Verhandlungstermin am 2. Juli 2025 um 9:00 Uhr in der Sache IV ZR 93/24 (Zur Wirksamkeit einer Zuwendung von Todes wegen zugunsten des Hausarztes des Erblassers)
Ausgabejahr 2025
Erscheinungsdatum 04.06.2025
Nr. 103/2025
Der unter anderem für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob eine Zuwendung von Todes wegen zu Gunsten des den Erblasser behandelnden Hausarztes wegen Verstoßes gegen ein berufsständisches Zuwendungsverbot unwirksam ist.
Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hausarztes, der den Erblasser seit 2015 behandelt hatte. Im Januar 2016 schloss der Erblasser mit dem Hausarzt sowie der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar eine als "Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag" bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichtete sich der Hausarzt gegenüber dem Erblasser zu verschiedenen ärztlichen Leistungen, unter anderem zu medizinischer Beratung und Behandlung, zu Hausbesuchen und telefonischer Erreichbarkeit sowie zu Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich. Als Gegenleistung sollte der Arzt im Falle des Todes des Erblassers das Eigentum an einem dem Erblasser gehörenden Grundstück erhalten.
Im März 2016 verfügte der Erblasser in einem notariellen Testament, dass ihn die Beklagte hinsichtlich seines im Vertrag vom Januar 2016 nicht erfassten Vermögens allein beerben solle.
Im Januar 2018 verstarb der Erblasser. Die Beklagte nahm seinen Nachlass in Besitz. Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Hausarztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Übertragung des dem Arzt in der Vereinbarung vom Januar 2016 zugewandten Grundstücks an die Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt.
Das Berufungsgericht hat die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt als Vermächtnis ausgelegt. Aus diesem könne der Kläger aber zugunsten der Insolvenzmasse keinen Anspruch aus § 2174 BGB herleiten, denn es sei gemäß den §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam. Dem Hausarzt sei ein standesrechtlicher Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der örtlich zuständigen Ärztekammer Westfalen-Lippe vorzuwerfen. Mit dem ihm zugewandten Grundstück habe er sich von einem Patienten einen anderen Vorteil im Sinne dieser Regelung versprechen lassen. § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung diene dem auf die Ärzteschaft allgemein bezogenen und hier betroffenen abstrakten Vertrauen in die Freiheit und Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen und damit dem Ansehen und der Integrität der Ärzteschaft. Die Unwirksamkeit der Vermächtnisanordnung schränke auch die verfassungsrechtlich geschützte Testierfreiheit des Erblassers nicht ungerechtfertigt ein.
Mit seiner vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Vorinstanzen:
LG Bielefeld - Urteil vom 18. Januar 2024 - 19 O 124/22
OLG Hamm - Beschluss vom 26. Juni 2024 - I-10 U 14/24
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 134 BGB Gesetzliches Verbot
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
§ 2171 BGB Unmöglichkeit, gesetzliches Verbot
(1) Ein Vermächtnis, das auf eine zur Zeit des Erbfalls für jedermann unmögliche Leistung gerichtet ist oder gegen ein zu dieser Zeit bestehendes gesetzliches Verbot verstößt, ist unwirksam.
§ 2174 BGB Vermächtnisanspruch
Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern.
§ 32 Abs. 1 Satz 1 Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe
Unerlaubte Zuwendung
Es ist nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.
Karlsruhe, den 4. Juni 2025
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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Telefax (0721) 159-5501