Verhandlungstermin am 3. Juni 2025, 9.00 Uhr, Sitzungssaal E 101 - XI ZR 45/24 (Musterfeststellungsklage zur Rückzahlung von Kontoführungsentgelten)
Ausgabejahr 2025
Erscheinungsdatum 08.05.2025
Nr. 092/2025
Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird im Rahmen einer Musterfeststel-lungsklage über die Voraussetzungen und die Verjährung von Verbraucher-ansprüchen auf Rückzahlung von Kontoführungsentgelten zu entscheiden haben.
Sachverhalt:
Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Sparkasse hieß es unter Nr. 17 Abs. 6 u.a. wie folgt:
"Änderungen von Entgelten für Hauptleistungen, die vom Kunden im Rahmen der Geschäftsbeziehung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden (z.B. Depotführung), oder Änderungen von Entgelten im Rahmen von Zahlungsdiensterahmenverträgen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. […] Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. […]." (sog. Zustimmungsfiktionsklausel).
Die Musterbeklagte stellte zum 1. Dezember 2016 bei ihren Bestandskunden die Entgeltstruktur für die als Kontokorrentkonto geführten Girokonten um. Hierüber informierte sie ihre Kunden im September 2016 unter Übersendung eines Auszugs aus dem neuen Preis- und Leistungsverzeichnis. Zwei Tage nach Verkündung des Senatsurteils vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344) zur Unwirksamkeit der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank enthaltenen Zustimmungsfiktionsklausel strich die Musterbeklagte die Zustimmungsfiktionsklausel aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und stellte deren Verwendung im Neukundengeschäft ein. Sie lehnt die Erstattung von Entgelten, die sie unter Verwendung der unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinnahmt hat, mit der Begründung ab, die Verbraucher hätten die Entgelte über mindestens drei Jahre unbeanstandet gezahlt.
Prozessverlauf:
Der Musterkläger begehrt im Rahmen seiner Musterfeststellungsklage u.a. die Feststellungen,
dass die Zustimmungsfiktionsklausel der Musterbeklagten im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam ist (Feststellungsziel 1),
dass die Musterbeklagte von Verbrauchern alle Entgelte bzw. Gebühren im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung eines Girokontos ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit diesen Entgelten keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zugrunde liegt, hilfsweise dass die Musterbeklagte von Verbrauchern alle Entgelte im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung eines Girokontos ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit der Erhebung dieser Entgelte eine Zustimmungsfiktion gemäß der Zustimmungsfiktionsklausel zugrunde liegt (Feststellungsziel 3a),
dass die Musterbeklagte von Verbrauchern durch deren vorbehaltlose Hinnahme von Rechnungsabschlüssen ein Saldoanerkenntnis ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit diese Rechnungsabschlüsse Belastungen der Verbraucher mit Entgelten enthalten, für die kein Rechtsgrund besteht (Feststellungsziel 4),
dass sich die Musterbeklagte gegenüber Verbrauchern nicht deswegen auf eine konkludente Annahme bzw. Zustimmung zu den von der Musterbeklagten angebotenen Entgelten berufen kann, weil die Verbraucher ihre Konten im vertragsgemäßen Umfang weitergenutzt haben (Feststellungsziel 5),
dass keine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen kann, wonach Verbraucher das Fehlen eines rechtlichen Grundes für die Erhebung von Entgelten nicht geltend machen können, weil sie diese Entgelte nach Zugang der Abrechnungen nicht beanstandet haben (Feststellungsziel 6), und
dass eine Verjährung der Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem Verbraucher Kenntnis von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten haben können, hilfsweise dass die kenntnisabhängige Verjährungsfrist frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 zu laufen beginnt (Feststellungsziel 7).
Die Musterbeklage begehrt im Rahmen einer Widerklage hilfsweise für den Fall, dass einzelne Feststellungsziele zulässig oder begründet sind, u.a. die Feststellungen,
dass der Wert der Leistungen, die die Musterbeklagte gegenüber Verbrauchern ab dem 1. Dezember 2016 erbracht hat, der Höhe nach jeweils dem Entgelt entspricht, das die Musterbeklagte im Neukundengeschäft bei Giroverträgen ab dem 19. September 2016 für diese Leistungen vereinbart hat, und
dass das Vermögen der Musterbeklagten nach Anrechnung des Werts der von ihr erbrachten Leistungen, nicht vermehrt ist.
Das Kammergericht hat der Musterfeststellungsklage hinsichtlich der Feststellungsziele 1, 4, 5 und 6 sowie hinsichtlich des Hilfsantrags zum Feststellungsziel 3a stattgegeben. Im Übrigen hat es die Musterfeststellungsklage abgewiesen. Die Hilfswiderklage der Musterbeklagten hat es insgesamt abgewiesen.
Der Musterkläger verfolgt mit der Revision seine Feststellungsziele weiter, soweit das Kammergericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision die vollständige Abweisung der Musterfeststellungsklage und ihre Feststellungsbegehren im Rahmen der Hilfswiderklage weiter.
Vorinstanz:
Kammergericht Berlin - Urteil vom 27. März 2024 in der Fassung des Beschlusses vom 3. Juli 2024 - 26 MK 1/21
Karlsruhe, den 8. Mai 2025
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501