Verhandlungstermin am 6. November 2025 um 10:00 Uhr in Sachen I ZR 97/25 (Speicherungsfrist für Wirtschaftsauskunfteien)
Ausgabejahr 2025
Erscheinungsdatum 19.09.2025
Nr. 172/2025
Der unter anderem für Ansprüche aus der EU-Datenschutz-Grundverordnung zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wie lange eine Speicherung von Informationen über Zahlungsstörungen durch eine Wirtschaftsauskunftei nach Ausgleich der Forderungen zulässig ist.
Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsauskunftei. Sie bewertet die Gefahr eines Zahlungsausfalls der von ihr erfassten natürlichen Personen mit einem Score-Wert und gewährt der kreditgebenden Wirtschaft gegen Entgelt Einsicht in ihre Datenbanken. Unter anderem speichert die Beklagte auch Daten zu erledigten Forderungen ihrer Einmelder automatisiert ab.
Die Beklagte speicherte drei gegen den Kläger gerichtete Forderungen für die Dauer von mehreren Jahren nach dem Ausgleich dieser Forderungen. Auf dieser Grundlage ermittelte die Beklagte für den Kläger einen Score-Wert, der die Gefahr eines Zahlungsausfalls als "sehr kritisch" einstufte.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe mit dieser Datenspeicherung gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen. Hinsichtlich eines Löschungsansprüche haben die Parteien den Rechtsstreit nach der zwischenzeitlich erfolgten Datenlöschung durch die Beklagte für erledigt erklärt. Der Kläger nimmt die Beklagte weiterhin auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes sowie auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 1.040,50 € nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Beklagte habe gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen, indem sie Einträge über Zahlungsstörungen des Klägers auch nach dem Ausgleich der Forderungen weiterhin gespeichert und für ihre Kunden zum Abruf bereitgehalten habe. Nach der Erfüllung der Forderungen sei die fortdauernde Speicherung rechtswidrig gewesen, weil die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO genannten Bedingungen nicht länger erfüllt gewesen seien. Durch die vollständige Befriedigung des Gläubigers werde das Informationsinteresse des Geschäftsverkehrs beseitigt. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung müsse diese in § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO zum amtlichen Schuldnerverzeichnis zum Ausdruck kommende Wertung hier übertragen werden. Wirtschaftsauskunfteien verfolgten mit ihren Datenbanken keine anderen Zwecke als das amtliche Schuldnerverzeichnis. Auch dieses solle nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur die Vollstreckung von Forderungen ermöglichen, sondern habe weitergehend die Funktion eines Auskunftsregisters über die Kreditwürdigkeit einer Person. Dem Kläger stehe daher nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Der immaterielle Schaden sei mit 500 € zu bemessen. Als weiterer materieller Schaden seien die dem Kläger durch sein Anwaltsschreiben entstandenen Kosten in einer Höhe von 540,50 € ersatzfähig.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Vorinstanzen:
LG Bonn - Urteil vom 21. Juni 2024 - 20 O 10/24
OLG Köln - Urteil vom 10. April 2025 - 15 U 249/24
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
(...)
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, (...)
Art. 82 Abs. 1 DSGVO
(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.
§ 882e Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ZPO
(1) Eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis wird nach Ablauf von drei Jahren seit dem Tag der Eintragungsanordnung von dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 882h Abs. 1 gelöscht.
(...)
(3) Abweichend von Absatz 1 wird eine Eintragung auf Anordnung des zentralen Vollstreckungsgerichts nach § 882h Abs. 1 gelöscht, wenn diesem
1. die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachgewiesen worden ist;
(...)
Karlsruhe, den 19. September 2025
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501