Der Bundesgerichtshof

Verkündungstermin am 31.07.2025, 8.45 Uhr, in Sachen I ZR 157/21 (Urheberrechtliche Zulässigkeit einer sogenannten „Cheat-Software“ (T: 27.10.2022) (Verkündung: 23.2.2023 - EuGH Vorlage) (Verhandlung: 27.3.25))

Datum: 31.07.2025
Akkreditierungsschluss: 30.07.2025 10:00 Uhr
Kameraöffentlichkeit: Ja

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Zulässigkeit des Vertriebs von Software zu entscheiden, die dem Nutzer die Manipulation des auf einer Spielkonsole ablaufenden Programms ermöglicht.

Sachverhalt:

Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin für ganz Europa Spielkonsolen und hierfür konzipierte Computerspiele. Bei den Beklagten zu 1 und 2 handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 ist Director der Beklagten zu 1 und 2. Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in deren Computerspielen umgehen, zum Beispiel die zeitliche Beschränkung der Verwendung eines "Turbos" oder die Freischaltung von weiteren Fahrern in einem Rennspiel. Die Softwareprodukte der Beklagten bewirken dies, indem sie Daten verändern, die von Spielen der Klägerin im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegt wurden. Die Klägerin rügt, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG darstelle.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und angenommen, es fehle an einer Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG. Die Software der Beklagten greife lediglich in den Ablauf der Computerspiele der Klägerin ein, indem sie die im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten verändere, nicht aber die Computerbefehle selbst. Der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms gehöre nicht zum Schutzgegenstand von § 69a UrhG.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 23. Februar 2023 (GRUR 2023, 577 - Action Replay) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 bis 3 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat über das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 17. Oktober 2024 (C-159/23) entschieden.

Der Bundesgerichtshof setzt die mündliche Verhandlung am 27. März 2025 fort.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 24. Januar 2012 - 310 O 199/10
OLG Hamburg - Urteil vom 7. Oktober 2021 - 5 U 23/12

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 1 Richtlinie 2009/24/EG

(1) Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff "Computerprogramm" auch das Entwurfsmaterial zu ihrer Vorbereitung.
(2) Der gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt.
[…]

Art. 4 Richtlinie 2009/24/EG

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 5 und 6 umfassen die Ausschließlichkeitsrechte des Rechtsinhabers im Sinne des Artikels 2 das Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten:
a) die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, eines Computerprogramms mit jedem Mittel und in jeder Form. Soweit das Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms eine Vervielfältigung erforderlich macht, bedürfen diese Handlungen der Zustimmung des Rechtsinhabers;
b) die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse, unbeschadet der Rechte der Person, die das Programm umarbeitet; […]

§ 69a Abs. 1 und 2 UrhG

(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt. […]

§ 69c Nr. 1 und 2 UrhG

Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten:
1.die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, eines Computerprogramms mit jedem Mittel und in jeder Form. Soweit das Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms eine Vervielfältigung erfordert, bedürfen diese Handlungen der Zustimmung des Rechtsinhabers;
2.die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse. Die Rechte derjenigen, die das Programm bearbeiten, bleiben unberührt; […]

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