entstanden. Der Kläger hat deshalb eine Feststellungsklage erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es ist der Auffassung, dass dem Kläger aus dem Anwaltsvertrag zwischen dem Land und der beklagten Anwaltskanzlei keine Ansprüche gegen die Beklagten zustünden. Der Anwaltsvertrag enthalte keine ausdrücklichen Vereinbarungen über eine Einbeziehung des Klägers. Eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers ergebe sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, weil es an einem ausreichenden Näheverhältnis des Klägers zu der dem Land geschuldeten Beratungsleistung der Beklagten fehle. Das Oberlandesgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags einbezogen ist. Der u.a. für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen gegen Rechtsanwälte zuständige IX. Zivilsenat wird über die Revision des Klägers am 21. Juli 2016 mündlich verhandeln.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 24. Februar 2015 – 9 O 108/14

OLG Stuttgart - Urteil vom 17. November 2015 – 12 U 41/15

Karlsruhe, den 18. Juli 2016

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Verkündungstermin am 21. Juli 2016, 9.00 Uhr (vorher: Verhandlungstermin am 21. April 2016), in Sachen I ZB 52/15 (Farbmarke „Rot“)

Datum: 21.07.2016

Der Markeninhaber ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe, zu der ins-besondere die Sparkassen gehören. Für ihn ist die am 7. Februar 2002 angemeldete und am 11. Juli 2007 eingetragene abstrakte Farbmarke “Rot“ (HKS 13) als verkehrsdurchgesetztes Zeichen für die Dienstleistungen "Finanzwesen, nämlich Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden)" registriert.

Die Antragstellerinnen sind Unternehmen einer spanischen Bankengruppe, die in Deutschland Dienstleistungen im Bereich des Retail-Banking erbringen und für ihren Marktauftritt die Farbe Rot verwenden. Sie haben beim Deutschen Patent- und Mar¬kenamt die Löschung der zugunsten des Markeninhabers eingetragenen Farbmarke mit der Begründung beantragt, die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung des nicht unterscheidungskräftigen und freihaltebedürftigen Zeichens lägen nicht vor.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen hat das Bundespatentgericht das Verfah¬ren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Euro¬päischen Union gerichtet. Hierüber hat der Gerichtshof mit Urteil vom 19. Juni 2014 entschieden (C-217/13, C-218/13, GRUR 2014, 776). Das Bundespatentgericht hat sodann die Löschung der Farbmarke angeordnet. Es hat angenommen, dem angegriffenen Farbzeichen fehle die für einen Markenschutz erforderliche Unterscheidungskraft, weil die Verwendung der roten Farbe im Bankensektor gängig und freihaltebedürftig sei. Die Schutzhindernisse seien auch nicht durch die Durchsetzung des Zeichens als Marke bei den beteiligten Verkehrskreisen überwunden worden. Anhand der von den Parteien vorgelegten demoskopischen Gutachten und sonstigen Unterlagen könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass sich die Farbe "Rot" zum Zeitpunkt der Markenanmeldung oder der Entscheidung des Bundespatentgerichts infolge ihrer Benutzung bei mindestens 50% der Verbraucher als betrieblicher Herkunftshinweis der Sparkassen durchgesetzt habe. Diese Unsicherheit gehe zulasten des Markeninhabers, der die Verkehrsdurchsetzung der für ihn eingetragenen Farbmarke nachzuweisen habe.

Mit der vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Markeninhaber die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Vorinstanz:
BPatG - Beschluss vom 3. Juli 2015 - 25 W (pat) 13/14

Verhandlungstermin am 19. Juli 2016, 9.00 Uhr, in Sachen X ZR 138/15 (Fluggastrechte wegen verspäteten Flugs)

Datum: 19.07.2016

Die Kläger beanspruchen Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400 € wegen eines verspäteten Flugs nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b* der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen).

Die Kläger buchten bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise mit Flügen von Hamburg über Las Palmas nach Fuerteventura. Der Flug von Hamburg nach Las Palmas, der von der Beklagten durchgeführt wurde, sollte um 12.40 Uhr starten und um 16.30 Uhr landen. Im Anschluss sollten die Kläger um 17.30 Uhr mit einer anderen Fluggesellschaft weiter nach Fuerteventura fliegen. Nach dem Vortrag der Kläger kam der Zubringerflug in Las Palmas mit einer Verspätung von etwa 20 Minuten an; die Kläger verpassten deshalb den Anschlussflug und erreichten Fuerteventura mit einer Verspätung von etwa 14 Stunden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat angenommen, die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung - eine Verspätung am Zielort von mehr als drei Stunden - seien nicht gegeben. Der erste Flug sei allenfalls um 20 Minuten verspätet angekommen. Für die Gesamtverspätung von 14 Stunden habe die Beklagte nicht einzustehen, weil sie den Anschlussflug nicht durchgeführt und keinen Einfluss auf die Koordination der beiden Flüge durch den Reiseveranstalter gehabt habe. Der Fluggast werde dadurch nicht schutzlos gestellt, da ihm Gewährleistungsansprüche gegen den Reiseveranstalter zustehen könnten.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

AG Hamburg – Urteil vom 12. Februar 2015 – 22a C 285/14
LG Hamburg – Urteil vom 6. November 2015 – 320 S 41/15

*Art. 7 Abs. 1 Buchst. b Fluggastrechteverordnung

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe
a) …
b) 400 € bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km

Verhandlungstermin am 13. Juli 2016, 9.30 Uhr - VIII ZR 296/15 (Kündigung wegen alter Mietrückstände)

Datum: 13.07.2016

In diesem Verfahren streiten die Parteien darüber, ob eine auf § 543 Abs. 1 Nr. 3b BGB* gestützte fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses gemäß § 314 Abs. 3 BGB** unwirksam ist, weil sie auf ältere Mietrückstände gestützt ist.

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Kirchengemeinde, hat der Beklagten seit dem Jahr 2006 eine 3-Zimmer-Wohnung in Düsseldorf vermietet. Die Beklagte blieb die Mieten für die Monate Februar und April 2013 schuldig. Nach einer erfolglosen Mahnung vom 14. August 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 15. November 2013 wegen der Mietrückstände fristlos.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts war die Kündigung der Klägerin gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam, weil sie erst mehr als sieben Monate nach Entstehen des Kündigungsgrundes und damit nicht mehr in angemessener Zeit erfolgt sei. Die Beklagte sei schutzwürdig, weil sie angesichts des Zeitablaufs davon habe ausgehen dürfen, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen werde. Für die Beklagte als ehemalige Küsterin der Klägerin habe es durchaus nahe gelegen, dass diese aus sozialen und ethischen Erwägungen nach derart langer Zeit keine Kündigung mehr erklären würde.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Düsseldorf - Urteil vom 6. Mai 2015 - 23 C 626/14
Landgericht Düsseldorf - Urteil vom 16. Dezember 2015 - 5 S 40/15

Karlsruhe, den 30. Mai 2016

*§ 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen. […]
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
[…]
3. der Mieter
[…]
b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

** § 314 BGB Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. […]
[…]
(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

Verhandlungstermin am 13. Juli 2016 - 10.30 Uhr – VIII ZR 49/15 Anforderungen an eine Fristsetzung zur Nachbesserung gemäß *§ 323 Abs. 1,
**§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB beim Verbrauchsgüterkauf)

Datum: 13.07.2016

Sachverhalt:

Die Klägerin bestellte bei der Beklagten, die ein Küchenstudio betreibt, eine Einbauküche zum Gesamtpreis von 82.913,24 € brutto. Die Küche wurde Mitte Januar 2009 im Haushalt der Klägerin eingebaut. Der Ehemann der Klägerin beanstandete in einem Gespräch mit dem Inhaber der Beklagten am 29. Januar oder 2. Februar 2009 mehrere Sachmängel der Einbauküche. Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe „unverzügliche“ Beseitigung der gerügten Mängel verlangt.

Mit einer E-Mail vom 16. Februar 2009 äußerte die Klägerin die Bitte um schnelle Behebung von näher bezeichneten Mängeln, die sich zusätzlich bemerkbar gemacht hätten. Mit Schreiben vom 11. März 2009 listete die Klägerin alle ihr bekannten Mängel auf und verlangte, diese bis zum 27. März 2009 zu beheben. Mit Anwaltsschreiben vom 31. März 2009 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag.

In einem von der Klägerin eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren kam der Sachverständige im Juli 2009 zu dem Befund, dass die wichtigsten Bereiche der Einbauküche nicht oder nur bedingt funktionierten.

Die auf Rückabwicklung des Vertrages sowie Schadensersatz gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Klägerin es versäumt habe, der Beklagten vor dem am 31. März 2009 erklärten Rücktritt eine angemessene Frist zur Nachbesserung der gerügten Mängel zu setzen.

Vorinstanzen:

OLG München - Urteil vom 30. September 2014 – 18 U 1270/14
LG München I - Urteil vom 10. März 2014 – 34 O 9440/10

* § 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistung

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zu Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

** § 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. […]

Terminhinweis am 12. Juli 2016, 10.00 Uhr, in Sachen XI ZR 501/15 (Streit um rechtsmissbräuchliche Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts)

Datum: 12.07.2016

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrags.

Der Kläger schloss nach seiner Behauptung in einer Haustürsituation am 25. November 2001 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag, der der Finanzierung einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft diente. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die auf die zweiwöchige Widerrufsfrist und darauf hinwies, im Falle des Widerrufs des Darlehensvertrags komme auch der Beitritt zu der Fondsgesellschaft nicht wirksam zustande. Der Kläger führte das Darlehen bis zum 15. Januar 2007 vollständig zurück. Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Seine auf Zahlung und Freistellung Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung und auf Feststellung gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Unabhängig davon, ob dem Kläger ein Widerrufsrecht zugestanden habe, sei sein am 20. Juni 2014 erklärter Widerruf jedenfalls treuwidrig. Zwar finde das Institut der Verwirkung auf Fälle, in denen die Parteien über das Bestehen eines „ewigen“ Widerrufsrechts stritten, keine Anwendung. Es fehle das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment, weil der Darlehensgeber durch eine unzureichende Belehrung das Fortbestehen des Widerrufsrechts selbst verursacht habe und deshalb grundsätzlich nicht auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts vertrauen könne. In der Erklärung des Widerrufs liege indessen, was eine umfassende Interessenabwägung ergebe, eine unzulässige Rechtsausübung. Der Gesetzgeber habe dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt, um ihm die Ermittlung günstigerer Angebote zu ermöglichen und mittels der Einräumung einer Bedenkzeit diejenige Störung der Vertragsparität auszugleichen, die darin liege, dass Darlehensverträge oft komplexe und schwer zu durchschauende Regelungen enthielten. Dem Kläger gehe es dagegen darum, sich von wohlüberlegt und sehenden Auges eingegangenen Risiken zu befreien, für die etwaige Mängel der Widerrufsbelehrung völlig irrelevant gewesen seien. Neben dieser Motivlage sei in die Gesamtabwägung der ganz erhebliche Zeitablauf und der Umstand einzubeziehen, dass die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht dem Grunde nach durchaus belehrt habe. Der rechtsmissbräuchliche Widerruf sei unwirksam.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

LG Hamburg – Urteil vom 15. April 2015 – 301 O 156/14
Hanseatisches OLG Hamburg – Urteil vom 16. Oktober 2015 – 13 U 45/15

Verhandlungstermin am 12. Juli 2016, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 564/15 (Streit um Widerruf bei Verbraucherdarlehensvertrag)

Datum: 12.07.2016

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags.

Die Kläger schlossen im April 2008 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nennbetrag in Höhe von 50.000 €. Als Sicherheit der Beklagten dienten Grundpfandrechte. Die Beklagte belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht. Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 24. Juni 2013 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Sie leisteten an die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht weitere 40.625,33 €.

Ihrer Klage auf Zahlung der Differenz zwischen diesem Betrag und dem von ihnen als der Beklagten bei Wirksamwerden des Widerrufs noch geschuldet berechneten Betrag von 34.809,73 €, folglich auf Zahlung von 5.815,60 €, hat das Landgericht abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Oberlandesgericht den Klägern einen Teil der Klageforderung zuerkannt und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Kläger hätten in Höhe des zugesprochenen Teilbetrags eine Leistung ohne rechtlichen Grund an die Beklagte erbracht. Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien habe sich aufgrund des Widerrufs der Kläger in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Auf die resultierende Forderung der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis hätten die Kläger zu viel bezahlt.

Die Kläger hätten ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung im Juni 2013 noch widerrufen können, weil die Widerrufsfrist mangels deutlicher Belehrung der Beklagten nicht angelaufen sei. Eine Belehrung, die sich wie im konkreten Fall hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränke, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, sei nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß der BGB-Informationspflichten-Verordnung – hier nach Maßgabe der Überleitungsregelung für an der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Musters orientierte Belehrungen – könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung dem Muster nicht vollständig entsprochen habe. Die Beklagte habe nach der die Länge der Widerrufsfrist kennzeichnenden Passage – „innerhalb von zwei Wochen“ – eine hochgestellte „2“ eingefügt, die zu einer nach der Unterschrift des Verbrauchers am unteren Seitenrand des Formulars abgedruckten Fußnote geführt habe. Mittels des in dieser Fußnote abgedruckten Textes „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ sei die Beklagte von der Musterwiderrufsbelehrung abgewichen. Überdies sei die mit dieser Fußnote versehene Widerrufsbelehrung geeignet gewesen, beim Verbraucher den (unzutreffenden) Eindruck hervorzurufen, eine (von ihm vorzunehmende) Prüfung seines Einzelfalls könne abhängig von von ihm in der Widerrufsbelehrung nicht aufgezeigten Umständen zur Bestimmung einer Widerrufsfrist von weniger oder von mehr als zwei Wochen führen.

Die Kläger hätten das Widerrufsrecht nicht verwirkt. Genügende Umstände, die das Vertrauen der Beklagten darauf gerechtfertigt hätten, die Kläger würden von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen, lägen nicht vor.

Die Kläger hätten der Beklagten nach Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis Herausgabe der Darlehensvaluta nebst Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta geschuldet, bei deren Bemessung eine bei Ausreichung des Darlehens im April 2008 marktübliche Verzinsung von 5,71% p.a. – nicht wie von den Klägern eingeführt von 5,25% p.a. – zugrunde zu legen sei. Dies ergebe einen Gesamtbetrag von 63.423,38 €. Die Kläger hätten von der Beklagten Rückerstattung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 22.625 € verlangen können. Außerdem habe ihnen ein Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten aus den Zins- und Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen zugestanden. Widerleglich sei zu vermuten, dass die Beklagte aus Zins- und Tilgungsleistungen, die sie aus dem grundpfandrechtlich gesicherten und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge üblichen Bedingungen ausgegebenen Darlehen erlangte habe, Nutzungen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nicht, wie von den Klägern geltend gemacht, von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gezogen habe. Die Kläger hätten zu höheren und die Beklagte zu geringeren Nutzungen nicht vorgetragen. Zu erstatten habe die Beklagte schließlich eine vereinnahmte „Schätzgebühr“ samt hieraus gezogener Nutzungen. Mit der sich daraus ergebenden Gesamtforderung in Höhe von 24.813,60 € hätten die Kläger gegen die Forderung der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis aufgerechnet, so dass sich zugunsten der Beklagten noch ein Saldo von 38.609,78 € ergeben habe. Da die Kläger weitere 40.625,33 € an die Beklagte gezahlt hätten, sei die Beklagte in Höhe von 2.015,55 € ungerechtfertigt bereichert.

Mit der zu ihren Gunsten vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Zur Überprüfung des Senats gestellt sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Reichweite der Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung, zu den Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung bzw. Verwirkung des Widerrufsrechts und zur Herausgabe widerleglich gezogener Nutzungen der Banken auf Tilgungsleistungen des Verbrauchers. Mit der Anschlussrevision macht die Klägerin zu 2 – zugleich als Rechtsnachfolgerin des Klägers zu 1 – die Entscheidung des Oberlandesgerichts zu den Rechtsfolgen zum Gegenstand des Revisionsverfahrens, soweit das Oberlandesgericht hinter den Anträgen der Kläger zurückgeblieben ist.

Vorinstanzen:

LG Nürnberg-Fürth – Urteil vom 27. Oktober 2014 – 10 O 3952/14
OLG Nürnberg – Urteil vom 11. November 2015 – 14 U 2439/14

Verkündungstermin 12.7.2016, 9.00 Uhr (vorher: 7. Juni 2016, 9.00 Uhr) (Verhandlungstermin am 8. März 2016) in Sachen KZR 25/14 (Vermittlung von Lotterien)

Datum: 12.07.2016

Die Klägerin ist eine gewerbliche Spielvermittlerin, die bundesweit von den Lottogesellschaften der Bundesländer veranstaltete Lotterien und Sportwetten vermittelt. Die Beklagte ist die Lottogesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen eines Kartellrechtsverstoßes geltend, der Gegenstand eines gegen den Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) und seine Mitglieder gerichteten Kartellverwaltungsverfahrens war, das mit Beschluss des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 (KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 – Lottoblock; Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 155/2008 vom 14. August 2008) beendet worden ist.

Die Veranstaltung von Lotterien ist in Deutschland grundsätzlich den Lottogesellschaften der Bundesländer vorbehalten, die sich im DLTB zusammengeschlossen haben. Ab April 2005 versuchte die Klägerin mit verschiedenen Kooperationspartnern, eine terrestrische Vermittlung für Spieleinsätze bei den staatlichen Lotterien aufzubauen. Dazu sollten Verkaufsstellen in Einzelhandelsgeschäften wie Supermärkten oder Tankstellen errichtet werden. Einnahmen wollte die Klägerin aus Gebühren der Spielteilnehmer und Provisionszahlungen der Lottogesellschaften erzielen. Der Rechtsausschuss des DLTB forderte die Lottogesellschaften auf, Umsätze aus dem terrestrischen Vertrieb gewerblicher Spielvermittler zurückzuweisen. In dem daraufhin eingeleiteten Kartellverwaltungsverfahren gegen den DLTB und seine Mitglieder bestätigte der Bundesgerichtshof das vom Bundeskartellamt gegenüber dem DLTB und den Lottogesellschaften der Länder ausgesprochene Verbot, Lottogesellschaften aufzufordern, Spielumsätze gewerblicher Spielvermittler ausschließlich deshalb nicht anzunehmen, weil sie durch terrestrische Vermittlung erzielt worden sind, oder einen entsprechenden Beschluss des Rechtsausschusses des DLTB umzusetzen.

Anders als von ihr geplant, erhielt die Klägerin von den Lottogesellschaften keine Provisionszahlungen für die terrestrische Vermittlung von Lotterien. Ende 2008 stellte sie die terrestrische Vermittlung ein. Mit ihrer Klage macht sie entgangenen Gewinn für die Jahre 2006 bis 2008 geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 11,5 Mio. € zuzüglich Zinsen verurteilt. Es hat angenommen, aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 stehe gem. § 33 Abs. 4 GWB* mit Bindungswirkung fest, dass sich die Beklagte und die anderen Lottogesellschaften vom Zeitpunkt der Beschlussfassung im Rechtsausschuss des DLTB im April 2005 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren am 30. Mai 2007 kartellrechtswidrig verhalten hätten. Auch in der Folgezeit ab 31. Mai 2007 bis Ende 2008 bestehe eine Vermutung für die Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften, die von der Beklagten nicht widerlegt worden sei. Der schuldhafte Kartellrechtsverstoß der Beklagten habe zumindest mitursächlich zum Scheitern des Geschäftsmodells und damit zu einem Schaden der Klägerin in Form entgangenen Gewinns geführt.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Im Revisionsverfahren wird es unter anderem um die Frage gehen, in welchem zeitlichen Umfang eine Bindungswirkung an die tatsächlichen Feststellungen im Kartellverwaltungsverfahren nach § 33 Abs. 4 GWB* besteht und welche Anforderungen an die Feststellung eines Schaden zu stellen sind, der durch einen Kartellrechtsverstoß entstanden sein soll.

* § 33 GWB Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht

(…)
(4) Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Schadensersatz gefordert, ist das Gericht an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde oder des als solche handelnden Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union getroffen wurde. Das Gleiche gilt für entsprechende Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen nach Satz 1 ergangen sind. (…)

Vorinstanzen:

LG Dortmund - Urteil vom 24. April 2012 – 25 O 5/11
OLG Düsseldorf - Urteil vom 9. April 2014 – VI-U Kart 10/12

Verhandlungstermin am 7. Juli 2016, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 30/15 und I ZR 68/15 (Zur Frage der Qualifizierung eines per E-Mail oder telefonisch geschlossenen Grundstücksmaklervertrages als Fernabsatzgeschäft)

Datum: 07.07.2016
Akkreditierungsschluss: 08.07.2016

In den zur Verhandlung anstehenden Verfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesge-richtshof darüber zu entscheiden, ob ein per E-Mail oder telefonisch geschlossener Grundstücksmaklervertrag ein Fernabsatzgeschäft im Sinne von § 312b BGB aF* darstellt und vom Maklerkunden widerrufen werden kann.

Im Verfahren I ZR 30/15 nimmt die Klägerin den Beklagten aus abgetretenem Recht einer Immobilienmaklerin auf Zahlung einer Maklerprovision in Anspruch. Die Immo-bilienmaklerin bewarb im April 2013 in einem Internetportal ein Hausgrundstück in Rellingen. Auf der Internetseite war eine vom Käufer zu zahlende Maklercourtage von 6,25% des Kaufpreises angegeben. Der Beklagte bekundete per E-Mail sein In-teresse an dem Objekt. Die Immobilienmaklerin übersandte ihm darauf als pdf-Datei ein Exposé, in dem ebenfalls eine vom Käufer zu zahlende Maklerprovision von 6,25% des Kaufpreises ausgewiesen war. Eine Widerrufsbelehrung enthielt das Ex-posé nicht. Der Beklagte bestätigte telefonisch den Eingang des Exposés und bat um einen Besichtigungstermin. Einige Wochen nach der Besichtigung erwarb er das Grundstück zu einem Kaufpreis von 240.000 €. Die Klägerin verlangt vom Beklagten nunmehr die Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 15.000 € sowie die Erstat-tung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Der Beklagte hat den Maklervertrag im Laufe des Rechtsstreits widerrufen. Hilfswiderklagend hat er die Herabsetzung der Maklerprovision auf einen von ihm als angemessen erachteten Betrag zwischen 1.000 € und 2.000 € begehrt.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben und die Hilfswiderklage abge-wiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Maklervertrag sei nicht als Fernabsatzvertrag zustande ge-kommen, weil er erst während des Besichtigungstermins geschlossen worden sei. Im Übrigen seien die Regelungen zu Fernabsatzverträgen auf Immobilienmaklerverträge nicht anwendbar, weil sich der Maklerkunde zum Erwerb des Grundstücks in Kenntnis des dadurch ausgelösten Provisionsanspruchs entscheide und nicht vor einer übereilten Entscheidung geschützt werden müsse. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Im Verfahren I ZR 68/15 bewarb die Klägerin, eine Immobilienmaklerin, im Jahr 2013 im Internet ein Grundstück in Troisdorf. Auf die Anfrage des Beklagten übersandte sie ihm per E-Mail ein Exposé, in dem eine vom Käufer zu zahlende Maklerprovision von 3,57% des Kaufpreises ausgewiesen war. Eine Widerrufsbelehrung fand sich in dem Exposé nicht. Der Beklagte bestätigte per E-Mail den Eingang des Exposés und vereinbarte mit der Klägerin einen Besichtigungstermin. In der Folgezeit erwarb er das Grundstück zu einem Kaufpreis von 650.000 €. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nunmehr die Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 23.205 € und den Ersatz vorgerichtlicher Portokosten. Im Laufe des Rechtsstreits hat der Beklagte den Maklervertrag widerrufen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Beklagte habe den Maklervertrag nach den Regeln des Fernabsatzgeschäfts wirksam widerrufen, weil es sich um einen per E-Mail zustande gekommenen Vertrag über Dienstleistungen im Sinne von § 312b BGB aF gehandelt habe. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

I ZR 30/15
LG Itzehoe - Urteil vom 30. Mai 2014 - 6 O 379/13
Schleswig-Holsteinisches OLG - Urteil vom 22. Januar 2015 - 16 U 89/14

I ZR 68/15
LG Erfurt - Urteil vom 25. Februar 2014 - 8 O 804/13
Thüringer OLG - Urteil vom 4. März 2015 - 2 U 205/14

*§ 312b BGB aF lautet:

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Er¬bringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwi¬schen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Ver¬wendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisier¬ten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. (…)

(2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Tele-kopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.

Verhandlungstermin am 29. Juni 2016, 10.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 191/15 (Gebrauchtwagenkauf: Standzeit von über zwölf Monaten vor Erstzulassung)

Datum: 29.06.2016

In diesem Verfahren streiten die Parteien darüber, ob ein zwei Jahre und vier Monate nach der Erstzulassung verkaufter Gebrauchtwagen mangelhaft ist, weil das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung mehr als zwölf Monate gestanden hat.

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte im Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 €. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik „Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief“ der 18. Februar 2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 1. Juli 2008 hergestellt worden. Nach Ansicht des Klägers begründet diese Länge der Standzeit vor Erstzulassung (19 ½ Monate) einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Vorinstanzen:

Landgericht Göttingen - Urteil vom 27. November 2014 - 4 O 214/13
Oberlandesgericht Braunschweig - Urteil vom 23. Juli 2015 - 9 U 2/15

Karlsruhe, den 11. Mai 2016

*§ 433 BGB Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag

(1) […] Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

**§ 434 BGB Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
[…]
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.[…]

Verhandlungstermin am 23. Juni 2016, 10.00 Uhr, in Sachen I ZR 137/15 (Einlösung der Rabatt-Coupons von Mitbewerbern)

Datum: 23.06.2016

Die Beklagte betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Sie warb damit, dass die Kunden 10%-Rabatt-Coupons von Mitbewerbern in ihren Filialen vorlegen und einen entsprechenden Rabatt auf den Einkauf erhalten konnten.

Die Klägerin hält die Werbung unter dem Gesichtspunkt der gezielten Behinderung für wettbewerbswidrig. Die Beklagte ziele in erster Linie darauf ab, sich die Werbemaßnahmen der Mitbewerber zu Eigen zu machen und deren Erfolg zu verhindern. Die Werbung sei zudem irreführend, weil den angesprochenen Verkehrskreisen suggeriert werde, dass die Beklagte mit den namentlich benannten beziehungsweise mit den aus dem überschaubaren Markt bekannten Konkurrenten eine Vereinbarung getroffen habe, die das gegenseitige Anerkennen von Rabattgutscheinen zum Gegenstand habe. Die Klägerin hat die Beklagte daher auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Werbeaktionen für wettbewerbskonform erachtet. Ein unlauteres Eindringen in einen fremden Kundenkreis und ein Ausspannen oder Abfangen von Kunden sei der Beklagten nicht vorzuwerfen. Durch den bloßen Besitz eines Gutscheins, auch wenn er nur an Kundenkarteninhaber versandt worden sei, werde noch keine Kundenbeziehung geschaffen, die dazu führe, dass die so angesprochenen Verbraucher dem werbenden Unternehmen als Kunden zuzurechnen wären. Zudem beinhalte die Ankündigung, einen fremden Gutschein einzulösen, kein unangemessenes Einwirken auf den Kunden. Die Beklagte habe durch die Ausnutzung der Gutscheine von Konkurrenten auch nicht deren Werbung unlauter behindert, weil sie nicht verhindert habe, dass deren Gutscheine die potentiellen Kunden erreichten. Die Werbung der Gutscheinausgeber werde durch das beanstandete Vorgehen der Beklagten auch nicht sinnlos. Eine unlautere Irreführung sei nicht gegeben, weil der Verbraucher nicht annehme, es liege eine abgesprochene Werbemaßnahme mehrerer Unternehmen vor.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:
LG Ulm - Urteil vom 20. November 2014 - 11 O 36/14 KfH
OLG Stuttgart - Urteil vom 2. Juli 2015 - 2 U 148/14

Verhandlungstermin am 15. Juni 2016, 9.30 Uhr - VIII ZR 134/15 (Fehlen einer zugesagten Herstellergarantie)

Datum: 15.06.2016

In diesem Verfahren streiten die Parteien darüber, ob das Fehlen einer zugesagten Herstellergarantie bei einem Gebrauchtwagenkauf einen Sachmangel des Fahrzeugs begründet.

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte vom Beklagten, einem Kraftfahrzeughändler, zum Preis von 42.200 € einen Gebrauchtwagen, den dieser zuvor auf einer Internetplattform zum Verkauf angeboten und dort unter anderem mit einer noch mehr als ein Jahr laufenden Herstellergarantie beworben hatte. Kurz nach dem Kauf mussten infolge von Motorproblemen Reparaturen durchgeführt werden, die für den Kläger aufgrund der Herstellergarantie zunächst kostenfrei blieben. Später verweigerte der Hersteller weitere Garantieleistungen, weil im Rahmen einer Motoranalyse Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstandes festgestellt worden seien; die Kosten der bereits durchgeführten Reparaturleistungen und des während der letzten Reparatur zur Verfügung gestellten Ersatzfahrzeugs wurden dem Kläger nunmehr teilweise in Rechnung gestellt. Daraufhin trat er unter Verweis auf die fehlende Herstellergarantie vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises sowie Ersatz ihm entstandener Aufwendungen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt das Fehlen der Herstellergarantie keinen Sachmangel im Sinne der § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB*, § 434 Abs. 1 BGB** dar. Eine Herstellergarantie betreffe nicht die Beschaffenheit eines Fahrzeugs, weil sie diesem nicht unmittelbar "anhafte". Vielmehr handele es sich lediglich um eine rechtliche Beziehung außerhalb der Kaufsache.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:
Landgericht Ingolstadt - Urteil vom 30. Oktober 2014 - 32 O 209/14
Oberlandesgericht München - Beschluss vom 13. Mai 2015 - 21 U 4559/14

Karlsruhe, den 21. April 2016

*§ 433 BGB Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag

(1) […] Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
[…]

**§ 434 BGB Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.
Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte
[…]

Verkündungstermin: (Verhandlungstermin am 8. März 2016) 9.00 Uhr, in Sachen KZR 6/15 (Sperrung wegen Dopings – Zuständigkeit der deutschen Gerichte)

Datum: 07.06.2016

Die Klägerin, Claudia Pechstein, eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin, verlangt von der International Skating Union, dem internationalen Fachverband für Eisschnelllauf, Schadensersatz, weil sie - vermeintlich zu Unrecht - zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war. Im derzeitigen Verfahrensstadium geht es um die Fragen, ob die deutschen Gerichte zuständig sind und ob eine von der Klägerin unterzeichnete Schiedsvereinbarung mit Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sports (CAS) in Lausanne wirksam ist.

Die Beklagte ist monopolistisch nach dem sog. „Ein-Platz-Prinzip“ organisiert, d.h. es gibt - wie auch auf nationaler Ebene - nur einen internationalen Verband, der Wettkämpfe im Eisschnelllauf auf internationaler Ebene veranstaltet. Vor der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft in Hamar/Norwegen im Februar 2009 unterzeichnete die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte Wettkampfmeldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre sie zum Wettkampf nicht zugelassen worden. In der Wettkampfmeldung verpflichtete sie sich unter anderem zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten. Außerdem enthielt die Wettkampfmeldung die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vor dem CAS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs. Bei der Weltmeisterschaft in Hamar wurden der Klägerin Blutproben entnommen, die erhöhte Retikulozytenwerte aufwiesen. Die Beklagte sah dies als Beleg für Doping an. Ihre Disziplinarkommission verhängte gegen die Klägerin unter anderem eine zweijährige Sperre. Die hiergegen eingelegte Berufung zum CAS war erfolglos. Auch eine Beschwerde und eine Revision zum Schweizer Bundesgericht blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin hat daraufhin Klage zum Landgericht München I erhoben. Sie verlangt Ersatz ihres materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat dagegen durch Teilurteil festgestellt, dass die Klage zulässig sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht die Schiedsvereinbarung der Parteien einer Klage zu den ordentlichen Gerichten nicht entgegen, weil diese Vereinbarung gegen Kartellrecht verstoße und damit nichtig sei. Die Beklagte, die auf dem sachlich relevanten Markt der Durchführung von Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf Monopolistin sei, habe mit dem Verlangen einer Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS ihre Marktmacht gegenüber der Klägerin missbräuchlich ausgenutzt (§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB aF*). Das Verlangen einer Schiedsvereinbarung durch den Ausrichter von internationalen Sportwettkämpfen stelle zwar nicht schlechthin einen Missbrauch von Marktmacht dar. So verhindere die Gewährleistung einheitlicher Zuständigkeiten und Verfahrensgestaltungen in gleichgelagerten Fällen divergierende Entscheidungen und stelle einen sachgerechten Grund dar, Streitigkeiten zwischen Athleten und Verbänden im Zusammenhang mit internationalen Wettkämpfen einem einheitlichen Sport-Schiedsgericht zuzuweisen. Das Verlangen einer Zustimmung zu der Schiedsvereinbarung zugunsten des CASs sei jedoch ein Missbrauch von Marktmacht. Die Sportverbände hätten nämlich aufgrund der Statuten des CAS einen bestimmenden Einfluss auf die Auswahl der Personen, die als Schiedsrichter in Betracht kämen. Eine sachliche Rechtfertigung für dieses Verbandsübergewicht liege nicht vor. Der Grund dafür, dass sich ein Athlet trotz des Verbandsübergewichts der Schiedsvereinbarung unterwerfe, bestehe allein in der Monopolstellung des Verbandes.

Die Beklagte wendet sich gegen diese Beurteilung mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

* § 19 GWB aF Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(…)
(4) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
1. (…)
2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
(…)

Vorinstanzen:

OLG München - Urteil vom 15. Januar 2015 – U 1110/14 Kart
LG München I - Urteil vom 26. Februar 2014 – 37 O 28331/12

beide Verhandlungstermine aufgehoben wegen Rücknahme des Rechtsmittels: Verhandlungstermin am am 2. Juni 2016 (vorher: 12. November 2015) in Sachen I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Angebot von Glücksspielen im Internet)

Datum: 02.06.2016

In den zur Verhandlung anstehenden Parallelverfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Frage zu entscheiden, ob das Angebot von Glücksspielen und Sportwetten im Internet nach einer Neuregelung des Glückspielrechtes auch mit Blick auf das Unionsrecht als wettbewerbswidrig anzusehen ist. Gegenstand des Verfahrens I ZR 203/12 ist ferner die Frage, ob der in § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages 2008 (GlüStV 2008) und in § 4 Abs. 1 des 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüStV 2012) niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen sowie die praktische Umsetzung des seit Inkrafttreten des GlüStV 2012 geltenden Konzessionsmodells für Sportwetten mit dem Recht der Europäischen Union in Einklang zu bringen sind.

Die beklagten Gesellschaften bieten im Internet Sportwetten und teils auch Glücksspiele an.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 203/12, die mit behördlicher Erlaubnis auf dem Gebiet des Bundeslandes Sachsen-Anhalt Sportwetten veranstaltet, hält dieses Angebot für wettbewerbswidrig. Sie nimmt die beklagten Gesellschaften und ihre Geschäftsführer auf Unterlassung der Veranstaltung von Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis sowie auf Schadensersatz und Auskunftserteilung in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage mit den von der Klägerin zuletzt gestellten Anträgen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dass den Beklagten jedenfalls mit Blick auf eine fehlende behördliche Erlaubnis kein unlauteres Wettbewerbsverhalten entgegengehalten werden könne, weil der in § 4 Abs. 1 GlüStV 2008 niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren sei. Auch unter der Geltung des GlüStV 2012 sei das Verhalten der Beklagten nicht wettbewerbswidrig, solange ihnen keine effektive Möglichkeit zur Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis zur Verfügung stehe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Im Verfahren I ZR 241/12 werden die Beklagten von der staatlichen Lottogesellschaft von Nordrhein-Westfalen auf Unterlassung der Veranstaltung und des Bewerbens von Sportwetten und Glücksspielen im Internet in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und einer auf Unterlassung der Bewerbung von Glücksspielen durch die Klägerin gerichteten Hilfswiderklage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelten die beklagten Gesellschaften bis zum 31. Dezember 2011 wettbewerbswidrig, soweit sie gegen die Vertriebs- und Werbeverbote für Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag 2008 (GlüStV 2008) verstießen (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09, GRUR 2012, 193 = WRP 2012, 201 - Sportwetten im Internet II). Nach Rechtsänderungen stellt sich auch insoweit die Frage, ob das deutsche Glücksspielrecht noch mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verfahren I ZR 203/12 im Anschluss an das Verfahren I ZR 171/10 ausgesetzt, in dem er dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) vorgelegt hat (vgl. Pressemitteilung Nr. 12/2013).

Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen dahin beantwortet, dass Art. Art. 56 AEUV dahin auszulegen sei, dass er einer der Mehrheit der Gliedstaaten eines föderal strukturierten Mitgliedstaats gemeinsamen Regelung, die die Veranstaltung und die Vermittlung von Glücksspielen im Internet grundsätzlich verbietet, während ein einzelner Gliedstaat für einen begrenzten Zeitraum neben den restriktiven Rechtsvorschriften der übrigen Gliedstaaten bestehende weniger strenge Rechtsvorschriften beibehalten hat, dann nicht entgegensteht, wenn diese gemeinsame Regelung den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt. Ob dies der Fall sei, sei durch das das vorlegende Gericht zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - C-156/13, GRUR 2014, 876 = WRP 2014, 1172).

In dem Verfahren I ZR 171/10 ist die Revision der Beklagten zurückgenommen worden (vgl. Pressemitteilung Nr. 80/2015).

Vorinstanzen:

I ZR 203/12
LG Magdeburg - Urteil vom 11. März 2011 - 36 O 235/07, BeckRS 2012, 00417
OLG Naumburg - Urteil vom 27. September 2012 - 9 U 73/11, BeckRS 2012, 20813
BGH - Beschluss vom 30. Oktober 2013 - I ZR 203/12, BeckRS 2013, 19533

I ZR 241/12
LG Köln - Urteil vom 24. Juni 2010 - 31 O 504/09, BeckRS 2011, 09644
OLG Köln - Urteil vom 30. November 2012 - 6 U 114/10, GRUR-RR 2013, 111

Verhandlungstermin aufgehoben; Revsionsrücknahme: Verhandlungstermin am 31. Mai 2016, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 511/15 (Streit um Widerruf bei Verbraucherdarlehensvertrag)

Datum: 31.05.2016

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages.
Der Kläger zeichnete am 27. Oktober 2004 eine Beteiligung an einer Fondsgesellschaft. Die eine Hälfte des Beteiligungskapitals brachte er aus eigenen Mitteln auf. Die andere Hälfte finanzierte er mittels eines Darlehens der beklagten Bank. Er tilgte das Darlehen zum 30. März 2010 vollständig. Am 17. Januar 2014 widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung.

Seine auf Zahlung nebst Nutzungsentgelt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung gerichtete Klage hat das Oberlandesgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat ihm das Berufungsgericht einen Teil des begehrten Betrags nebst Nutzungsentgelt in Höhe von 1,3% p.a. aus näher bezeichneten Teilbeträgen Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus der Beteiligung zugesprochen. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, weil sie keinerlei Bezugnahme auf das Vorliegen eines hier tatsächlich gegebenen verbundenen Geschäfts enthalte. Entsprechend sei die Widerrufsfrist nicht angelaufen und habe der Kläger fristgerecht widerrufen. Dass der Kläger erst nach vollständiger Rückführung der Darlehensvaluta widerrufen habe, schließe das Widerrufsrecht nicht aus. Der Kläger habe das Widerrufsrecht weder verwirkt noch aus sonstigen Gründen treuwidrig ausgeübt. Daher habe die Beklagte dem Kläger sämtliche von ihm erbrachten Leistungen zu erstatten. Ebenfalls habe sie ihm Nutzungsersatz hinsichtlich der von ihm aufgewandten Beträge zu leisten. Dabei greife die tatsächliche Vermutung, dass Banken aus ihnen zur Verfügung stehenden Geldern Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zögen, nicht. Vielmehr sei die Höhe gezogener Nutzungen anhand aktueller Daten zu schätzen. Eine Schätzung anhand der Veröffentlichung der Deutschen Bundesbank führe hier zu einem Nutzungsersatz in Höhe von 1,3% p.a.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Urteil vom 6. Februar 2015 – 322 O 282/14
Hanseatisches OLG Hamburg – Urteil vom 16. Oktober 2015 – 13 U 27/15

Verhandlungstermin wurde aufgehoben; neuer Termin noch nicht bestimmt (vorher: Verhandlungstermin am 28. April 2016, 11.30 Uhr, in Sachen 4 StR 474/15 (Versuchtes Tötungsdelikt an einem Polizeibeamten bei Regionalliga-Fußballspiel)

Datum: 28.05.2016

Das Landgericht Essen hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hintergrund des Verurteilung ist der Vorwurf eines Angriffs des Angeklagten, eines Fans des Fußballvereins Fortuna Düsseldorf, nach einem Regionalliga-Fußballspiel zwischen Rot-Weiß Essen und Fortuna Düsseldorf II am 14. November 2014 auf den Nebenkläger, einen Beamten der Bundespolizei.

Das Landgericht hat hierzu Folgendes festgestellt:

Als Anhänger des Düsseldorfer Vereins nach Spielende vor ihrer Heimreise auf einem Bahnsteig des Essener Hauptbahnhofs darauf aufmerksam wurden, dass Beamte der Bundespolizei bei einem der Düsseldorfer Fans eine Identitätsfeststellung wegen des Verdachts einer Straftat durchführten, versuchten sie, diese Maßnahme zu verhindern und „ihren Fankollegen zu befreien“. Da von der etwa 20-köpfigen Fangruppe auch körperliche Angriffe auf die Beamten ausgingen, eilte eine weitere Gruppe von Beamten als Unterstützung herbei, zu der auch der Nebenkläger gehörte. Als dieser einen Düsseldorfer Fan, der gerade im Begriff war, einen anderen Bundespolizisten zu treten, mit seinem Schlagstock auf den Oberschenkel schlug, sprang ihn der etwa 100 kg schwere Angeklagte von hinten an, legte seinen rechten Unterarm um seinen Hals und zog den Würgegriff mit voller Kraft zu. Der Nebenkläger, der dessen Annäherung nicht bemerkt hatte, versuchte erfolglos, diesen abzuschütteln, geriet dabei ins Stolpern und fiel mit dem Angeklagten zu Boden, der gleichwohl seinen Würgegriff über einen Zeitraum von 15-20 Sekunden mit voller Kraft fortsetzte. Der Nebenkläger geriet durch das Abschneiden der Luftzufuhr an den Rand der Bewusstlosigkeit und in Todesangst. Er konnte erst durch das Eingreifen weiterer Polizeibeamter aus dem Würgegriff befreit werden. Der Angeklagte handelte in der Vorstellung, der Nebenkläger könnte infolge seiner potentiell lebensgefährlichen Handlung zu Tode kommen und nahm dies billigend in Kauf. Der Nebenkläger erlitt u.a. erhebliche Verletzungen im Halsbereich. Das Landgericht hat angenommen, dass der leicht intelligenzgeminderte Angeklagte wegen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit handelte.

Gegen das Urteil wenden sich sowohl der Angeklagte als auch der Nebenkläger mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Der Nebenkläger erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes.

Vorinstanz:

LG Essen – Urteil vom 16. Juni 2015 – 22 Ks 5/15 (70 Js 523/14)

(Verhandlungstermin aufgehoben, da Hauptsache für erledigt erklärt wurde). Verhandlungstermin am 24. Mai 2016, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 366/15 (Streit um Widerruf bei Verbraucherdarlehensverträgen)

Datum: 24.05.2016

Die Kläger begehren die Feststellung, dass Darlehensverhältnisse mit der beklagten Bank aufgrund eines am 20. Juni 2014 erklärten Widerrufs „beendet“ sind.

Die Beklagte gewährte am 1. September 2008 unter einer Vorgangsnummer vier „Kredite“, von denen zwei noch valutieren. Die Kredite waren zum 30. Dezember 2009 abzulösen. Anfang 2009 gewährte die Beklagte unter einer weiteren Vorgangsnummer drei weitere „Kredite“, von denen einer von Mai 2009 noch valutiert. Unter dem 20. Juni 2014 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss der drei noch laufenden „Darlehensverträge“ gerichteten Willenserklärungen.

Ihrem Antrag festzustellen, dass die noch laufenden Darlehensverträge durch ihren Widerruf beendet seien, hat das Landgericht entsprochen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Feststellungsantrag sei zulässig. Die Kläger hätten ein berechtigtes Interesse daran, gegenüber der Beklagten, die dies leugne, die Umwandlung der Darlehensverhältnisse in Rückgewährschuldverhältnisse feststellen zu lassen. Eine Leistungsklage sei den Klägern nicht möglich, so dass sie nicht über eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit verfügten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Rückgewährschuldverhältnis einen Saldo zugunsten der Kläger ergeben könnte. Der Feststellungsantrag sei auch begründet. Den Klägern habe ein Widerrufsrecht zugestanden. Dieses Widerrufsrecht habe auch für den im Jahr 2009 geschlossenen Darlehensvertrag gegolten. Den Klägern sei damit ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt worden. Die Darlehensverträge seien einzeln widerruflich gewesen und einzeln widerrufen worden. Aufgrund der Vertragsgestaltung sei von einzelnen Darlehen auszugehen. Jedenfalls gebiete der Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts der Kläger eine je gesonderte Betrachtung. Schließlich hätten die Kläger mit Schriftsatz vom 5. Juni 2015 vorsorglich den Widerruf der Gesamtdarlehensverträge erklärt, so dass eine wirksame Widerrufserklärung nunmehr in jedem Fall abgegeben worden sei. Die Frist für den Widerruf der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger sei auch nicht abgelaufen gewesen. Die den Klägern erteilten Belehrungen hätten die den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechende Fehlvorstellung erweckt, für das Anlaufen der Widerrufsfrist sei die Übergabe einer von der Beklagten unterzeichneten Vertragserklärung ausreichend. Dass sich der Belehrungsmangel im konkreten Fall nicht ausgewirkt habe, sei unerheblich. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie deren Text verändert habe. Die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht weder verwirkt noch hätten sie es rechtsmissbräuchlich ausgeübt.

Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart – Urteil vom 13. Februar 2015 – 8 O 278/14
OLG Stuttgart – Urteil vom 21. Juli 2015 – 6 U 41/15

Verkündungstermin 24. Mai 2016 (vorher: Hauptverhandlungstermin am 17. März 2016), 14.00 Uhr, in Sachen 4 StR 440/15 (Freispruch des Oberbürgermeisters der Stadt Halle (Saale) vom Vorwurf der Untreue)

Datum: 24.05.2016

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Halle zu entscheiden, mit der diese sich gegen den Freispruch des amtierenden Oberbürgermeisters der Stadt Halle (Saale) vom Vorwurf der Untreue zum Nachteil des Vermögens der Stadt Halle als Anstellungskörperschaft dreier durch ihn eingestellter städtischer Bediensteter wendet.

Die Staatsanwaltschaft legte dem Angeklagten zur Last, mit drei Personen, die ihn bereits in der Vergangenheit bei seiner kommunalpolitischen Arbeit unterstützt hatten und denen er deshalb in besonderem Maße vertraute, bei seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister am 1. Dezember 2012 Arbeitsverträge – für Tätigkeiten als Büroleiter/Büroleiterin (Entgeltgruppe 15 nach Anlage A zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – TVöD VKA) bzw. als Referent/Referentin (Entgeltgruppe 13 bzw. 14) – unter Umgehung geltender Vorschriften über die Ausschreibung derartiger Dienstposten mit einer jeweils tariflich zu hohen Einstufung abgeschlossen zu haben. Der Stadt Halle sei dadurch ein vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommener Gefährdungsschaden in Höhe von insgesamt mindestens 290.000 entstanden. Er habe damit unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger den Tatbestand der Untreue erfüllt. Die die Strafbarkeit begründende Pflichtverletzung des Angeklagten liege in der unter Verstoß gegen § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) vorgenommenen Zuordnung der drei Beschäftigten zur fünften der insgesamt sechs zur Verfügung stehenden Stufen in der jeweiligen Entgeltgruppe.

Nach der Auffassung des Landgerichts bewegte sich die Gehalts¬eingruppierung der drei Mitarbeiter hingegen im tariflich vorgegebenen Rahmen. Zwar wäre, so das Landgericht, für die drei Mitarbeiter auch die nächst niedrigere Gehaltsstufe in Betracht gekommen, wodurch insgesamt mindestens 38.000 weniger an Gehaltskosten angefallen wären. Insoweit stehe dem Angeklagten jedoch bei einem zu seinen Gunsten angenommenen Personalgewinnungsbedarf im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) ein Ermessensspielraum bei der Eingruppierung der Mitarbeiter zu. Es sei nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Sicherheit nachzuweisen, dass sich der Angeklagte bei seiner Entscheidung zur Eingruppierung der drei Mitarbeiter maßgeblich auf sachfremde Gesichtspunkte gestützt und damit im Sinne des Untreuetatbestandes pflichtwidrig gehandelt habe. Diese Erwägungen beanstandet die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge.

Vorinstanz:
LG Halle – Urteil vom 9. Februar 2015 – 2 KLs 901 Js 14285/13 (3/14)

Karlsruhe, den 26. Januar 2016

§ 16 TVöD (VKA) lautet auszugsweise:

§ 16 (VKA) Stufen der Entgelttabelle

(1) Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 (VKA) geregelt.

(2) Bei Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügt die/der Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2; verfügt sie/er über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens drei Jahren, erfolgt bei Einstellung nach dem 31. Dezember 2008 in der Regel eine Zuordnung zur Stufe 3. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.
...
(3) Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2- nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):
- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,
- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,
- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,
- Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und
- Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.
Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 (VKA) geregelt.

 

Verhandlungstermine am 12. Mai 2016, 11.00 Uhr , in Sachen I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15, I ZR 48/15 und I ZR 86/15 (Haftung wegen Teilnahme an Internet-Tauschbörsen)

Datum: 12.05.2016

In den zur Verhandlung anstehenden Verfahren hat sich der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erneut mit Fragen der Haftung wegen der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen zu befassen (vgl. zu früheren Senatsentscheidungen die Pressemitteilungen Nr. 193/2012, Nr. 5/2014 und Nr. 92/2015)

Die Klägerinnen in den Verfahren I ZR 272/14, I ZR 1/15 und I ZR 44/15 haben die Verwertungsrechte an verschiedenen Filmwerken inne. Sie nehmen die jeweiligen Beklagten wegen einer angeblichen öffentlichen Zugänglichmachung der jeweiligen Filmaufnahmen im Wege des "Filesharing" über ihren Internetanschluss teils auf Schadensersatz (600 € je Filmtitel) sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Die Beklagten haben in Abrede gestellt, die von den Klägerinnen ausgewerteten Filmwerke zum Download über das Internet bereitgehalten zu haben. Das Amtsgericht hat die Klage in den Verfahren I ZR 272/14 und I ZR 1/15 abgewiesen und ihr im Verfahren I ZR 44/15 teilweise stattgegeben. Das Landgericht hat die Klage in den Verfahren I ZR 272/14 und I ZR 1/15 wegen des begehrten Schadensersatzes in Höhe von 600 € für begründet erachtet und die Beklagten zudem in allen drei Verfahren zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 130,50 € verurteilt, die es aus einem Gegenstandwert für den vorgerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch in Höhe von 1.200 € errechnet hat.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 43/15 macht geltend, Inhaberin der Rechte an einem Computerspiel zu sein. Sie nimmt den Beklagten wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiels über seinen Internetanschluss auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Vor dem Amtsgericht hatte die Klage in Höhe eines Betrages von 39 € Erfolg. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 192,90 € verurteilt, die es aus einem Gegenstandwert für den vorgerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch in Höhe von 2.000 € errechnet hat.

Die Klägerinnen im Verfahren I ZR 48/15 sind führende deutsche Tonträgerherstellerinnen. Sie nehmen den Beklagten als Inhaber eines Internetanschlusses wegen der angeblichen öffentlichen Zugänglichmachung von 809 Audiodateien auf Schadensersatz sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerinnen, die Richtigkeit der Ermittlungen sowie seine Täterschaft bestritten. Er hat darauf verwiesen, dass auch seine Ehefrau und seine damals 15 und 17 Jahre alten Kinder Zugriff auf die beiden im Haushalt genutzten Computer mit Internetzugang gehabt hätten. Die Kinder seien vor der erstmaligen Internetnutzung und in regelmäßigen Abständen danach belehrt worden. Ihnen sei lediglich die Nutzung für bestimmte Zwecke gestattet und andere Nutzungen untersagt gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten (bis auf einen Teil der Abmahnkosten) antragsgemäß verurteilt. Es hat angenommen, dass die streitbefangenen Musikaufnahmen über den Internetanschluss des Beklagten unbefugt öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlungen wecken könnten, seien nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht aufgezeigt worden. Stehe fest, dass ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht worden sei, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt gewesen sei, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich sei. Diese tatsächliche Vermutung bestehe auch bei Familienanschlüssen wie im vorliegenden Fall. Die gegen den Beklagten als Anschlussinhaber sprechende tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft habe dieser nicht widerlegt.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 86/15 ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an dem Film "Silver Linings Playbook". Sie hat von der Beklagten als Inhaberin eines Internetanschlusses wegen des unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachens des Werks den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 755,80 € nach einem Gegenstandswert von 15.000 € verlangt. Die Beklagte hat eingewandt, ihre in Australien lebende Nichte und deren Lebensgefährte hätten anlässlich eines Besuchs mithilfe des ihnen für den Abruf von E-Mails und zum Skypen überlassenen Passworts für den WLAN-Router die Verletzungshandlung begangen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat angenommen, die Beklagte sei als Störerin für die durch ihre Nichte und deren Lebensgefährten begangene Rechtsverletzung verantwortlich. Die Beklagte habe eine zumutbare Verhaltenspflicht verletzt, weil sie - was unstreitig ist - weder ihre Nichte noch deren Lebensgefährten darauf hingewiesen habe, dass eine Nutzung von Internet-Tauschbörsen zum illegalen Bezug von urheberrechtlich geschütztem Material zu unterbleiben habe. Eine solche Belehrungspflicht bestehe auch gegenüber einem volljährigen Dritten, der - wie die Nichte der Beklagten - nicht als "Familienangehöriger" anzusehen sei. Darauf, ob zwischen ihr und der Beklagten ein Vertrauensverhältnis wie zwischen Eltern und ihren Kindern bestehe, komme es nicht an.

Vorinstanzen:

I ZR 272/14
AG Bochum - Urteil vom 16. April 2014 - 67 C 4/14
LG Bochum - Urteil vom 27. November 2014 - I-8 S 9/14

I ZR 1/15
AG Bochum - Urteil vom 26. März 2014 - 67 C 3/14
LG Bochum - Urteil vom 27. November 2014 - I-8 S 7/14

I ZR 43/15
AG Bochum - Urteil vom 8. Juli 2014 - 65 C 81/14
LG Bochum - Urteil vom 5. Februar 2015 - I-8 S 17/14

I ZR 44/15
AG Bochum - Urteil vom 3. Juni 2014 - 65 C 558/13
LG Bochum - Urteil vom 5. Februar 2015 - I-8 S 11/14

I ZR 48/15
LG Köln - Urteil vom 20. November 2013 - 28 O 467/12
OLG Köln - Urteil vom 6. Februar 2015 - 6 U 209/13, juris

I ZR 86/15
AG Hamburg - Urteil vom 8. Juli 2014 - 25b C 887/13
LG Hamburg - Urteil vom 20. März 2015 - 310 S 23/14

Verhandlungstermin am 10. Mai 2016, 9.00 Uhr, in Sachen VI ZR 247/15 (Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler eines Tierarztes?)

Datum: 10.05.2016

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus einem tierärztlichen Behandlungsvertrag in Anspruch.

Im Juli 2010 stellte sie dem Beklagten ihr Pferd zur Behandlung vor, nachdem sie an der Innenseite des rechten hinteren Beines in der Höhe des Unterschenkelknochens eine Verletzung festgestellt hatte. Der Tierarzt verschloss die Wunde und gab die Anweisung, das Pferd müsse zwei Tage geschont werden. Es könne dann aber wieder geritten werden, soweit keine Schwellung im Wundbereich eintrete. Einige Tage später diagnostizierte er eine Fraktur des verletzten Beines. Die Operation der Fraktur gelang nicht, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet. Das Pferd hatte durch den Tritt eines anderen Pferdes eine Fissur des Knochens erlitten, die sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt hatte.

Das Oberlandesgericht hat den Tierarzt dem Grunde nach verurteilt, der Tierhalterin Schadensersatz wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes zu zahlen. Der Tierarzt habe einen schweren Behandlungsfehler begangen. Er hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit einer Fissur bestand und dazu weitere Untersuchungen vornehmen müssen, die die Fissur bestätigt hätten. Sodann hätte er die Empfehlung aussprechen müssen, das Tier möglichst so zu halten, dass es sich wenig bewegen und sich insbesondere nicht hinlegen kann.

Im Streitfall blieb ungeklärt, ob der grobe Behandlungsfehler dafür ursächlich war, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach. Es kommt daher darauf an, ob die Tierhalterin – wie es die Regel wäre - oder der Tierarzt die Beweislast hinsichtlich der Kausalität trägt. Das Oberlandesgericht hat entschieden, bei der tierärztlichen Behandlung könne im Falle eines groben Behandlungsfehlers zwar nicht generalisierend, aber nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls eine Beweislastumkehr angenommen werden, und hateine solche im Streitfall bejaht. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision. Im Revisionsverfahren stellt sich mithin die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Beweislastumkehr bei einer tierärztlichen Behandlung erfolgen kann.

Vorinstanzen:

LG Osnabrück - Entscheidung vom 12. September 2014 - 3 O 1494/11
OLG Oldenburg – Entscheidung vom 26. März 2015 - 14 U 100/14

Verhandlungstermin am 4. Mai 2016, 9.00 Uhr, in Sachen XII ZR 62/15 (Zur außerordentlichen Kündbarkeit von langfristigen Fitness-Studioverträgen)

Datum: 04.05.2016

Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich mit der Frage zu befassen haben, ob der Nutzer eines Fitnessstudios seinen langfristigen Vertrag außerordentlich kündigen kann, wenn er berufsbedingt den Wohnort wechselt.

Die Klägerin macht als Betreiberin eines Fitness-Studios gegen den Beklagten restliches Nutzungsentgelt für die Zeit von Oktober 2013 bis einschließlich Juli 2014 geltend. Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen Vertrag über die Nutzung des Fitness-Studios in Hannover für einen Zeitraum von 24 Monaten (Fitness-Studiovertrag). Sie vereinbarten ein monatliches Nutzungsentgelt von 65 Euro zuzüglich einer – zweimal im Jahr fälligen – Pauschale von 69,90 Euro für ein „Trainingspaket“. Ferner enthält der Vertrag eine Verlängerungsklausel um zwölf Monate für den Fall, dass er nicht bis zu drei Monate vor Ablauf gekündigt wird. Der Vertrag verlängerte sich entsprechend bis zum 31. Juli 2014.

Im Oktober 2013 wurde der bis dahin in Hannover lebende Beklagte zum Soldaten auf Zeit ernannt. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde er in andere Städte abkommandiert; seit Juni 2014 ist er in Rostock stationiert. Am 5. November 2013 kündigte er den Fitness-Studiovertrag, zuvor hatte er die Zahlung der Mitgliedsbeiträge eingestellt.

Das Amtsgericht hat die Klage, mit der die Klägerin ein restliches Nutzungsentgelt von 719,90 € begehrt hat, im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.

Der Senat wird die Frage zu beantworten haben, ob ein berufsbedingter Wohnortwechsel den Nutzer zur außerordentlichen Kündigung eines Fitness-Studiovertrages i.S.v. §§ 314 Abs. 1*, 543 Abs. 1**, 626 Abs. 1*** BGB berechtigt. Für deren Beantwortung könnte relevant sein, ob der Nutzer den Ortswechsel zu verantworten hat. Dabei wird der Senat auch die vom Landgericht aufgeworfene Frage zu klären haben, ob die Vorschrift des § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG****, die dem Nutzer einer Telekommunikations-Leistung (etwa DSL) ein Sonderkündigungsrecht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten einräumt, wenn die Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten wird, entsprechend auf die Kündigung eines Fitness-Studiovertrages anzuwenden ist.

* § 314 Abs. 1 BGB

Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

** § 543 Abs. 1 BGB

Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

*** § 626 Abs. 1 BGB

Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

**** § 46 Abs. 8 TKG

Der Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten, der mit einem Verbraucher einen Vertrag über öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste geschlossen hat, ist verpflichtet, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz wechselt, die vertraglich geschuldete Leistung an dem neuen Wohnsitz des Verbrauchers ohne Änderung der vereinbarten Vertragslaufzeit und der sonstigen Vertragsinhalte zu erbringen, soweit diese dort angeboten wird. Der Anbieter kann ein angemessenes Entgelt für den durch den Umzug entstandenen Aufwand verlangen, das jedoch nicht höher sein darf als das für die Schaltung eines Neuanschlusses vorgesehene Entgelt. Wird die Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten, ist der Verbraucher zur Kündigung des Vertrages unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats berechtigt…

Vorinstanzen:

AG Hannover – Urteil vom 28. Oktober 2014 – 538 C 4326/14
LG Hannover – Urteil vom 27. April 2015 – 12 S 89/14

Verkündungstermin am 21. April 2016 um 9.00 Uhr (Verhandlungstermin: 10. März 2016), (Verhandlungstermin: 18. Dezember 2014 = Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-572/13 ausgesetzt.)) in Sachen I ZR 198/13 (Verlegeranteil)

Datum: 21.04.2016

LG München I - Urteil vom 24. Mai 2012 - 7 O 28640/11
MMR 2012, 618
OLG München - Urteil vom 17. Oktober 2013 - 6 U 2492/12
GRUR 2014, 272

Die Beklagte ist die im Jahr 1958 gegründete Verwertungsgesellschaft Wort. Sie ist ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, in dem sich Wortautoren und deren Verleger zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Sie nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die ihr vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Befugnisse von Wortautoren und deren Verlegern wahr.
Der Kläger ist Autor wissenschaftlicher Werke. Er hat mit der Beklagten im Jahr 1984 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen. Darin hat er ihr unter anderem die gesetzlichen Vergütungsansprüche für das aufgrund bestimmter Schrankenbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes zulässige Vervielfältigen seiner Werke zum privaten Gebrauch zur Wahrnehmung übertragen.
Mit seiner Klage wendet der Kläger sich dagegen, dass die Beklagte die Verleger und bestimmte Urheberorganisationen entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans an ihren Einnahmen beteiligt und dadurch seinen Anteil an diesen Einnahmen schmälert.
Das Berufungsgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Es hat angenommen, die Beklagte sei nicht berechtigt, von den auf die Werke des Klägers entfallenden Erlösen einen pauschalen Verlegeranteil abzuziehen. Verlage verfügten nach dem Urheberrechtsgesetz über kein eigenes Leistungsschutzrecht. Sie könnten bei der Verteilung der von der Beklagten vereinnahmten Erlöse in Bezug auf die Werke des Klägers daher nur berücksichtigt werden, wenn der Kläger ihnen seine gesetzlichen Vergütungsansprüche abgetreten hätte und sie diese der Beklagten übertragen hätten. Der Kläger habe seine gesetzlichen Vergütungsansprüche jedoch bereits mit dem Wahrnehmungsvertrag im Jahr 1984 an die Beklagte abgetreten und habe sie daher später nicht mehr an die Verleger seiner Werke abtreten können. Dagegen habe die Beklagte die Urheberorganisationen an ihren Einnahmen beteiligen dürfen, soweit die Urheber diesen Organisationen ihre bereits entstandenen gesetzlichen Vergütungsansprüche abgetreten hätten.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Revision eingelegt, mit der sie weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt, mit der er erreichen möchte, dass seiner Klage in vollem Umfang stattgegeben wird.

Verhandlungstermin am 13. April 2016, 11.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 198/15 (Mitvermietung einer Einbauküche)

Datum: 13.04.2016

Die Klägerin hat von der Beklagten mit Vertrag vom 26. März 1997 eine Wohnung in Berlin gemietet und sich mit einer Zusatzvereinbarung vom gleichen Tage verpflichtet, für die vermieterseits gestellte Einbauküche monatlich neben der Miete 34,64 DM [15,59 €] zu zahlen.

Im Jahr 2010 bat die Klägerin, die Einbauküche durch eine eigene ersetzen zu dürfen. Die Beklagte erklärte sich damit einverstanden. Die Parteien vereinbarten dabei (unter anderem), dass die künftige Instandhaltung oder etwaige Erneuerung der von der Klägerin angeschafften Küche zu deren Lasten ginge, sie die bisher vorhandene Küche sachgerecht zu lagern und bei Beendigung des Mietverhältnisses auf Verlangen der Vermieterin den ursprünglichen bauseitigen Zustand wieder herzustellen habe.

Die Klägerin lagerte die ausgebauten Küchenteile in dem zu ihrer Wohnung gehörenden Kellerraum, wo sie am 9. Februar 2014 gestohlen wurden. Die Haftpflichtversicherung der Klägerin zahlte einen Entschädigungsbetrag von 2.790 € für die Küche, der der Beklagten zufloss. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie den in der Zusatzvereinbarung vom 26. März 1997 für die Nutzung der Einbauküche der Beklagten vorgesehenen Betrag nicht mehr entrichten müsse, da diese Küche ihr nicht mehr zur Verfügung stehe.

Das Amtsgericht hat die auf Feststellung einer Mietminderung um monatlich 15,59 € seit dem 1. März 2014 gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die begehrte Feststellung getroffen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte aufgrund der im Jahr 1997 geschlossenen Zusatzvereinbarung nach wie vor verpflichtet sei, der Klägerin eine Einbauküche zu überlassen. Die im Jahr 2010 über den Ausbau und die Lagerung der Küche getroffene Vereinbarung habe daran nichts geändert. Das Fehlen einer Einbauküche, die immerhin rund 3.000 € wert sei, stelle einen erheblichen Fehler dar, der die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung auch erheblich einschränke. Dass die Klägerin über eine eigene Küche verfüge, stehe dem nicht entgegen.

Vorinstanzen:

AG Pankow/Weißensee - Urteil vom 15. Oktober 2014 -2 C 231/14
LG Berlin - Urteil vom 4. August 2015 - 63 S 378/14

Verhandlungstermin am 12. April 2016, 12.00 Uhr, in Sachen
VI ZR 505/14 (Kritische Berichterstattung über Organentnahme)

Datum: 12.04.2016

Die Klägerin ist die bundesweite Koordinierungsstelle für postmortale Organspenden gemäß § 11 Transplantationsgesetz. Sie nimmt die Beklagten, die Verlegerin einer Tageszeitung und eine Journalistin, wegen der Veröffentlichung eines Artikels vom 8. Mai 2012 auf Unterlassung in Anspruch. In dem Artikel befasst sich die Beklagte zu 2 kritisch mit dem damaligen Medizinischen Vorstand der Klägerin sowie einer am 8./9. Dezember 2005 erfolgten Organentnahme. Die Parteien streiten darüber, ob zutreffend über die dazu erforderlichen Untersuchungen berichtet worden ist.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 31. Oktober 2013 - 2-03 O 363/12
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 6. November 2014 - 16 U 218/13

Karlsruhe, den 27. Januar 2016

Verhandlungstermin am 12. April 2016, 11.00 Uhr, in Sachen II ZR 275/14 (Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen der
Media-Saturn Holding GmbH)

Datum: 12.04.2016

Bei der beklagten GmbH handelt es sich um die Konzernholdinggesellschaft der Media-Saturn-Gruppe. Die Media-Saturn-Märkte werden als Enkelgesellschaften der Beklagten betrieben. Dabei wird regelmäßig für jeden Markt eine eigene Gesellschaft gegründet, die dann die erforderlichen Mietverträge abschließt.

Die Klägerin ist an der Beklagten mit 21,62 %, die Streithelferin der Beklagten, ein Konzernunternehmen der Metro AG, mit dem Rest beteiligt. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten erfordern eine Mehrheit von 80% der Stimmen.

Nach dem Ausscheiden des letzten Gründungsgesellschafters aus der Geschäftsführung im Jahr 2010 beschloss die Gesellschafterversammlung mit den Stimmen der Streithelferin die Einrichtung eines in der Satzung vorgesehenen Beirats. Die dagegen gerichtete Beschlussmängelklage der Klägerin hatte keinen Erfolg (OLG München, ZIP 2012, 1756).

In einem Schiedsverfahren zwischen den Gesellschaftern wurde im August 2011 festgestellt, dass Beschlüsse des Beirats mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen nach Köpfen gefasst werden. Außerdem wurde für einzelne Beschlussgegenstände festgestellt, ob der Beirat zuständig oder nicht zuständig ist. Der Schiedsspruch ist rechtskräftig für vollstreckbar erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2015 – I ZB 3/14).

Im Laufe des Jahres 2012 arbeitete die Geschäftsführung der Beklagten Vorschläge für die Eröffnung neuer Standorte im In- und Ausland und für den Neuabschluss von Mietverträgen bei Enkelgesellschaften aus. Am 5. Dezember 2012 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten in 38 von 50 Fällen die vorgeschlagenen Standortmaßnahmen einvernehmlich. In neun Fällen stimmte die Streithelferin gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen, in drei Fällen enthielt sie sich der Stimme. Die Streithelferin hatte dazu vor der Abstimmung erklärt, dass sie in diesen Fällen nicht aus inhaltlichen, sondern nur aus formalen Gründen eine ablehnende Stimme abgebe oder sich enthalte, weil diese Maßnahmen jeweils nicht von der Gesellschafterversammlung zu beschließen seien, sondern von der Geschäftsführung ohne Zustimmung der Gesellschafter durchgeführt werden könnten.

Mit ihrer Anfechtungs- und Feststellungsklage hat die Klägerin in den neun Fällen, in denen die Streithelferin gegen die jeweiligen Standortmaßnahmen gestimmt hat, die Nichtigerklärung der mit der Stimmenmehrheit der Streithelferin beschlossenen Ablehnung und im Weg der positiven Feststellungsklage die Feststellung begehrt, dass in diesen Fällen sowie in den Fällen, in denen sich die Streithelferin der Stimme enthalten habe, jeweils positiv festgestellt werde, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschlossen habe, dass die jeweiligen Standortmaßnahmen umzusetzen seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Anfechtungsklage und der positiven Beschlussfeststellungsklage mit der Begründung, die Stimmabgabe der Streithelferin sei treuwidrig gewesen und daher nichtig, insoweit stattgegeben, als die Nebenintervenientin mit Nein gestimmt hat (neun Standortmaßnahmen). Dagegen wenden sich die Beklagte und ihre Streithelferin mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision.

Vorinstanzen:

LG Ingolstadt - Urteil vom 15. Oktober 2013 – 1 HKO 188/13
OLG München – Urteil vom 14. August 2014 – 23 U 4744/13

Verkündungstermin am 6. April 2016, 11.30 Uhr (Verhandlungstermin am 3. Februar 2016) in Sachen VIII ZR 71/10 (Grenzen der Weitergabe eigener Bezugskosten-steigerungen des Gasversorgers an den Tarifkunden)

Datum: 06.04.2016

Die Klägerin, ein regionales Energie- und Wasserversorgungsunternehmen, verlangt von der Beklagten, die sie als Tarifkundin (Grundversorgungskundin) leitungsgebunden mit Erdgas beliefert, die Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 2.733,12 € für Erdgaslieferungen in den Jahren 2005 bis 2007. Den in diesem Zeitraum von der Klägerin vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises widersprach die Beklagte - erstmals mit Schreiben vom 14. Februar 2006. Die Klägerin macht geltend, Grund für die vorstehend genannten Preisänderungen seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, wobei sie mit den Preiserhöhungen ihre gestiegenen Bezugspreise nicht einmal in vollem Umfang weitergegeben habe.

Die Beklagte hat die Bezugskostensteigerungen bestritten und in diesem Zusammenhang zusätzlich geltend gemacht, die Klägerin habe die Bezugskostensteigerung unter anderem durch die besondere Gestaltung der Vertriebsform verursacht. Die Klägerin sei an ihren Vorlieferanten als Gesellschafterin beziehungsweise als Mitglied beteiligt; der Sinn dieser Vertriebsform bestehe darin, die eigenen Bezugspreise künstlich in die Höhe zu treiben, während die Klägerin auf der anderen Seite an den Gewinnen dieser Vorlieferanten beteiligt sei.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Landgericht hat die Preiserhöhungen für wirksam erachtet, da die Klägerin gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV* zur Preisänderung berechtigt gewesen sei und die Preiserhöhungen der Billigkeit entsprochen hätten, weil sie im Wesentlichen auf gestiegene Bezugskosten zurückzuführen seien. Das Bestreiten der Beklagten hat das Landgericht als unbeachtlich angesehen, weil es nicht ausreichend substantiiert sei. Den Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe die Bezugskosten durch die besondere Gestaltung der Vertriebsform künstlich in die Höhe getrieben, hat das Landgericht als unerheblich betrachtet, da die Bezugskosten nicht der gerichtlichen Kontrolle unterlägen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Der Senat hatte das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 18. Mai 2011 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Gas-Richtlinie 2003/55/EG*** vorgelegt. Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist 23. Oktober 2014 ergangen. Der Senat hat daraufhin durch seine Urteile vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12) seine Rechtsprechung zum Preisanpassungsrecht der Energieversorgungsunternehmen im Bereich der Erdgasversorgung von Tarifkunden (Gasgrundversorgung) geändert und entschieden, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV* und der Nachfolgeregelung in § 5 Abs. 2 GasGVV aF** ein gesetzliches Preisanpassungsrecht des Energieversorgers für die Zeit ab dem 1. Juli 2004 - dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Gas-Richtlinie 2003/55/EG*** - nicht (mehr) entnommen werden kann, weil eine solche Auslegung nicht mit den Transparenzanforderungen der genannten Richtlinie vereinbar wäre. Er hat weiter entschieden, dass sich jedoch aus der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags ergibt, dass der Versorger Preiserhöhungen zwar nicht mehr in dem bisher nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV* beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV** aF für möglich erachteten Umfang vornehmen, aber eigene (Bezugs-)Kostensteigerungen an den Kunden weitergeben darf.

Der Senat wird zu prüfen haben, ob unter Zugrundelegung der vorbezeichneten Grundsätze das Urteil des Landgerichts der rechtlichen Nachprüfung standhält.

Vorinstanzen:

AG Ravensburg - Urteil vom 10. Juni 2009 (10 C 1292/07)
LG Ravensburg - Urteil vom 25. Februar 2010 (1 S 124/09)

* § 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von
Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (AVBGasV; in Kraft bis zum 7. November 2006)

(1) 1Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. […]
(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.
[…]

** § 5 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz vom 26. Oktober 2006 (Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV; in der ab dem 8. November 2006 bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung)

[…]
(2) 1Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. 2Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.
[…]

*** Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (in Kraft vom 4. August 2003 bis zum 2. März 2011)

Art. 3 - Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden

[…]
(3) 1Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzes und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht, wozu auch geeignete Maßnahmen gehören, mit denen diesen Kunden geholfen wird, den Ausschluss von der Versorgung zu vermeiden. 2In diesem Zusammenhang können sie Maßnahmen zum Schutz von Kunden in abgelegenen Gebieten treffen, die an das Erdgasnetz angeschlossen sind. 3Sie können für an das Gasnetz angeschlossene Kunden einen Versorger letzter Instanz benennen. 4Sie gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren. 5Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zugelassene Kunden tatsächlich zu einem neuen Lieferanten wechseln können. 6Zumindest im Fall der Haushalts-Kunden schließen solche Maßnahmen die in Anhang A aufgeführten Maßnahmen ein.
[…]

Anhang A - Maßnahmen zum Schutz der Kunden

Unbeschadet der Verbraucherschutzvorschriften der Gemeinschaft, insbesondere der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 93/13/EG des Rates, soll mit den in Artikel 3 genannten Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Kunden
[…]
b) rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Gasdienstleister mitgeteilt hat;
c) transparente Informationen über geltende Preise und Tarife sowie über die Stan-dardbedingungen für den Zugang zu Gasdienstleistungen und deren Inanspruchnahme erhalten;
[…]

Revisionshauptverhandlung am 6. April 2016, 11.00 Uhr, in Sachen 5 StR 504/15 (Verurteilung eines LKA-Beamten wegen Mordes) findet im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts statt

Datum: 06.04.2016

Das Landgericht Dresden hat einen Beamten des Landeskriminalamts Sachsen wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der voll schuldfähige Angeklagte einen 59-jährigen Mann, um die anschließende Zerstückelung des Körpers zu ermöglichen, von der er sich sexuellen Lustgewinn versprach. Das Tatopfer war mit dem Handeln des Angeklagten einverstanden. Es hatte den Wunsch, von ihm geschlachtet und verspeist zu werden.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Tat zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und zur Ermöglichung einer Straftat begangen worden ist. Von der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe hat es abgesehen, da das Tatopfer mit der Tötung durch den Angeklagten nicht nur einverstanden war, sondern diese aufgrund eines seit mehreren Jahren stabil bestehenden Wunsches auch unbedingt wollte.

Gegen das Urteil haben der Angeklagte mit dem Ziel des Freispruchs und die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass gegen den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe hätte verhängt werden müssen.

Landgericht Dresden - Urteil vom 1. April 2015 – 1 Ks 140 Js 56327/13

Verhandlungstermin wurde aufgehoben wegen Revisionsrücknahme (Terminhinweis am 5. April 2016, 10.00 Uhr,) in Sachen XI ZR 478/15 (Streit um Widerruf bei Verbraucherdarlehensverträgen)

Datum: 05.04.2016

Die Kläger, ein Ehepaar, verlangen nach Widerruf ihrer auf Abschluss verschiedener Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen die Erstattung eines an die beklagte Bank gezahlten Aufhebungsentgelts.

Der klagende Ehemann schloss – teilweise zusammen mit der klagenden Ehefrau – zwischen November 2004 und Januar 2010 insgesamt sechs Darlehensverträge. Ein Teil dieser Verträge kam unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande. Die Beklagte belehrte die Kläger – nach deren Auffassung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend – bei Vertragsschluss über ein Widerrufsrecht.

Anfang 2012 schlossen die Parteien eine von ihnen als Aufhebungsvertrag bezeichnete Vereinbarung, in der sie sich über die vorzeitige Ablösung der Darlehen gegen Zahlung eines Aufhebungsentgelts von insgesamt 29.697,15 € verständigten. Ende November 2013 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

Das Landgericht hat ihrer Zahlungsklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Zwischen den Parteien seien Verbraucherdarlehensverträge zustande gekommen, so dass den Klägern das Recht zugestanden habe, ihre auf Abschluss der Verträge gerichteten Willenserklärungen zu widerrufen. Über dieses Widerrufsrecht habe die Beklagte die Kläger auch insoweit, als für den Beginn der Widerrufsfrist besondere Vorgaben des Fernabsatzrechts gegolten hätten, unzureichend belehrt. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion der vom Verordnungsgeber eingeführten Musterwiderrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie von ihr abgewichen sei. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung sei die Widerrufsfrist nicht angelaufen, so dass die Kläger den Widerruf noch Ende 2013 hätten erklären können. Dass die Parteien vor Ausübung des Widerrufsrechts einen Aufhebungsvertrag geschlossen hätten, stehe weder dem Widerruf der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen noch einem Anspruch auf Erstattung des Aufhebungsentgelts entgegen. Durch diese Vereinbarung hätten die Parteien die Darlehensverträge nicht beseitigt, sondern lediglich die Bedingungen für deren Beendigung modifiziert. Einen selbständigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Aufhebungsentgelts habe der Aufhebungsvertrag nicht geschaffen. Die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht weder rechtsmissbräuchlich ausgeübt noch verwirkt.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:
LG Stuttgart – Urteil vom 8. Januar 2015 – 6 O 64/14
OLG Stuttgart – Urteil vom 29. September 2015 – 6 U 21/15

Verhandlungstermin am 24. März 2016, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 263/14 (Anmeldeplicht für Zuwendungen eines Landkreises an eine als gGmbH betriebene Kreisklinik bei der Europäischen Kommission?)

Datum: 24.03.2016

Der Kläger ist der Bundesverband Deutscher Privatkliniken. Zu seinen Mitgliedern gehören die privaten Träger von mehr als 1.000 Krankenhäusern. Der Beklagte, der Landkreis Calw, ist Gesellschafter der Kreiskliniken Calw gGmbH, die Krankenhäu¬ser in Calw und Nagold betreibt. Die Kreiskrankenhäuser Calw und Nagold sind in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Sie sind vom Beklagten mit der Erbringung von medizinischen Versorgungsleistungen als Dienst-leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut worden.

Der Kreistag des Beklagten fasste im Jahr 2012 den Beschluss, die handelsrechtli-chen Verluste der Kreisklinken Calw gGmbH für die Jahre 2012 bis 2016 auszuglei-chen. Außerdem beschloss er in den Jahren 2010 bis 2012 die Übernahme von Aus-fallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen der Kreiskliniken Calw gGmbH, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen. Ferner gewährte der Beklagte der Kreiskliniken Calw gGmbH in den Jahren 2011 und 2012 Investitionszuschüsse zu Zinszahlungen aus Investitionskrediten.

Der Kläger sieht in den Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken Calw gGmbH staatliche Beihilfen, die mangels Anmeldung (Notifizierung) bei der Europäi-schen Kommission rechtswidrig seien. Er hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der Beklagte hat eingewandt, die Zuwendungen seien nicht notifizierungspflichtig, weil sie dem Ausgleich von Kosten für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dienten, mit denen er die Kreiskliniken Calw gGmbH betraut habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, selbst wenn die Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken Calw gGmbH staatliche Beihilfen darstellen sollten, verstießen sie nicht gegen das Verbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV**, staatliche Beihilfen ohne vorherige Anmeldung bei der Europäischen Kommission zu gewäh¬ren. Die Zuwendungen seien gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV* in Verbindung mit der Entscheidung 2005/842/EG der Kommission*** von der Notifizierungspflicht freigestellt. Die medizinischen Versorgungsleistungen der Kreiskrankenhäuser Calw und Nagold seien Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die nach dem Krankenhausplan zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen notwendig seien und nicht von einem anderen Krankenhausträger erbracht werden könnten. Der Beklagte habe die ihm als Landkreis obliegende Aufgabe, die Krankenhäuser Calw und Nagold zur Sicherstellung der Krankenhausversorgung zu betreiben, auf die Kreisklinken Calw gGmbH übertragen.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Tübingen - Urteil vom 23. Dezember 2013 - 5 O 72/13, MedR 2014, 401
OLG Stuttgart - Urteil vom 20. November 2014 - 2 U 11/14, WuW/E DE-R 4817

Karlsruhe, den 23. März 2016

*Artikel 106 AEUV lautet:


(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. (…)

*Artikel 108 AEUV lautet:


(3) 1Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. … 3Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.

***Artikel 2 der Entscheidung 2005/842/ EG der Kommission lautet:

(1) Die vorliegende Entscheidung gilt für staatliche Beihilfen, die Unternehmen in Form von Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag [jetzt Artikel 106 Absatz 2 AEUV] gewährt werden, die in eine der folgen-den Kategorien fallen:

b) Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser und im sozialen Wohnungsbau tätige Unternehmen, die Tätigkeiten ausführen, die von dem jeweiligen Mitgliedstaat als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft wurden;

***Artikel 3 der Entscheidung 2005/842/ EG der Kommission lautet:

Staatliche Beihilfen, die in Form von Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gewährt werden und gleichzeitig die in dieser Entscheidung genannten Voraussetzungen erfüllen, sind mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Notifizierungspflicht gemäß Arti-kel 88 Absatz 3 EG-Vertrag [jetzt Artikel 108 Absatz 3 AEUV] freigestellt, sofern in den sektorspezifischen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in Bezug auf die Ge-meinwohlverpflichtungen nichts anderes bestimmt ist.

Verhandlungstermin am 24. März 2016 (vorher: 8. September 2015; Verhandlungstermin 24.3.2016 wurde aufgehoben, da die Berufungen zurückgenommen wurden) in Sachen X ZR 144/13 (Patentnichtigkeitsklage)

Datum: 24.03.2016

Bundespatentgericht – Urteil vom 18. Juli 2013 – 2 Ni 81/11 (EP)

Die Beklagte – Microsoft Corporation – ist Inhaberin des am 25 Oktober 1994 angemeldeten und am 3. Mai 1995 erteilten europäischen Patents 651 328 (im Folgenden: Streitpatent). Die Klägerin – Motorola Mobility Germany GmbH – greift das Streitpatent mit der Patentnichtigkeitsklage an.

Das Streitpatent trägt in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung „Event architecture for system management in an operating system“. Es betrifft die Mitteilung von Systemverwaltungsereignissen in einem Datenverarbeitungssystem. Es schlägt im Wesentlichen vor, zur Ereignismitteilung in einem Betriebssystem eine objektbasierte Kommunikation vorzusehen, wobei der Kommunikationspfad durch die Weitergabe von Schnittstellenzeigern aufgebaut und die Kommunikation über standardisierte Schnittstellen ermöglicht wird.

Das Bundespatentgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und das Streitpatent nach Art. II § 6 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG* mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche eine eingeschränkte, von Microsoft mit Hilfsantrag II verteidigte Fassung erhalten haben. Der Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten Fassung sei nicht neu und damit nicht patentfähig (Art. 52 Abs. 1 EPÜ** i.V.m. Art. 54 Abs. 1 EPÜ***). Hilfsantrag I sei unzulässig, weil er den Schutzbereich des Streitpatents erweitern würde (Art. II § 6 Satz 1 Nr. 4 IntPatÜbkG*). In der Fassung des Hilfsantrags II habe das Streitpatent hingegen Bestand. Sein Gegenstand gehe in dieser Fassung nicht (unzulässigerweise) über den Inhalt der Patentanmeldung hinaus (Art. II § 6 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG*) und sei neu und erfinderisch. Es handele sich beim Gegenstand des Streitpatents auch nicht um reine Software, so dass das Verbot, Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche unter Patentschutz zu stellen (Art. 52 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 3 EPÜ**), nicht eingreife.

Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Art. II § 6 IntPatÜbkG (Gesetz über internationale Patentübereinkommen vom 21. Juni 1976) Nichtigkeit

(1) 1Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent wird auf Antrag für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, dass
1. der Gegenstand des europäischen Patents nach den Artikeln 52 bis 57 des Europäischen Patentübereinkommens nicht patentfähig ist, …
3. der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der europäischen Patentanmeldung in ihrer bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung oder, wenn das Patent auf einer europäischen Teilanmeldung oder einer nach Artikel 61 des Europäischen Patentübereinkommens eingereichten neuen europäischen Patentanmeldung beruht, über den Inhalt der früheren Anmeldung in ihrer bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht,
4. der Schutzbereich des europäischen Patents erweitert worden ist, …

Art. 52 EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) Patentierbare Erfindungen

(1) Europäische Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.
(2) Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen: …
c) Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen; …
(3) Absatz 2 steht der Patentierbarkeit der dort genannten Gegenstände oder Tätigkeiten nur insoweit entgegen, als sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht.

Art. 54 EPÜ Neuheit

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.

Verhandlungstermin am 22. März 2016, 10.00 Uhr, in Sachen XI ZR 425/14 (Zur Aufklärungspflicht über den anfänglichen negativen Marktwert eines Swaps)

Datum: 22.03.2016

Die Klägerin, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 16.000 Einwohnern, nimmt die Beklagte, die Rechtsnachfolgerin einer Landesbank, auf Zahlung und Feststellung im Zusammenhang mit dem Abschluss von drei Zinssatz-Swap-Verträgen in Anspruch.

Grundlage der Geschäftsbeziehungen der Parteien war ein im Jahr 2005 geschlossener „Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte“. Auf der Basis dieses Rahmenvertrages schlossen die Parteien unter anderem am 9. November 2006 einen „Kündbaren Zahler-Swap“ mit einem Bezugsbetrag in Höhe von 3.779.573,89 €. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines festen Zinses von 6,44% p.a. Die Beklagte übernahm die Zahlung eines Zinses in Höhe des 3-Monats-Euribors.

Weiter einigten sich die Parteien am 12. März 2008 auf einen „Digitalen Zinsumfeld-Swap“. Danach schuldete die Klägerin zunächst einen festen und sodann einen Zins von entweder 2,25% p.a. oder 6,95% p.a., wobei die Zahlungspflicht davon abhing, ob eine „Digitalbedingung“ erfüllt war. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3% p.a. aus dem Bezugsbetrag von 3 Mio. €. Zugleich mit dem Abschluss des Zinssatz-Swap-Geschäfts einigten sich die Parteien darauf, einen anderen Swap-Vertrag aufzulösen, und preisten die aus diesem Vertrag resultierende negative Vertragsposition der Klägerin in das neue Geschäft ein.

Am 16. November 2009 schlossen die Parteien einen „CHF-Plus-Swap“. Nach diesem Vertrag war die Beklagte zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3% p.a. verpflichtet. Die Klägerin schuldete einen variablen Zins, der ausgehend von einem EUR/CHF-Wechselkurs von 1,4350 an dessen weitere Entwicklung gekoppelt war. Unterschritt der Wechselkurs zu bestimmten Stichtagen diese Grenze, ergab sich ein Aufschlag auf den in jedem Fall zu zahlenden Zinssatz von 2,5% p.a. Zeitgleich lösten die Parteien einen weiteren Swap-Vertrag ab. Dabei berücksichtigten sie den Umstand, dass die Klägerin der Beklagten aus dem abgelösten Swap-Vertrag zur Leistung einer Ausgleichszahlung verpflichtet gewesen wäre, bei der Gestaltung der Vertragspositionen im Rahmen des „CHF-Plus-Swap“.

Bei allen drei streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen war der Marktwert bei Abschluss aus Sicht der Klägerin in Höhe von mindestens rund 2,9% des jeweiligen Bezugsbetrags negativ. Jedenfalls über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht.

Dem Antrag der Klägerin auf Zahlung und Feststellung hat das Landgericht unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Beratungspflichtverletzung teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat ihm auf die Berufung der Klägerin von einem geringen Teil der geltend gemachten Forderung abgesehen, auf die die Klägerin verzichtet hat, in Gänze entsprochen. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zu seiner Entscheidung, die Revision zuzulassen, hat es in den Urteilsgründen ausgeführt, es stelle sich vorliegend die entscheidungserhebliche Frage, ob eine Aufklärungspflicht über den anfänglichen negativen Marktwert eines Swaps auch dann bestehe, wenn der Anleger den Vertrag nicht zu (reinen) Spekulationszwecken, sondern im Hinblick auf ein bestehendes Grundgeschäft abschließe.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte in der Sache ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 12. März 2013 – 21 O 472/11
OLG Köln - Urteil vom 13. August 2014 – 13 U 128/13

Karlsruhe, den 4. Februar 2016

Verkündungstermin am 18. März 2016 (Verhandlungstermin am 29. Januar 2016) in Sachen V ZR 75/15 (Erwerb eines Grundstücks durch Wohnungseigentümergemeinschaft)

Datum: 18.03.2016

Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In einer Eigentümerversammlung beschlossen sie mit Stimmenmehrheit, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft das Nachbargrundstück, auf dem sich 25 Stellplätze befinden, erwirbt. Der Kaufpreis sollte maximal 75.000 € betragen und in Höhe von 15% von allen Eigentümern nach Einheiten und zu 85% von den Eigentümern der Wohneinheiten 1-25 als Nutzern der Stellplätze getragen werden.

Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage einer Wohnungseigentümerin hatte vor dem Amtsgericht und dem Landgericht keinen Erfolg. Mit der Revision will sie u.a. erreichen, dass der Beschluss für ungültig erklärt, hilfsweise dessen Nichtigkeit festgestellt wird.

Der u.a. für Wohnungseigentumssachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird voraussichtlich die Frage zu klären haben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Kauf eines Grundstücks durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

Vorinstanzen:

AG Bremen-Blumenthal 44 C 2012/14 (Urteil vom 4. Oktober 2013)
LG Bremen 4 S 343/13 (Urteil vom 13. Februar 2015)

Verhandlungstermin am 16. März 2016, 11.00 Uhr - VIII ZR 146/15 (Zur Frage des Widerrufsrechts in einem Fernabsatzvertrag)

Datum: 16.03.2016

Der Kläger bestellte über das Internet am 14. Januar 2014 bei der Beklagten, die mit einer Tiefpreisgarantie geworben hatte, zwei Taschenfederkernmatratzen zum Preis von insgesamt 417,10 €. Die Matratzen wurden am 24. und 27. Januar 2014 ausgeliefert und vom Kläger zunächst auch bezahlt.

In der Folgezeit bat der Kläger unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbieters um Erstattung des Differenzbetrags von 32,98 €, damit er von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehe. Zu einer entsprechenden Einigung kam es nicht. Der Kläger widerrief den Kaufvertrag daraufhin mit Mail vom 2. Februar 2014 und sandte die Matratzen zurück.

Die Beklagte ist der Auffassung dass der Kläger sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe und der Widerruf deshalb unwirksam sei. Denn nach der im Zeitpunkt der Bestellung geltenden Rechtslage habe ein Widerrufsrecht bestanden, damit der Verbraucher die Ware prüfen könne. Grund des Widerrufsrechts sei ausschließlich das strukturelle Informationsdefizit des Verbrauchers bei Abschluss eines Fernabsatzgeschäftes. Aus diesem Grund habe der Kläger aber nicht widerrufen, sondern vielmehr, um (unberechtigt) Forderungen aus der Tiefpreisgarantie durchzusetzen.

Die auf Rückzahlung des Kaufpreises von 417,10 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Vorinstanzen:

AG Rottweil – Urteil vom 30. Oktober 2014 (1 C 194/14)
LG Rottweil – Urteil vom 10. Juni 2015 (1 S 124/14)

§ 312b BGB aF Fernabsatzverträge

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Leistung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. […]

(2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.

[…]

§ 312d BGB aF Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen

(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. […]

(2) Die Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 355 Abs. 3 Satz 1 nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß Artikel 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, bei der Lieferung von Waren nicht vor deren Eingang beim Empfänger, bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor Vertragsschluss.

[…]

§ 355BGB aF Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

[…]

Verhandlungstermin am 11. März 2016, 10.15 Uhr, in Sachen V ZR 208/15 (Muss der Berechtigte sein dingliches Wohnungsrecht aufgeben, wenn er den Grundstückseigentümer getötet hat?)

Datum: 11.03.2016

Der Beklagte war zusammen mit seinem Bruder Eigentümer eines Hausgrundstücks in Leipzig. Anfang 1997 übertrug er seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf den Bruder, behielt sich aber ein dingliches Wohnungsrecht an der Wohnung im Obergeschoss des Anwesens vor. Beides wurde in das Grundbuch eingetragen. Der Beklagte bezog die Wohnung im Obergeschoss, sein Bruder die Wohnung im Untergeschoss, in der er mit seiner geschiedenen Ehefrau wieder zusammenlebte. Im Mai 2012 erstach der Beklagte seinen Bruder während eines Streits. Er wurde wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten verurteilt, die er derzeit verbüßt. Erbin des Getöteten wurde die Klägerin, die Mutter der Brüder. Der Beklagte wurde in einem Zivilrechtsstreit rechtskräftig für erbunwürdig erklärt. Die Klägerin verlangt von ihm die Zustimmung zur Löschung des Wohnungsrechts. Sie verweist dabei auf die Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs, der die Kündigung eines dinglichen Wohnungsrechts für möglich hält, wenn der Wohnungsberechtigte den Grundstückseigentümer ermordet hat.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Vorinstanzen:

OLG Dresden – 17 U 851/15 - Urteil vom 14. September 2015
LG Leipzig – 2 O 1823/14 - Urteil vom 6. Mai 2015

Verhandlungstermin am 9. März 2016, 9.00 Uhr, in SachenXII ZB 693/14 (Zur Leistungsfähigkeit eines zum Elternunterhalt verpflichteten Kindes)

Datum: 09.03.2016

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich mit der Frage zu befassen haben, wie die Leistungsfähigkeit eines zum Elternunterhalt verpflichteten Kindes zu ermitteln ist, das mit seiner Lebensgefährtin und einem gemeinsamen, über drei Jahre alten Kind zusammenlebt.

Der im Jahre 1941 geborene S. ist der Vater des Antragsgegners. Er wird seit Anfang 2010 von einem Pflegedienst in der eigenen Wohnung betreut und versorgt und bezieht laufende Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege). Der Sozialhilfeträger (Antragsteller) verlangt von dem Sohn (Antragsgegner) aus übergegangenem Recht nach § 94 SGB XII*** für den Zeitraum ab Januar 2012 Elternunterhalt. Der Antragsgegner lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der eine im Dezember 2008 geborene Tochter hervorgegangen ist. Die Lebensgefährtin des Antragsgegners ist geschieden. Zwei aus ihrer Ehe stammende minderjährige Kinder leben ebenfalls im gemeinsamen Haushalt.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen und laufenden Elternunterhalts verpflichtet. Dabei ist es u.a. davon ausgegangen, dass sich der Antragsgegner nicht – wie ein verheirateter Unterhaltsschuldner – auf einen erhöhten Selbstbehalt (Familienselbstbehalt) berufen könne, weil der Antragsgegner seiner Lebensgefährtin nicht zum Familienunterhalt verpflichtet sei. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts im Wesentlichen bestätigt und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Der Senat wird vor allem die Fragen zu beantworten haben, wie sich ein möglicherweise bestehender Betreuungsunterhaltsanspruch seiner Lebensgefährtin** auf die Leistungsfähigkeit des auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Antragsgegners auswirkt und ob er sich ebenso wie ein verheirateter Unterhaltspflichtiger auf den Familienselbstbehalt (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535) stützen kann, weil er – eventuell auch unabhängig von einer Rechtspflicht - tatsächlich eine Familie versorgt.

* § 1603 Abs. 1 BGB:

Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

** § 1615 l Abs. 2 BGB:

Soweit die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit (drei Jahre) hinaus Unterhalt zu gewähren. Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

*** § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII

Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über.

Vorinstanzen:

AG Kelheim – Beschluss vom 16. Juni 2014 – 1 F 33/13
OLG Nürnberg – Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 7 UF 988/14

Verhandlungstermin am 9. März 2016, 9.00 Uhr, in Sachen IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15 (Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst: Startgutschriftenregelung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für rentenferne Versicherte erneut auf dem Prüfstand)

Datum: 09.03.2016

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (VBLS) vom 22. November 2002 stellte die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem um.

Die neugefasste Satzung enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden als so genannte Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten war, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Grundsätzlich ist rentenfern, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, das betraf bei der Systemumstellung ca. 1,7 Millionen Versicherte.

Mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06) hatte der unter anderem für Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die früheren Startgutschriften für rentenferne Versicherte wegen Verstoßes der zugrunde liegenden Übergangsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich erklärt und insbesondere eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Beschäftigten mit langen Ausbildungszeiten beanstandet (vgl. dazu Pressemitteilung 173/2007). Daraufhin einigten sich die Tarifvertragsparteien in einem Änderungstarifvertrag vom 30. Mai 2011 darauf, die bisherige Regelung zur Ermittlung der Startgutschriften im Grundsatz beizubehalten, jedoch durch eine Vergleichsberechnung zu ergänzen, welche unter näher geregelten Voraussetzungen zu einer Erhöhung der Startgutschrift rentenferner Versicherter führen kann. Die Beklagte übernahm diese tarifvertraglichen Vorgaben in § 79 Abs. 1a ihrer Satzung.

Auch die Wirksamkeit dieser Neuregelung ist umstritten und mittlerweile Gegenstand zahlreicher gegen die VBL erhobener Klagen rentenferner Versicherter, welche weiterhin höhere Startgutschriften erstreben. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist zu dem Ergebnis gelangt, die den Klägern erteilten Startgutschriften legten deren Rentenanwartschaften weiterhin nicht verbindlich fest, weil auch die geänderte Satzungsregelung zur Ermittlung der Startgutschriften rentenferner Versicherter gegen den Gleichheitssatz verstoße.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich nun erstmals hiermit zu befassen haben.

Vorinstanzen:

IV ZR 9/15
LG Karlsruhe – Urteil vom 21. März 2015 – 6 O 229/13
OLG Karlsruhe – Urteil vom 18. Dezember 2014 – 12 U 124/14

IV ZR 168/15
LG Karlsruhe – Urteil vom 20. Dezember 2013 – 6 O 41/13
OLG Karlsruhe – Urteil vom 10. März 2015 – 12 U 258/14

Karlsruhe, den 4. Februar 2016

Terminhinweis in Sachen VI ZR 516/14 für den 8. März 2016 (Umschuldung griechischer Staatsanleihen)

Datum: 08.03.2016

Die Kläger machen gegen die Hellenische Republik Ansprüche wegen Nichterfüllung von Besitz- und Eigentumsansprüchen im Zusammenhang mit der Entnahme griechischer Schuldverschreibungen bzw. Staatsanleihen aus ihren Wertpapierdepots geltend. Die Kläger hatten in den Jahren 2010 und 2011 über eine deutsche Bank von der Beklagten emittierte Schuldverschreibungen erworben. Im Zuge der Restrukturierung ihres Staatshaushalts verabschiedete das Parlament der Beklagten am 23. Februar 2012 ein Gesetz, wonach Anleger zwangsweise in eine Umschuldung der Staatsanleihen einbezogen werden konnten. Voraussetzung für die Einbeziehung war, dass bei einer Abstimmung der direkt am Girosystem mit der griechischen Zentralbank teilnehmenden Anleihegläubiger eine qualifizierte Mehrheit für eine Umschuldung im Wege eines Umtauschs der Staatsanleihen in neue Anleihen mit einem um 53,5 % verringerten Nennwert erreicht wurde. Der Ministerrat stellte später das Zustandekommen des für einen solchen Umtausch erforderlichen Quorums fest. Ein Ministerratsbeschluss zur Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidungen der Gläubigerversammlungen zu den Anleihen erging im März 2012. Danach wurden die vom Umtausch betroffenen alten Anleihen eingezogen und durch um 53,5 % abgewertete Titel anderer Stückelung und Laufzeit ersetzt.

Beide Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig angesehen, weil ihr der Grundsatz der Staatenimmunität entgegenstehe und sich eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch nicht aus Artikel 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ergebe. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Schadensersatzanspruch weiter. Der Rechtsstreit wirft die Frage der Staatenimmunität und der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für Schadensersatzklagen wegen des Umtauschs der betroffenen Anleihen auf. Es ist das Pilotverfahren für eine Reihe gleichartiger Verfahren, in welchem zunächst die Zulässigkeit solcher Klagen bei deutschen Gerichten geklärt werden soll.

Beim VI. Zivilsenat sind auch Parallelverfahren anhängig, in denen deutsche Gerichte die Zulässigkeit der Klagen bejaht und demgemäß auch zur Begründetheit der Klagen entschieden haben. Über diese Klagen wird der VI. Zivilsenat verhandeln, nachdem im Verfahren VI ZR 516/14 über die Zulässigkeit solcher Verfahren grundsätzlich entschieden worden ist. Falls die Klagen als zulässig angesehen werden, soll zur Begründetheit der Klagen noch im Jahr 2016 eine Grundsatzentscheidung ergehen.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main - Entscheidung vom 6. Februar 2014 - 21 O 332/12
OLG Frankfurt am Main - Entscheidung vom 18. September 2014 - 16 U 41/14

Verkündungstermin am 01. März 2016, 9.00 Uhr (vorher: Verhandlungstermin am 15. Dezember 2015) in Sachen VI ZR 34/15 (Ärztebewertungsportal)

Datum: 01.03.2016

Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals im Falle einer schlechten Bewertung durch einen anonymen Nutzer

Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal zu Arztsuche und –bewertung. Dort können Interessierte durch Eingabe bestimmter Suchkategorien, wie etwa medizinischer Fachgebiete, Informationen über Ärzte aufrufen. Registrierten Nutzern bietet das Portal zudem die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Die Bewertung, die der jeweilige Nutzer ohne Angabe seines Klarnamens abgeben kann, erfolgt dabei anhand einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien, namentlich „Behandlung“, „Aufklärung“, „Vertrauensverhältnis“, „genommene Zeit“ und „Freundlichkeit“. Ferner besteht die Möglichkeit zu Kommentaren in einem Freitextfeld.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer. Dieser hatte ausgeführt „Ich kann [Name des Klägers] nicht empfehlen“ und „Leider ist es einfach, eine positive Bewertung zu schreiben, eine negative dagegen ist – auch rechtlich – schwierig, weshalb ich für die Bewertung auf die Schulnotenvergabe verweise, welche ich mir sorgfältigst überlegt habe“. In dem Abschnitt „Notenbewertung dieses Patienten“ war als Gesamtnote 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note „6“ für „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“. Der Kläger bezweifelt unter anderem, dass die Bewertung auf einer realen Behandlung beruht.

Nachdem der Kläger die Beklagte zur Entfernung der Bewertung aufgefordert hatte, entfernte die Beklagte den Beitrag zunächst, stellte ihn dann aber unter Hinweis auf eine zwischenzeitlich erfolgte Prüfung, in deren Rahmen der Bewerter angeschrieben worden und erfolgreich um Bestätigung der Bewertung und ihre Erklärung gebeten worden sei, wieder ein. Weitere vom Kläger verlangte Auskünfte unter anderem darüber, auf welche Weise der „angebliche Patient“ die Behandlung belegt habe, welche Glaubhaftmachungen dazu vorgelegt worden seien und welche „Klardaten“ über den Nutzer der Beklagten aufgrund des „angeblichen Kontakts“ vorlägen, verweigerte die Beklagte und verwies dabei auch auf datenschutzrechtliche Bedenken.

Der Kläger hat die Beklagte nunmehr – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – darauf in Anspruch genommen, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es ist insbesondere der Auffassung, die Beklagte habe der Prüfungspflicht genügt, die sie als Hostproviderin nach einem Hinweis auf den rechtsverletzenden Charakter eines Beitrags treffe. Dass sie dem Kläger aus datenschutzrechtlichen Gründen keine weiteren Auskünfte über den Bewerter zur Verfügung stellen habe können, um ihm eine weitergehende Stellungnahme zu ermöglichen, rechtfertige keine andere Entscheidung. Denn bei Abwägung der kollidierenden Interessen sei es eher dem Kläger zuzumuten, eine seine berufliche Leistung unzulässig kritisierende Bewertung hinzunehmen, als der Beklagten, eine zulässige Bewertung aus dem Portal zu löschen. Die Revision hat das Oberlandesgericht im Hinblick auf die Frage zugelassen, wie es sich auf die Haftung des wegen der Verbreitung von Drittinhalten als Störer in Anspruch genommenen Hostproviders auswirkt, wenn er die ihm nach einem Hinweis des Betroffenen obliegende Prüfung der vermeintlichen Rechtsverletzung nur unter Verstoß gegen den unter anderem in § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG zum Ausdruck gebrachten Anonymitätsschutz vorantreiben könnte.

Vorinstanzen:

LG Köln – Urteil vom 9. Juli 2014 – 28 O 516/13
OLG Köln – Urteil vom 16. Dezember 2014 – 15 U 141/14

§ 13 Pflichten des Diensteanbieters

[…]
(6) 1Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. 2Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.
[…]

Verhandlungstermin am 23. Februar 2016, 9.00 Uhr
in Sachen XI ZR 549/14 und XI ZR 101/15 (Pflichtangaben zum
Widerrufsrecht in Verbraucherdarlehensverträgen)

Datum: 23.02.2016

Der Kläger ist jeweils ein Verbraucherschutzverband. Er nimmt die beklagten Sparkassen auf Unterlassung im Zusammenhang mit von diesen bei Verbraucherdarlehen erteilten Widerrufsinformationen in Anspruch.

Die Beklagten schließen mit Verbrauchern Immobiliendarlehensverträge nach Musterformularen ab. Der Kläger hat geltend gemacht, dass die darin jeweils enthaltene Widerrufsinformation nicht deutlich genug hervorgehoben sei. In dem Verfahren XI ZR 101/15 hat er zudem beanstandet, dass die Beklagte durch die Gestaltung ihrer Widerrufsinformation von deren Inhalt ablenke, da die Information mit Ankreuzoptionen versehene Belehrungshinweise unabhängig davon enthalte, ob diese für den konkreten Einzelfall eine Rolle spielten.

In dem Verfahren XI ZR 549/14 hatte die Klage erstinstanzlich Erfolg; auf die Berufung hin wurde sie abgewiesen. In dem Verfahren XI ZR 101/15 ist die Klage in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in beiden Verfahren angenommen, die Widerrufsinformation sei grafisch hervorgehoben darzustellen; die angegriffenen Formulargestaltungen genügten aber dieser Anforderung. Im Verfahren XI ZR 101/15 hat es den dort erhobenen Vorwurf der Verwendung von Ankreuzoptionen in der Widerrufsinformation als unbegründet erachtet, da die einzelnen Belehrungen klar und deutlich voneinander getrennt seien und für den Verbraucher leicht zu erkennen sei, welche Erklärung sich auf den von ihm abgeschlossenen Vertrag beziehe.

Mit den hinsichtlich der Frage der Hervorhebung jeweils vom Oberlandesgericht und in der Sache XI ZR 101/15 hinsichtlich der Frage der Verwendung von Ankreuzoptionen vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger seine Begehren weiter.

Vorinstanzen:

XI ZR 549/14
LG Ulm - Urteil vom 17. Juli 2013 - 10 O 33/13 KfH
OLG Stuttgart - Urteil vom 24. April 2014 - 2 U 98/13

und

XI ZR 101/15
LG Stuttgart - Urteil vom 26. Mai 2014 - 44 O 7/14 KfH
OLG Stuttgart - Urteil vom 5. Februar 2015 - 2 U 81/14

Verhandlungstermin am 18. Februar 2016, 11.00 Uhr, in Sachen III ZR 126/15 (Vertrag über die Betreuung eines Kindes in einer Kinderkrippe)

Datum: 18.02.2016

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird über einen Rechtsstreit zwischen dem Vater eines Kleinkindes (Kläger) und der Trägerin einer Kinderkrippe (Beklagte) verhandeln.

Der Sohn des Klägers besuchte die Krippe in der Zeit vom 9. bis zum 19. September 2013. An diesem Tag teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die Betreuung in der Einrichtung der Beklagten nicht mehr in Anspruch nehmen wolle, und bat um Rückzahlung der Kaution in Höhe von 1.000 €, die er entsprechend den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zuvor geleistet hatte. Sein Sohn habe sich in der Krippe nicht wohl gefühlt.

Die Beklagte hat der Kautionsrückzahlungsforderung des Klägers eigene Ansprüche auf Fortzahlung der Betreuungsvergütung zuzüglich Verpflegungs- und Pflegemittelpauschale für die Monate September bis November 2013 (insgesamt 1.590 €) entgegen gesetzt. Sie ist der Ansicht, die Kündigung sei erst zum 30. November 2013 wirksam geworden. Wegen der den Kautionsbetrag übersteigendem 590 € hat sie Widerklage erhoben, mit der sie überdies die Feststellung begehrt, dass der Kläger ihren Förderausfall für die Monate September bis November 2013 in Höhe von 2.495,07 € zu bezahlen habe. Hierzu hat sie vorgetragen, dass ihr die Rückzahlung kindbezogener staatlicher und kommunaler Fördermittel drohe, weil diese zur Voraussetzung hätten, dass ein regelmäßiger Besuch der Krippe durch die von der Förderung erfassten Kinder erfolge. Trotz intensiver Bemühungen sei ihr, der Beklagten, eine Nachbesetzung des freigewordenen Platzes vor dem 1. Dezember 2013 nicht gelungen.

Das Amtsgericht München hat Gegenforderungen der Beklagten in Höhe von insgesamt 1.410 € für gerechtfertigt erachtet und die Widerklage im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen eingelegten Berufungen beider Parteien sind im Wesentlichen erfolglos geblieben. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen beide Parteien ihre jeweiligen Begehren in vollem Umfang weiter.

Der Bundesgerichtshof wird insbesondere über die Wirksamkeit der Vertragsbedingungen (Besuchspflicht, Vergütungsregelung, Kautionsregelung, Kündigungsregelung, Schadensersatzpflicht der Eltern für Förderausfall) im Hinblick auf § 307 BGB* sowie darüber zu entscheiden haben, ob ein Vertrag über die Betreuung eines Kindes in einer Kinderkrippe gemäß § 627 Absatz 1 BGB** jederzeit sofort gekündigt werden kann.

Vorinstanzen:

AG München – Urteil vom 22. Juli 2014 – 114 C 31477/13
LG München I – Urteil vom 23. April 2015 – 6 S 16379/14

Karlsruhe, den 10. Februar 2016

* § 307 BGB (Fassung seit dem 1. Januar 2002):

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) …

** § 627 BGB (Fassung seit dem 1. Januar 2002):

(1) Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung auch ohne die in § 626*** bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

(2) …

*** § 626 BGB

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) 1Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. 2Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. 3Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Verhandlungstermin am 16. Februar 2016, 9.00 Uhr, in Sachen
X ZR 97/14, X ZR 98/14, X ZR 5/15 (Verlangen vollständiger Flugpreiszahlung bereits mit Vertragsschluss)

Datum: 16.02.2016

Der Kläger, ein Verbraucherverband, begehrt von den Beklagten, gemäß § 1 UKlaG* die Verwendung von Klauseln zu unterlassen, nach denen die vollständige Bezahlung des Flugpreises bereits unmittelbar nach Abschluss des Luftbeförderungsvertrags - unabhängig von der Höhe des Ticketpreises oder dem zeitlichen Abstand zwischen Buchung und Flugantritt - verlangt werden kann.

Die Klagen in den zur Verhandlung beim Bundesgerichtshof anstehenden Verfahren richten sich gegen zwei inländische Luftverkehrsunternehmen (X ZR 97/14 und X ZR 98/14) sowie gegen den Betreiber einer Internetplattform, auf der dieser Luftbeförderungsdienstleistungen anbietet, wobei die Flüge von einem konzern-angehörigen oder von anderen Luftverkehrsunternehmen durchgeführt werden (X ZR 5/15). Den Klagen gegen die Luftverkehrsunternehmen ist der Erfolg vor den Berufungsgerichten versagt geblieben. Im dritten Verfahren hat der Kläger in den Vorinstanzen Erfolg gehabt.

Die Berufungsgerichte haben übereinstimmend die angegriffenen Vorauszahlungsklauseln als Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zur Fälligkeit der werkvertraglichen Vergütung nach §§ 641**, 646 BGB*** und zur Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 BGB**** angesehen und einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB***** unterworfen. Bei der Abwägung der berechtigten Interessen der Unternehmen an der Beibehaltung der bisherigen Vorauszahlungspraxis mit den beeinträchtigten Interessen der Verbraucher, namentlich im Hinblick auf das diesen überbürdete Insolvenzrisiko, sind sie jedoch zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Frage gelangt, ob der Verbraucher bei Verwendung einer Vorleistungsklausel entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird.

Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen verfolgt die in den Verfahren jeweils unterlegene Partei ihr Begehren auf Unterlassung bzw. Klageabweisung weiter.

Vorinstanzen:

X ZR 97/14
LG Köln - Urteil vom 8. Januar 2014 - 31 O 264/13
OLG Köln - Urteil vom 5. September 2014 - 6 U 23/14

X ZR 98/14
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 8. Januar 2014 - 2-24 O 151/13
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 4. September 2014 - 16 U 15/14

X ZR 5/15
LG Hannover - Urteil vom 21. Januar 2014 - 18 O 148/13
OLG Celle - Urteil vom 18. Dezember 2014 - 13 U 19/14

* § 1 UKlaG

Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.

** § 641 BGB - Fälligkeit der Vergütung

(1) Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten. […]
*** § 646 BGB - Vollendung statt Abnahme
Ist nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen, so tritt in den Fällen des § […] 641 […] an die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes.

**** § 320 BGB - Einrede des nicht erfüllten Vertrags

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. […]

***** § 307 BGB – Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. […]
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […].

Terminhinweis am 16. Februar 2016, 10.00, Uhr in Sachen XI ZR 454/14, XI ZR 63/15, XI ZR 73/15 und XI ZR 96/15 (Auszahlungsabschlag bei KfW-Darlehen)

Datum: 16.02.2016

Die klagenden Darlehensnehmer begehren von den beklagten Kreditinstituten jeweils Rückzahlung eines sog. Auszahlungsabschlags, den die Beklagten im Rahmen von aus Fördermitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (nachfolgend KfW) gewährten Darlehen aufgrund formularmäßiger Bestimmungen in den Darlehensverträgen in Höhe von 4 % des jeweiligen Darlehensnennbetrages einbehielten. Zur Refinanzierung hatten die Kreditinstitute mit der KfW jeweils Darlehensverträge abgeschlossen, die ebenfalls Auszahlungsabschläge in Höhe von 4 % des Darlehensnennbetrages zugunsten der KfW vorsahen.

Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe gegen die Beklagten jeweils ein Anspruch auf Rückzahlung des Auszahlungsabschlags zu, da die Bestimmungen über den Auszahlungsabschlag in den Darlehensverträgen kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingung darstellten und als solche insbesondere gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* verstießen. Zur Begründung führen sie unter anderem an, die Klauseln benachteiligten sie unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, weil sie keine echte Gegenleistung zum Gegenstand hätten, sondern dazu dienten allgemeine Betriebskosten auf sie abzuwälzen.

In den Verfahren XI ZR 454/14, XI ZR 73/15 und XI ZR 96/15 ist die Klage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In der Sache XI ZR 63/15 hatte die Klage erstinstanzlich Erfolg; auf die Berufung hin wurde sie abgewiesen.

Die Landgerichte Bückeburg und Bamberg haben angenommen, die Bestimmung über den Auszahlungsabschlag unterliege zwar der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Sie halte dieser Kontrolle jedoch stand, da die Vereinbarung die Kläger nicht unangemessen benachteilige. Es handele es sich nicht um einen „normalen“ Geschäftskredit, der von miteinander im Wettbewerb stehenden Banken vergeben werde, sondern um einen Kredit aus subventionierten Mitteln der KfW. Die Darlehenskonditionen seien in Förderrichtlinien festgeschrieben, mit denen wirtschafts- und geopolitische Zwecke verfolgt würden. Die ausgebende Bank habe daher keine Möglichkeit, auf die Darlehenskonditionen Einfluss zu nehmen. Diese ergäben sich aus den Förderprogrammen der KfW. Darüber hinaus verweist das Landgericht Bamberg darauf, der Auszahlungsabschlag sei nicht bei der Beklagten verblieben, sondern direkt an die KfW weitergeleitet worden.

Die Landgerichte Aschaffenburg und Osnabrück sind der Auffassung, dass die Bestimmung über den Auszahlungsabschlag schon keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliege. Es handele sich um eine kontrollfreie Preisabrede.

Das Landgericht Aschaffenburg meint, die Beklagte wälze mit dem Auszahlungsabschlag keine eigenen Betriebskosten für die Erfüllung gesetzlicher oder nebenvertraglich begründeter Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten, die sie im eigenen Interesse erbringe, auf ihre Kunden ab. Sie sei lediglich „durchleitende Bank“ und habe auf die Vertragsgestaltung keinen Einfluss. Ihre eigenen Kosten decke sie aus der Marge zwischen den Zinssätzen im Förder- und Refinanzierungsdarlehen. Dem Kunden räume sie ein umfassendes Sondertilgungsrecht ohne Vorfälligkeitsentschädigung ein, das über ihre gesetzlichen Verpflichtungen gemäß den Regelungen über Verbraucherdarlehen hinausgehe. Der Auszahlungsabschlag sei daher als Entgelt für eine Sonderleistung anzusehen.

Das Landgericht Osnabrück ist der Auffassung, dass es sich bei dem „Förderdarlehen“ nicht um einen „gewöhnlichen“ Verbraucherkredit handele. Die Vertragsparteien hätten auf die Ausgestaltung der nach dem Darlehensvertrag zu erbringenden Leistungen keinen Einfluss. Der Auszahlungsabschlag sei fester Bestandteil der bei öffentlichen Förderkrediten regelmäßig ohnehin knappen Kreditkalkulation. Er stelle ein besonderes Entgelt für die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit dar, das Förderdarlehen ohne Entrichtung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zurückzuzahlen. Hierdurch habe der Endkreditnehmer insbesondere bei einer beabsichtigten Umschuldung in Zeiten niedriger Kapitalmarktzinsen einen Vorteil.

Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren jeweils weiter.

* § 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. …

Vorinstanzen:

XI ZR 454/14
AG Rinteln – Urteil vom 21. November 2013 – 2 C 67/13
LG Bückeburg – Urteil vom 11. September 2014 – 1 S 60/13

und

XI ZR 63/15
AG Bamberg – Urteil vom 23. Mai 2014 – 0120 C 1231/13
LG Bamberg – Urteil vom 9. Januar 2015 – 3 S 80/14

und

XI ZR 73/15
AG Obernburg a. Main – Urteil vom 14. Mai 2014 – 14 C 408/13
LG Aschaffenburg – Urteil vom 15. Januar 2015 – 22 S 104/14

und

XI ZR 96/15
AG Osnabrück – Urteil vom 16. April 2014 – 45 C 23/14 (25)
LG Osnabrück – Urteil vom 20. Februar 2015 – 7 S 202/14

Verhandlungstermin am 10. Dezember 2015 in Sachen 3 StR 163/15 (BCI-Betrugsfall)

Datum: 05.02.2016

Das Landgericht hat die sechs Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges bzw. wegen Betruges oder Beihilfe dazu zu Freiheitsstrafen zwischen zehn Jahren und sechs Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ließ einer der Angeklagten in den USA die Business Capital Investors Corporation (BCI) gründen. Über selbständige Finanzberater wurden anschließend über mehrere Jahre hinweg Unternehmensbeteiligungen an der BCI als Kapitalanlage vertrieben und den Anlegern dabei - unter anderem - regelmäßige jährliche Renditen in Höhe von 15,5 % in Aussicht gestellt. Tatsächlich investierte die BCI die Anlagegelder entgegen den Angaben der Finanzberater jedenfalls zum weit überwiegenden Teil nicht. Provisionszahlungen an die in den Vertrieb eingeschalteten Finanzberater sowie Gewinnausschüttungen und Rückzahlungen an die Anleger wurden mit den Geldern neu angeworbener Anleger geleistet (sog. Schneeballsystem bzw. Ponzi-Schema). Im Zeitraum zwischen Juli 2006 und November 2011 zahlten 1.723 Anleger insgesamt 56.701.634,99 € auf der BCI zuzurechnende Konten. Ausschließlich vermögenden Privatanlegern wurde in den Jahren 2009 und 2010 zudem eine weitere Kapitalanlage, das sog. Privat Placement, angeboten. Auch hier wurden falsche Angaben zum Anlagegegenstand und den Renditeaussichten gemacht, was zu Zahlungen von Anlegern in Höhe von insgesamt 5.600.000 € führte.

Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, dass das Landgericht die Feststellung unterlassen hat, dass der Verfall gegen fünf der Angeklagten und weitere Nebenbeteiligte nur deshalb nicht ausgesprochen worden ist, weil Ersatzansprüche der Anleger dem entgegenstehen.
Der 3. Strafsenat verhandelt am 10. Dezember 2015 über die Revision der Staatsanwaltschaft. Zu den Revisionen der Angeklagten, die das Urteil mit Verfahrens- und Sachrügen insgesamt angreifen und deren Verwerfung der Generalbundesanwalt beantragt hat, ist bisher kein Hauptverhandlungstermin bestimmt.

Vorinstanz:

LG Düsseldorf - Urteil vom 31. Juli 2014 - 014 KLs - 130 Js 44/09 - 10/12

Verhandlungstermin am 28. Januar 2016,10.00 Uhr , in Sachen I ZR 202/14 (Domainname „wetter.de“)

Datum: 28.01.2016

Die Klägerin betreibt unter dem Domainnamen "wetter.de" eine Internetseite, auf der sie ortsspezifisch aufbereitete Wetterdaten und weitere Wetter-Informationen zum Abruf bereithält. Seit 2009 bietet sie entsprechende Informationen auch über eine App unter der Bezeichnung "wetter.de" an. Die Beklagte ist Inhaberin der Domainnamen "wetter.at" und "wetter-deutschland.com", unten denen sie im Internet ebenfalls Wetterdaten zur Verfügung stellt. Seit Ende 2011 betreibt sie zudem eine App mit entsprechenden Inhalten unter den Bezeichnungen "wetter DE", "wetter-de" und "wetter-DE".

Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte an dem Domainnamen "wetter.de" und der entsprechenden Bezeichnung der von ihr betriebenen App. Sie hat die Beklagte daher auf Unterlassung, Auskunft und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bezeichnung einer App und ein Domainname für eine Internetseite seien zwar grundsätzlich dem Werktitelschutz zugänglich. Der Bezeichnung “wetter.de“ fehle jedoch die erforderliche originäre Kennzeichnungskraft. Der Begriff "Wetter" sei glatt beschreibend und daher allgemein freihaltebedürftig. Der Zusatz ".de" werde vom Verkehr als angehängte Top-Level-Domain als bloße Länderzuweisung beziehungsweise als Abkürzung für Deutschland verstanden. An die originäre Unterscheidungskraft von Titeln für Internetseiten oder Apps seien auch keine geringeren Anforderungen zu stellen, wie sie der Bundesgerichtshof für Zeitungs- und Zeitschriftentitel aufgestellt habe. Ein Schutz als Werktitel komme auch nicht kraft Verkehrsdurchsetzung in Betracht. Angesichts der glatt beschreibenden Angaben sei ein 50% übersteigender Zuordnungsgrad erforderlich, der vorliegend nicht erreicht sei.

Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 10. Dezember 2013 - 33 O 83/13
OLG Köln - Urteil vom 5. September 2014 - 6 U 205/13

Verhandlungstermin am 20. Januar 2016, 10.00 Uhr in Sachen VIII ZR 311/14 (Zur Frage der gewerblichen Weitervermietung)

Datum: 20.01.2016

In diesem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die Vorschrift des § 565 BGB* (gewerbliche Weitervermietung) auch dann zur Anwendung kommt, wenn es sich bei dem Hauptmieter um eine Selbsthilfegenossenschaft der Endmieter handelt.

Der Sachverhalt:

Die Kläger sind Rechtsnachfolger ihrer Mutter als Eigentümer eines mit einem großen Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in Berlin (Stadtteil Prenzlauer Berg), das während des NS-Regimes Gegenstand einer Enteignung war und in dem in der Folgezeit über viele Jahre keine Instandsetzungen durchgeführt wurden.

Nach der Wende stellte die Mutter der Kläger einen Restitutionsantrag für die streitgegenständliche Immobilie, die dann tatsächlich am 17. Juli 1996 auf sie zurückübertragen wurde. Bereits Ende 1991/Anfang 1992 war es zwischen der Mutter der Klägerin (als „zukünftiger Eigentümerin“), der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (als „derzeit Verfügungsberechtigte“) und der im Wesentlichen aus den bisherigen Nutzern bestehenden Hausgenossenschaft R. Selbstbau eG zu einem Vertragsabschluss über die Nutzung, Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes gekommen. Die Selbstbau eG sollte mit Hilfe öffentlicher Fördergelder umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vornehmen, und für die Dauer des auf die Dauer von 20 Jahren abgeschlossenen Nutzungsvertrages berechtigt sein, Mietverträge mit den bisherigen Nutzern abzuschließen. Das von der Selbstbau eG zu zahlende Nutzungsentgelt belief sich auf 1,50 DM je qm und konnte aufgrund von Änderungen des Preisindexes für die Lebenshaltungskosten eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes angepasst werden. In § 14 des Vertrages war vorgesehen, dass die Selbstbau eG nach Ablauf des Nutzungsvertrages berechtigt ist, bisherige Nutzer als Mieter für die jeweils eigengenutzte Wohnung zu benennen, wobei der zukünftige Eigentümer verpflichtet sein sollte, mit diesen Nutzern einen Mietvertrag nach üblichem Standardformular unter Vereinbarung der ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen.

In der Folgezeit führte die Selbstbau eG die Sanierung mit einem Aufwand von rund 4 Millionen DM durch, wobei ein Betrag von rund 375 000 € auf Eigenleistungen entfielen und die übrigen Mittel durch öffentliche Fördergelder aufgebracht wurden. Anschließend vermietete die Selbstbau eG die Wohnungen an ihre Mitglieder zu Mieten zwischen 1,80 – 2,86 € je qm. Die Mieten für die zwischen 53 qm und 159 qm großen Wohnungen liegen dementsprechend zwischen 124 und 286 € netto kalt.

Nach Ablauf der Nutzungszeit kam es zwischen den Klägern und den Beklagten zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Kläger nach § 565 BGB in die zwischen der Selbstbau eG und den Beklagten abgeschlossenen Mietverträgen eingetreten waren. Die Beklagten stellten sich auf den Standpunkt, dass dies der Fall sei und sie daher lediglich die bisherigen Mieten nunmehr an die Kläger zu zahlen hätten, wobei eine Mieterhöhung nur nach § 558 BGB**, also unter Beachtung der Kappungsgrenze, möglich sei. Ein vorprozessualer Schriftwechsel über einen etwaigen Neuabschluss von Mietverträgen blieb ohne Ergebnis.

Die auf Feststellung des Nichtbestehens von Mietverträgen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Feststellungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:
AG Mitte - Urteil vom 28. Mai 2014 (118 C 519/13)
LG Berlin - Urteil vom 2. Oktober 2014 (67 S 413/14)

*§ 565 BGB (Gewerbliche Weitervermietung)

(1) Soll der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten, so tritt der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. […]

** § 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist.
[…]
(3) Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.

Verhandlungstermin am 19. Januar 2016 in Sachen XI ZR 388/14 (Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Darlehensrückzahlung)

Datum: 19.01.2016

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist eine Sparkasse, die unter anderem grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehen an Verbraucher vergibt. Soweit den Kreditnehmern hierbei Sondertilgungsrechte innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums eingeräumt werden, enthalten die "Besonderen Vereinbarungen" des Darlehensvertrags die nachfolgende Bestimmung:

"Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt."

Mit der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG verlangt der Kläger von der Beklagten, die Verwendung dieser Klausel gegenüber Verbrauchern zu unterlassen. Er meint, die streitige Regelung benachteilige die Darlehensnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB*, verstoße gegen § 309 Nrn. 5 und 6 BGB*** sowie gegen § 308 Nr. 7 BGB** und sei zudem intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB*).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Es hat angenommen, die Klausel unterliege gemäß § 307 Abs. 1, 2 BGB der Inhaltskontrolle, weil sie eine von Rechtsvorschriften abweichende bzw. diese ergänzende Regelung treffe. Unabhängig von der dogmatischen Einordnung des bei vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung nach außerordentlicher Darlehenskündigung durch den Darlehensnehmer entstehenden Anspruchs des Darlehensgebers auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB****, den die Klausel regele, stelle die Entschädigung keine unmittelbare darlehensvertragliche Haupt- bzw. Gegenleistung oder ein diese betreffendes Entgelt dar.

Die danach kontrollfähige Klausel sei zwar weder gemäß § 309 Nrn. 5 und 6 BGB noch nach § 308 Nr. 7 BGB unwirksam. Mit ihr sei aber eine unangemessene Benachteiligung der Darlehensnehmer im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verbunden, weil sie von allgemein anerkannten Grundsätzen der Schadensberechnung abweiche. Nach der streitigen Regelung erhalte der Darlehensgeber im Wege der Vorfälligkeitsentschädigung mehr, als ihm nach seiner vertraglichen Zinserwartung zustehe. Die Klausel verstoße daher gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot, wonach der Anspruchsberechtigte nicht mehr erlangen dürfe als er bei ordnungsgemäßer Vertragsbeendigung bekommen hätte. Dass die Gewährung von Sondertilgungsrechten grundsätzlich vorteilhaft für den Darlehensnehmer sei, lasse die Unangemessenheit der Klausel nicht entfallen. Diese regele nicht die Gewährung solcher Sonderrechte oder die Bedingungen ihrer Ausübung, sondern beziehe sich auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger vollständiger Darlehensrückzahlung. Ob die Klausel auch gegen das Transparenzgebot verstoße, könne offen bleiben.

Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Landgericht Aurich – Urteil vom 8. November 2013 – 3 O 668/13
Oberlandesgericht Oldenburg – Urteil vom 4. Juli 2014 – 6 U 236/13

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 308 BGB

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam

7. (Abwicklung von Verträgen)
eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;

*** § 309 BGB

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;
6. (Vertragsstrafe)
eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird;

**** § 490 BGB

Außerordentliches Kündigungsrecht

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3 Satz 2 vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung).

Verhandlungstermin am 14. Januar 2016, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 65/14 (Facebook)

Datum: 14.01.2016

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände in Deutschland. Die Beklagte betreibt in Europa die Internet-Plattform "Facebook".

Der Kläger nimmt die Beklagte unter anderem wegen der Gestaltung der von ihr bereit gestellten Funktion "Freunde finden", mit der der Nutzer veranlasst wird, seine E-Mail-Adressdateien in den Datenbestand von "Facebook" zu importieren, und wegen der Versendung von Einladungs-E-Mails an bisher nicht als Nutzer der Plattform registrierte Personen auf Unterlassung in Anspruch.

Der Kläger sieht in dem Versand von Einladungs-E-Mails an nicht als Nutzer der Plattform Registrierte eine den Empfänger belästigende Werbung der Beklagten im Sinne von § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UWG*.

Er macht ferner geltend, die Beklagte enthalte den Nutzern im Rahmen ihres Registrierungsprozesses Informationen hinsichtlich der mit dem Import der E-Mail-Adressdateien verbundenen Datennutzung vor. Informationen zur Funktionsweise der Anwenderoption "Freunde finden" fänden sich erst in einem Pop-Up-Fenster, zu dem der Nutzer bei der Registrierung nicht zwingend geführt werde. Die Beklagte informiere zudem nicht darüber, dass auch auf Daten von Kontakten des Nutzers zugegriffen werde, die Personen beträfen, die nicht Mitglieder bei Facebook seien. Hiermit verstoße die Beklagte unter anderem gegen §§ 5**, 5a UWG und gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 28 BDSG***.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die an nicht bei "Facebook" registrierte Personen versandten Einladungs-E-Mails stellten keine privaten Mitteilungen, sondern mangels vorheriger Einwilligung der Adressaten unzulässige Werbemaßnahmen der Beklagten dar. Durch die vom Kläger angegriffene Gestaltung der "Freunde finden"-Funktion würden unter anderem die sich registrierenden Nutzer irregeführt und zur Preisgabe ihrer E-Mail-Adressdaten veranlasst. Die Beklagte nutze zudem die E-Mail-Adressdaten zu Werbezwecken, ohne dass die Nutzer hierin anlässlich der Aktivierung der "Freunde finden" - Funktion wirksam eingewilligt hätten.

Mit der insoweit vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

*§ 7 UWG lautet:

(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.
(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen
1. […]
3. bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt […]

**§ 5 UWG lautet:

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben […] enthält: […]

*** § 28 BDSG lautet:

(1) […]
(3) Die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung ist zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat und im Falle einer nicht schriftlich erteilten Einwilligung die verantwortliche Stelle nach Absatz 3a verfährt. […]

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 6. März 2012 - 16 O 551/10, K&R 2012, 300
KG Berlin - Urteil vom 24. Januar 2014 - 24 U 42/12, K&R 2014, 280

Verkündungstermin am 14. Januar 2016, 9.15 Uhr (vorher: Verkündungstermin: 15. Dezember 2015, 9.15 Uhr );(Verhandlungstermin: 19. November 2015) in Sachen 4 StR 72/15 (Überfall auf Autobahnparkplatz)

Datum: 14.01.2016

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat fünf litauische Staatsangehörige wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub (teils mit Todesfolge) und wegen mehrerer Fälle des Computerbetrugs zu Freiheits- bzw. Jugendstrafen zwischen neun Jahren und sechs Monaten und zwölf Jahren und zwei Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts postierten sich die Angeklagten, die erst wenige Tage zuvor aus Litauen nach Deutschland eingereist waren, am 9. Januar 2012 in den späten Abendstunden auf einem an einer Autobahn gelegenen Parkplatz, um ein zufällig ausgewähltes Opfer zu überfallen und auszurauben. Sie bemächtigten sich dort eines 40-jährigen Mannes und verbrachten ihn zu einem einsam gelegenen Lagerplatz im Wald, wo sie ihm zunächst gewaltsam mehrere Kreditkarten abnahmen und ihn zur Preisgabe der zugehörigen PIN-Nummern zwangen. Drei der Angeklagten fuhren sodann zu verschiedenen Bankfilialen und hoben mit den Karten 2.000 € von den Konten des Geschädigten ab. Nach mehreren Stunden, in denen sich der Geschädigte in der Gewalt der zunehmend angespannten Angeklagten befand, forderten diese von ihm die Preisgabe einer weiteren PIN-Nummer, die sich, wie sie annahmen, auf seinem Laptop befand und gestatteten ihm dessen Benutzung. Als bei den Angeklagten die Befürchtung aufkam, der Geschädigte habe über den Laptop einen Hilferuf abgesetzt, schlug einer der Angeklagten den Geschädigten mit dem Laptop auf den Kopf. Sodann wirkten sie mit schwerster stumpfer Gewalt, auf den Körper und den Kopf des Geschädigten ein. Dieser erlitt hierdurch schwerste Verletzungen, u.a. ein Schädelhirntrauma. Anschließend fesselten die Angeklagten den Geschädigten mit Klebeband und legten ihn auf der Ladefläche seines Transporters dergestalt zwischen Umzugskartons und Möbeln ab, dass er kaum Bewegungen ausführen konnte. Den Transporter stellten sie sodann mit laufendem Motor etwa 200 Meter abseits der Straße auf einem Waldweg ab. Der Geschädigte verstarb innerhalb von 24 Stunden nach der Tat an seinen schweren Verletzungen. Der Transporter mit der Leiche des Geschädigten wurde erst sechs Tage später aufgefunden.

Gegen die Verurteilung wenden sich die Angeklagten sowie – als Nebenkläger - die Eltern und zwei Brüder des Tatopfers. Die Nebenkläger erstreben die Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes.

Vorinstanz:

LG Dessau-Roßlau – Urteil vom 3. Juni 2014 – 2 Ks (115 Js 4512/12)

Verhandlungstermin am 12. Januar 2016 in Sachen X ZR 4/15 (Zur Frage der Haftung des Reiseveranstalters für Unfall bei von ihm vermittelter Geländewagentour am Urlaubsort

Datum: 12.01.2016

Die Kläger begehren von der beklagten Reiseveranstalterin (V.) Schmerzensgeld wegen Verletzungen bei einem Unfall, der sich auf einer Ausflugsfahrt am Urlaubsort ereignete.

Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Burgas in Bulgarien für den Sommer 2013. Am Urlaubsort erhielten sie von der Beklagten eine Begrüßungsmappe mit einem Blatt, auf dem unter dem Logo der Beklagten und der Überschrift "Ihr Ausflugsprogramm" verschiedene Veranstaltungen, unter anderem eine "Berg und Tal: Geländewagen-Tour", angeboten wurden. Unter der Auflistung wurde darauf hingewiesen, dass die Beklagte lediglich als Vermittler für die von der örtlichen Ausflugsagentur organisierten Ausflüge fungiere und die Ausflüge auch per SMS oder per E-Mail reserviert werden könnten, gefolgt von der fettgedruckten Aufforderung "Reservieren Sie bei Ihrer V.-Reiseleitung!". Die Kläger buchten die angebotene Geländewagentour beim Reiseleiter der Beklagten. Während des Ausflugs kam es zu einem Unfall, bei dem die Kläger verletzt wurden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, da die Beklagte die Geländewagentour nicht veranstaltet, sondern nur vermittelt habe. Der Hinweis auf die Vermittlerrolle der Beklagten, verbunden mit einer Buchungsmöglichkeit mittels einer E-Mail-Adresse, die eindeutig einem bulgarischen Unternehmen zuzuordnen gewesen sei, habe deutlich gemacht, dass die Beklagte nur als Vermittler für einen mit der örtlichen Ausflugsagentur zu schließenden Vertrag habe fungieren wollen, mithin nicht verantwortlicher Vertragspartner für diese Zusatzleistung sei. Demgegenüber komme es weder darauf an, das die Kläger den Ausflug tatsächlich beim Reiseleiter der Beklagten gebucht hätten, noch dass die Beklagte im Internet die von den Klägern gebuchte Reise unter anderem auch mit der Geländewagentour als zusätzliche Ausflugsmöglichkeit beworben habe, ohne dabei auf eine bloße Vermittlertätigkeit hinzuweisen.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.

Vorinstanzen:

LG Duisburg – Urteil vom 19. Mai 2014 – 2 O 3/14
OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. Dezember 2014 – 21 U 99/14

Verkündungstermin am 17. Dezember 2015 (Verhandlungstermin am 23. September 2015) in Sachen I ZR 69/14 (Nutzung von Interviewausschnitten)

Datum: 17.12.2015

Die Parteien sind private Fernsehsendeunternehmen. Die Klägerin führte Exklusivinterviews mit Liliana Matthäus über sich und ihre Ehe mit Lothar Matthäus und mit Matteo Baldo über den Stand ihrer Beziehung zueinander und strahlte diese am 26. Juli 2010 sowie am 2. August 2010 in ihrer Sendung “STARS & Stories“ aus. Nachdem die Beklagte sich zuvor jeweils vergeblich bei der Klägerin um eine Zustimmung zu der Nutzung dieser Interviews bemüht hatte, verwendete sie daraus verschiedene Ausschnitte unter Angabe der Quelle in ihrer Sendung “Prominent“ am 1. und 3. August 2010.

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte und ihrer Schutzrechte als Sendeunternehmen. Sie hat die Beklagte daher auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Beklagte habe die Leistungsschutzrechte der Klägerin an den von ihr veröffentlichten Interviewausschnitten schuldhaft verletzt. Die Verwendung der Ausschnitte durch die Beklagte sei nicht mehr durch den besonderen Zweck im Sinne des § 51 Satz 1 UrhG* gerechtfertigt, weil die Beklagte gerade die Schlüsselszenen der Exklusivinterviews genutzt habe. Durch die Übernahme werde das überwiegende Interesse der Klägerin an der Erstauswertung der Exklusivinterviews empfindlich gestört. Die erlaubnis- und vergütungsfreie öffentliche Wiedergabe in der streitgegenständlichen Art und Weise sei auch nicht geboten im Sinne des § 50 UrhG**, weil es in Bezug auf das Interview vom 26. Juli 2010 an einem aktuellen Ereignis fehle und die Übernahme der Ausschnitte aus der Sendung der Klägerin vom 2. August 2010 durch die Beklage am 3. August 2010 lediglich Anknüpfungspunkt eines Beitrags sei, der weitere Vorgänge nahezu in gleicher Gewichtung einbeziehe, ohne dass das Interview und der ausstrahlende Sender Gegenstand der Berichterstattung und einer ausdrücklichen unmissverständlichen Auseinandersetzung seien.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 13. September 2011 - 310 O 480/10
OLG Hamburg - Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 U 225/11

* § 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.

** § 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

Verhandlungstermin: 17. Dezember 2015 (Verhandlungstermin: 11. Juni 2015) in Sachen I ZR 21/14 (DVB-T-Fernseher in Hotelzimmern)

Datum: 17.12.2015

AG Charlottenburg - Urteil vom 4. Januar 2013 - 207 C 391/12
LG Berlin - Urteil vom 5. November 2013 - 16 S 5/13

Die Beklagte betreibt ein Hotel in Berlin. Sie hat in 21 Hotelzimmern Fernsehgeräte installiert, die mit DVB-T-Zimmerantennen ausgestattet sind und mit denen die Hotelgäste digitale terrestrische Fernsehprogramme empfangen können.

Die Klägerin, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), sieht darin eine Verletzung der ihr eingeräumten Rechte zur öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken. Sie verlangt von der Beklagten auf der Grundlage ihres Verteilungsplans eine Vergütung in Höhe von 765,76 €.

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat genommen, die Ausstrahlung von Musikwerken über die in den Hotelzimmern bereitgestellten Fernsehgeräte stelle eine öffentliche Wiedergabe von Rundfunksendungen dar, durch die die der Klägerin eingeräumten Rechte der öffentlichen Wiedergabe der geschützten Musikwerke verletzt worden seien.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Verhandlungstermin aufgehoben (vorher: Verhandlungstermin am 15. Dezember 2015, 9.00 Uhr)(vorher: 1. Dezember 2015), in Sachen XI ZR 180/15 (Streit um treuwidrige Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts)

Datum: 15.12.2015

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 1. Dezember 2015 über die Revision eines Darlehensnehmers zu entscheiden haben, der sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, er habe, indem er seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen habe, gegen Treu und Glauben verstoßen.

Mit „Beitrittsvereinbarung/Darlehensvertrag“ vom Mai 2005 beteiligte sich der Kläger nach Vermittlung durch eine dritte Sparkasse an einer Fondsgesellschaft. Die Einlage erbrachte er zum Teil aus eigenen Mitteln. Im Übrigen finanzierte er sie mittels eines Darlehens der Beklagten. Im September 2011 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung unter Verweis darauf, mangels ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht sei die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen.

Seine der Sache nach auf Rückabwicklung gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dabei hat es angenommen, der Kläger sei fehlerhaft über das ihm zustehende Widerrufsrecht belehrt worden, so dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei. Das Widerrufsrecht des Klägers sei auch nicht verwirkt. Der Widerruf des Klägers stelle aber eine unzulässige Rechtsausübung dar, weil es dem Kläger darum gegangen sei, sich von der wohlüberlegt getätigten, aber spekulativen und risikobehafteten Anlage zu lösen, nachdem sie sich aus steuerlicher Sicht als nicht so erfolgreich wie gewünscht erwiesen habe. Die Ausübung des Widerrufsrechts zu diesem Zweck sei treuwidrig, weil die Mängel der Widerrufsbelehrung für die Risiken, derentwegen der Kläger widerrufen habe, irrelevant gewesen seien.

Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Urteil vom 4. Juni 2014 – 307 O 139/12
Hanseatisches OLG Hamburg – Urteil vom 2. April 2015 – 13 U 87/14

Verhandlungstermin am 15. Dezember 2015 in Sachen VI ZR 134/15 (Unerwünschte Werbung)

Datum: 15.12.2015

Die Kläger nimmt die beklagte Versicherungsgesellschaft auf Unterlassung und Erstattung außergerichtlicher Kosten in Anspruch.

Der Kläger ist Verbraucher. Er wandte sich am 10. Dezember 2013 mit der Bitte um Bestätigung einer von ihm ausgesprochenen Kündigung per E-Mail an die Beklagte. Die Beklagte bestätigte unter dem Betreff „Automatische Antwort auf Ihre Mail (…)“ wie folgt den Eingang der E-Mail des Klägers:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails. Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre S. Versicherung
Übrigens: Unwetterwarnungen per SMS kostenlos auf Ihr Handy. Ein exklusiver Service nur für S. Kunden. Infos und Anmeldung unter (…)
Neu für iPhone Nutzer: Die App S. Haus & Wetter, inkl. Push Benachrichtigungen für Unwetter und vielen weiteren nützlichen Features rund um Wetter und Wohnen: (…)
***Diese E-Mail wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***

Der Kläger wandte sich daraufhin am 11. Dezember 2013 erneut per E-Mail an die Beklagte und rügte, die automatisierte Antwort enthalte Werbung, mit der er nicht einverstanden sei. Auch auf diese E-Mail sowie eine weitere mit einer Sachstandsanfrage vom 19. Dezember 2013 erhielt der Kläger eine automatisierte Empfangsbestätigung mit dem obigen Inhalt.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, zum Zwecke der Werbung mit ihm, dem Kläger, ohne sein Einverständnis per E-Mail Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Falle der E-Mails vom 10., 11. und 19. Dezember 2013.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Vorinstanzen:
AG Stuttgart-Bad Cannstatt – Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14
LG Stuttgart – Urteil vom 4. Februar 2015 – 4 S 165/14

Verhandlungstermin am 10. Dezember 2015 in Sachen I ZR 222/13 (Werbung für Kindersaft)

Datum: 10.12.2015

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände in Deutschland. Die Beklagte stellt einen Mehrfruchtsaft her und vertreibt dieses Produkt in Flaschen. Auf der Vorderseite dieser Flaschen ist ein blondes Mädchen mit roten Wangen und einem blauen Kopftuch abgebildet. Darunter befinden sich die Angaben "Lernstark" und "Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit".

Der Kläger sieht in der Werbung mit den vorgenannten Angaben einen Verstoß gegen Vorschriften der Verordnung Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung). Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Angaben "Lernstark" und "Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" seien nicht nach Maßgabe der Verordnung zugelassene und auch im Übrigen nicht zulässige gesundheitsbezogene Angaben in Form von Angaben über die Gesundheit von Kindern gemäß Art. 10 Abs. 1*, 14 Abs. 1 Buchst. b ** Healths-Claims-Verordnung.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Koblenz - Urteil vom 1. März 2013 - 16 O 172/12, LRE 65, 262
OLG Koblenz - Urteil vom 11. Dezember 2013 - 9 U 405/13, GRUR-RR 2014, 170

*Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 lautet:

(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.

**Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1924/2006 lautet:

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2000/13/EG können die folgenden Angaben gemacht werden, wenn sie nach dem Verfahren der Artikel 15, 16, 17 und 19 der vorliegenden Verordnung zur Aufnahme in eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben und aller erforderlichen Bedingungen für die Verwendung dieser Angaben zugelassen worden sind: …
a) …
b) Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern.

Verhandlugnstermin am 8. Dezember 2015 wurde aufgehoben; neuer Verhandlungstermin steht noch nicht fest (vorher: Verhandlungstermin am 20. Oktober 2015) in Sachen XI ZR 158/14 (Kostenregelung in Verkaufsprospket über Investmentanteile)

Datum: 08.12.2015

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist; die Beklagte ist eine Kapitalanlagegesellschaft. Mit der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG macht der Kläger die Unwirksamkeit der nachfolgenden Kostenregelung in einem Verkaufsprospekt der Beklagten über Investmentanteile eines von ihr verwalteten Sondervormögens geltend:

㤠7 Kosten
[…]
3. Daneben gehen die folgenden Aufwendungen zulasten des Sondervermögens:
[…]
c) Kosten für den Druck und Versand der für die Anleger bestimmten Jahres- und Halbjahresberichte;
d) Kosten der Bekanntmachung der Jahres- und Halbjahresberichte, der Ausgabe- und Rücknahmepreise und ggf. der Ausschüttungen und des Auflösungsberichtes; […]“

Der Kläger ist der Ansicht, die angegriffenen Bestimmungen verstießen gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Verbrauchern zu unterlassen. Zur Begründung führt er an, die Regelungen benachteiligten die Kunden der Beklagten unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, 2 BGB. Die betreffenden Kosten seien keine Aufwendungen im rechtlichen Sinne, sondern dienten der Erfüllung gesetzlicher Pflichten der Beklagten aufgrund von Vorschriften des - inzwischen mit Wirkung vom 22. Juli 2013 durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) abgelösten - Investmentgesetzes (InvG) sowie der Investment-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung (InvRBV); außerdem seien die Klauseln intransparent.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, es könne dahinstehen, ob eine AGB-rechtliche Überprüfung überhaupt zulässig sei. Jedenfalls hielten die Klauseln einer solchen Prüfung stand. Die streitigen Kostenregelungen seien unter der Geltung des InvG zulässig gewesen. Da die in Rede stehenden Positionen in verschiedenen Vorschriften dieses Gesetzes sowie der InvRBV als Aufwendungen definiert seien, wichen die Klauseln nicht vom gesetzlichen Leitbild ab. Soweit nach der Rechtsprechung Kosten des Verwenders aus der Erfüllung gesetzlicher Pflichten nicht durch Vereinbarung von Nebenentgelten auf den Vertragspartner abgewälzt werden dürften, seien diese Grundsätze auf den Vertrieb von Investmentanteilen nach dem InvG, soweit hier von Belang, nicht übertragbar. Die Klauseln verstießen auch nicht gegen das Transparenzgebot. Präzisere Angaben seien der Beklagten nicht möglich. Der Angabe eines Umlagemaßstabs bedürfe es nicht, da die gesamten Kosten auf das Sondervermögen umgelegt würden. Durch das Inkrafttreten des KAGB habe die Rechtslage sich nicht geändert.

Mit der - vom OberlandesBerufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 22. Oktober 2012 – 11 O 64/12
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 6. Februar 2014 – 2 U 180/12

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Verhandlungstermin am 3. Dezember 2015 (vorher: 8. Oktober 2015) in Sachen 4 StR 223/14 (Scheunenmord)

Datum: 03.12.2015

Das Landgericht Paderborn hat den zur Tatzeit 19-jährigen Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte seinem zwei Jahre jüngeren Freund in einer Scheune im Außenbereich von Büren (Nordrhein-Westfalen) – möglicherweise nach einer vorangegangenen verbalen Auseinandersetzung – unvermittelt mehrfach von hinten mit einer Metallstange auf den Kopf, wodurch dieser u.a. ein hochgradiges Schädelhirntrauma erlitt und bewusstlos liegen blieb. Der Angeklagte, der meinte, seinen Freund getötet zu haben, entfernte sich daraufhin zunächst vom Tatort, kehrte jedoch ca. eine Stunde später wieder zurück, um vorzutäuschen, er habe seinen Freund tot aufgefunden. Als er festgestellt hatte, dass dieser noch lebte, trennte er dem Tatopfer, das aufgrund der Schädelverletzung zu einer Abwehrreaktion nicht in der Lage war, mit einem Messer die Kehle durch, worauf das Tatopfer verstarb. Der Angeklagte setzte anschließend einen Notruf ab und gab an, seinen Freund mit aufgeschnittener Kehle aufgefunden zu haben.

Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision, mit der er Verfahrensrügen erhebt und u.a. die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet. Die Eltern des Tatopfers haben als Nebenkläger ebenfalls Revision eingelegt.

Vorinstanz:

Landgericht Paderborn - 5 KLs 10 Js 152/14 kap. 58/14 – Entscheidung vom 15. Januar 2015

Verhandlungstermin am 2. Dezember 2015 in Sachen I ZR 45/13 (Angaben auf Verpackung für Früchtetee)

Datum: 02.12.2015

Die Beklagte, ein namhaftes deutsches Teehandelsunternehmen, vertreibt unter der Bezeichnung "FELIX HIMBEER-VANILLE ABENTEUER" einen Früchtetee, auf dessen Verpackung sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise "nur natürliche Zutaten" und "FRÜCHTETEE MIT NATÜRLICHEN AROMEN" befinden. Tatsächlich enthält dieser Tee keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere.

Nach Ansicht des klagenden Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände führen diese Angaben auf der Verpackung des Tees der Beklagten den Verbraucher über den Inhalt in die Irre. Aufgrund des Produktnamens, der Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten und des Zusatzes "nur natürliche Zutaten" im goldenen Kreis erwarte der Verbraucher, dass der Tee Bestandteile von Vanille und Himbeere, jedenfalls aber natürliches Vanillearoma und natürliches Himbeeraroma enthalte. Er hat die Beklagte aus diesem Grund auf Unterlassung und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt, weil nach Ansicht das Oberlandesgerichts eine Irreführung der angesprochenen Verbraucher nicht anzunehmen war.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln* durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken dürfen, obwohl die Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie ergibt (vgl. Pressemitteilung Nr. 37/2014).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Vorlagefrage dahin beantwortet, dass es mit den vorstehend genannten Vorschriften nicht vereinbar ist, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt. Der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des in Rede stehenden Erzeugnisses angebracht ist, kann für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung dieses Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sein können, den Käufer irrezuführen. Ob die Etikettierung den Käufer oder Verbraucher tatsächlich irreführen kann oder eine Verkehrsbezeichnung möglicherweise irreführend ist, obliegt der Beurteilung der nationalen Gerichte. Bei dieser Beurteilung sind unter anderem die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Früchtetees zu berücksichtigen.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 16. März 2012 - 38 O 74/11, StoffR 2012, 167
OLG Düsseldorf - Urteil vom 19. Februar 2013 - 20 U 59/12, GRUR-RR 2013, 300
BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - I ZR 45/13, GRUR 2014, 588 = WRP 2014, 694 - Himbeer-Vanille Abenteuer
EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-195/14, BeckRS 2015, 80708 - Verbraucherzentrale Bundesverband /Teekanne

*Art. 2 der Richtlinie 2000/13/EG lautet:

(1) Die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, dürfen nicht
a) geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht
i) über die Eigenschaft des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;
ii) durch Angabe von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;
iii) indem zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen;
b)…
(2)…
(3) Die Verbote oder Einschränkungen nach den Absätzen 1 und 2 gelten auch
a) für die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere die Form oder das Aussehen dieser Lebensmittel oder ihrer Verpackung, das verwendete Verpackungsmaterial, die Art und Weise ihrer Anordnung sowie die Umgebung, in der sie feilgehalten werden;
b) für die Werbung

Verkündungstermin am 26. November 2015 (Verhandlungstermin am 8. Oktober 2015, 12.00 Uhr) in Sachen I ZR 174/14 (Haftung eines Access-Providers für Urheberrechtsverletzungen Dritter)

Datum: 26.11.2015

Die Klägerinnen sind Tonträgerhersteller. Die Beklagte ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhalten. Als sogenannter Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "goldesel.to".

Nach Darstellung der Klägerinnen konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken hinführenden Hyperlinks und URLs zugegriffen werden, die bei dem Filesharing-Netzwerk "eDonkey" widerrechtlich hochgeladen worden seien. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte. Sie machen geltend, die Beklagte habe als Störerin für das Bereithalten der einen Download durch beliebige Nutzer ermöglichenden Links und URLs auf der Webseite "goldesel.to" einzustehen, da es ihr möglich und zumutbar sei, derartige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Die Klägerinnen haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "goldesel.to" zu ermöglichen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Es hat angenommen, auch ein Access-Provider könne zwar grundsätzlich als Störer für Urheberrechtsverletzungen Dritter haften. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen einem Access-Provider untersagt werden könne, Dritten solche Rechtsverletzungen zu ermöglichen, lägen im Streitfall jedoch nicht vor. Der Beklagten sei es insbesondere mit Blick auf den unklaren wirtschaftlichen Nutzen der Sperren für die Klägerinnen, die Beeinträchtigungen von (Grund-)Rechten Dritter und den mit dem Sperren verbundenen wirtschaftlichen Aufwand für die Beklagte nicht zuzumuten, den Zugang zu den streitbefangenen Links und URLs zu unterbinden.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Unterlassungsbegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof hat am 30. Juli 2015 (Az. I ZR 3/14) bereits über einen ähnlich gelagerten Fall mündlich verhandelt und für den 26. November einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 31. August 2011 - 28 O 362/10
OLG Köln - Urteil vom 18. Juli 2014 - 6 U 192/11

Verkündungstermin: 26. November 2015 (Verhandlungstermin am 30. Juli 2015) in Sachen I ZR 3/14 (Haftung eines Access-Providers für Urheberrechtsverletzungen Dritter)

Datum: 26.11.2015

Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aufgrund von Berechtigungsverträgen eingeräumte urheberrechtliche Nutzungsrechte an Musikwerken wahr.

Die Beklagte ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen. Sie war Betreiberin eines zwischenzeitlich von einer konzernverbundenen Gesellschaft unterhaltenen Telefonnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhielten. Als sogenannter Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "3dl.am".

Nach Darstellung der Klägerin konnte über diese Webseite auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken hinführenden Hyperlinks und URLs zugegriffen werden, die bei Sharehostern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden seien. Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte, wobei sie geltend macht, Inhaberin des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung im Einzelnen benannter Musikwerke zu sein. Sie macht geltend, die Beklagte habe als Störerin für das Bereithalten der einen Download durch beliebige Nutzer ermöglichenden Links und URLs auf der Webseite "3dl.am" einzustehen, da es ihr möglich und zumutbar sei, derartige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "3dl.am" zu ermöglichen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, auch ein Access-Provider könne zwar grundsätzlich als Störer für Urheberrechtsverletzungen Dritter haften. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen einem Access-Provider untersagt werden könne, Dritten solche Rechtsverletzungen zu ermöglichen, lägen im Streitfall jedoch nicht vor. Der Beklagten sei es - ohne eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage - insbesondere mit Blick auf die mit möglichen Sperrmaßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen von (Grund-)Rechten Dritter nicht zuzumuten, den Zugang zu den streitbefangenen Links und URLs zu unterbinden.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren weiter.

Vorinstanzen:
LG Hamburg - Urteil vom 12. März 2010 - 308 O 640/08, MMR 2010, 488
OLG Hamburg - Urteil vom 21. November 2013 - 5 U 68/10, GRUR-RR 2014, 140

Verhandlungstermin 25. November 2015, 9.00 Uhr in Sachen VIII ZR 360/14 (Preisanpassungsklausel in Gaslieferungsvertrag)

Datum: 25.11.2015

In diesem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die in einem formularmäßigen Gaslieferungsvertrag mit Sonderkunden enthaltene Preisanpassungsklausel einer Klauselkontrolle nach § 307 BGB* standhält.

Der Sachverhalt:

Die Parteien stehen als Stromanbieter im Wettbewerb. Die Beklagte verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter der Überschrift “Preise und Preisanpassung/Steuern, Abgaben und sonstige hoheitlich auferlegte Belastungen“ unter anderem folgende Regelungen, welche die Klägerin hinsichtlich der darin enthaltenen Preisanpassungsklausel für intransparent und damit zugleich wettbewerbswidrig hält:

“6.1. Der Gesamtpreis setzt sich aus der Servicepauschale, dem Arbeitspreis und ggf. einem Leistungspreiszuschlag zusammen. Er enthält den Energiepreis, die Kosten für Messstellenbetrieb und Messung [...] sowie für die Abrechnung, die aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) folgenden Belastungen, das an den Netzbestreiber abzuführende Netzzugangsentgelt [...] inklusive der vom Netzbetreiber erhobenen Zuschläge nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sowie die Konzessionsabgaben, die Offshore-Haftungsumlage und die § 19 Sonderkundenumlage[...].
6.6. Der Lieferant wird die auf der Grundlage dieses Vertrages zu zahlenden Preise darüber hinaus nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anpassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind. Eine Preiserhöhung kommt in Betracht und eine Preisermäßigung ist vorzunehmen, wenn sich z.B. die Kosten für die Beschaffung von Energie oder die Nutzung des Verteilernetzes erhöhen oder absenken oder sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen (z.B. durch die Einführung von Netzzugangsentgelten für Einspeisungen, Änderungen der Belastungen nach dem EEG oder KWKG). Steigerungen bei einer Kostenart, z.B. den Strombezugskosten, dürfen nur in dem Umfang für eine Preiserhöhung herangezogen werden, in dem kein Ausgleich durch etwaig rückläufige Kosten in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, erfolgt. Bei Kostensenkungen, z.B. der Strombezugskosten, sind vom Lieferanten die Preise zu ermäßigen, soweit diese Kostensenkungen nicht durch Steigerungen in anderen Bereichen ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Der Lieferant wird bei der Ausübung seines billigen Ermessens die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen werden als Kostenerhöhungen, also Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen.
6.7. Änderungen der Preise nach Ziff. 6.6 sind nur zum Monatsersten möglich. Der Lieferant wird dem Kunden die Änderung spätestens 6 Wochen vor dem geplanten Wirksamwerden in Textform mitteilen. Im Fall einer Preisänderung hat der Kunde das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung in Textform zu kündigen. Hierauf wird der Kunde vom Lieferanten in der Preisänderungsmitteilung gesondert hingewiesen. Im Fall der Kündigung wird die Preisänderung gegenüber dem Kunden nicht wirksam. Im Übrigen bleibt § 315 BGB** unberührt.“

Die u.a. auf Unterlassung der Verwendung der aus Ziffer 6.6. ersichtlichen Preisanpassungsklausel gerichtete Klage hat in der Berufungsinstanz Erfolg gehabt. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision begehrt die Beklagte insoweit die Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:
OLG München - Urteil vom 24. Juli 2014 – 29 U 1466/14
LG Augsburg - Urteil vom 18. März 2014 – 2 HK O 3775/13

* § 307 BGB (Inhaltskontrolle)

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist […].

** § 315 BGB (Bestimmung der Leistung durch eine Partei)

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist […].
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Verhandlungstermin am 19. November 2015 in Sachen I ZR 149/14 (Werbung für Pippi-Langstrumpf-Kostüm)

Datum: 19.11.2015

Die Beklagte betreibt Einzelhandelsmärkte. Um für ihre Karnevalskostüme zu werben, verwandte sie in Verkaufsprospekten im Januar 2010 die Fotografien eines etwa fünfjährigen Mädchens und einer jungen Frau, die als Pippi Langstrumpf verkleidet waren. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu sein, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur "Pippi Langstrumpf" verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 € zu.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung Nr. 127/2013).

Das Oberlandesgericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil nunmehr vollständig abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG * ergebe. Die Abbildung eines Mädchens beziehungsweise einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter machten, seien allerdings nicht gegeben. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide aus, weil der Durchschnittsverbraucher trotz des hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades dieser Romanfigur, deren besonderer Originalität sowie der hieraus folgenden Werbewirksamkeit nicht davon ausgehe, dass dann, wenn mit als "Pippi Langstrumpf" verkleideten Personen Karnevalskostüme beworben würden, die Werbeabbildungen als solche von den Inhabern der Rechte an der Romanfigur lizenziert seien. Die Werbeabbildung stelle auch keine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur "Pippi Langstrumpf" dar, weil eine Behinderung der Klägerin bei deren Vermarktung nicht ersichtlich sei.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Köln - Urteil vom 10. August 2011 - 28 O 117/11, ZUM 2011, 871
OLG Köln - Urteil vom 24. Februar 2012 - 6 U 176/11, ZUM-RD 2012, 256
BGH - Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 52/12, GRUR 2014, 258 = WRP 2014, 178 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm
OLG Köln - Urteil vom 20. Juni 2014 - 6 U 176/11, GRUR-RR 2014, 393

*§ 4 Nr. 9 UWG lautet:

Unlauter handelt insbesondere, wer
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt (…).

Verhandlungstermin am 18. November 2015 in Sachen VIII ZR 266/14 (Mieterhöhung bei Wohnflächenabweichung)

Datum: 18.11.2015

In diesem Rechtsstreit geht es um die Frage, welche Auswirkungen die Überschreitung einer im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche im Mieterhöhungsverfahren hat.

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Mieter einer 5-Zimmer-Wohnung der Klägerin in Berlin. Im Mietvertrag sind die Wohnfläche mit 156,95 qm und die monatliche Miete mit 811,81 DM angegeben. Tatsächlich beträgt die Wohnfläche 210,43 qm.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der derzeitigen Bruttokaltmiete von 629,75 € auf insgesamt 937,52 €. Dies begründet sie damit, dass sie nach den allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften* zu einer Erhöhung der momentan geschuldeten Miete um 15 % (94,46 €), sowie darüber hinaus wegen einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um 33,95 % zu einer entsprechenden weiteren Anhebung berechtigt sei. Der beklagte Mieter ist mit einer Mieterhöhung nur um 94,46 € einverstanden. Die Klage der Vermieterin auf Zustimmung zur Mieterhöhung um weitere 213,31 € ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Nach Ansicht des Landgerichts scheidet eine weitere Mieterhöhung schon deshalb aus, weil ansonsten die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB* überschritten würde. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht daraus, dass mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626) ein Vermieter an einer im Mietvertrag vereinbarten Größe nicht festhalten werden könne, wenn die tatsächliche von der vereinbarten Größe um mehr als 10 % abweiche.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Mieterhöhungsverlangen weiter.

Der Senat hat den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nach Vorberatung folgenden Hinweis erteilt:

„Der Senat erwägt, nicht mehr an seiner Rechtsprechung (vgl. insbesondere Senatsurteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626 Rn. 16 ff.) festzuhalten, wonach einer Mieterhöhung nach § 558 BGB bei einer Abweichung von nicht mehr als zehn Prozent die als Beschaffenheit vereinbarte Wohnfläche (statt der davon abweichenden tatsächlichen) Wohnfläche) zugrunde zu legen ist und wonach bei einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche von mehr als zehn Prozent der (gutgläubige) Vermieter sich von seinem Irrtum nach den von den Voraussetzungen des § 558 BGB abweichenden Grundsätzen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage lösen kann.

Hierfür könnte sprechen, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung auf die Sachmängelgewährleistung abzielt und deshalb regelmäßig keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mietvertragsparteien auf diese Weise gleichzeitig der einen oder anderen Seite für spätere Mieterhöhungsverfahren einen Vorteil oder Nachteil gegenüber der gesetzlichen Regelung verschaffen wollen. Zudem stellt das System der ortsüblichen Vergleichsmiete auf die Entgelte ab, die in der jeweiligen Gemeinde für vergleichbare Wohnungen gezahlt werden; ein solcher Vergleich kann aber sinnvoll nur anhand objektiver Kriterien vorgenommen werden, so dass es hinsichtlich der Wohnfläche auf die tatsächliche Wohnfläche ankommen müsste.

Sofern einer im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche keine Maßgeblichkeit für eine Mieterhöhung nach § 558 BGB mehr zukäme, wäre von vornherein kein Raum mehr für die Annahme, dass bei einer Abweichung um mehr als zehn Prozent die Geschäftsgrundlage fehlen könnte, wie dies in dem genannten Senatsurteil (aaO Rn. 19) zumindest angedeutet worden ist. Eine Anpassung der Miete wäre dann in diesen Fällen ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 558 BGB möglich.“

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 11. September 2014 (18 S 413/13)
AG Charlottenburg - Urteil vom 2. Dezember 2013 (237 C 302/13)

* § 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist.
[…]
(3) 1Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). 2Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. 3Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.

Verhandlungstermin am 11. November 2015, 9.00 Uhr in Sachen IV ZR 426/14 (Abrechnung von Kfz-Reparaturkosten auf Gutachtenbasis in der Kaskoversicherung)

Datum: 11.11.2015

In dem zur Verhandlung anstehenden Verfahren wird der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat darüber zu entscheiden haben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen in der Fahrzeugversicherung (Kasko) bei einer Abrechnung von Reparaturkosten auf Gutachtenbasis die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde gelegt werden können.

In dem Rechtsstreit begehrt der Kläger, der sein Fahrzeug, einen Mercedes, nach einem Unfallschaden nicht reparieren ließ, von seinem Kaskoversicherer den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten auf Gutachtenbasis. Dabei legt er ein von ihm beauftragtes Gutachten zugrunde, in dem auf Basis der Stundenverrechnungssätze einer Mercedes-Fachwerkstatt ein Reparaturkostenaufwand von rd. 9.400 € ermittelt worden ist. Der beklagte Versicherer, dessen Einstandspflicht außer Streit steht, regulierte dagegen auf der Basis eines von ihm eingeholten Gutachtens nur rd. 6.400 €. Diesem Gutachten liegen die Lohnkosten einer regionalen ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde. Die Differenz von knapp 3.000 € ist Gegenstand der Klage.

In Ziffer A.2.7.1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) 2008 heißt es:

"Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:
a) Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.7.1.b.
b) Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6.“

Die Klage hatte beim Amtsgericht Erfolg; das Landgericht hat sie auf Berufung des beklagten Versicherers abgewiesen. Es hat ausgeführt, soweit die Reparatur des Fahrzeugs auch in einer markenfreien Fachwerkstatt zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur führe, seien nur die dort anfallenden Kosten als erforderlich im Sinne der AKB anzusehen. Für die vom Amtsgericht befürwortete Übertragung der Grundsätze aus dem gesetzlichen Haftungsrecht fehle es an einer tragfähigen Begründung.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Mitte - Urteil vom 1. Februar 2013 - 114 C 3023/12
Landgericht Berlin – Urteil vom 15. Oktober 2014 – 44 S 106/13

Verhandlungstermin am 5. November 2015 in Sachen I ZR 91/11, I ZR 76/11 und I ZR 88/13 (Werbung für geschütztes Werk bzw. Vervielfältigungsstücke)

Datum: 05.11.2015

In den zur Verhandlung anstehenden Parallelverfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Fragen zu entscheiden, ob das Verbreitungsrecht gemäß § 17 Abs. 1 UrhG* mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG** auch das Recht umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und ob dieses Recht durch eine nicht notwendig zum Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werks führende Werbung verletzt sein kann.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11, eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts, gehört zur Knoll-Gruppe, die hochwertige Möbel herstellt und weltweit verkauft. Die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht, vertreibt europaweit Designmöbel im Direktvertrieb. Der Beklagte ist ihr Geschäftsführer.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte vertreiben Möbel nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte warb auf ihrer - auch in deutscher Sprache abrufbaren - Internetseite für den Kauf ihrer Möbel. Daneben warb sie für ihre Angebote in den Jahren 2005 und 2006 regelmäßig in Deutschland in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie einem Werbeprospekt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die streitbefangenen Möbel seien als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt. Sie nimmt für sich und ihre Muttergesellschaft die ausschließlichen Nutzungsrechte in Anspruch. In der in Deutschland veröffentlichten Werbung der Beklagten sieht sie eine Verletzung des Rechts aus § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten. Sie nimmt die Beklagten unter anderem auf Unterlassung sowie auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und auf Erteilung von Auskünften in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 76/11 ist alleinige Lizenznehmerin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten, die Prof. Wilhelm Wagenfeld während seiner Tätigkeit am Bauhaus entworfen hat. Sie produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Der Kläger ist Testamentsvollstrecker des verstorbenen Prof. Wagenfeld.

Die Beklagte zu 1 ist das in Italien ansässige Unternehmen, das auch im Verfahren I ZR 91/11 in Anspruch genommen wird. Sie bringt im Rahmen ihrer “Bauhaus-Kollektion“ auch Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Der Beklagte zu 2 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 3 ist eine Spedition. Der Beklagte zu 4 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 3.

Die Beklagte zu 1 warb deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit ihrer Bestellung in Italien. Die Werbung enthielt den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können.

Die Kläger haben die Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - wegen einer Verletzung ihres Rechts aus § 17 Abs. 1 UrhG unter anderem auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen sowie die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht beantragt.

Das Landgericht hat der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichteten Klage wegen Anbietens der Tischlampen im Wesentlichen stattgegeben und die gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage wegen Inverkehrbringens der Tischlampen abgewiesen. Die Berufung der Parteien ist überwiegend ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1 und 2 die vollständige Abweisung der gegen sie gerichteten Klage weiter. Die Klägerin verfolgt ihre gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage weiter.

Im Verfahren I ZR 88/13 nimmt die Klägerin, eine Rechtsanwalts-Partnerschaftsgesellschaft, die Beklagte, die im Internet einen Ton- und Bildträgerhandel betreibt, aus abgetretenem Recht auf Erstattung der Kosten einer anwaltlichen Abmahnung in Anspruch, die das Angebot einer nicht autorisierten Bild-/Tonaufnahme der Darbietung eines bekannten Künstlers über die Internetseite der Beklagten zum Gegenstand hatte.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren I ZR 91/11 mit Beschluss vom 1. April 2013 drei Fragen zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG vorgelegt. Die Verfahren I ZR 76/11 und I ZR 88/13 hat er bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen dahin beantwortet, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen sei, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt.

Vorinstanzen:

I ZR 91/11
LG Hamburg - Urteil vom 2. Januar 2009 - 308 O 255/07, GRUR-RR 2009, 2011
OLG Hamburg - Urteil vom 27. April 2011 - 5 U 26/09
BGH - Beschluss vom 1. April 2013 - I ZR 91/11, GRUR 2013, 1137 = WRP 2013, 1480 - Marcel-Breuer-Möbel
EuGH - Urteil vom 13. Mai 2015 - C-516/13, BeckRS 2015, 80639

I ZR 76/11
LG Hamburg - Urteil vom 12. September 2008 - 308 O 506/05, BeckRS 2013, 03666
OLG Hamburg - Urteil vom 30. März 2011 - 5 U 207/08, BeckRS 2013, 03665
BGH - Beschluss vom 11. April 2013 - I ZR 76/11, ZUM-RD 2013, 633

I ZR 88/13
AG Hamburg - Urteil vom 13. September 2012 - 35a C 159/12
LG Hamburg - Urteil vom 26. April 2013 - 308 S 11/12

*§ 17 Abs. 1 UrhG lautet:

Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

**Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.

Verhandlungstermin am 4. November 2015, 11.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 217/14 (Zur Wirksamkeit der Herabsetzung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen auf 15 %)

Datum: 04.11.2015

In diesem Verfahren hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs darüber zu entscheiden, ob in Berlin die allgemeine Kappungsgrenze von 20 % für Mieterhöhungen in bestehenden Wohnraummietverhältnissen nach dem Vergleichsmietenverfahren für die Dauer von 5 Jahren wirksam auf 15 % herabgesetzt ist.

Zum Hintergrund:

Der Gesetzgeber hat zur Dämpfung des Anstiegs von Wohnraummieten ver-schiedene Maßnahmen ergriffen. Eine dieser Maßnahmen ist die bundesweit seit langem geltende Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 Satz 1 BGB*. Nach dieser Vorschrift darf die Miete während eines laufenden Mietverhältnisses nicht um mehr als 20 % innerhalb von drei Jahren erhöht werden. Infolge einer durch das Miet-rechtsänderungsgesetz vom 11. März 2013 (BGBl. I, S. 434) bewirkten Gesetzes-änderung sind die Landesregierungen seit dem 1. Mai 2013 ermächtigt, durch Rechtsverordnung diese Grenze für die Dauer von höchstens fünf Jahren in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde auf 15 % abzusenken, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (§ 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB*). Von dieser Möglichkeit haben inzwischen elf Bundesländer Gebrauch gemacht, darunter auch das Land Berlin (Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gemäß § 558 Absatz 3 BGB vom 7. Mai 2013 - Kappungsgrenzen-Verordnung, GVBl. 2013, 128).

Hiervon zu unterscheiden ist die nun durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 (BGBl. I, S. 610) eingeführte "Mietpreisbremse", die im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielt. Diese Maßnahme greift nicht bei laufenden Mietverhältnissen ein, sondern begrenzt die beim Abschluss eines Mietvertrages zulässige Miete auf einen Betrag von höchstens 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete, sofern die Mietwohnung in einem durch Rechtsverordnung der Landesregierung ausgewiesenen Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist Vermieter, der Beklagte seit 2007 Mieter einer Wohnung in Berlin-Wedding. Mit Schreiben vom 1. September 2013 forderte der Kläger vom Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Miete um 20 %. Er vertritt die Ansicht, die zulässige Mieterhöhung sei durch die Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung nicht auf 15 % herabgesetzt worden, denn die Verordnung sei unwirksam. Insbesondere macht er geltend, es sei unzulässig, die Kappungsgrenze für das gesamte Gemeindegebiet Berlins herabzusetzen, denn nicht in allen Stadtteilen sei eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit der Kläger die Zustimmung zu einer Erhöhung von mehr als den vom Beklagten anerkannten 15 % Steigerung verlangt hat. Dabei hat es angenommen, die Zivilgerichte seien nicht befugt, die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin auf ihre Rechtsmäßigkeit zu überprüfen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat im Gegensatz zur Vorinstanz zwar eine Verpflichtung der Zivilgerichte bejaht, in einem Prozess über eine Mieterhöhung die Wirksamkeit einer die allgemeine Kappungsgrenze herabsetzenden Rechtsverordnung zu überprüfen. Gleichwohl hat es die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, weil es nach der von ihm angestellten Prüfung die Rechtmäßigkeit der Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin bejaht hat.

Dem Berliner Senat sei als Verordnungsgeber bezüglich der Annahme einer besonderen Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen im gesamten Stadtgebiet oder einem Teil davon und der Ausweisung dieser Gebiete ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur der Kontrolle auf Prognosefehler unterliege und erst dann überschritten sei, wenn die Erwägungen des Verordnungsgebers nicht vertretbar, also so offensichtlich verfehlt seien, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die getroffene Maßnahme abgeben könnten. Gemessen daran sei eine Überschreitung des dem Verordnungsgeber zugebilligten Beurteilungsspielraums nicht festzustellen. Der Senat von Berlin sei mit vertretbaren Erwägungen unter Heranziehung geeigneter Grundlagendaten zu dem Ergebnis gelangt, dass das gesamte Stadtgebiet einer besonderen Gefährdung nach § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgesetzt sei.

Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Mieterhöhungsbegehren um den 15 % übersteigenden Betrag weiter.

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin - Urteil vom 3. Juli 2014 - 67 S 121/14
Amtsgericht Wedding - Urteil vom 3. März 2014 - 22d C 175/13

* § 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(1) 1Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. 2Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. […]
(3) 1Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). 2Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. 3Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.

Verkündungstermin 28. Oktober 2015, 11.00 Uhr, in Sachen VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12 („Gaspreise in der Grundversorgung“)

Datum: 28.10.2015

Diese beiden Verfahren waren – ebenso wie 11 weitere Verfahren - im Hinblick auf die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs in den Sachen VIII ZR 211/10 und VIII ZR 71/10 (RdE 2011, 372 und 791) ausgesetzt worden.

Der EuGH hat die Vorlagefragen inzwischen mit Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C 359/11 und C400/11, NJW 2015, 899) wie folgt beantwortet:

"Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.“

Der Bundesgerichtshof wird nunmehr die Frage zu entscheiden haben, welche Folgen diese Entscheidung nach nationalem Recht für das jeweilige Tarifkundenverhältnis und insbesondere für die Frage hat, welche Vergütung das Versorgungsunternehmen noch beanspruchen kann.

In den ersten beiden „Pilotverfahren“ der ausgesetzten Rechtsstreitigkeiten steht – nach einer bereits im Juli 2015 erfolgten Verhandlung – nunmehr Verkündungstermin an. Beide Verfahren betreffen die Energieversorgung mit Gas im Tarifkundenverhältnis.

VIII ZR 158/11
LG Düsseldorf - Urteil vom 28. Januar 2009 - 34 O (Kart) 112/08
OLG Düsseldorf - Urteil vom 13. April 2011 - VI-2 U (Kart) 3/09

und

VIII ZR 13/12
LG Dortmund - Urteil vom 20. August 2009 - 13 O 179/08 Kart
OLG Düsseldorf -Urteil vom 21. Dezember 2011 - VI-3 U (Kart) 4/11

Verkündungstermin am 27. Oktober 2015, 9.15 Uhr (Hauptverhandlungstermin am 1. Oktober 2015) in Sachen 3 StR 218/15 (Allgäuer Islamistin)

Datum: 27.10.2015

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen der Entziehung Minderjähriger (§ 235 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts konvertierte die Angeklagte im Jahre 2012 zum Islam und reiste zu Beginn des Jahres 2014 mit ihren beiden minderjährigen Töchtern nach Syrien, ohne deren Vater hierüber zu informieren. Dort wurde sie nach islamischem Recht die Zweitfrau eines Mitglieds der Jabhat al-Nusra, einer der Al Qaida zuzurechnenden Gruppierung. Die Angeklagte sympathisierte auch selbst mit dieser Vereinigung und ließ sich im Umgang mit Schusswaffen unterweisen. Sie war bereit, die der Familie zur Verfügung stehenden Waffen - eine Maschinenpistole, ein Sturmgewehr und Handgranaten - bei einem Angriff durch die syrische Armee oder Kämpfer gegnerischer Gruppierungen einzusetzen und dabei die Angreifer gegebenenfalls zu töten. Aufgrund der immer größer werdenden Gefahr kehrte sie mit ihren Töchtern im Mai 2014 nach Deutschland zurück.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die beanstandet, dass die Angeklagte nicht auch wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) verurteilt worden ist.

Vorinstanz:

LG München I - Urteil vom 25. Februar 2015 - 2 KLs 111 Js 139461/14

Verhandlungstermin am 21. Oktober 2015, 12.00 Uhr, in Sachen I ZR 51/12 (Anspruch gegen Bank auf Bekanntgabe des Kontoinhabers bei Markenfälschung?)

Datum: 21.10.2015

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat abschließend über die Frage zu entscheiden, ob ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.

Die Klägerin ist Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Internetplattform eBay ein Parfüm unter der Marke "Davidoff Hot Water" an, bei dem es sich um eine Produktfälschung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. Nach Darstellung der Klägerin konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG* auf Auskunft über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO** zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt (vgl. Pressemitteilung Nr. 173/2013). Im Streitfall stellt sich insbesondere die Frage, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums*** unterfallen und - wenn dies der Fall sein sollte - ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 16. Juli 2015 entschieden. Danach ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es einem Bankinstitut unbegrenzt und bedingungslos gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern. Die Prüfung, ob die nationale Rechtsvorschrift eine solche Weigerung bedingungslos gestattet, ist Sache des vorlegenden nationalen Gerichts. Dieses hat auch zu prüfen, ob das nationale Recht gegebenenfalls andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel enthält, die es den zuständigen Justizbehörden ermöglichen, im Einklang mit der Richtlinie 2004/48/EG die Erteilung der erforderlichen Auskünfte über die Identität der unter Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie fallenden Personen nach Maßgabe der spezifischen Merkmale des Einzelfalls anzuordnen.

Vorinstanzen:

LG Magdeburg - Urteil vom 28. September 2011 - 7 O 545/11, ZD 2012, 39
OLG Naumburg - Urteil vom 15. März 2012 - 9 U 208/11
BGH - Beschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZR 51/12
EuGH - Urteil vom 16. Juli 2015 - C-580/13

*§ 19 MarkenG lautet

(1) …
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Abs. 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
1. …
2. …
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte
4. …
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

**§ 383 ZPO lautet

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:
1. …
6. Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.

***Art. 8 der Richtlinie 2004/48 lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die

c) nachweislich für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte oder
….
(2) …
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen, die

e) den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen oder die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln.

Verhandlungstermin am 20. Oktober 2015 in Sachen XI ZR 166/14 (Entgelt für Ersatz-Bankkarte)

Datum: 20.10.2015

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist, wendet sich mit der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG gegen eine im Preis- und Leistungsverzeichnis der beklagten Bank enthaltene Klausel, wonach das Entgelt für eine "Ersatzkarte auf Wunsch des Kunden (Entgelt für Ausstellung der Karte)" 15 € beträgt. In der Bestimmung ist weiter geregelt, dass dieses Entgelt "nur zu entrichten [ist], wenn die Notwendigkeit der Ausstellung der Ersatzkarte ihre Ursache nicht im Verantwortungsbereich der Bank hat."

Der Kläger ist der Ansicht, die angegriffene Klausel verstoße gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Verbrauchern zu unterlassen.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die beanstandete Klausel unterliege schon nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB*, da es sich nicht um eine kontrollfähige Preisnebenabrede, sondern um die Bestimmung eines Entgelts für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung handele. Seine aus dem Bankkartenvertrag folgende Pflicht, dem Kunden durch Aushändigung einer Bankkarte die Möglichkeit zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen und die Nutzung von Geldautomaten zu eröffnen, habe das kartenausgebende Institut mit der Aushändigung der Erstkarte an den Kunden erfüllt. Die Ausstellung einer weiteren Karte stelle eine vertragliche Sonderleistung dar, die sich die Beklagte grundsätzlich gesondert vergüten lassen dürfe.

Mit der streitigen Klausel würden keine Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten der Beklagten auf den Kunden abgewälzt. Der in der Klausel enthaltene Begriff des „Verantwortungsbereichs“ sei ausreichend klar begrenzt. Die Ausstellung einer Ersatzkarte liege in den hierdurch beschriebenen Fällen auch nicht im eigenen Interesse der Beklagten. Sie diene vielmehr dem Interesse des Kunden, die mit der Karte einhergehenden Zahlungsmöglichkeiten auch künftig nutzen zu können.

Selbst wenn man im Übrigen die Preisklausel für kontrollfähig halte, wäre mit ihr keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB* verbunden. Die Ausstellung der Ersatzkarte erfolge im Interesse des Kunden und die Höhe des Entgelts sei nicht unangemessen. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 BGB** liege ebenfalls nicht vor, da es nicht um die Zahlung von Schadensersatz durch den Kunden, sondern um ein Entgelt für eine zusätzliche Dienstleistung der Bank gehe.

Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Landgericht Köln – Urteil vom 23. Januar 2013 – 26 O 306/12
Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 19. März 2014 – 13 U 46/13

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 309 Nr. 5 BGB

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;
6. (Vertragsstrafe)
eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird;

Verkündungstermin: 13. Oktober 2015 (Verhandlungstermin am 21. Juli 2015) in Sachen II ZR 23/14 (Abgelehnte Nominierung für Olympische Sommerspiele)

Datum: 13.10.2015

Der Kläger, der seit dem Jahr 1997 professioneller Leichtathlet in der Disziplin Dreisprung war, fordert von dem beklagten Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), einem eingetragenen Verein, Schadensersatz, weil dieser ihn nicht als Leichtathlet für die Olympischen Sommerspiele in Peking (15. bis 24. August 2008) nominiert hat.

Der beklagte Verein ist für die Endnominierung deutscher Sportler für Olympische Spiele ausschließlich zuständig. Die Nominierung erfolgt unter Einbeziehung der jeweiligen Spitzensportverbände, im Falle des Klägers unter Mitwirkung des Deutschen Leichtathletikverbands (DLV). Der Kläger hatte dazu mit dem DLV eine Athletenvereinbarung abgeschlossen, nach der der DLV dem Beklagten „den Athleten, soweit zutreffend, auf der Grundlage der DOSB-Nominierungsrichtlinien“ zur Nominierung für die Olympischen Spiele vorzuschlagen hatte. In den vom Beklagten im Jahre 2007 verabschiedeten „Grundsätze(n) zur Nominierung der Olympiamannschaft Peking 2008“ war als Voraussetzung für eine Nominierung u.a. eine in zeitlicher Nähe zu den Olympischen Spielen zu erbringende Leistungsbestätigung nach bestimmten sportartspezifischen Nominierungskriterien vorgesehen.

Die inhaltliche Ausarbeitung der sportartspezifischen Nominierungskriterien oblag dem Geschäftsbereich Leistungssport des Beklagten, den Spitzenverbänden und den Aktivensprechern der Verbände und Disziplinen. In den am 6. Dezember 2007 verabschiedeten „Nominierungsrichtlinien 2008“ des DLV wurden für den Dreisprung der Männer eine 1. und 2. Norm (auch sog. A- und B-Norm) mit der Maßgabe bestimmt, dass die Olympianorm auch dann erfüllt sei, wenn nicht die höhere Normanforderung, sondern die alternativ benannte Normanforderung erreicht werde. Für die A-Norm wurde eine Weite von 17,10 m festgelegt, für die alternativ zu erreichende B-Norm wurde festgelegt: “oder 2 x 17 m“.

Der Kläger erzielte innerhalb des regulären Nominierungszeitraums bei einem Springermeeting am 25. Juni 2008 im Vorkampf eine Weite von 17 m und im Endkampf eine Weite von 17,04 m. In nachfolgenden Wettbewerben erreichte er die Weite von 17 m nicht mehr oder nur bei unzulässigem Rückenwind. Da der DLV der Auffassung war, dass die Anforderung für die B-Norm von 2 x 17 m in zwei verschiedenen Wettkämpfen erreicht werden müsse, schlug er den Kläger dem Beklagten nicht zur Nominierung für die Olympischen Spiele in Peking vor.

Der Kläger erwirkte daraufhin am 19. Juli 2008 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Deutschen Sportschiedsgericht einen Schiedsspruch, durch den der DLV verpflichtet wurde, dem Beklagten den Kläger zur Nominierung vorzuschlagen. Der Beklagte lehnte indes eine Nominierung des Klägers am 21. Juli 2008 ab. Mit dem Versuch, den Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Nominierung zu verpflichten, scheiterte der Kläger einen Tag vor dem Ende der Nominierungsfrist am 23. Juli 2008 vor dem Landgericht Frankfurt; die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juli 2008 - 4 W 58/08, NJW 2008, 2925). Im schiedsgerichtlichen Hauptsacheverfahren wurde am 17. Dezember 2009 durch Endschiedsspruch festgestellt, dass der DLV verpflichtet gewesen sei, den Kläger gegenüber dem Beklagten zur Nominierung für die Olympischen Sommerspiele 2008 vorzuschlagen.

Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht die auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 133.500 € gerichtete Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs lägen nicht vor. Der Beklagte habe keine Pflicht aus einer durch die Nominierungsrichtlinien begründeten vertragsähnlichen Sonderverbindung mit dem Kläger verletzt, indem er ihn nicht zu den Olympischen Spielen 2008 nominiert habe. Der Kläger habe die in den Nominierungsrichtlinien festgelegten Leistungen nicht erbracht. Das Verständnis des Beklagten, dass die beiden Weiten der B-Norm in zwei verschiedenen Wettkampfveranstaltungen zu erfüllen gewesen seien, habe in den Nominierungsrichtlinien eine Grundlage, sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt und auch unter Berücksichtigung des dem Beklagten als Monopolverband gleichwohl verbleibenden engen Beurteilungsspielraums nicht unbillig.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.

LG Frankfurt – Urteil vom 15. Dezember 2011 – 2-13 O 302/10
(CaS 2012, 67)
OLG Frankfurt – Urteil vom 20. Dezember 2013 – 8 U 25/12
(SpuRt 2014, 74 = CaS 2014, 48)

Verhandlungstermin am 8. Oktober 2015 in Sachen I ZR 225/13 (Werbung für Eizellspende)

Datum: 08.10.2015

Der Kläger ist ein in Deutschland niedergelassener Facharzt für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Der Beklagte ist Facharzt für Gynäkologie und Frauenheilkunde und am Institut für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie in der Tschechischen Republik tätig. Auf einer Informationsveranstaltung in Hamburg im März 2008 stellte er die Möglichkeiten der Kinderwunschbehandlung und Reproduktionsmedizin, unter anderem der Eizellspende, vor und führte aus, man erziele an dem tschechischen Institut eine doppelt so hohe Schwangerschaftsrate wie in Deutschland. Dabei erwähnte er, dass die Eizellspende in Deutschland, anders als in der Tschechischen Republik, verboten sei.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe außerdem darauf hingewiesen, dass in Deutschland niedergelassene Ärzte die für Eizellübertragungen erforderlichen Vorbehandlungen von Eizellspenderinnen und -empfängerinnen vornähmen. Er vertritt die Ansicht, der Beklagte habe dadurch wissentlich dazu beigetragen, dass sich deutsche Ärzte an Verstößen gegen das in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des deutschen Embryonenschutzgesetzes (ESchG)* normierte Verbot der Eizellspende beteiligten. Der Kläger hat von dem Beklagten deshalb die Unterlassung der Werbung für eine Eizellspende am Institut für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie in der Tschechischen Republik unter gleichzeitigem Hinweis auf die dafür erforderliche Vorbehandlung durch in Deutschland niedergelassene Ärzte begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es hat als bewiesen angesehen, dass der Beklagte auf der Informationsveranstaltung geäußert habe, es gebe in Deutschland Ärzte, die Frauen für eine Eizellspende vorbehandelten. Dadurch habe der Beklagte die naheliegende Gefahr geschaffen, dass Besucherinnen der Informationsveranstaltung einen Arzt in Deutschland für eine vorbereitende Behandlung aufsuchten und sich danach an dem tschechischen Institut einer Behandlung zur Eizellübertragung unterzögen. Es habe daher eine Beteiligung des Beklagten daran gedroht, dass die die Vorbehandlung durchführenden Ärzte Beihilfe zu einer nach deutschem Recht strafbaren Eizellspende leisteten.

Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 9. August 2011 - 15 O 474/10
KG - Urteil vom 8. November 2013 - 5 U 143/11, MedR 2014, 498

*§ 1 ESchG lautet:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt,
2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt,

Verhandlungstermin am 6. Oktober 2015 in Sachen KZR 17/14 (Grosso-Konditionen)

Datum: 06.10.2015

Gegenstand des Rechtstreits ist die Frage, ob das zentrale Mandat der Vereinigung der Presse-Grossisten zur Aushandlung der Grosso-Konditionen gegenüber den Verlagen mit Art. 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV)* vereinbar ist.

Die Klägerin ist die Vertriebsgesellschaft der Bauer Media Group, die zu den fünf größten deutschen Verlagshäusern gehört. Der Beklagte ist ein Branchenverband, dem alle verlagsunabhängigen Presse-Grossisten angehören. In Deutschland werden nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften, die über den stationären Einzel-handel mit Ausnahme der Bahnhofsbuchhandlungen verkauft werden, auf Groß-handelsebene von verlagsunabhängigen Grossisten oder Grossisten mit unter-schiedlicher Verlagsbeteiligung vertrieben. Grundsätzlich versorgt jeweils nur ein Grossist ein bestimmtes Gebiet mit den Publikationen sämtlicher Verlage. Lediglich in vier Gebieten besteht ein sog. Doppelgrosso. Die Grossisten kaufen die Zeitungen und Zeitschriften von den Verlagen, deren Vertriebsgesellschaften oder Nationalvertrieben und verkaufen sie zu gebundenen Preisen an die Einzelhändler in ihrem Gebiet weiter. Die Vergütung der Grossisten richtet sich nach den Handelsspannen, die zwischen ihnen und den Verlagen jeweils für mehrere Jahre vereinbart werden. Für die verlagsunabhängigen Grossisten werden diese Verhandlungen zentral vom Beklagten geführt. Das Verhandlungsergebnis wurde bislang von allen Verlagen übernommen, so dass zwischen den Verlagen und den Mitgliedern des Beklagten einheitliche Preise und Konditionen galten. Die Klägerin versuchte im Jahr 2009, die Vertragskonditionen individuell mit den einzelnen Grossisten zu verhandeln, wozu diese jedoch nicht bereit waren. Die Klägerin hat den Beklagten daraufhin auf Unterlassung in Anspruch genommen, für Presse-Grossisten in Deutschland einheitliche Grosso-Konditionen mit den Verlagen zu verhandeln und/oder zu vereinbaren und/oder Presse-Grossisten aufzufordern, individuelle Verhandlungen mit der Klägerin über Grosso-Konditionen zu verweigern.

Das Landgericht Köln hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, das zentrale Verhandlungsmandat des Beklagten verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV*. Trotz der Gebietsmonopole bestehe potentieller Wettbewerb zwischen den Presse-Grossisten. Das zentrale Verhandlungsmandat bezwecke eine horizontale Wettbewerbsbeschränkung, da es einen Rabatt- und Konditionenwettbe-werb zwischen den Presse-Grossisten verhindere. Ungeachtet der in § 30 Abs. 2a GWB** getroffenen Sonderregelung für den Pressevertrieb sei die Anwendung von Art. 101 AEUV* nicht ausgeschlossen, da die Presse-Grossisten mit keiner Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV*** betraut seien. Darüber hinaus sei das zentrale Verhandlungsmandat für einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb der Zeitungen und Zeitschriften durch den Großhandel jedenfalls nicht erforderlich.

OLG Düsseldorf - Urteil vom 26. Februar 2014 – VI-U (Kart) 7/12
LG Köln - Urteil vom 14. Februar 2012 – 88 O (Kart) 17/11
* Art. 101 AEUV Kartellverbot

(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere
(a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;
(b) …
(…)

** § 30 GWB Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften

(…)
(2a) § 1 gilt nicht für Branchenvereinbarungen zwischen Vereinigungen von Unternehmen, die nach Absatz 1 Preise für Zeitungen oder Zeitschriften binden (Presseverlage), einerseits und Vereinigungen von deren Abnehmern, die im Preis gebundene Zeitungen und Zeitschriften mit Remissionsrecht beziehen und mit Remissionsrecht an Letztveräußerer verkaufen (Presse-Grossisten), andererseits für die von diesen Vereinigungen jeweils vertretenen Unternehmen, soweit in diesen Branchenvereinbarungen der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten durch die Presse-Grossisten, insbesondere dessen Voraussetzungen und dessen Vergütungen sowie die dadurch abgegoltenen Leistungen geregelt sind. Insoweit sind die in Satz 1 genannten Vereinigungen und die von ihnen jeweils vertretenen Presseverlage und Presse-Grossisten zur Sicherstellung eines flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertriebs von Zeitungen und Zeitschriften im stationären Einzelhandel im Sinne von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut. …
(…)

*** Art. 106 AEUV Öffentliche Unternehmen; Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
(…)
(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.
(…)

Verkündungstermin am 25. September 2015 (Verhandlung am 24. Juli 2015) in Sachen V ZR 244/14 (Darlehensaufnahme durch Wohnungseigentümergemeinschaft)

Datum: 25.09.2015

Die Parteien sind Mitglieder einer aus 201 Einheiten bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage wurde in den 1980er-Jahren errichtet. In der Eigentümerversammlung vom 14. August 2014 beschlossen die Wohnungseigentümer die Durchführung einer Fassadensanierung mit förderfähiger Wärmedämmung. Um die Kosten, die mit ca. 2.000.000 € veranschlagt wurden, zu finanzieren, beschlossen sie zudem die Aufnahme eines KfW-Förderkredits, dessen Zinssatz sich zum damaligen Zeitpunkt auf 0% belief, in Höhe von ca. 1.320.000 € mit einer Laufzeit von 10 Jahren sowie die Finanzierung des restlichen Betrages von ca. 900.000 € durch Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage.

Das Amtsgericht hat die gegen den Beschluss über die Darlehensaufnahme gerichtete Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen. Auf deren Berufung hat das Landgericht den Beschluss für ungültig erklärt. Dagegen richtet sich die Revision einer Wohnungseigentümerin, die die Abweisung der Klage erreichen will.

Der u.a. für Wohnungseigentumssachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird voraussichtlich die Frage zu klären haben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Aufnahme eines Darlehens durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

Vorinstanzen:
AG Pforzheim 12 C 82/13 (Urteil vom 23. Dezember 2013)
LG Karlsruhe 11 S 8/14 (Urteil vom 7. Oktober 2014)

Verhandlungstermin am 23. September 2015 in Sachen XII ZR 99/14 (Vertraglicher Kindesunterhalt des nicht mit der Kindesmutter verheirateten Mannes, der gemeinsam mit ihr in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende eingewilligt, die Vaterschaft später aber nicht anerkannt hat)

Datum: 23.09.2015

Der Bundesgerichtshof hat sich erstmals nach der 2002 geänderten Gesetzeslage mit der Unterhaltspflicht eines gemeinsam mit der Mutter in die heterologe Insemination einwilligenden Mannes für das daraus hervorgegangene Kind zu befassen.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Unterhalt geltend und stützt den Anspruch auf eine zwischen ihrer Mutter und dem Beklagten im Rahmen einer heterologen Insemination geschlossenen Vereinbarung. Die Mutter der Klägerin und der Beklagte unterhielten seit 2000 bis mindestens September 2007 eine intime Beziehung, ohne in einem gemeinsamen Haushalt zusammenzuleben. Da die Mutter sich ein Kind wünschte und der Beklagte zeugungsunfähig war, führte der Hausarzt der Mutter am 23. Juli 2007 mit Zustimmung des Beklagten, der auch das Fremdsperma besorgt hatte, eine heterologe Insemination durch, die jedoch nicht zur Schwangerschaft führte. Der Beklagte hatte am selben Tag auf einem seitens des Hausarztes vorgelegten „Notfall-/Vertretungsschein“ handschriftlich vermerkt: „Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!“. Die Klägerin hat vorgetragen, im Dezember 2007 und Januar 2008 habe es weitere einvernehmliche Versuche gegeben, von denen der letzte zum Erfolg geführt habe. Der Beklagte hat seine Beteiligung an den weiteren Versuchen bestritten. Die Klägerin wurde am 18. Oktober 2008 geboren. Der Beklagte zahlte für sie die Erstlingsausstattung sowie für die Zeit von Oktober bis Dezember 2008 Unterhalt. Eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft des Beklagten blieb ohne Erfolg, weil dieser nicht der leibliche Vater der Klägerin ist.

Die Klägerin macht für die Zeit ab März 2009 vertraglichen Unterhalt in einer am gesetzlichen Kindesunterhalt orientierten Höhe geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Der Klägerin stehe ein Unterhaltsanspruch aufgrund eines berechtigenden Vertrags zugunsten Dritter zu (§ 328 Abs. 1 BGB*). Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin im Januar 2008 mit Zustimmung des Beklagten und mittels von ihm beschafften Fremdspermas durch heterologe Insemination gezeugt worden sei. Bei der mit Einwilligung des Mannes vorgenommenen heterologen Insemination handele es sich aus dessen Sicht um die „Übernahme der Elternschaft kraft Willensakts“. Er gebe zu erkennen, dass er wie ein ehelicher Vater für das Kind sorgen wolle. Dies gelte auch für einen nicht verheirateten Mann, der eine Einwilligung zur heterologen Insemination erteile, aber die Vaterschaft später nicht anerkenne. Die vom Gesetzgeber mit § 1600 Abs. 5 BGB** aufgewertete Einwilligung in eine künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten habe den Sinn, die Unterhaltspflicht von der biologischen wie rechtlichen Abstammung abzukoppeln.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart – Urteil vom 24. Januar 2014 – 2 O 86/13

OLG Stuttgart – Urteil vom 4. September 2014 – 13 U 30/14

* § 328 BGB Vertrag zugunsten Dritter
(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern.
(2) …

** § 1600 BGB Anfechtungsberechtigte

(5) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Verkündungstermin am 23. September 2015 (Verhandlungstermin: 25. Juni 2015) in Sachen I ZR 105/14 (Goldbär)

Datum: 23.09.2015

LG Köln - Urteil vom 18. Dezember 2012 - 33 O 803/11
GRUR-RR 2013, 102 = WRP 2013, 247
OLG Köln - Urteil vom 11. April 2014 - 6 U 230/12
MarkenR 2014, 215

Die Parteien sind bekannte Hersteller von Süßwaren. Die Klägerin vertreibt Fruchtgummiprodukte, darunter sogenannte “Gummibärchen“ in goldfarbenen Verpackungen unter der Bezeichnung “GOLDBÄREN“. Sie ist Inhaberin unter anderem der eingetragenen Wortmarken “GOLDBÄREN“, “Goldbär“, und “Gold-Teddy“ sowie der abstrakten Farbmarke “Gold“. Die Beklagte vertreibt Schokoladenprodukte, darunter eine in Goldfolie eingewickelte Schokoladenfigur in Bärenform, die sie selbst als “Lindt Teddy“ bezeichnet.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Begründung, die Ausgestaltung des “Lindt Teddys“ stelle die bildliche Darstellung des Wortes “GOLDBÄR“ dar und verletzte deshalb ihre Markenrechte sowie wettbewerbsrechtliche Vorschriften in Bezug auf ihre “Goldbärenfigur“ sowie die “Goldbärenproduktform“. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Vernichtung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat sich gegen die Klage unter anderem damit verteidigt, die angegriffene Schokoladenfigur stelle eine Fortentwicklung ihrer eigenen Produktlinie, zu der auch der “Lindt Goldhase“ gehöre, dar. Zudem handele es sich bei der Teddybärenfigur um eine im Süßwarenbereich häufig verwendete Form.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, weil die angegriffenen Produktausstattungen die Unterscheidungskraft der bekannten Klagemarke “GOLDBÄREN“ ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise beeinträchtige. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Bezeichnung “GOLDBÄR“ stelle für den Verbraucher keine naheliegende Bezeichnung für das angegriffene Produkt dar. Allein die Form und Farbe der Ausstattungen des Produkts der Beklagten rufe beim Publikum keine ungezwungene gedankliche Verknüpfung zu der bekannten Marke “GOLDBÄREN“ hervor. Der Verkehr werde durch die auf den Produktausstattungen enthaltenen Wortbestandteile “Lindt“ beziehungsweise “Lindt-Teddy“ und die Einfügung in die Produktreihe mit dem “Goldhasen“ vielmehr zwanglos auf das Unternehmen der Beklagten hingewiesen. Dies gelte auch für die weiteren von der Beklagten hilfsweise geltend gemachten Marken. Mangels hinreichender Ähnlichkeit und Verwechslungsgefahr kämen auch auf den Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes gestützte Ansprüche nicht in Betracht.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Verhandlungstermin am 23. September 2015 in Sachen VIII ZR 284/14 (Schadensersatz wegen einer vorzeitig abgebrochenen eBay-Auktion)

Datum: 23.09.2015

In diesem Verfahren begehrt der Kläger als Bieter Schadensersatz wegen einer vorzeitig abgebrochenen eBay-Auktion. Dabei stellt sich die Frage, ob der Verkäufer die von ihm vorgenommene vorzeitige Beendigung der Auktion unter Streichung aller Gebote nachträglich darauf stützen durfte, dass der Bieter in der Vergangenheit eine erhebliche Anzahl von Geboten zurückgezogen hat.

Der Sachverhalt:

Der Beklagte bot auf der Internetplattform eBay einen Jugendstil-Gussheizkörper zum Startpreis von 1 € an. In den zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay heißt es auszugsweise:

"§ 9 Nr. 11: Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen.[…]“

„§ 10 Nr. 7:Bieter dürfen ein Gebot nur dann zurücknehmen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen. […]“

Der Beklagte beendete drei Tage nach Beginn der Auktion diese unter Streichung aller Angebote vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von - wie er vorgetragen hat - 112 € der Höchstbietende. Der Beklagte verweigerte die Übergabe des Heizkörpers an den Kläger und begründete dies ihm gegenüber mit der - bestrittenen - Behauptung, er habe die Auktion deswegen abbrechen müssen, weil der Heizkörper nach Auktionsbeginn zerstört worden sei. Später hat er geltend gemacht, er habe inzwischen erfahren, dass der Kläger zusammen mit seinem Bruder in letzter Zeit zahlreiche auf eBay abgegebene Kaufgebote zurückgenommen habe. In Anbetracht dieses Verhaltens sei er zur Streichung des Gebots des Klägers berechtigt gewesen.

Der Kläger behauptet, er hätte den Heizköper zum Verkehrswert von 4.000 € verkaufen können und verlangt mit seiner Klage diesen Betrag abzüglich der von ihm gebotenen 112 € (3.888 €).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Das Landgericht hat die Zurückweisung der Berufung damit begründet, es sei kein Kaufvertrag zustande gekommen, denn der Beklagte sei berechtigt gewesen, das Gebot des Klägers zu streichen. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Heizkörper nach Beginn der Auktion zerstört worden sei. Für die Streichung eines Gebots durch den Verkäufer genügten auch objektive Anhaltspunkte, die durchgreifende Zweifel an der Verbindlichkeit und Ernsthaftigkeit eines Gebots weckten. Dies ergebe sich aus den Geschäftsbedingungen von eBay, da diese das Vertrauen in die Plattform sichern und einen Missbrauch durch Käufer oder Verkäufer verhindern sollten. Solche Zweifel lägen hier vor, denn der Kläger habe gemeinsam mit seinem Bruder in den letzten sechs Monaten vor der Auktion insgesamt 370 auf eBay abgegebene Kaufgebote zurückgenommen. Gebote dürften nach den eBay-Grundsätzen aber nur ausnahmsweise zurückgenommen werden, etwa wenn die Eingabe des Betrages auf einem Tipp- oder Schreibfehler beruhe oder sich die Beschreibung des Artikels nach der Abgabe des Gebots ändere.

Bei lebensnaher Betrachtung sei auszuschließen, dass solche Gründe bei allen 370 Gebotsrücknahmen vorgelegen hätten. Unerheblich sei, dass der Beklagte den Abbruch der Auktion ursprünglich auf einen anderen Grund (die Zerstörung der Ware) gestützt habe. Denn den eBay-Regeln könne nicht entnommen werden, dass objektiv zur Streichung der Angebote berechtigende Gründe dem Verkäufer mitgeteilt werden oder nach den subjektiven Vorstellungen der Verkäufers Grund für die Streichung gewesen seien müssten.

Mit seiner von Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

LG Neuruppin, Urteil vom 24. September 2014 (4 S 59/14)
Amtsgericht Perleberg, Urteil vom 21. November 2013 (11 C 413/14)

Verkündungstermin am 23. September 2015 (Verhandlungstermin: 25. Juni 2015) in Sachen I ZR 78/14 (Farbmarke"Rot")

Datum: 23.09.2015

LG Hamburg - Urteil vom 24. Februar 2011 - 315 O 263/10
OLG Hamburg - Urteil vom 6. März 2014 - 5 U 82/11

Der Kläger ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe, zu der insbesondere die Sparkassen gehören, die in erster Linie Bankdienstleistungen für Privatkunden erbringen. Die Sparkassen setzen seit langer Zeit die Farbe Rot im Rahmen ihres Marktauftrittes ein und verwenden diese - auch für das Logo der Sparkassen - als Unternehmensfarbe. Für den Kläger ist eine abstrakte Farbmarke "Rot" (HKS 13) als verkehrsdurchgesetztes Zeichen unter anderem für "Finanzwesen, nämlich Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden)" eingetragen.

Die Beklagten sind Unternehmen einer bedeutenden auch in der Bundesrepublik Deutschland mit eigenen Filialen tätigen spanischen Bankengruppe, die ebenfalls Dienstleistungen im Bereich des Retail-Banking erbringen und für ihren internationalen Marktauftritt die Farbe Rot verwenden. Sie haben beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf Löschung der zugunsten des Klägers eingetragenen Farbmarke gestellt, den das Deutsche Patent- und Markenamt zurückgewiesen hat. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Bundespatengericht das Verfahren zunächst ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Hierüber hat der Gerichtshof mit Urteil vom 19. Juni 2014 entschieden (GRUR 2014, 776 = WRP 2014, 940).

Der Kläger nimmt die Beklagten gestützt auf eine Verletzung von Kennzeichenrechten an der Farbe "Rot (HKS 13)" und wegen unlauteren Wettbewerbs unter anderem auf Unterlassung der Benutzung der Farbe Rot im Zusammenhang mit Dienstleistungen eines Geldinstitutes im Bereich des Retail-Banking in der Bundesrepublik Deutschland und auf Erteilung von Auskünften und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 überwiegend antragsgemäß verurteilt. Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, im Verhältnis zu der Beklagten zu 2 fehle es an der für die geltend gemachten Ansprüche erforderlichen Begehungsgefahr, da die Beklagte zu 2 die Farbe Rot im Zusammenhang mit Dienstleistungen eines Geldinstitutes im Bereich des Retail-Banking in der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht benutzt habe und dies auch nicht ernsthaft zu befürchten sei. Soweit die Beklagte zu 2 die Farbe Rot tatsächlich in hervorgehobener Weise verwendet habe, sei hierin keine kennzeichenrechtsverletzende Benutzung zu sehen. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche seien nicht gegeben.

Das Verfahren über die Berufung der Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über den Antrag auf Löschung der zugunsten des Klägers eingetragenen Farbmarke ausgesetzt.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche im Verhältnis zu der Beklagten zu 2 weiter.

Verhandlungstermin am 17. September 2015 in Sachen I ZR 228/14 (Weiterleitung des Kabelsignals durch Wohnungseigentümergemeinschaft an die Wohneinheiten)

Datum: 17.09.2015

Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aufgrund von Berechtigungsverträgen eingeräumten urheber-rechtlichen Nutzungsrechte an Musikwerken wahr. Im Bereich der Kabelweitersen-dung übernimmt sie außerdem das Inkasso für Ansprüche anderer Verwertungsge-sellschaften, die auf vergütungspflichtigen Kabelweitersendungshandlungen beru¬hen.

Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft eines Gebäudes mit 343 Wohneinheiten in München. Sie betreibt in dem Gebäude ein Kabelnetz, mit dem das von einer Gemeinschaftsantenne abgeleitete Fernseh- und Rundfunksignal in die einzelnen Wohnungen der Eigentümergemeinschaft zum Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogrammen weitergeleitet wird.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Weiterübertragung des Sendesignals in die Woh-nungen über das von der Beklagten unterhaltene Kabelnetz stelle eine urheberrecht-lich relevante öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken dar. Sie hat die Beklagte wegen der Verletzung des Rechts von Urhebern und Leistungs-schutzberechtigten zur öffentlichen Wiedergabe in der Zeit von Januar 2007 bis De-zember 2013 zuletzt auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.548,73 € und auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Beklagte habe das Recht der Urheber und Leistungsschutzberechtigten zur öffentlichen Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken durch die Versorgung der Wohneinheiten mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen nicht verletzt. Bei der Übertragung der Sendesignale handele es sich nicht um eine urheberrechtlich relevante Weiterleitung an eine Öffentlichkeit, sondern um einen durch die angebrachte Gemeinschaftsantenne verbesserten privaten Empfang der Originalsendungen.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zu-letzt gestellten Zahlungsanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 20. Februar 2013 - 21 O 16054/12, NZM 2013, 864
OLG München - Urteil vom 11. September 2014 - 6 U 2619/13, GRUR 2015, 371

Zusatzinformationen

Kontakt



Bundesgerichtshof
– Pressestelle –
Angela Haasters
Telefon: +49 721 159-5013
Sylvia Reichmuth
Telefon: +49 721 159-5521
76125 Karlsruhe
Fax: +49 721 159-5501
E-Mail: pressestelle@bgh.bund.de